L 6 U 15/05

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 6 U 261/02
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 15/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob ein Unfall des Klägers am 5. November 1982 als Arbeitsunfall anzuer-kennen und ihm deshalb aus der gesetzlichen Unfallversicherung eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 vom Hundert (vH) zu gewähren ist.

Der 1953 geborene Kläger wandte sich am 11. Dezember 2000 an die Beklagte und begehrte die Anerkennung und Entschädigung von 1977 bzw. 1982 erlittenen Un-fällen als Arbeitsunfälle. Am 5. November 1982 sei er zwischen 06.00 Uhr und 06.30 Uhr in Leuna (Landkreis Saalekreis) im Treppenhaus des Gebäudes, in dem sich auch seine Mietwohnung befunden habe, auf dem Weg zur Arbeit ausgerutscht. Dabei habe er sich eine Steißbeinprellung zugezogen; in ärztlicher Behandlung sei er deswegen nicht mehr (2, 5 ff. und 10 f. VA). Der Kläger fügte eine Bescheinigung seines damali-gen Arbeitgebers (Personennahverkehrsgesellschaft M. –Q. mbH) vom 7. De-zember 2000 bei, wonach er in den Zeiträumen vom 11. Juli 1977 bis zum 7. August 1977 bzw. vom 5. bis zum 14. November 1982 arbeitsunfähig gewesen sei. Beide Un-fälle seien in den vorhandenen Unterlagen mit "BU” (als Betriebsunfälle) gekennzeich-net.

Zur Feststellung und Bewertung der Unfallfolgen ließ die Beklagte den Chefarzt der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des C. -von-B. -Klinikums M. Dr. K. nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 16. Februar 2002 das Gut-achten vom 21. Februar 2002 erstellen. Gegenüber dem Sachverständigen gab der Kläger ergänzend an, er sei am 5. November 1982 im Treppenhaus zwischen der Wohnungs- und Haustür auf der Treppe ausgeglitten und auf dem Gesäß zehn Stufen hinabgerutscht. Bereits am 11. Juli 1977 sei er im Zusammenhang mit seiner damali-gen Tätigkeit als Möbelträger auf einer Treppe fehl getreten und über etwa zehn Stufen mit dem Gesäß die Stufen hinunter geglitten. Als Beschwerden schilderte der Kläger dem Sachverständigen belastungsabhängige Schmerzen im Bereich des Steißes, ins-besondere nach längerem Sitzen auf einem harten Untergrund, Sensibilitätsstörungen im Bereich der Langfinger beider Hände sowie Bewegungsschmerzen in beiden Ellen-bogengelenken, wobei letztere erst seit 1998 bestünden und ihm im Zusammenhang mit den zuvor genannten Unfallereignissen nicht erinnerlich seien. Dr. K. gelangte zu dem Ergebnis, dass keine Unfallfolgen nachweisbar seien. Die beim Kläger beste-hende Bandscheibendegeneration bei L5/S1 (zwischen dem fünften Lendenwirbelkör-per und dem Kreuzbein) sowie das Sulcus-ulnaris-Syndrom beiderseits (Beschwerden infolge Einengung des Ellennervs) seien unfallunabhängig entstanden. Im Hinblick auf eine Gewalteinwirkung im Bereich des Steißbeines betrage die MdE unter 10 vH.

Mit Bescheid über die Ablehnung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversiche-rung vom 23. April 2002 verweigerte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 5. November 1982 als Arbeitsunfall sowie die Erbringung von Leistungen. Man-gels Vorliegens einer bindenden Anerkennungsentscheidung der Sozialversicherung der DDR sei zu prüfen, ob der Unfall nach bundesdeutscher Rechtslage unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe. Da sich der Kläger zum Unfallzeitpunkt jedoch noch im Treppenhaus befunden habe, sei dies nicht der Fall. Denn bei Mehrfamilienhäusern beginne und ende der Versicherungsschutz an der Au-ßentür.

