Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 2873/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 842/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 22. August 2007 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klägerinnen als Gesamtschuldner die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen. Die Klägerinnen tragen als Gesamtschuldner auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert für beide Rechtszüge wird endgültig auf EUR 3.860,14 festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerinnen erheben als Töchter und Erbinnen ihres am 1918 geborenen und am 2003 während eines ersten Berufungsverfahrens verstorbenen Vaters K. G. (im Folgenden: Versicherter) Anspruch auf Erstattung der Kosten einer laserinduzierten interstitiellen Thermotherapie (LITT) in Höhe von EUR 3.860,14.
Der Versicherte war Mitglied der Beklagten. Im Februar 2001 wurde eine bösartige Neubildung des Dickdarms diagnostiziert. Ab 23. Februar 2001 hielt er sich stationär in der Kreisklinik A. Innere Abteilung - auf (Arztbrief Chefarzt Dr. K. vom 01. März 2001). Am 05. März 2001 wurde bei der Operation in der Chirurgischen Abteilung desselben Krankenhauses eine Lebermetastase festgestellt. Die Behandlung endete am 16. März 2001. Eine Laserbehandlung wurde empfohlen (undatierter vorläufiger Arztbrief der Kreisklinik A.).
Am 09. April 2001 ging bei der Beklagten das Anschreiben des Chefarztes der Chirurgischen Abteilung Dr. F. vom 04. April 2001 ein, bei dem Versicherten bestehe eine sehr gute Indikation für die LITT einer Lebereinzelmetastase. Ein chirurgischer Eingriff zur Metastasenentfernung würde ein sehr hohes Risiko bedeuten. In dem angestrebten LITT-Verfahren sei ein Vorteil für den Kostenträger und für den Patienten zu sehen. Das Zentrum der Radiologie/Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie des Klinikums der J.-W.-G.-Universität F. a. M. übersandte der Beklagten das Schreiben vom 06. April 2001, mit welchem es nochmals die Indikation für die LITT beim Versicherten wiederholte, das Verfahren (mit zahlreichen Literaturhinweisen) beschrieb sowie darauf hinwies, dass zahlreiche Krankenkassen bereits im Rahmen von Einzelfallentscheidungen die Kosten der ambulanten Behandlung übernommen hätten.
Der Versicherte befand sich am 10. und 11. April 2001 in ambulanter Behandlung des Universitätsklinikums, bei der am 10. April 2001 die LITT durchgeführt wurde. Die Rechnung über diese ambulante Behandlung vom 07. Mai 2001 lautete auf DM 7.549,81 (umgerechnet jetzt EUR 3.860,14).
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg in H. (Dr. L.) das sozialmedizinische Gutachten vom 20. April 2001. Es fänden sich bisher keine Hinweise, ob von Seiten der Chirurgen die Metastase als nicht resektabel eingestuft worden sei. Ein chirurgischer Eingriff sei nur als sehr hohes Risiko bezeichnet worden. Die LITT sei hinsichtlich Qualität und Wirksamkeit noch nicht hinreichend belegt. Die Methode müsse derzeit noch als experimentell oder der klinischen Forschung zugehörig eingestuft werden. Die Tatsache, dass Professor Dr. V. vom Universitätsklinikum F. die Methode seit 1993 routinemäßig anwende, könne nicht als wissenschaftlicher Beleg angesehen werden. Bisher seien nur Tierversuche bekannt.
Durch Bescheid vom 04. Mai 2001 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab. Nach den im Gutachten des MDK dargelegten Grundsätzen dürfe eine Kostenübernahme nicht erfolgen. Der Versicherte erhob Widerspruch. Es gebe bereits eine umfangreiche Literatur zur begehrten Behandlung. Die Universitätsklinik F. habe bislang über 2000 Tumoren behandelt, hiervon zu 95 v.H. solche der Leber. Zahlreiche andere gesetzliche Krankenkassen sowie sämtliche Privatkassen würden die begehrte Behandlung übernehmen, was nur dadurch erklärbar sei, dass die medizinische Indikation gesichert sei. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 04. September 2001. An der Stellungnahme des MDK vom 20. April 2001 sei festzuhalten. Dass andere Kassen sich an den Aufwendungen beteiligen würden, bleibe unerheblich.
Das anschließende Klageverfahren beim Sozialgericht Reutlingen (SG) S 4 KR 2545/01 endete durch ein klagabweisendes Urteil vom 26. Juli 2002. Die hiergegen zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung L 4 KR 3847/02 wurde am 27. Oktober 2003 zurückgenommen.
Ausgangspunkt dieses Verfahrens ist der am 23. Dezember 2005 eingegangene Antrag der Klägerinnen, das abgeschlossene Verfahren "wiederaufzunehmen". Nunmehr habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) durch Beschluss vom 06. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - (SozR 4 2500 § 27 Nr. 5) entschieden, dass es mit den Grundrechten nicht vereinbar sei, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung stehe, von der Leistung einer von ihm gewählten ärztlichen Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe. Diese Voraussetzungen seien hier, gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe, zu prüfen. Auf die förmliche Anerkennung einer Behandlungsmethode dürfe es nicht ankommen.
