L 4 KR 4458/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 1803/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4458/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10. August 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erstattung von Kosten für eine Zahn- und Zahnersatzbehandlung in Spanien.

Der Kläger ist am 1928 geboren. Er bezieht eine deutsche gesetzliche Altersrente und eine Betriebsrente. Er ist seit mehr als 50 Jahren Mitglied der beklagten Krankenkasse. Seit Beginn seines Rentenbezugs ist er bei ihr pflichtversichert in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Er bezahlt Beiträge aus beiden Renten.

Im Schreiben vom 08. November 2004 teilte der Kläger der Beklagten mit, er verbringe auf Grund rheumatischer Beschwerden auf ärztlichen Rat hin einen erheblichen Teil des Jahres in Spanien. Seinen Wohnsitz in Baden-Württemberg habe er aber nicht aufgegeben. Außerdem teilte er mit, er habe sich in Spanien auf Grund akuter Schmerzen, die zu fast völliger Bewegungslosigkeit geführt hätten, in ärztliche Behandlung begeben und operieren lassen müssen. In der Folgezeit wies ihn die Beklagte - unter anderem durch Schreiben vom 17. November 2005 - darauf hin, dass während seines Aufenthalts in Spanien seine Leistungsansprüche gegen sie, die Beklagte, ruhten. Auch übersandte sie ihm den Vordruck E 121 ("Bescheinigungen über die Eintragung der Rentenberechtigten und ihrer Familienangehörigen und die Führung der Verzeichnisse") und forderte ihn auf, diesen Vordruck der spanischen Krankenkasse zur Einschreibung vorzulegen, um in Spanien einen ausreichenden Versicherungsschutz zu erhalten. Dies tat der Kläger nicht. Vielmehr legte er gegen das Schreiben vom 17. November 2005 Widerspruch ein, den der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2006 zurückwies. In jenem Komplex erhob der Kläger beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage (S 5 KR 749/07). Er begehrte dort nicht nur die Feststellung, dass seine Leistungsansprüche nicht ruhen, sondern auch die Erstattung von Kosten für verschiedene ärztliche Behandlungen in Spanien. Jene Klage wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 10. August 2007 ab. Sämtliche Anträge seien unzulässig. Auch die Frage, ob die Leistungsansprüche des Klägers ruhten, könne nicht isoliert aufgeworfen werden, sondern nur inzident in einem Verfahren um eine konkrete ärztliche Leistung. Der Kläger legte hiergegen Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg ein (L 4 KR 4407/07).

Während das genannte Widerspruchsverfahren bei der Beklagten noch anhängig war, beantragte der Kläger dort mit Schreiben vom 08. Dezember 2006, eingegangen am 13. Dezember 2006, die Erstattung von EUR 1.344,00, nämlich EUR 1.320,00 für eine Zahnersatzbehandlung und EUR 24,00 für Medikamente. Er legte entsprechend eine Rechnung einer Zahnklinik in Tarragona vom 09. November 2006 über eine Radiografie (EUR 20,00), zehn Zahnextraktionen (je EUR 30,00) und die Lieferung zweier Prothesenteile (je EUR 500,00) sowie die ärztliche Verordnung des in Spanien tätigen Arztes Dr. M. und den Kassenbon einer Apotheke über das Medikament Cozaar Plus 50, einen Blutdrucksenker, vor.

Die Beklagte wies den Antrag mit Bescheid vom 15. Dezember 2006, der keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, zurück. Sie könne sich an den Kosten für ärztliche Behandlungen des Klägers in Spanien nicht beteiligen. Sein Leistungsanspruch ruhe nach § 16 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V), solange sich der Kläger im Ausland aufhalte. Zwar bleibe die Krankenversicherung deutscher Rentner, die nach Spanien zögen, bestehen, sodass auch die Beiträge einbehalten würden. Dem stehe aber auch ein Leistungsanspruch gegenüber. Nach einer Verordnung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft erhielten Versicherte, die in Spanien wohnten und eine deutsche Rente bezögen, Sachleistungen von dem spanischen Träger der Krankenversicherung zu ihren (der Beklagten) Lasten. Der Umfang dieses Leistungsanspruchs richte sich ausnahmslos nach spanischem Recht. Hierbei beständen Abweichungen gegenüber den Ansprüchen in Deutschland. Diese seien nicht beeinflussbar. Soweit sich dadurch Nachteile ergäben, müssten diese im Zusammenhang mit der Entscheidung, in Spanien zu leben, in Kauf genommen werden. Sie (die Beklagte) entrichte an den spanischen Krankenversicherungsträger einen monatlichen Pauschalbetrag, mit dem sämtliche Leistungen, die der Kläger die Spanien in Anspruch nehme, abgegolten seien.

