L 5 KR 1080/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 4896/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 1080/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 12.2.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Erstattung der Kosten einer Quadranteninterventionsoperation.

Die 1951 geborene Klägerin, bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert, leidet seit Jahren an einem Fibromyalgie-Syndrom.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 13.7.2007 (Verwaltungsakte S. 6) erinnerte die Klägerin die Beklagte an die Beantwortung eines Schriftsatzes vom 15.2.2007. Auf dem bei der Beklagten am 16.7.2007 eingegangenen Schriftsatz (vom 13.7.2007) ist ein Aktenvermerk angebracht, wonach ein Schreiben vom Februar 2007 nicht bekannt sei. In den Verwaltungsakten ist ein Anwaltsschriftsatz vom 15.2.2007 (adressiert an: AOK Baden-Württemberg, Aussichtsturm, 71032 Böblingen) enthalten, der der Beklagten per Fax am 18.7.2007 übermittelt wurde. In diesem Schriftsatz ist ausgeführt, da es für das Fibromyalgie-Syndrom, unter dem die Klägerin extrem leide, keine allgemein anerkannte Heilmethode gebe, werde sich die Klägerin nunmehr erneut einer Operation bei Prof. Dr. Dr. B. (Baar, Schweiz) unterziehen (Gesamtkosten laut Kostenvoranschlag des Prof. Dr. Dr. B. ca. 9.562 SFr.). Es werde - im Hinblick auf den Beschluss des BVerfG vom 6.12.2005 (- 1 BvR 347/98 -) - um Genehmigung dieser Behandlung, gegebenenfalls um Erteilung eines rechtsmittelfähigen Bescheids gebeten.

Prof. Dr. Dr. B., der nicht zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist und in der Schweiz praktiziert, führte die Operation am 3.4.2007 durch (Operationsbericht Verwaltungsakte S. 8).

Mit Bescheid vom 17.9.2007 lehnte die Beklagte die Erstattung der Behandlungskosten ab. Zur Begründung verwies sie auf eine Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts zur Quadranteninterventionsoperation durch Prof. Dr. Dr. B. (Urt. vom 9.3.2006, - L 4 KR 252/04 -, Verwaltungsakte S. 12) und führte aus, die Quadranteninterventionsoperation gehöre nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Eine Empfehlung über deren Anerkennung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss liege nicht vor; in Deutschland werde diese Operation nicht durchgeführt. Auf die Rechtsprechung des BVerfG (Beschl. vom 6.12.2005, - 1 BvR 347/98 -) könne sich die Klägerin nicht berufen, weil es sich bei dem Fibromyalgie-Syndrom nicht um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung handele. Außerdem habe die Klägerin die Operation durchführen lassen, ohne vorher die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Das Schreiben vom 15.2.2007 sei offenbar wegen falscher Adressierung nicht eingegangen. Die Klägerin habe auch erst mit Schreiben vom 13.7.2007 an den Vorgang erinnert, obgleich die Operation bereits am 3.4.2007 durchgeführt worden sei. Da sich die Klägerin in der Schweiz habe behandeln lassen, müsse § 13 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) berücksichtigt werden. Prof. Dr. Dr. B. sei ersichtlich der einzige Arzt, der die in Rede stehende Operation vornehme. Damit könne es sich nicht um eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung i. S. des § 13 Abs. 4 Satz 6 SGB V handeln, weshalb eine Ermessensentscheidung zur Kostenübernahme nicht getroffen werde.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs bekräftigte die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen. Das Schreiben vom 15.2.2007 müsse bei der Beklagten eingegangen sein, da es die Post nicht zurückgesandt habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.6.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ergänzend führte sie aus, die Klägerin habe sich bereits am 30.1.2004, 29.1.2005 und 7.11.2001 von Prof. Dr. Dr. B. (damals noch in München) operieren lassen und erfolglos die Erstattung der Kosten beantragt; eine deswegen erhobene Klage habe das Sozialgericht Stuttgart mit Gerichtsbescheid vom 10.11.2006 (- S KR 2823/05 -) abgewiesen, Berufung sei nicht eingelegt worden. Der nunmehr geltend gemachte Erstattungsanspruch scheitere (schon) daran, dass die Operation vorgenommen worden sei, ohne vorher die Entscheidung der Krankenkasse einzuholen. Außerdem gehöre die Quadranteninterventionsoperation nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.

Am 15.7.2008 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart. Ergänzend trug sie vor, es sei nicht einsichtig, weshalb die Rechtsprechung des BVerfG (Beschl. vom 6.12.2005, a. a. O.) im Hinblick auf ihre Fibromyalgie-Erkrankung nicht anwendbar sein solle. Für die Erfolge der Operation des Prof. Dr. Dr. B. könne sie 80 Zeugen benennen. Unschädlich sei, dass sie vor der Operation die Entscheidung der Beklagten nicht herbeigeführt habe. Dies sei im Hinblick auf ihren grundrechtlich begründeten Leistungsanspruch nicht notwendig gewesen. Außerdem habe die Beklagte durch die in der Vergangenheit ergangenen Ablehnungsentscheidungen hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass auch künftig keine Kosten für die in Rede stehende Operation übernommen würden. Die Klägerin legte außerdem (u.a.) eine Abhandlung des Prof. Dr. Dr. B. vor (SG-Akte S. 20 ff.).