Mit weiterem Bescheid vom 23. April 2002 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 11. Juli 1977 in der Sache als Arbeitsunfall an und lehnte mangels messbarer MdE einen Rentenanspruch ab.

Am 2. Mai 2002 erhob der Kläger gegen die Ablehnung des Unfalls vom 5. November 1982 als Arbeitsunfall Widerspruch und machte geltend, dieser Unfall sei von seinem damaligen Betrieb sowie der Sozialversicherung der DDR als Wegeunfall anerkannt worden. Er habe sich auf dem Weg zur Arbeit ereignet; Versicherungsschutz habe sei-nerzeit an der Wohnungstür begonnen und geendet.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2002 wies die Beklagte den Wider-spruch unter Wiederholung und Vertiefung der im angefochtenen Bescheid gegebenen Begründung als unbegründet zurück.

Am 29. November 2002 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Halle Klage erhoben und vorgetragen, beim Unfall am 5. November 1982 habe er eine Kontusion (Prellung) der oberen Extremitäten erlitten, wie sich aus dem von ihm in Kopie vorgelegten Ein-trag der Diagnose-Nummer 923 im Sozialversicherungsausweis (SV-Ausweis) ergebe. Er habe den Unfall erst anzeigen können, nachdem sich in den Ellenbogenbereichen gesundheitliche Probleme eingestellt hätten und er sich 1998 und 1999 Neurolysen (operative Lösung einer Nerveneinengung) mit Ulnarisnervverlagerungen habe unter-ziehen müssen. Abgesehen davon sei der Unfall vom 5. November 1982 in der DDR als Arbeitsunfall anerkannt worden, so dass er nach Art. 19 Einigungsvertrag (EV), dem § 1150 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) als höherrangiges Recht vor-gehe, Bestandsschutz genieße.

Durch Anhörungsmitteilung vom 23. November 2004 unterrichtete das SG die Beteilig-ten von seiner Absicht, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden und gab ihnen Gelegenheit, sich hierzu bis zum 20. Dezember 2004 zu äußern. Der Sach-verhalt sei geklärt und besondere rechtliche Schwierigkeiten lägen ebenfalls nicht vor. Da der Kläger den Unfall vom 5. November 1982 einem ab dem 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Unfallversicherungsträger erst nach dem 31. Dezember 1993 angezeigt habe, sei auch ein Versicherungsschutz nach der RVO zu prüfen. Ein solcher sei nicht gegeben.

Mit Gerichtsbescheid vom 13. Januar 2005 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Ob der Unfall vom 5. November 1982 nach dem Recht der DDR als Arbeitsunfall anerkannt worden sei, sei unerheblich. Denn wegen seiner Anzeige erst im Dezember 2000 sei zusätzlich ein Versicherungsschutz nach der RVO, die ebenso wie Art. 19 EV im Rang einfachen Bundesrechts stehe, erforder-lich. Ein solcher Versicherungsschutz sei deshalb nicht gegeben, weil der Unfall im Treppenhaus und damit noch im häuslichen Bereich geschehen sei.

Gegen den am 29. Januar 2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 31. Januar 2005 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und wei-terhin geltend gemacht, Verwaltungsakte der DDR über die Anerkennung von Arbeits-unfällen genössen nach Art. 19 EV Bestandsschutz. Soweit das SG meine, beim EV handele es sich um einfaches Recht, verkenne es dessen Qualität als Völkerrecht. Ab-gesehen davon sei der Weg durch das Treppenhaus eines Mietshauses auch nach der RVO versichert. Schließlich habe das SG den Unfall vom 11. Juli 1977 nicht weiter zur Kenntnis genommen. Im Übrigen habe es auch nicht durch Gerichtsbescheid entschei-den dürfen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 13. Januar 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 20. November 2002 aufzuheben, festzustellen, dass das Ereignis am 5. November 1982 ein Arbeitsunfall war, und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 1. Oktober 1998 an eine Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 vH zu gewähren.