Der Kläger erhob am 25. Januar 2007 Widerspruch. Er führte aus, er sei nicht in Spanien versichert, sondern seit mehr als 50 Jahren bei der Beklagten. Er habe daher einen Leistungsanspruch nach den deutschen Rechtsvorschriften und Vertragsvereinbarungen. Zahnersatz werde in Spanien überhaupt nicht gewährt. Daher sei die Beklagte Leistungsträger. Der Kläger berief sich insoweit auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 05. Juli 2005 (B 1 RK 4/04 R).

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 2007 den Widerspruch durch ihren Widerspruchsausschuss zurück. Sie führte ergänzend aus, der Kläger könne die Kosten der Zahnersatzbehandlung von ihr auch dann nicht verlangen, wenn Zahnersatz in Spanien nicht automatisch vom (dortigen) gesetzlichen Krankenversicherungsschutz umfasst sei, sondern nur durch eine Zusatzversicherung abgedeckt werden könne. Da der Kläger weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland habe, könne er sich nicht unmittelbar auf das Sozialgesetzbuch, sondern nur auf die Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts berufen. Diese sähen nicht vor, dass sich die Leistungsansprüche in Spanien lebender deutscher Rentner nach deutschem Recht richteten. Lediglich während eines vorübergehenden Aufenthalts in Deutschland könne der Kläger nach der von ihm zitierten Rechtsprechung des BSG Leistungen der Beklagten so in Anspruch nehmen, als lebe er weiterhin in Deutschland.

Der Kläger erhob beim SG mit einem Schriftsatz vom 03. April 2007, eingegangen am 11. April 2007, in dem bereits anhängigen anderen Klageverfahren Klage auch in diesem Komplex. Er trug vor, es seien in der Tat zehn Zähne gezogen worden, dadurch sei eine Prothese notwendig geworden. Ursache seien ein Bruch eines Schneidezahns und der Gesamtzustand der Zähne gewesen. Da es ihm nicht zumutbar gewesen sei, Wochen oder Monate unter starken Schmerzen ohne Zähne auszukommen, habe er aus zeitlichen Gründen vor der Behandlung keinen Heil- und Kostenplan vorlegen und von der Beklagten genehmigen lassen können. Auf ein Provisorium habe er aus Kostengründen verzichtet. Auch berief er sich erneut auf das Urteil des BSG vom 05. Juli 2005 (B 1 RK 4/04 R).

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 10. August 2007 wies das SG auch diese Klage des Klägers ab. Es führte aus, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Zahnbehandlung zu. Zunächst scheide § 13 Abs. 4 Satz 1 SGB V aus. Zwar könne nach dieser Vorschrift ein Erstattungsanspruch auch für Behandlungen im Ausland bestehen. Er habe aber die gleichen Voraussetzungen wie ein Anspruch im Inland. Hierzu gehöre, dass der Zahnarzt einen Heil- und Kostenplan erstelle und die Kasse diesen vor der Behandlung genehmige. Dies sei nicht geschehen. Auch aus Art. 34 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 ("Verordnung über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern") bestehe kein Anspruch. Nach dieser Vorschrift bestehe ein Anspruch auf Kostenerstattung, wenn der Versicherte die Formvorschriften des Art. 31 VO (EWG) 574/72 für den Bezug von Sachleistungen während des Aufenthalts in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedsstaat nicht habe einhalten können. Voraussetzung sei jedoch, dass auch ein vorrangiger Sachleistungsanspruch gegen den Träger im Aufenthaltsstaat bestanden habe. Die Versorgung mit Zahnersatz gehöre jedoch nicht zum Leistungskatalog der spanischen Krankenversicherung. Dies sei dem SG aus einer in einem früheren Verfahren eingeholten Auskunft der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung/Ausland bekannt.

Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 07. September 2007 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er macht geltend, er habe einen anerkannten Zahnarzt in Anspruch genommen, der ihn auf die Notwendigkeit eines Heil- und Kostenplans nicht hingewiesen habe. Die Vorschrift des § 87 SGB V betreffe zudem nur deutsche Zahnärzte. Wegen seiner missglückten Hüftgelenksoperationen habe er nicht nach Deutschland zurückkehren können. Die Beklagte dürfe die Erstattung nicht aus rein formellen Gründen verweigern. Des Weiteren hat er auf sein Vorbringen in dem Parallelverfahren verwiesen. Dort hat er vorgetragen, er habe vor einigen Jahren ein Ferienhaus in Spanien zunächst gemietet und sodann gekauft. Dort habe er sich zunächst lediglich im Herbst und Winter aufgehalten. Sein Hauptwohnsitz sei in Deutschland geblieben. Ende 2004 habe er in Spanien heftig auftretende Schmerzen erlitten, die zu fast völliger Bewegungslosigkeit geführt hätten. Er sei sodann dort mehrfach an der Hüfte operiert worden. Die erste Operation sei fehlgeschlagen, auch die zweite Operation habe nicht die erhoffte Linderung gebracht. Er sei seitdem weitgehend bewegungsunfähig. Der geplante Ferienaufenthalt in Spanien sei gegen seinen Willen zum Daueraufenthalt geworden. Zur Frage des Ruhens trägt der Kläger vor, nach dem genannten Urteil des BSG richte sich sein Leistungsanspruch gegen die Beklagte weiterhin nach deutschem Recht. Er sei während seines gesamten Arbeitslebens, also fast 50 Jahre lang, Mitglied der Beklagten und könne schon aus diesem Grunde besondere Fürsorge und soziale Hilfe erwarten. Im Jahre 2008 seien von seiner Altersrente und seiner Betriebsrente monatlich EUR 523,72 an Beiträgen zur Beklagten abgezogen worden. Abzüglich der von der Beklagten zu zahlenden Kopfpauschale von EUR 226,00 verbleibe ein Überschuss von EUR 297,72 monatlich bzw. EUR 3.572,64 jährlich. Ihm sei bei seiner Übersiedlung nach Spanien bekannt gewesen, dass die Leistungen des dortigen Krankenversicherungssystems schlechter seien als in Deutschland. Er habe deshalb ausdrücklich keinen Antrag auf Übergang in die spanischen Krankenversicherung gestellt. Auf Nachfrage des Senats hat der Kläger mitgeteilt, er habe die streitgegenständlichen Rechnungen bar bezahlt, Bankbelege oder Überweisungsträger lägen ihm nicht vor.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10. August 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 15. Dezember 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. März 2007 zu verurteilen, EUR 1.344,00 an ihn zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil erster Instanz und ihre Entscheidung.

Auf Anfrage hat das zuständige Einwohnermeldeamt dem Senat mitgeteilt, der Kläger sei nach wie vor an dem angegebenen Wohnort in Baden-Württemberg gemeldet.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. März 2007 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Kosten von EUR 1.344,00.

1. Das SG war zuständig. Für sozialrechtliche Ansprüche wie sie der Kläger in diesem Verfahren geltend macht, sind international ausschließlich die deutschen (Sozial)Gerichte zuständig. Die Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts ist ausgeschlossen (LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. März 2003, L 2 KN 120/02 U, veröffentlicht in Juris, Rn. 24 f). Die örtliche Zuständigkeit des SG hat der Senat nicht mehr zu prüfen. Denn nach § 98 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), § 17a Abs. 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig war.

2. Der Kläger kann von der Beklagten nicht die Erstattung von EUR 1.344,00 für die Zahnersatzbehandlung (EUR 1.320,00) und das Medikament Cozaar (EUR 24,00) verlangen.

2.1. Zunächst besteht kein Anspruch auf Kostenerstattung aus § 13 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V.

Nach dieser Vorschrift sind Versicherte berechtigt, auch Leistungserbringer in anderen Staaten im Geltungsbereich der VO (EWG) Nr. 1408/71 an Stelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen. Der Anspruch auf Erstattung besteht dann höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung im Inland als Sachleistung zu tragen hätte (§ 13 Abs. 4 Satz 3 SGB V).