Die Beklagte erteilte den ablehnenden Bescheid vom 02. Januar 2006. Für eine Wiederaufnahme des Verfahrens werde keine Grundlage gesehen. Die vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Für die Behandlung von Lebermetastasen stünden schulmedizinische Behandlungsmethoden zur Verfügung. Im Übrigen sei die therapeutische Wirksamkeit der LITT weiterhin äußerst zweifelhaft. Ein Behandlungserfolg im konkreten Einzelfall lasse sich nicht nachweisen. Inzwischen sei die Methode durch Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 18. Oktober 2005 in die Anlage B der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung), zuvor Richtlinie zur Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinie) aufgenommen worden. Den Widerspruch hiergegen wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2006 zurück. Eine Kostenerstattung sei nicht möglich. Auf die Ausführungen im früheren Widerspruchsbescheid vom 04. September 2001 werde Bezug genommen.
Hiergegen erhoben die Klägerinnen am 04. August 2006 Klage zum SG. Eine bereits am 19. Januar 2006 erhobene Restitutionsklage (S 1 KR 239/06) nahmen sie im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22. August 2007 zurück. Zur Begründung der Klage wegen der Zugunstenentscheidung trugen sie vor, aufgrund der vom BVerfG aufgestellten Grundsätze sei ein Systemversagen zu prüfen. Hierbei komme es auf eine förmliche Beschlussfassung des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht mehr an. Es möge zwar richtig sein, dass für die Behandlung von Lebermetastasen schulmedizinische Behandlungsmethoden zur Verfügung gestanden hätten. Insoweit sei aber eine medizinische Ausschlussdiagnose gestellt worden. Einer Resektion ebenso wie einer Chemotherapie hätten das hohe Lebensalter des Versicherten und darüber hinaus Begleiterkrankungen, insbesondere ein Herzleiden, entgegengestanden. Einen operativen Eingriff hätte der Versicherte ohne Zweifel nicht überlebt. Sich auf schulmedizinische Behandlung zu berufen, sei der Beklagten nach der Entscheidung des BVerfG jetzt eindeutig untersagt. Der Versicherte habe nach dem hier streitigen Eingriff noch eine Auffrischung seiner Lebensqualität ungeahnter Güte erfahren und habe annähernd zwei Jahre noch gelebt. Die Behandlungsmethode erfreue sich zunehmender Beliebtheit und werde, wie bereits dargelegt, von zahlreichen Krankenkassen, insbesondere auch privaten Versicherungen übernommen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Es sei zu rügen, dass der Versicherte die Behandlung bereits in Anspruch genommen habe, bevor die Beklagte über den Antrag habe entscheiden können. Im Übrigen hätten vorliegend die etablierten schulmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden. Es sei nicht belegt, dass der Versicherte den ärztlichen Eingriff ohne Zweifel nicht überlebt hätte. Es habe bisher keinen Nachweis eines therapeutischen oder palliativen Nutzens der LITT gegeben. Das Verfahren beinhalte zudem erhebliche Risiken mit schwerwiegenden bis hin zu tödlichen Komplikationen. Die vom BVerfG aufgestellten Kriterien müssten eher eng ausgelegt und strikt eingehalten werden. Eine Überlegenheit der LITT gegenüber den anderen Therapieoptionen habe sich weder aus dem Bericht des Gemeinsamen Bundesausschusses zur LITT vom 04. November 2005 noch den ihm beigefügten Anlagen ergeben. Nebenwirkungen bis hin zu einzelnen Todesfällen seien festgestellt worden. Insbesondere sei fraglich, dass die Behandlung ambulant durchgeführt worden sei, da hier eine stationäre Unterbringung angezeigt gewesen wäre.
Durch Urteil vom 22. August 2007 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, es könne dahingestellt bleiben, dass der Versicherte die Behandlung bereits am 10. April 2001 und damit vor der Entscheidung der Beklagten habe durchführen lassen. Jedenfalls setzten die Kriterien des BVerfG voraus, dass eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe. Hieran fehle es, nachdem die LITT durch Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 18. Oktober 2005 den nicht anerkannten Methoden der Anlage B der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung zugewiesen worden sei. Es sei auch nicht feststellbar, wie der Verlauf andernfalls tatsächlich gewesen wäre.
Gegen das am 16. Januar 2008 zugestellte Urteil haben die Klägerinnen am 13. Februar 2008 beim SG Berufung eingelegt. Das SG habe nicht aufgeklärt, ob eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestanden habe. Es habe sich auf die allgemeinen und generalisierenden Erkenntnisse des Gemeinsamen Bundesausschusses im Beschluss vom 18. Oktober 2005 und vom 04. November 2005 gestützt und sich jeglicher konkreter auf den Versicherten bezogener Feststellungen über den Verlauf der Krankheit ohne die Durchführung von LITT enthalten. Die behandelnden Ärzte müssten gehört werden. Dass die zitierten positiven Voraussetzungen nicht aufgeklärt worden seien, habe das SG unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verkannt. Der behandelnde Arzt des Klinikums A. habe angesichts des Lebensalters des Versicherten und der Nebenerkrankungen dringend von einer chemischen oder chirurgischen Behandlung abgeraten. Es sei nochmals zu betonen, dass der Versicherte noch etwa zwei Jahre weitergelebt habe. Im Übrigen sei ein Zuwarten bis zur Bescheidung unzumutbar gewesen. Auch sei bei einer Antragstellung eine positive Antwort der Beklagten nicht zu erwarten gewesen.