Die Beklagten beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die aus ihrer Sicht zutreffende Entscheidung des SG.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteilig-ten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündli-chen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.

Entscheidungsgründe:

I. Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthafte, form- und fristgerecht erho-bene (§ 151 Abs. 1 SGG) sowie auch ansonsten zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat sein Begehren, welches er gemäß den §§ 54 Abs. 1 und 4, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässigerweise als kombinierte Anfechtungs-, Feststellungs- und Leistungsklage verfolgen kann, im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 23. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2002 ist nicht zu beanstanden und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG), weil er gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 5. November 1982 als Arbeitsunfall noch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 vH hat. Der gel-tend gemachte Unfall war nämlich kein Arbeitsunfall, so dass die Grundlage für einen Anspruch auf Verletztenrente entfällt.

1. Insbesondere ist die Klage auch im Hinblick auf die Gewährung einer Verletztenren-te zulässig. Denn zwar fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für eine Leis-tungsklage in der Regel, wenn der Unfallversicherungsträger jedwede Entschädigung schon deshalb abgelehnt hat, weil nach seiner Auffassung kein Versicherungsfall (hier Arbeitsunfall) vorliege (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 7. September 2004 – B 2 U 46/03 RSozR 4-2700 § 2 Nr. 3; Urteil vom 20. März 2007 – B 2 U 19/06 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 23, m.w.N.). Allerdings hat die Beklagte den angefochtenen Be-scheid vom 23. April 2002 nicht nur ausdrücklich als Bescheid über die Ablehnung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bezeichnet und in zwei getrennten Verfügungssätzen sowohl über die Anerkennung des Ereignisses vom 5. November 1982 als Arbeitsunfall als auch über die Erbringung von Leistungen aus der gesetzli-chen Unfallversicherung entschieden. Vielmehr hat sie im Verwaltungsverfahren auch die Prüfung und Bewertung der MdE veranlasst und vorgenommen (insbesondere auch im Hinblick auf den mit Bescheid vom 23. April 2002 anerkannten Arbeitsunfall vom 11. Juli 1977). Bei dieser Sachlage konnte für einen verständigen Empfänger des Bescheides kein Zweifel bestehen, dass die Beklagte nicht allein über das Vorliegen eines Arbeitsunfalls entscheiden wollte und der zweite Verfügungssatz nicht nur allge-mein die Folgerungen beschreiben sollte, die sich aus der Nichtanerkennung eines Arbeitsunfalls ergeben (näher zur Auslegung des Verfügungssatzes in entsprechenden Konstellationen, BSG, Urteil vom 16. November 2005 – B 2 U 28/04 R – juris).