2.1.1. Dieser Anspruch ruhte allerdings nach § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB V zur Zeit der zahnärztlichen Behandlung des Klägers, so dass Kostenerstattung nicht verlangt werden kann.

Nach dieser Vorschrift ruht der Anspruch auf Leistungen, solange sich der Versicherte im Ausland aufhält, und zwar auch dann, wenn der Versicherte dort während eines vorübergehenden Aufenthalts erkrankt. Auch diese Vorschrift wird allerdings modifiziert und in ihrem Anwendungsbereich eingeschränkt durch die Regelungen des Europäischen Rechts. Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 erhält ein Rentner, der u.a. nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates zum Bezug von Rente berechtigt ist und keinen Anspruch auf Sachleistungen nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats hat, in dessen Gebiet er wohnt, dennoch Leistungen für sich und seine Familienangehörigen, sofern gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Artikel 18 und Anhang V - nach den Vorschriften des Staates, auf Grund deren die Rente geschuldet wird, Anspruch auf Sachleistungen bestünde, wenn er im Gebiet des betreffenden Staates wohnte. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a VO (EWG) Nr. 1408/71 bestimmt weiter, dass Sachleistungen der Träger des Wohnorts für Rechnung des in Abs. 2 bezeichneten Trägers gewährt, als ob der Rentner nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dessen Gebiet er wohnt, zum Bezug einer Rente berechtigt wäre und Anspruch auf Sachleistungen hätte. Bei dem nach Abs. 2 bezeichneten Träger handelt es sich um den Krankenversicherungsträger, der zuständig wäre, wenn der Rentner nach dem Recht des Mitgliedstaates, in dem er seine Rente bezieht, Anspruch auf Sachleistungen der Krankenversicherung hätte. Nach Art. 28 Abs. 2 Buchst. a VO übernimmt hiernach der zuständige Krankenversicherungsträger des Rentenbezugsstaates die Kosten für die Sachleistungen, wenn der Rentner Anspruch auf Sachleistungen lediglich aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats hat, nämlich des Staates, aus dem er seine Rente bezieht. Im Anwendungsbereich der europarechtlichen Vorschriften ruhen die Leistungsansprüche gegen den deutschen Träger im Inland daher - entgegen dem Wortlaut des § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V - nicht schon dann, wenn sich der Versicherte im Ausland aufhält, sondern nur dann, wenn nach europäischem Recht entsprechende Ansprüche gegen den Krankenversicherungsträger am Aufenthaltsort bestehen. Diese europarechtlichen Regelungen gehen den innerstaatlichen vor, sodass es nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V dabei verbleibt, dass der Leistungsanspruch des versicherten Rentners nach deutschem Recht gegen seinen inländischen Träger ruht und er lediglich Ansprüche gegen den an seinem Wohnort zuständigen Krankenversicherungsträger geltend machen kann.