Die Klägerinnen beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 22. August 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 02. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Juli 2006 zu verurteilen, den Bescheid vom 04. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04. September 2001 zurückzunehmen und ihnen als Rechtsnachfolgerinnen des K. G. EUR 3.860,14 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihre bisherigen Darlegungen und hält die ablehnenden Entscheidungen für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten, der zitierten weiteren Gerichtsakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerinnen, die als Erbinnen des Versicherten (§ 58 Satz 1 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB - i. V. mit den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -) eine Geldleistung der Beklagten begehren, worüber der Senat im Einverständnis beider Beteiligter durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) entschieden hat, hat in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 22. August 2007 zutreffend entschieden, dass die Beklagte in dem im Wege des Zugunstenverfahrens nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) ergangenen Bescheid vom 02. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Juli 2006 die Rücknahme des Bescheids vom 04. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04. September 2001 sowie die Erstattung von Kosten für die Behandlung und Operation in der Universitätsklinik F. a. M. in Höhe von EUR 3.860,14 zu Recht abgelehnt hat. Die geltend gemachten Kosten sind nicht dadurch entstanden, dass die Beklagte eine Leistung abgelehnt hat oder eine unaufschiebbare Leistung nicht erbringen konnte.
Anspruchsgrundlage für die von den Klägerinnen begehrte Rücknahme des Bescheids der Beklagten vom 04. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04. September 2001 ist § 44 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben, weil die Klägerinnen keinen Anspruch auf Kostenerstattung haben.
Da der Versicherte nicht nach § 13 Abs. 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung gewählt hatte, kommt als Anspruchsgrundlage für einen Kostenerstattungsanspruch nur § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Nach ständiger Rechtsprechung reicht der in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. Bundessozialgericht BSG - BSGE 79, 125 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 11; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 12; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 12). Ist das Tatbestandsmerkmal der rechtwidrigen Ablehnung der begehrten Leistung zu verneinen, bedarf es keiner Entscheidung, ob der Ausschluss der Leistung aus materiellen Gründen rechtswidrig oder auch verfassungswidrig ist.
Es fehlt hier an der Voraussetzung, dass dem Versicherten dadurch Kosten entstanden sind, dass die Beklagte die Leistung abgelehnt hat. Ein auf die Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch scheidet nach ständiger Rechtsprechung aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne die Krankenkasse einzuschalten und deren Entscheidung abzuwarten. § 13 Abs. 3 SGB V soll einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall gewähren, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann. Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen. Daran fehlt es, wenn die Kasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. SozR 3-2500 § 13 Nr. 15; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 8; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 12). Dieses Verfahren ist entgegen früherer Andeutung (vgl. BSG SozR 3-2500 § 34 Nr. 2) auch zu fordern in Fällen, in denen von vornherein feststand, dass eine durch Gesetz oder Verordnung von der Versorgung ausgeschlossene Sachleistung verweigert werden würde und sich der Versicherte dadurch gezwungen gesehen hat, die Leistung selbst zu beschaffen (vgl. jetzt eingehend BSGE 98, 26 unter Hinweis auf die - hier nicht einschlägige - Besonderheit der Verschreibung nicht zum Leistungskatalog gehörender Arzneimittelverordnungen auf Privatrezept). Nur bei einer Vorabprüfung können die Krankenkassen ihre - Gesundheitsgefahren und wirtschaftlichen Risiken vorbeugenden - Beratungsaufgaben erfüllen, die Versicherten vor dem Risiko der Beschaffung nicht zum Leistungskatalog gehörender Leistungen zu schützen und ggf. aufzeigen, welche Leistungen an Stelle der begehrten in Betracht kommen. Die Beklagte wurde hier erstmals bei Einreichung des sinngemäß als Antrag auszulegenden Schreibens des Chefarztes Dr. F. vom 04. April 2001 am Montag, 09. April 2001 mit dem Leistungsbegehren befasst, dessen Kosten mit der im Übrigen bereits feststehenden Behandlung am 10. April 2001 entstanden. Eine vorherige Kontaktaufnahme mit einer Geschäftsstelle der Beklagten ist den Akten nicht zu entnehmen und auch nicht behauptet worden. Deshalb liegt auch der Ausnahmefall eines so genannten Systemversagens, dass nämlich eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann (vgl. BSG SozR 4-2500 § 13 Nr. 1 und SozR 4-2500 § 95b Nr. 1), nicht vor. Denn ein Versicherter, der nicht zugelassene Leistungserbringer in Anspruch nehmen will, ist ebenfalls gehalten, vor Beginn der Behandlung sich mit der Krankenkasse nach den in Betracht kommenden Behandlungsmöglichkeiten im Rahmen des vertragsärztlichen Systems zu erkundigen, um so der Krankenkasse Gelegenheit zu geben, ihm Behandlungsalternativen aufzuzeigen (BSG, a.a.O.).
