Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AL 657/05**
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 7/09 WA
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Geltendmachung eines Restitutionsgrundes iSd § 202 SGG iVm § 580 Nr. 5 ZPO (strafbaren Verletzung von Amtspflichten eines Richters gegen die Beteiligten) setzt nach § 581 Abs 1 ZPO als besondere Zulässigkeitsvoraussetzung die Darlegung voraus, dass wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann. Insoweit genügt eine substanzlose Behauptung, der Richter habe sich strafbar verhalten, den Anforderungen an die Darlegung eines Restitutionsgrundes nicht.
2. Die Restitutionsklage ist innerhalb eines Monats ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes zu erheben (§ 586 Abs 1 ZPO), jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils (§ 586 Abs 2 Satz 1 ZPO).
2. Die Restitutionsklage ist innerhalb eines Monats ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes zu erheben (§ 586 Abs 1 ZPO), jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils (§ 586 Abs 2 Satz 1 ZPO).
Der Antrag der Klägerin auf Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens L 10 AL 179/07 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt zum wiederholten Mal die Wiederaufnahme eines abgeschlossenen Berufungsverfahrens.
Die Klägerin meldete sich am 28.02.2002 arbeitslos, nachdem ihr Arbeitsverhältnis arbeitgeberseitig zum 27.02.2002 gekündigt worden war. Am 04.07.2002 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie im Rahmen des in die Wege geleiteten Kündigungsschutzprozesses vor dem Arbeitsgericht gewonnen habe. Der Arbeitgeber sei verpflichtet worden, ihre Bezüge bis zum Eintritt ins Rentenalter zu zahlen. Arbeitslosigkeit sei daher nicht eingetreten; sie wolle abgemeldet werden und keine Leistungen beziehen.
Am 06.09.2002 meldete sich die Klägerin erneut bei der Beklagten arbeitslos, weil ihr Arbeitgeber gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt habe. Die Abmeldung aus dem Leistungsbezug sei irrtümlich erfolgt. In der Folgezeit bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld für die Zeit vom 23.05.2002 bis 03.07.2002 (Bescheid vom 23.09.2002) unter Berücksichtigung einer vorläufigen Sperrzeit und weiter für die Zeit ab dem 06.09.2002 (Bescheid vom 27.09.2002).
Der Arbeitsrechtsstreit endete vor dem Landesarbeitsgericht (2 Sa 552/02) durch Vergleich vom 05.07.2005. Hiernach endete das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 28.02.2002, wobei zwischen den Parteien Einigkeit bestand, dass der Anlass für den geschlossenen Aufhebungsvertrag nicht in einem subjektiv vorwerfbaren Verhalten begründet sei.
Dies war für die Beklagte Anlass, von der endgültigen Feststellung einer Sperrzeit abzusehen und der Klägerin mit Bescheid vom 09.08.2005 auch für den Zeitraum vom 28.02.2002 bis 22.05.2002 Arbeitslosengeld zu bewilligen.
Mit Schreiben vom 19.08.2005 machte die Klägerin geltend, dass die Zahlungen für den Zeitraum 04.07.2002 bis 05.09.2002 fehlten. Dies wertete die Beklagte als Widerspruch gegen den Bescheid vom 09.08.2005, den sie mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.2005 zurückwies. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehe für den Zeitraum vom 04.07.2002 bis 05.09.2002 nicht, weil sich die Klägerin am 04.07.2002 aus dem Leistungsbezug abgemeldet habe. Infolge dieser Erklärung sei sie nicht mehr arbeitslos gemeldet gewesen und habe der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung gestanden.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 07.11.2005 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Sie habe angenommen sich korrekt zu verhalten, als sie sich nach dem erstinstanzlichen Urteil des Arbeitsgerichtes als "ungekündigt" abgemeldet habe. Die Notwendigkeit sich erneut arbeitslos zu melden habe sie erst erkannt, als sie die Berufung ihres Arbeitgebers in Händen gehalten habe.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 08.11.2006 abgewiesen. Aufgrund ihrer Abmeldung in der Zeit vom 04.07.2002 bis 05.09.2002 sei sie für die Arbeitsvermittlung nicht verfügbar gewesen, so dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht bestehe.