Dies hat entgegen der Ansicht des Klägers auch das BSG in der genannten Entscheidung (Urteil vom 05. Juli 2005, B 1 KR 4/04 R, veröffentlicht in Juris) nicht anders gesehen. Es hat dort (und in dem weiteren Urteil vom 16. Juni 1999, B 1 KR 5/98 R, veröffentlicht in Juris) entschieden, dass ein Pflichtversicherter in der Krankenversicherung der Rentner, der ausschließlich Rente aus der deutschen Rentenversicherung bezieht, seinen Status als Versicherter einer deutschen Krankenkasse nicht dadurch verliert, dass er seinen (einzigen) Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verlegt (BSG, Urteil vom 05. Juli 2005, a.a.O., Rn. 14). Dies folgt, wie das BSG ausgeführt hat, aus den einschlägigen europarechtlichen Vorschriften, insbesondere Art. 28 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71. Diese Vorschriften gehen den einschlägigen deutschen Regelungen vor, wie in § 30 Abs. 2 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB I) anerkannt ist. Sie verdrängen daher auch § 3 Nr. 2 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV), wonach die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung gelten, soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit nicht voraussetzen, für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs haben. Nach dieser Vorschrift würde die Mitgliedschaft eines pflichtversicherten Rentners in der deutschen KVdR bei einer Verlegung seines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts ins Ausland erlöschen. Ferner hat das BSG festgestellt, dass der weiter versicherte Rentner nach dem Territorialprinzip trotz seines Wohnsitzes im Ausland bei einem vorüber gehenden Aufenthalt in Deutschland - auch - Leistungsansprüche gegen den deutschen Krankenversicherungsträger geltend machen kann, wenn er sich entsprechend Art. 29 VO (EWG) Nr. 574/72 bei dem für die Krankenversicherung zuständigen Träger des Wohnsitzstaates angemeldet hat und daher grundsätzlich dort die gleichen Leistungsansprüche hat wie ein Angehöriger dieses Staates bzw. ein dort Versicherter, der ausschließlich von dem Wohnsitzstaat eine Rente bezieht (a.a.O., Rn. 16). Dass der Versicherte selbst bei einem Aufenthalt in Deutschland überhaupt noch Ansprüche hat, war unter anderem deswegen zweifelhaft, weil der Krankenversicherungsträger für alle in Betracht kommenden Behandlungen schon eine Pauschale an den ausländischen Träger zahlen muss und also für Behandlungen in Deutschland im Prinzip doppelt leisten musste. Das BSG hat nicht entschieden, dass Ansprüche auf Sachleistungen oder Kostenerstattung gegen den deutschen Träger auch für Behandlungen im ausländischen Wohnsitzstaat selbst bestehen. Dies hat auch der Gesetzgeber bestätigt, als er durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003 (BGBl I S. 2190) in § 13 Abs. 4 Satz 1 (Halbsatz 2) SGB V bestimmte, dass Kostenerstattungsansprüche für Behandlungen in anderen Staaten der EU dann nicht bestehen, wenn der deutsche Krankenversicherungsträger für Behandlungen der betreffenden Versicherten in dem anderen Staat einen Pauschbetrag an den Krankenversicherungsträger jenes Staates zu zahlen hat (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 20 mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien in BT-Drs. 15/1525, S. 80). Hieraus folgt, dass - erst recht - ein Sachleistungsanspruch gegen den deutschen Träger nicht bestehen kann, denn ansonsten stellte sich die Frage einer Kostenerstattung nicht.

§ 16 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist auch nicht im Hinblick auf andere europarechtliche Vorschriften noch weitergehend einengend dahin auszulegen, dass auch dann Leistungsansprüche gegen den deutschen Träger vom Ruhen ausgenommen sind, wenn der Versicherte im Ausland nach dem dortigen Krankenversicherungsrecht, das für ihn gilt, keine entsprechenden Ansprüche hat. Zwar beruht auch die genannte Entscheidung des BSG, nach der bei einem vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland wieder Ansprüche bestehen, auf dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 03. Juli 2005 (Rs C 156/01, SozR 4-6050 Art. 22 Nr. 1). Dort hatte der EuGH entschieden, dass der die Rente gewährende Mitgliedstaat auch Leistungsberechtigten nach Art. 28 VO (EWG) 1408/71 "gleichwohl", also trotz ihrer Absicherung im Wohnsitzstaat, "zusätzliche" soziale Leistungen gewähren kann. Dies hat Deutschland - nach Ansicht des BSG - durch die Gewährung der üblichen Leistungen bei einem Aufenthalt im Inland getan. Weitergehende Ansprüche, etwa auf Leistungen, die im Wohnsitzstaat nicht gewährt werden, begründet das SGB V wie ausgeführt jedoch nicht. Eine europarechtliche Verpflichtung zu solchen Leistungen besteht nach dem genannten Urteil des EuGH nicht, nur eine Berechtigung. Insbesondere verstößt es nicht gegen das Diskriminierungsgebot in Art. 12 Abs. 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG). Nach dieser Vorschrift dürfen die Mitgliedstaaten nicht aus Gründen der Staatsangehörigkeit diskriminieren. Sie müssen also - im Anwendungsbereich des EU-Rechts - ausländischen EU-Bürgern die gleichen Rechte einräumen wie ihren eigenen Staatsangehörigen. Hiergegen verstößt Deutschland nicht, weil es keinen im Ausland wohnenden Beziehern einer Rente weitergehende Krankenversicherungsleistungen gewährt, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit.