Mit Gerichtsbescheid vom 12.2.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Voraussetzungen des in § 13 Abs. 3 SGB V geregelten Erstattungsanspruchs seien nicht erfüllt. Eine unaufschiebbare Leistung i. S. d. § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V liege nicht vor, da die Operation nach Angaben der Klägerin bereits im Februar 2007 geplant und erst im April 2007 vorgenommen worden sei. Damit habe auch genügend Zeit bestanden, die Entscheidung der Beklagten über die Gewährung dieser Behandlungsleistung abzuwarten. Sollte das Schreiben der Klägerin vom 15.2.2007 tatsächlich bei der Beklagten eingegangen sein, hätte sie noch nach Ablauf einiger Wochen vor der Operation an den Antrag erinnern können. Für einen Kostenerstattungsanspruch nach Maßgabe des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V fehle es am Kausalzusammenhang zwischen der Ablehnungsentscheidung der Beklagten und der selbstbeschafften Leistung, da die Klägerin die Entscheidung der Beklagten nicht abgewartet habe. Dass sie wegen in der Vergangenheit erfolglos gebliebenen Erstattungsanträgen möglicherweise mit einer erneuten Ablehnung ihres Leistungsbegehrens habe rechnen müssen, sei rechtlich unerheblich (zu alledem: BSG, Urt. vom 20.5.2003, - B 1 KR 9/03 R -; Urt. vom 14.12.2006, - B 1 KR 8/06 R - und Urt. vom 28.2.2008, - B 1 KR 15/07 R -). Auf die Frage, ob die Klägerin einen verfassungsrechtlich begründeten Anspruch auf die Gewährung der Operation gehabt habe, komme es daher nicht an. Die Grundrechte der Klägerin geböten es auch nicht, von dem dargestellten Kausalitätserfordernis abzusehen, zumal dieses gerade auch dem Schutz des Versicherten diene.

Auf den ihr am 19.2.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 6.3.2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung bekräftigt sie ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, auf die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V komme es nicht an, da der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch unmittelbar aus ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG folge. Außerdem seien gleich gelagerte Leistungsanträge bereits zuvor abgelehnt worden (Bescheid vom 9.8.2004, Widerspruchsbescheid vom 26.4.2005), weshalb sie eine Entscheidung der Beklagten über den neuerlichen (hier streitgegenständlichen) Leistungsantrag nicht habe abwarten müssen. Die monatelange Nichtverbescheidung stehe einer Ablehnungsentscheidung gleich. Die Beklagte habe die Leistung auch der Sache nach zu Unrecht verweigert.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 12.2.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 17.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.6.2008 zu verurteilen, die für die durch Prof. Dr. Dr. B. am 3.4.2007 durchgeführte Quadranteninterventionsoperation entstandenen Kosten zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ergänzend trägt sie vor, die Klägerin habe bereits im Jahr 2004 einen gleichlautenden Antrag gestellt, die Operation jedoch ebenfalls vor Antragstellung vornehmen lassen. Man habe die Kostenerstattung seinerzeit aus materiellen und formalen Gründen abgelehnt; die dagegen erhobene Klage der Klägerin sei erfolglos geblieben. Der Klägerin bzw. ihrem Prozessbevollmächtigten hätte ihre (der Beklagten) Anschrift daher bekannt sein müssen; der Schriftsatz vom 15.2.2007 trage gleichwohl eine nicht existierende Adresse.

Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz, SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätzen sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihr die Kosten der am 3.4.2007 durch Prof. Dr. Dr. B. vorgenommenen Quadranteninterventionsoperation zu erstatten; die Klägerin hat darauf keinen Anspruch.

Das Sozialgericht hat in seinem Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften (§ 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V) das Erstattungsbegehren der Klägerin zu beurteilen ist, und weshalb ihr danach der geltend gemachte Anspruch nicht zusteht. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten anzumerken:

Für die Erstattung der Kosten selbst beschaffter Leistungen ist § 13 Abs. 3 SGB V maßgeblich; aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) folgt ein (grundrechtsunmittelbarer) Kostenerstattungsanspruch nicht. Eine (vorgängige) Entscheidung der Beklagten über das Leistungsbegehren der Klägerin war, wie das Sozialgericht ebenfalls zutreffend dargelegt hat, auch nicht deshalb entbehrlich, weil gleich gelagerte Leistungsanträge in der Vergangenheit erfolglos geblieben sind. Für die von der Klägerin postulierte Gleichstellung von Nichtverbescheidung und Ablehnung eines Leistungsantrags gibt es keine Rechtsgrundlage.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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