Am 04.12.2006 hat die Klägerin gegen dieses Urteil Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt (L 10 AL 394/06). Sie hat geltend gemacht, dass sie mit über 60 Jahren für eine Vermittlung schon zu alt gewesen sei. Auch habe sie anlässlich ihres Telefongespräches am 04.07.2002 nichts von Zahlungen des Arbeitgebers bis zum Rentenbeginn gesagt. Zuletzt sei auch unzutreffend, dass sie sich am 06.09.2002 erneut arbeitslos gemeldet habe. Sie sei seit ihrer ersten Meldung durchgehend arbeitslos gewesen.
Im Rahmen eines Erörterungstermins vor der Berichterstatterin des Bayer. Landessozialgerichts, Dr. N., hat die Klägerin am 21.05.2007 erklärt: "Ich erkläre das Berufungsverfahren für erledigt." Ausweislich des Protokolls ist diese Erklärung der Klägerin vorgelesen und von dieser genehmigt worden.
Am 05.06.2007 hat die Klägerin "Einspruch" bezüglich des "Urteils vom 21.05.2007" eingelegt (L 10 AL 179/07). Für die Zeit vom 01.10.2003 bis 31.12.2003 sei das Arbeitslosengeld vom Rentenversicherungsträger an die Beklagte zurück überwiesen worden. Vielleicht ergebe sich so eine Perspektive für das nicht ausbezahlte Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 04.07.2002 bis 05.09.2002.
Mit Urteil vom 29.11.2007 hat der Senat unter Teilnahme der Berichterstatterin Dr. N. festgestellt, dass das Berufungsverfahren L 10 AL 394/06 durch die Erledigungserklärung der Klägerin vom 21.05.2007 beendet worden sei. Die der Klägerin vorgelesene und von ihr genehmigte - einseitige - Erledigungserklärung sei als Berufungsrücknahme auszulegen, so dass sie durch diese Erklärung den Verlust des Rechtsmittels bewirkt habe. Ein Widerruf oder eine Anfechtung dieser prozessualen Erklärung sei ausgeschlossen. Auch seien keine Gründe vorgetragen, die eine Anfechtung rechtfertigten. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozessordnung (ZPO) nicht vor, und zuletzt sei auch eine Wiederaufnahme nach § 179 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht möglich, nachdem kein Beteiligter strafrechtlich verurteilt worden sei, weil er Tatsachen, die für die Entscheidung der Streitsache von wesentlicher Bedeutung waren, wissentlich falsch behauptet oder vorsätzlich verschwiegen habe.
Nach Zustellung dieses Urteils am 18.01.2008 hat die Klägerin dem Bayer. Landessozialgericht mitgeteilt, dass sie das Urteil vom 29.11.2007 als Fehlurteil ansehe; dass ihr das Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 04.07.2002 bis 05.09.2002 zustehe, wisse die Beklagte und auch das Sozialgericht. Sie wünsche allen an diesem letzten Fehlurteil Beteiligten, dass sie in ihrem Seelenfrieden leben könnten.
Mit den Schriftsätzen vom 11.12.2008 und 04.01.2009 hat die Klägerin erneut die Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Bayer. Landessozialgericht beantragt
(L 10 AL 7/09 WA). Sie habe niemals das Berufungsverfahren für erledigt erklärt. Dies sei ihr vom Gericht oktroyiert worden. Die Formulierungen stammten nicht von ihr, sondern von der Richterin. Ihr sei die Sache auch nicht egal gewesen, denn ansonsten hätte sie nicht bis zur letzten Instanz um ihr Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 04.07.2002 bis 05.09.2002 gekämpft.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß):
Die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichtes und des Sozialgerichtes Nürnberg vom 29.11.2007 und 08.11.2006 werden aufgehoben. Der Bescheid vom 09.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2005 wird abgeändert und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin auch für den Zeitraum vom 04.07.2002 bis 05.09.2002 Arbeitslosengeld in Höhe von 199,92 EUR wöchentlich zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
den Antrag auf Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens L 10 AL 179/07 als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise den Antrag als unbegründet zurückzuweisen.