Der Kläger hat seinen Wohnort in Spanien. Nach Art. 1 Buchst. h) VO (EWG) Nr. 1408/71 ist Wohnort der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts. Zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts zieht der Senat die Maßstäbe heran, wie sie auch zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I Anwendung finden. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Entscheidend ist die über eine vorübergehende Verweildauer hinausgehende Dauerhaftigkeit des tatsächlichen Aufenthalts an bestimmten Orten, die sich in bestimmten Umständen manifestieren müssen (Schlegel, juris-Praxiskommentar § 30 SGB I Rdnr. 35). Maßgeblich sind die objektiv gegebenen tatsächlichen Verhältnisse. Der gewöhnlicher Aufenthalt setzt (bei Kollisionsnormen des "internationalen" Sozialrechts) vor allem voraus, dass der Betreffende im streitigen Beitrags- oder Leistungszeitraum den örtlichen Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Inland hat. Das bedeutet grundsätzlich auch, dass er sich in dieser Zeit überwiegend im Inland aufhalten muss. "Dauerhaft" ist dieser Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen ist. Dabei ist ein Domizilwille, d.h. der Wunsch an einem anderen Ort als dem bisherigen Aufenthaltsort Aufenthalt zu nehmen, der mit den sonstigen tatsächlichen Umständen nicht übereinstimmt, rechtlich unerheblich (BSG SozR 3-6710 Art 1 Nr. 1). Allein der Wunsch an einem anderen Ort als dem bisherigen Aufenthaltsort Aufenthalt zu nehmen, begründet noch nicht einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt (BSG SozR 3-1200 § 30 Nr. 13). Ausgehend hiervon hält sich der Kläger jedenfalls seit Oktober 2004 gewöhnlich in Spanien auf. Denn er ist seit diesem Zeitpunkt nicht mehr nach Deutschland gereist, weil er sich nach seinem Vorbringen hierzu aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sah. Dass sich dies in der Zukunft alsbald ändern wird, ist im Wege einer vorausschauenden Betrachtungsweise (vgl. BSG SozR 2200 § 205 Nr. 65) nicht erkennbar, weil der Kläger selbst seinen Aufenthalt in Spanien als Daueraufenthalt bezeichnet.

Da maßgeblich der Aufenthalt ist, kommt es nicht darauf an, ob der Kläger in Deutschland noch einen Wohnsitz hat oder nicht. Unabhängig davon hat der Kläger auch keinen Wohnsitz im Sinne des § 30 Abs. 3 Satz 1 SGB I in Deutschland mehr. Einen Wohnsitz hat nach dieser Vorschrift jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Auch insoweit sind maßgeblich die tatsächlichen Umstände. Zur Begründung oder Aufrechterhaltung eines Wohnsitzes reicht es nicht aus, dass der Kläger in Deutschland noch mit einem Wohnsitz gemeldet ist (vgl. BSG SozR 5870 § 1 Nr. 4). Ein Wohnsitz ist dann aufgegeben, wenn die Wohnung nicht mehr benutzt wird, und zwar weder durch Angehörige noch durch Bedienstete noch durch den Wohnungsinhaber selbst. Eine Ausreise ins Ausland ist als Aufgabe des Wohnsitzes anzusehen, wenn der Berechtigte den Umständen nach nicht ins Inland zurückkehren wird. Es ist ausreichend, wenn der Berechtigte seine inländische Wohnung in absehbarer Zeit nicht mehr benutzen wird; dass er sie niemals benutzen wird, ist nicht erforderlich (BSG SozR 5870 § 1 Nr. 4). Der Inlandswohnsitz wird bei einem Auslandsaufenthalt nur dann beibehalten, wenn der Betroffene entweder seinen Lebensmittelpunkt weiterhin am bisherigen Wohnort hat (keine Wohnsitzbegründung am Ort des Auslandsaufenthalts) oder er zwar keinen einheitlichen Lebensmittelpunkt mehr hat, er aber nunmehr über zwei Schwerpunkte der Lebensverhältnisse verfügt und einer davon am bisherigen Wohnort liegt (zwei Wohnsitze; BSG SozR 3-5870 § 2 Nr. 3). Nach dem Zuvorgesagten liegt der Lebensmittelpunkt des Klägers in Spanien, weshalb trotz der in Deutschland vorgehaltenen Wohnung dort ein Wohnsitz nicht besteht.