2. Was zunächst die Rüge des Klägers betreffend die Entscheidung des SG durch Ge-richtsbescheid anbelangt, so greift diese nicht durch. Denn das SG hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG weder ermessensfehlerhaft bejaht noch die Beteiligten unzureichend angehört (§ 105 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Sachver-halt ist im Sinne dieser Norm geklärt, wenn sich dem Gericht aufgrund seiner Amtser-mittlungspflicht nach § 103 SGG keine weiteren Ermittlungen aufdrängen, wenn also keine entscheidungserheblichen Tatsachen offen bleiben (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Leitherer/Keller, SGG, 9. Aufl. 2008, § 105 Rn. 7). Dass hier entscheidungsre-levante tatsächliche Umstände ungeklärt geblieben sind, behauptet der Kläger selbst nicht. Auch besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten der Sache i.S.v. § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG sind nicht ersichtlich. Bei der Frage, ob ein schwieriger Fall vorliegt, steht dem SG ein Beurteilungsspielraum zu, der nur hinsichtlich einer Grenz-überschreitung der Überprüfung unterliegt. Als überdurchschnittlich schwierig anzuse-hen ist die Streitsache, wenn der Sachverhalt unübersichtlich ist oder eine umfangrei-che Beweisaufnahme erforderlich wird bzw. wenn die Sache komplizierte Rechtsfragen aufwirft, die höchstrichterlich noch nicht entschieden sind (siehe nochmals Leitherer, a.a.O., Rn. 6). Hier liegt weder ein unübersichtlicher Sachverhalt mit umfangreicher Beweisaufnahme vor noch wirft dieser ungeklärte Rechtsfragen auf. Vielmehr ist zu allen streitrelevanten Normen eine umfangreiche Rechtsprechung vorhanden (siehe nachfolgend). Schließlich ist zur Überzeugung des Senats auch die vor Erlass eines Gerichtsbescheides gemäß § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG gebotene Anhörung nicht zu beanstanden. Das SG hat in seiner Verfügung vom 23. November 2004 unfangreich auf die entscheidungserheblichen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte hin-gewiesen und den Beteiligten eine angemessene Frist zur Stellungnahme (vgl. hierzu nochmals Leitherer, a.a.O., Rn. 12) gesetzt, von der diese keinen Gebrauch gemacht haben. Denn der Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 20. De-zember 2004 bezieht sich nicht auf dieses Anhörungsschreiben und betrifft auch nicht dessen Inhalt.

3. Anzuwenden sind vorliegend noch die vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozial-gesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) am 1. Januar 1997 geltenden Vorschriften, da der vorliegende Unfall bereits vor diesem Zeitpunkt geschehen war (vgl. Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 7. August 1996, BGBl. I 1996, 1254; §§ 212 ff. SGB VII). Nach § 215 Abs. 1 SGB VII ist für die Übernahme der vor dem 1. Januar 1992 (in der DDR) eingetretenen Unfälle als Arbeitsunfälle nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung § 1150 Abs. 2 und 3 RVO weiter, also über das Inkrafttreten des SGB VII hinaus, anzuwenden. Gemäß § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO in der bis zum 31. Dezember 1996 gültigen Fassung gelten Arbeitsunfälle, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle im Sinne des Dritten Buches der RVO. Dies gilt nicht für Arbeitsunfälle, die einem ab dem 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt werden und die nach dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen wären (§ 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO). Diese Vorschrift ist hier ein-schlägig, weil der Beklagten der Unfall vom 5. November 1982 erst am 11. Dezember 2000 bekannt geworden ist. Anhaltspunkte für einen früheren Zeitpunkt sind weder ersichtlich noch vom Kläger behauptet. Soweit er sich darauf beruft, dass gesundheitli-che Probleme im Bereich der Ellenbogen erst in den Jahren 1998 und 1999 aufgetre-ten und behandelt worden seien, ist dies unerheblich. Denn dieser Umstand hat der Möglichkeit einer Anzeige des Unfalls von vornherein nicht entgegen gestanden. Über-dies enthält § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO keine Antrags-, sondern eine gesetzliche Ausschlussfrist, bei der das Bekanntwerden ein rein tatsächliches Geschehen beim zuständigen Unfallversicherungsträger bezeichnet (BSG, Urteil vom 26. Juni 2001 – B 2 U 31/00 R – juris, m.w.N.).