Mithin ist der erhobene Anspruch bereits aus diesen Gründen ausgeschlossen; eines Eingehens auf die medizinische Problematik als solche im Weiteren bedarf es nicht.
Die begehrte Leistung war auch nicht unaufschiebbar im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB V. Eine Leistung ist unaufschiebbar, wenn eine Leistungserbringung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs bis zu einer Entscheidung der Krankenkasse mehr besteht. Die medizinische Dringlichkeit ist indessen nicht allein ausschlaggebend. Denn für die erste Fallgruppe wird neben der Unaufschiebbarkeit vorausgesetzt, dass die Krankenkasse die in Rede stehenden Leistungen nicht rechtzeitig erbringen konnte. Davon kann im Regelfall nur ausgegangen werden, wenn sie mit dem Leistungsbegehren konfrontiert war und sich dabei ihr Unvermögen herausgestellt hat. Nur da, wo eine vorherige Einschaltung der Krankenkasse vom Versicherten nach den Umständen des Falles nicht verlangt werden konnte, darf die Unfähigkeit zur rechtzeitigen Leistungserbringung unterstellt werden (BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 22; BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 15). Dies kann hier nicht bejaht werden. Die LITT-Behandlung im Universitätsklinikum F. bei Prof. Dr. V. wurde bereits im (undatierten) vorläufigen Arztbrief nach Ende der stationären Behandlung in der Kreisklinik A. am 16. März 2001, also fast 4 Wochen vor dem 10. April 2001 empfohlen. Die Beklagte wäre, wie vorliegender Ablauf zeigt, innerhalb dieses Zeitraums zu einer Prüfung und Entscheidung in der Lage und bereit gewesen.
Es hat auch kein Notfall im Sinne von § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V vorgelegen. Ein Notfall liegt nur dann vor, wenn ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden muss und ein fachlich zuständiger Vertragsarzt nicht in der gebotenen Eile herbeigerufen oder aufgesucht werden kann (vgl. BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 9; BSGE 98, 26). Behandlungsbedürftigkeit mit der Erforderlichkeit baldiger Entscheidung bedingt noch keine Behandlungsdringlichkeit in diesem Sinne. Es wäre nicht aus medizinischen Gründen nicht mehr möglich oder zumutbar gewesen, vor Inanspruchnahme der hier streitigen Leistungen eine Entscheidung herbeizuführen. Im Übrigen hätten, wenn ein Notfall vorläge, unmittelbar mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung oder der Beklagten abgerechnet werden müssen und dem Versicherten selbst keine Rechnungen über durchgeführte Notfallbehandlungen gestellt werden dürfen (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 9/05 R - mwN; Beschluss vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 114/06 B -; beide veröffentlicht in juris).
Ein Kostenerstattungsanspruch besteht schließlich auch nicht deshalb, weil die Krankenkasse dadurch, dass der Versicherte Leistungen außerhalb des Leistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen hat, vermeintlich Aufwendungen anderer Art erspart hat. Denn sonst könnte die krankenversicherungsrechtliche Beschränkung auf bestimmte Formen der Leistungserbringung letztlich durch den Anspruch auf (teilweise) Kostenerstattung ohne Weiteres durchbrochen werden (BSG, Beschluss vom 26. Juli 2004 - B 1 KR 30/04 B -, veröffentlicht in juris).
Da der Anspruch auf Kostenerstattung bereits aus den dargelegten Gründen nicht besteht, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob die Voraussetzungen einer ausnahmsweise bestehenden Leistungspflicht der Beklagten unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG (SozR 4-2500 § 27 Nr. 5) besteht (vgl. zur LITT-Behandlung auch BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 12).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 2, 159 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Nach § 197a Abs. 1 SGG in der seit 02. Januar 2002 gültigen Fassung sind für das vorliegende Berufungsverfahren L 4 KR 842/08 und auch für das Klageverfahren S 1 KR 2873/06 Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) zu erheben. Denn weder die Klägerinnen/Berufungsklägerinnen noch die Beklagte/Berufungsbeklagte sind Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 SGB I. Das SG hat im angefochtenen Urteil nur nach § 193 SGG über die außergerichtlichen Kosten, nicht aber über die Gerichtskosten entschieden. Da die Monatsfrist des § 140 SGG abgelaufen ist, kann das Urteil des SG nicht ergänzt werden. Die unterbliebene Entscheidung über die Gerichtskosten erster Instanz kann durch den Senat nachgeholt werden (vgl. BSG SozR 3-1500 § 140 Nr. 2).
Die endgültige Festsetzung des Streitwerts für beide Rechtszüge beruht auf §§ 63 Abs. 2 und 3, 52 Abs. 1 und 3, 47 Abs. 1 GKG. Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG). Im Streit stand eine Erstattungsforderung in Höhe von EUR 3.860,14.
Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass.
Der Streitwert für beide Rechtszüge wird endgültig auf EUR 3.860,14 festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerinnen erheben als Töchter und Erbinnen ihres am 1918 geborenen und am 2003 während eines ersten Berufungsverfahrens verstorbenen Vaters K. G. (im Folgenden: Versicherter) Anspruch auf Erstattung der Kosten einer laserinduzierten interstitiellen Thermotherapie (LITT) in Höhe von EUR 3.860,14.
Der Versicherte war Mitglied der Beklagten. Im Februar 2001 wurde eine bösartige Neubildung des Dickdarms diagnostiziert. Ab 23. Februar 2001 hielt er sich stationär in der Kreisklinik A. Innere Abteilung - auf (Arztbrief Chefarzt Dr. K. vom 01. März 2001). Am 05. März 2001 wurde bei der Operation in der Chirurgischen Abteilung desselben Krankenhauses eine Lebermetastase festgestellt. Die Behandlung endete am 16. März 2001. Eine Laserbehandlung wurde empfohlen (undatierter vorläufiger Arztbrief der Kreisklinik A.).
Am 09. April 2001 ging bei der Beklagten das Anschreiben des Chefarztes der Chirurgischen Abteilung Dr. F. vom 04. April 2001 ein, bei dem Versicherten bestehe eine sehr gute Indikation für die LITT einer Lebereinzelmetastase. Ein chirurgischer Eingriff zur Metastasenentfernung würde ein sehr hohes Risiko bedeuten. In dem angestrebten LITT-Verfahren sei ein Vorteil für den Kostenträger und für den Patienten zu sehen. Das Zentrum der Radiologie/Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie des Klinikums der J.-W.-G.-Universität F. a. M. übersandte der Beklagten das Schreiben vom 06. April 2001, mit welchem es nochmals die Indikation für die LITT beim Versicherten wiederholte, das Verfahren (mit zahlreichen Literaturhinweisen) beschrieb sowie darauf hinwies, dass zahlreiche Krankenkassen bereits im Rahmen von Einzelfallentscheidungen die Kosten der ambulanten Behandlung übernommen hätten.
Der Versicherte befand sich am 10. und 11. April 2001 in ambulanter Behandlung des Universitätsklinikums, bei der am 10. April 2001 die LITT durchgeführt wurde. Die Rechnung über diese ambulante Behandlung vom 07. Mai 2001 lautete auf DM 7.549,81 (umgerechnet jetzt EUR 3.860,14).
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg in H. (Dr. L.) das sozialmedizinische Gutachten vom 20. April 2001. Es fänden sich bisher keine Hinweise, ob von Seiten der Chirurgen die Metastase als nicht resektabel eingestuft worden sei. Ein chirurgischer Eingriff sei nur als sehr hohes Risiko bezeichnet worden. Die LITT sei hinsichtlich Qualität und Wirksamkeit noch nicht hinreichend belegt. Die Methode müsse derzeit noch als experimentell oder der klinischen Forschung zugehörig eingestuft werden. Die Tatsache, dass Professor Dr. V. vom Universitätsklinikum F. die Methode seit 1993 routinemäßig anwende, könne nicht als wissenschaftlicher Beleg angesehen werden. Bisher seien nur Tierversuche bekannt.
Durch Bescheid vom 04. Mai 2001 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab. Nach den im Gutachten des MDK dargelegten Grundsätzen dürfe eine Kostenübernahme nicht erfolgen. Der Versicherte erhob Widerspruch. Es gebe bereits eine umfangreiche Literatur zur begehrten Behandlung. Die Universitätsklinik F. habe bislang über 2000 Tumoren behandelt, hiervon zu 95 v.H. solche der Leber. Zahlreiche andere gesetzliche Krankenkassen sowie sämtliche Privatkassen würden die begehrte Behandlung übernehmen, was nur dadurch erklärbar sei, dass die medizinische Indikation gesichert sei. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 04. September 2001. An der Stellungnahme des MDK vom 20. April 2001 sei festzuhalten. Dass andere Kassen sich an den Aufwendungen beteiligen würden, bleibe unerheblich.
Das anschließende Klageverfahren beim Sozialgericht Reutlingen (SG) S 4 KR 2545/01 endete durch ein klagabweisendes Urteil vom 26. Juli 2002. Die hiergegen zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung L 4 KR 3847/02 wurde am 27. Oktober 2003 zurückgenommen.
Ausgangspunkt dieses Verfahrens ist der am 23. Dezember 2005 eingegangene Antrag der Klägerinnen, das abgeschlossene Verfahren "wiederaufzunehmen". Nunmehr habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) durch Beschluss vom 06. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - (SozR 4 2500 § 27 Nr. 5) entschieden, dass es mit den Grundrechten nicht vereinbar sei, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung stehe, von der Leistung einer von ihm gewählten ärztlichen Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe. Diese Voraussetzungen seien hier, gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe, zu prüfen. Auf die förmliche Anerkennung einer Behandlungsmethode dürfe es nicht ankommen.