Wegen seines Wohnorts in Spanien ist nach Art. 28 Abs. 1 VO (EWG) 1407/71 der Kläger daher dem dortigen Krankenversicherungssystem unterworfen. Ansprüche daraus stehen ihm zu, sobald er sich mit dem von der Beklagten übersandten Vordruck E 121 angemeldet hat. Dass sich der Kläger bislang nicht in dem spanischen System angemeldet hat, ist seine freie Entscheidung, ändert aber nichts daran, dass wegen der Berechtigung dazu seine Ansprüche gegen die Beklagte ruhen.

2.1.2. Außerdem war der Anspruch auf Kostenerstattung für Behandlungen im Ausland nach § 13 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V ausgeschlossen.

Nach dieser Norm, die durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003 (BGBl. I, S. 2190) angefügt wurde, bestehen insbesondere Kostenerstattungsansprüche für Behandlungen in anderen Staaten der EU dann nicht, wenn der deutsche Krankenversicherungsträger für Behandlungen der betreffenden Versicherten in dem anderen Staat einen Pauschbetrag an den Krankenversicherungsträgers jenes Staates zu zahlen hat (vgl. auch BSG, a.a.O., Rn. 20 mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien in BT-Drs. 15/1525, S. 80).

Dies ist hier der Fall, denn die Beklagte muss nach Art. 28 i.V.m. Art. 95 VO (EWG) Nr. 574/72 für die Behandlungen des Klägers in Spanien einen Pauschbetrag an den dort zuständigen Träger zahlen (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Juni 2007, L 5 KR 183/06, veröffentlicht in Juris, Rn. 15). Sie hat diesen mit EUR 226,00 im Monat beziffert.

2.2. Selbst wenn der Anspruch des Klägers auf Leistungen nicht ruhen würde, bestünde ein Anspruch auf eine Kostenerstattung wegen der Zahnersatzbehandlung über EUR 1.320,00 aus § 13 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V auch deswegen nicht, weil der Kläger der Beklagten vor Durchführung der zahnprothetischen Behandlung nicht die Möglichkeit gegeben hat, die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der erstrebten Zahnersatzversorgung anhand von Röntgenaufnahmen und Voruntersuchungen (Vitalitätsprüfung, Parodontalzustand usw.) zu beurteilen und diese Beurteilung auch nicht abgewartet hat. Der Senat hat bereits entschieden, dass der Versicherte, der Zahnersatz im EU-Ausland in Anspruch nehmen will, zwar nicht verpflichtet ist, den für das Inland vereinbarten Heil- und Kostenplan der Krankenkasse vorzulegen, der Krankenkasse aber vor Durchführung dieser Auslandsbehandlung die Möglichkeit gegeben werden muss, die vorgesehene Versorgung mit Zahnersatz vorab auf ihre Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen und gegebenenfalls begutachten zu lassen, um auf diesem Wege die Inanspruchnahme der in aller Regel mit hohen Kosten verbundenen Zahnersatzleistungen steuern zu können (Urteil vom 17. September 2008 - L 4 KR 5472/07, veröffentlicht in juris; Revision mit Urteil des BSG vom 30. Juni 2009 - B 1 KR 19/08 R - zurückgewiesen, Terminbericht-Nr. 37/09 vom 30. Juni 2009).

2.3. Auch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 Variante 1 SGB V kann der Kläger keine Kostenerstattung verlangen. Nach dieser Vorschrift besteht ein Anspruch, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte. Die Umstände, die der Kläger darlegt, begründen aber keinen Notfall im Sinne dieser Vorschrift. Insbesondere können im Wege der Notfallbehandlung beim Zahnersatz nur vorläufige Maßnahmen erstattet werden, also die Anfertigung von Provisorien, nicht jedoch eine endgültige Versorgung (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14. September 2004, L 11 KR 2808/03, veröffentlicht in Juris, Rn. 25). Der Kläger hat jedoch auf ein Provisorium verzichtet, wie er vor dem SG vorgetragen hat. Zum anderen geht der Senat nicht von einem Notfall aus. Dass der Bruch eines Schneidezahns die Entfernung aller Zähne und eine Totalprothese notwendig gemacht hat, ist nicht anzunehmen. Der Kläger hat vor dem SG selbst vorgetragen, die Prothese sei - auch - wegen des Gesamtzustandes der Zähne notwendig geworden. Ein schlechter Zahnzustand ist aber kein akuter Vorfall, sondern das Ergebnis einer längeren Entwicklung.

3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG lagen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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