Grundvoraussetzung der geltend gemachten Ansprüche ist demnach, dass das Ereig-nis vom 5. November 1982 die Merkmale eines Arbeitsunfalls sowohl nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht als auch nach der RVO erfüllt (ständige Rechtspre-chung des BSG, siehe nur Urteil vom 4. Dezember 2001 – B 2 U 35/00 R – SozR 3-8440 Nr. 50 Nr. 1 oder Urteil vom 18. August 2004 – B 8 KN 1/03 U R – SozR 4-5670 Anl. 1 Nr. 2402 Nr. 1; vgl. auch Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Herstel-lung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung, BT-Drucks. 12/405, S. 116). Diese parallele Prüfung gilt für alle in der DDR eingetretenen Versi-cherungsfälle (Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten) und insbesondere auch ange-sichts etwaiger bestandskräftiger Anerkennungsbescheide i.S.v. Art. 19 Satz 1 EV (BGBl. II 889 [1239]). Denn irgendwelche Einschränkungen in dieser Hinsicht sind § 1150 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RVO nicht zu entnehmen (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 10. Oktober 2002 – B 2 U 10/02 R – juris; Urteil vom 26. Juni 2001 – B 2 U 31/00 R – juris; Urteil vom 19. Dezember 2000 – B 2 U 8/00 RSozR 3-2200 § 1150 Nr. 4). Die-se Norm ist im Verhältnis zum EV auch kein unterrangiges Recht, wie der Kläger meint. Jedenfalls seit dem 3. Oktober 1990 (Wirksamwerden des Beitritts) gilt der EV in der BRD nämlich nicht als Regelung des zwischenstaatlichen Rechts (Völkerrechts), sondern ausschließlich als in Bezug genommener Inhalt des Zustimmungsgesetzes (Einigungsvertragsgesetz, BGBl II, 885). Denn die DDR ist als Staats- und Völker-rechtssubjekt mit Ablauf des 2. Oktober 1990 vollständig und ersatzlos untergegangen; dasselbe gilt für ihre Rechtsvorschriften und die sich daraus ergebenden Rechte, An-sprüche und Anwartschaften, soweit Bundesrecht mit Geltung ab dem 3. Oktober 1990 sie nicht zu (sekundärem) Bundes- oder Landesrecht erhoben hat (ständige Recht-sprechung des BSG, siehe statt aller nur Urteil vom 31. Juli 1997 – 4 RA 35/97BSGE 81, 1 ff.; siehe auch BVerfG, Urteil vom 24. April 1991 – 1 BvR 1341/90BVerfGE 84, 133 147). Mit dem Wegfall des Vertragspartners DDR hat der EV seine Qualität als völkerrechtlicher Vertrag ohne weiteres verloren (Konfusion). Die Vertrags-partner haben deshalb hierfür in Art. 45 Abs. 2 EV für die Zeit ab dem 3. Oktober 1990 selbst die Fortgeltung des EV als einfaches Bundesrecht bestimmt. Im Übrigen konnte das Einigungsvertragsgesetz als einfaches Bundesgesetz den von ihm in das Bundes-recht transformierten Regelungen des EV nur den Rang eines einfachen Bundesgeset-zes vermitteln (BSG, Urteil vom 14. Juni 1995 – 4 RA 41/94BSGE 76, 136, m.w.N.).

a) Gemessen hieran kann dahinstehen, ob der Unfall vom 5. November 1982 nach dem Recht der DDR als Arbeitsunfall zu werten wäre (siehe hierzu § 220 Abs. 1 und 2 Arbeitsgesetzbuch der DDR vom 16. Juni 1977 (AGB), GBl. I Nr. 18, 185), zumal in-soweit ein bindender Verwaltungsakt gerade nicht erkennbar ist. Insbesondere kann er weder aus der Bescheinigung des damaligen Arbeitgebers des Klägers vom 7. De-zember 2000 noch aus dem von der Betriebspoliklinik Leuna vorgenommenen Eintrag der Diagnose-Nummer 923 in den SV-Ausweis entnommen werden, die nach der in der Zeit von 1979 bis 1997 gültigen ICD-9 eine Prellung der oberen Extremitäten be-zeichnete (siehe Neunte Revision der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO aus dem Jahre 1979, vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) ins Deutsche übertragen, herausgegeben und weiterentwickelt, abrufbar unter: http://www.dimdi.de). Denn sowohl der Arbeitgeber als auch eine Poliklinik waren keine Verwaltungsbehörden im Sinne des DDR-Rechts. Die Entscheidung, ob ein Arbeitsun-fall vorliegt, hatte gemäß § 222 AGB vielmehr die Betriebsgewerkschaftsleitung bzw. die Verwaltung der Sozialversicherung beim Kreisvorstand des FDGB zu treffen. Dass hier zu irgendeiner Zeit die Entscheidung einer solchen Stelle vorlag, hat der Kläger selbst nicht vorgetragen.