Die Beklagte erteilte den ablehnenden Bescheid vom 02. Januar 2006. Für eine Wiederaufnahme des Verfahrens werde keine Grundlage gesehen. Die vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Für die Behandlung von Lebermetastasen stünden schulmedizinische Behandlungsmethoden zur Verfügung. Im Übrigen sei die therapeutische Wirksamkeit der LITT weiterhin äußerst zweifelhaft. Ein Behandlungserfolg im konkreten Einzelfall lasse sich nicht nachweisen. Inzwischen sei die Methode durch Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 18. Oktober 2005 in die Anlage B der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung), zuvor Richtlinie zur Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinie) aufgenommen worden. Den Widerspruch hiergegen wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2006 zurück. Eine Kostenerstattung sei nicht möglich. Auf die Ausführungen im früheren Widerspruchsbescheid vom 04. September 2001 werde Bezug genommen.
Hiergegen erhoben die Klägerinnen am 04. August 2006 Klage zum SG. Eine bereits am 19. Januar 2006 erhobene Restitutionsklage (S 1 KR 239/06) nahmen sie im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22. August 2007 zurück. Zur Begründung der Klage wegen der Zugunstenentscheidung trugen sie vor, aufgrund der vom BVerfG aufgestellten Grundsätze sei ein Systemversagen zu prüfen. Hierbei komme es auf eine förmliche Beschlussfassung des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht mehr an. Es möge zwar richtig sein, dass für die Behandlung von Lebermetastasen schulmedizinische Behandlungsmethoden zur Verfügung gestanden hätten. Insoweit sei aber eine medizinische Ausschlussdiagnose gestellt worden. Einer Resektion ebenso wie einer Chemotherapie hätten das hohe Lebensalter des Versicherten und darüber hinaus Begleiterkrankungen, insbesondere ein Herzleiden, entgegengestanden. Einen operativen Eingriff hätte der Versicherte ohne Zweifel nicht überlebt. Sich auf schulmedizinische Behandlung zu berufen, sei der Beklagten nach der Entscheidung des BVerfG jetzt eindeutig untersagt. Der Versicherte habe nach dem hier streitigen Eingriff noch eine Auffrischung seiner Lebensqualität ungeahnter Güte erfahren und habe annähernd zwei Jahre noch gelebt. Die Behandlungsmethode erfreue sich zunehmender Beliebtheit und werde, wie bereits dargelegt, von zahlreichen Krankenkassen, insbesondere auch privaten Versicherungen übernommen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Es sei zu rügen, dass der Versicherte die Behandlung bereits in Anspruch genommen habe, bevor die Beklagte über den Antrag habe entscheiden können. Im Übrigen hätten vorliegend die etablierten schulmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden. Es sei nicht belegt, dass der Versicherte den ärztlichen Eingriff ohne Zweifel nicht überlebt hätte. Es habe bisher keinen Nachweis eines therapeutischen oder palliativen Nutzens der LITT gegeben. Das Verfahren beinhalte zudem erhebliche Risiken mit schwerwiegenden bis hin zu tödlichen Komplikationen. Die vom BVerfG aufgestellten Kriterien müssten eher eng ausgelegt und strikt eingehalten werden. Eine Überlegenheit der LITT gegenüber den anderen Therapieoptionen habe sich weder aus dem Bericht des Gemeinsamen Bundesausschusses zur LITT vom 04. November 2005 noch den ihm beigefügten Anlagen ergeben. Nebenwirkungen bis hin zu einzelnen Todesfällen seien festgestellt worden. Insbesondere sei fraglich, dass die Behandlung ambulant durchgeführt worden sei, da hier eine stationäre Unterbringung angezeigt gewesen wäre.
Durch Urteil vom 22. August 2007 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, es könne dahingestellt bleiben, dass der Versicherte die Behandlung bereits am 10. April 2001 und damit vor der Entscheidung der Beklagten habe durchführen lassen. Jedenfalls setzten die Kriterien des BVerfG voraus, dass eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe. Hieran fehle es, nachdem die LITT durch Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 18. Oktober 2005 den nicht anerkannten Methoden der Anlage B der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung zugewiesen worden sei. Es sei auch nicht feststellbar, wie der Verlauf andernfalls tatsächlich gewesen wäre.
Gegen das am 16. Januar 2008 zugestellte Urteil haben die Klägerinnen am 13. Februar 2008 beim SG Berufung eingelegt. Das SG habe nicht aufgeklärt, ob eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestanden habe. Es habe sich auf die allgemeinen und generalisierenden Erkenntnisse des Gemeinsamen Bundesausschusses im Beschluss vom 18. Oktober 2005 und vom 04. November 2005 gestützt und sich jeglicher konkreter auf den Versicherten bezogener Feststellungen über den Verlauf der Krankheit ohne die Durchführung von LITT enthalten. Die behandelnden Ärzte müssten gehört werden. Dass die zitierten positiven Voraussetzungen nicht aufgeklärt worden seien, habe das SG unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verkannt. Der behandelnde Arzt des Klinikums A. habe angesichts des Lebensalters des Versicherten und der Nebenerkrankungen dringend von einer chemischen oder chirurgischen Behandlung abgeraten. Es sei nochmals zu betonen, dass der Versicherte noch etwa zwei Jahre weitergelebt habe. Im Übrigen sei ein Zuwarten bis zur Bescheidung unzumutbar gewesen. Auch sei bei einer Antragstellung eine positive Antwort der Beklagten nicht zu erwarten gewesen.
Die Klägerinnen beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 22. August 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 02. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Juli 2006 zu verurteilen, den Bescheid vom 04. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04. September 2001 zurückzunehmen und ihnen als Rechtsnachfolgerinnen des K. G. EUR 3.860,14 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihre bisherigen Darlegungen und hält die ablehnenden Entscheidungen für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten, der zitierten weiteren Gerichtsakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerinnen, die als Erbinnen des Versicherten (§ 58 Satz 1 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB - i. V. mit den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -) eine Geldleistung der Beklagten begehren, worüber der Senat im Einverständnis beider Beteiligter durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) entschieden hat, hat in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 22. August 2007 zutreffend entschieden, dass die Beklagte in dem im Wege des Zugunstenverfahrens nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) ergangenen Bescheid vom 02. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Juli 2006 die Rücknahme des Bescheids vom 04. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04. September 2001 sowie die Erstattung von Kosten für die Behandlung und Operation in der Universitätsklinik F. a. M. in Höhe von EUR 3.860,14 zu Recht abgelehnt hat. Die geltend gemachten Kosten sind nicht dadurch entstanden, dass die Beklagte eine Leistung abgelehnt hat oder eine unaufschiebbare Leistung nicht erbringen konnte.
Anspruchsgrundlage für die von den Klägerinnen begehrte Rücknahme des Bescheids der Beklagten vom 04. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04. September 2001 ist § 44 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben, weil die Klägerinnen keinen Anspruch auf Kostenerstattung haben.
Da der Versicherte nicht nach § 13 Abs. 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung gewählt hatte, kommt als Anspruchsgrundlage für einen Kostenerstattungsanspruch nur § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Nach ständiger Rechtsprechung reicht der in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. Bundessozialgericht BSG - BSGE 79, 125 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 11; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 12; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 12). Ist das Tatbestandsmerkmal der rechtwidrigen Ablehnung der begehrten Leistung zu verneinen, bedarf es keiner Entscheidung, ob der Ausschluss der Leistung aus materiellen Gründen rechtswidrig oder auch verfassungswidrig ist.
Es fehlt hier an der Voraussetzung, dass dem Versicherten dadurch Kosten entstanden sind, dass die Beklagte die Leistung abgelehnt hat. Ein auf die Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch scheidet nach ständiger Rechtsprechung aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne die Krankenkasse einzuschalten und deren Entscheidung abzuwarten. § 13 Abs. 3 SGB V soll einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall gewähren, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann. Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen. Daran fehlt es, wenn die Kasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. SozR 3-2500 § 13 Nr. 15; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 8; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 12). Dieses Verfahren ist entgegen früherer Andeutung (vgl. BSG SozR 3-2500 § 34 Nr. 2) auch zu fordern in Fällen, in denen von vornherein feststand, dass eine durch Gesetz oder Verordnung von der Versorgung ausgeschlossene Sachleistung verweigert werden würde und sich der Versicherte dadurch gezwungen gesehen hat, die Leistung selbst zu beschaffen (vgl. jetzt eingehend BSGE 98, 26 unter Hinweis auf die - hier nicht einschlägige - Besonderheit der Verschreibung nicht zum Leistungskatalog gehörender Arzneimittelverordnungen auf Privatrezept). Nur bei einer Vorabprüfung können die Krankenkassen ihre - Gesundheitsgefahren und wirtschaftlichen Risiken vorbeugenden - Beratungsaufgaben erfüllen, die Versicherten vor dem Risiko der Beschaffung nicht zum Leistungskatalog gehörender Leistungen zu schützen und ggf. aufzeigen, welche Leistungen an Stelle der begehrten in Betracht kommen. Die Beklagte wurde hier erstmals bei Einreichung des sinngemäß als Antrag auszulegenden Schreibens des Chefarztes Dr. F. vom 04. April 2001 am Montag, 09. April 2001 mit dem Leistungsbegehren befasst, dessen Kosten mit der im Übrigen bereits feststehenden Behandlung am 10. April 2001 entstanden. Eine vorherige Kontaktaufnahme mit einer Geschäftsstelle der Beklagten ist den Akten nicht zu entnehmen und auch nicht behauptet worden. Deshalb liegt auch der Ausnahmefall eines so genannten Systemversagens, dass nämlich eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann (vgl. BSG SozR 4-2500 § 13 Nr. 1 und SozR 4-2500 § 95b Nr. 1), nicht vor. Denn ein Versicherter, der nicht zugelassene Leistungserbringer in Anspruch nehmen will, ist ebenfalls gehalten, vor Beginn der Behandlung sich mit der Krankenkasse nach den in Betracht kommenden Behandlungsmöglichkeiten im Rahmen des vertragsärztlichen Systems zu erkundigen, um so der Krankenkasse Gelegenheit zu geben, ihm Behandlungsalternativen aufzuzeigen (BSG, a.a.O.).