b) Denn jedenfalls scheidet nach der RVO eine Anerkennung des strittigen Unfalls als Arbeitsunfall aus. Nach § 548 Abs. 1 RVO ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den eine ver-sicherte Person bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tä-tigkeiten (versicherte Tätigkeit) erleidet. Ein Unfall ist ein zeitlich begrenztes, von au-ßen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt – so die heutige Legaldefinition in § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, die auf die Jahrzehnte alte Definition in Rechtsprechung und Literatur zurückgeht (siehe BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 1/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 17, m.w.N.). Als Arbeitsunfall gilt auch ein Unfall auf einem mit einer der in den §§ 539, 540 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 550 Abs. 1 RVO; nunmehr § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist erforderlich, dass die Verrichtung, die der Versicherte zur Zeit des Unfalls ausübt, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (sachlicher bzw. innerer Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem von außen auf den Körper wirkenden Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass dieses Unfallereignis einen Gesund-heits(erst)schaden verursacht hat (siehe etwa BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 11/04 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 14, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 17 oder Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 24/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 18).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Zwar mögen die Unfallkausalität zwischen dem Ausrutschen des Klägers auf der Treppe am 5. November 1982 und seinem Sturz als Unfallereignis sowie die haftungsbegründende Kausalität zwischen diesem Sturz und einer Prellung der oberen Extremitäten als Gesundheits(erst)-schaden gegeben sein. Unter dem Blickwinkel des Zurücklegens eines Weges nach der Arbeitsstätte fehlt es jedoch an einer nach den §§ 539 Abs. 1 Nr. 1, 550 Abs. 1 RVO versicherten Tätigkeit. Denn im Rahmen des § 550 Abs. 1 RVO kommt es für die Abgrenzung des versicherten Bereichs auf Wegen nach und von dem Ort der Tätigkeit beim Verlassen und Betreten der Wohnung in Mehrfamilienhäusern gegenüber dem unversicherten häuslichen Bereich für den Beginn und das Ende des Versicherungs-schutzes entscheidend auf die Außentür des Gebäudes, in dem der Versicherte wohnt, an. Bei dieser auf objektive Merkmale gegründeten klaren Grenzziehung zur Bestim-mung des unversicherten räumlichen Bereichs des Versicherten hat sich das BSG seit Jahrzehnten ausschlaggebend von dem Streben nach Rechtssicherheit, Vermeidung von Beweisschwierigkeiten sowie möglichst einheitlicher Rechtsauslegung leiten las-sen (ständige Rechtsprechung, siehe nur Urteil vom 13. März 1956 – 2 RU 124/54BSGE 2, 239; Urteil vom 30. September 1964 – 2 RU 221/60BSGE 22, 10 oder Ur-teil vom 2. Juli 1996 – 2 RU 34/95SozR 3-2200 § 550 Nr. 15, m.w.N.). Dem schließt sich der Senat an. Anknüpfend hieran stand der Kläger bei seinem Sturz am 5. Novem-ber 1982, der sich unstrittig zwischen seiner Wohnungs- und der Haustür im Treppen-haus als häuslichem Bereich ereignete, noch nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Da das Ereignis vom 11. November 1982 nach alledem nicht als Arbeitsunfall festge-stellt werden kann und sich damit die Frage nach einem etwaigen Anspruch auf Ver-letztenrente (siehe hierzu die §§ 215 Abs. 6, 56 Abs. 1 und 2 SGB VII) schon nicht mehr stellt, konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

III. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).

gez. Eyrich gez. Dr. Mecke gez. Dr. Ulrich
Rechtskraft
Aus
Saved