Mithin ist der erhobene Anspruch bereits aus diesen Gründen ausgeschlossen; eines Eingehens auf die medizinische Problematik als solche im Weiteren bedarf es nicht.
Die begehrte Leistung war auch nicht unaufschiebbar im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB V. Eine Leistung ist unaufschiebbar, wenn eine Leistungserbringung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs bis zu einer Entscheidung der Krankenkasse mehr besteht. Die medizinische Dringlichkeit ist indessen nicht allein ausschlaggebend. Denn für die erste Fallgruppe wird neben der Unaufschiebbarkeit vorausgesetzt, dass die Krankenkasse die in Rede stehenden Leistungen nicht rechtzeitig erbringen konnte. Davon kann im Regelfall nur ausgegangen werden, wenn sie mit dem Leistungsbegehren konfrontiert war und sich dabei ihr Unvermögen herausgestellt hat. Nur da, wo eine vorherige Einschaltung der Krankenkasse vom Versicherten nach den Umständen des Falles nicht verlangt werden konnte, darf die Unfähigkeit zur rechtzeitigen Leistungserbringung unterstellt werden (BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 22; BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 15). Dies kann hier nicht bejaht werden. Die LITT-Behandlung im Universitätsklinikum F. bei Prof. Dr. V. wurde bereits im (undatierten) vorläufigen Arztbrief nach Ende der stationären Behandlung in der Kreisklinik A. am 16. März 2001, also fast 4 Wochen vor dem 10. April 2001 empfohlen. Die Beklagte wäre, wie vorliegender Ablauf zeigt, innerhalb dieses Zeitraums zu einer Prüfung und Entscheidung in der Lage und bereit gewesen.
Es hat auch kein Notfall im Sinne von § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V vorgelegen. Ein Notfall liegt nur dann vor, wenn ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden muss und ein fachlich zuständiger Vertragsarzt nicht in der gebotenen Eile herbeigerufen oder aufgesucht werden kann (vgl. BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 9; BSGE 98, 26). Behandlungsbedürftigkeit mit der Erforderlichkeit baldiger Entscheidung bedingt noch keine Behandlungsdringlichkeit in diesem Sinne. Es wäre nicht aus medizinischen Gründen nicht mehr möglich oder zumutbar gewesen, vor Inanspruchnahme der hier streitigen Leistungen eine Entscheidung herbeizuführen. Im Übrigen hätten, wenn ein Notfall vorläge, unmittelbar mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung oder der Beklagten abgerechnet werden müssen und dem Versicherten selbst keine Rechnungen über durchgeführte Notfallbehandlungen gestellt werden dürfen (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 9/05 R - mwN; Beschluss vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 114/06 B -; beide veröffentlicht in juris).
Ein Kostenerstattungsanspruch besteht schließlich auch nicht deshalb, weil die Krankenkasse dadurch, dass der Versicherte Leistungen außerhalb des Leistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen hat, vermeintlich Aufwendungen anderer Art erspart hat. Denn sonst könnte die krankenversicherungsrechtliche Beschränkung auf bestimmte Formen der Leistungserbringung letztlich durch den Anspruch auf (teilweise) Kostenerstattung ohne Weiteres durchbrochen werden (BSG, Beschluss vom 26. Juli 2004 - B 1 KR 30/04 B -, veröffentlicht in juris).
Da der Anspruch auf Kostenerstattung bereits aus den dargelegten Gründen nicht besteht, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob die Voraussetzungen einer ausnahmsweise bestehenden Leistungspflicht der Beklagten unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG (SozR 4-2500 § 27 Nr. 5) besteht (vgl. zur LITT-Behandlung auch BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 12).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 2, 159 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Nach § 197a Abs. 1 SGG in der seit 02. Januar 2002 gültigen Fassung sind für das vorliegende Berufungsverfahren L 4 KR 842/08 und auch für das Klageverfahren S 1 KR 2873/06 Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) zu erheben. Denn weder die Klägerinnen/Berufungsklägerinnen noch die Beklagte/Berufungsbeklagte sind Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 SGB I. Das SG hat im angefochtenen Urteil nur nach § 193 SGG über die außergerichtlichen Kosten, nicht aber über die Gerichtskosten entschieden. Da die Monatsfrist des § 140 SGG abgelaufen ist, kann das Urteil des SG nicht ergänzt werden. Die unterbliebene Entscheidung über die Gerichtskosten erster Instanz kann durch den Senat nachgeholt werden (vgl. BSG SozR 3-1500 § 140 Nr. 2).
Die endgültige Festsetzung des Streitwerts für beide Rechtszüge beruht auf §§ 63 Abs. 2 und 3, 52 Abs. 1 und 3, 47 Abs. 1 GKG. Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG). Im Streit stand eine Erstattungsforderung in Höhe von EUR 3.860,14.
Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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