Die Klägerin habe die Berufung am 21.05.2007 zurückgenommen. Dies habe der Senat bereits mit Urteil vom 29.11.2007 festgestellt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die gerichtlichen Akten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage auf Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens L 10 AL 179/07 ist weder statthaft noch fristgemäß und damit als unzulässig zu verwerfen.
Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozessordnung wieder aufgenommen werden, § 179 Abs 2 SGG. Hiernach kann die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens durch Nichtigkeitsklage und durch Restitutionsklage erfolgen, § 578 Abs 1 ZPO.
Vorliegend macht die Klägerin mit ihrem Wiederaufnahmeantrag geltend, dass ihr die Erklärung über die Erledigung der Berufung seitens der Richterin in der Verhandlung am 21.05.2007 "oktroyiert" worden sei und sie diese Erklärung nicht abgeben habe. Die Klägerin vertritt hierbei die Auffassung, sie dürfe dies wohl "Vergewaltigung" nennen. Die Erklärung am 21.05.2007 sei "schon verlogen niedergeschrieben" worden. Im Ergebnis bestreitet die Klägerin die Erledigungserklärung abgegeben zu haben und behauptet inzident, die Berichterstatterin Dr. N. habe sich eines strafbaren Verhaltens schuldig gemacht.
Auch wenn es keine Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten der Berichterstatterin Dr. N. gibt und die Vorhaltungen der Klägerin völlig haltlos erscheinen, insbesondere weil keinerlei Beweismittel genannt werden, stellen sie den alleinigen Anknüpfungspunkt für eine Wiederaufnahme des Verfahrens in Form einer Restitutionsklage dar. Diese findet statt, wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat, § 580 Nr. 5 ZPO.
Nachdem die Berichterstatterin Dr. N, der von der Klägerin ein strafbares Fehlverhalten unterstellt wird, auch am Urteil vom 29.11.2007 mitgewirkt hat, ist zwar formal ein Restitutionsgrund geltend gemacht. Gleichwohl ist der Wiederaufnahmeantrag nicht statthaft, denn als besondere Voraussetzung einer Restitutionsklage regelt § 581 Abs 1 ZPO, dass die Restitutionsklage nur stattfindet, wenn wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann. Diese Voraussetzung ist offensichtlich nicht gegeben, insbesondere hat die Klägerin dies weder schlüssig vorgetragen noch hierzu Beweis angeboten. Die Darlegung des Restitutionsgrundes, d.h. die strafgerichtliche Verurteilung bzw. die Darlegung, dass das Strafverfahren nicht mehr durchgeführt werden kann, ist jedoch Zulässigkeitsvoraussetzung. Insoweit genügt - wie vorliegend - eine substanzlose Behauptung, der Richter habe sich strafbar verhalten, den Anforderungen an die Darlegung eines Restitutionsgrundes nicht.
Darüber hinaus ist die Restitutionsklage nicht fristgemäß erhoben worden.
Die Klagen sind vor Ablauf der Notfrist eines Monats zu erheben, § 586 Abs 1 ZPO. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, § 586 Abs 2 Satz 1 ZPO.
Nach dem Vorbringen der Klägerin ist allein der Restitutionsgrund des § 580 Nr. 5 ZPO geltend gemacht und denkbar, denn Anhaltspunkte für andere Wiederaufnahmegründe iSd §§ 579, 580 ZPO oder § 179 Abs 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Soweit die Klägerin daher allein den Umstand bemängeln kann, dass die Berichterstatterin Dr. N am Urteil vom 29.11.2007 mitgewirkt hat, war ihr dies mit der Zustellung dieses Urteils am 18.01.2008 bekannt, denn aus dem Rubrum des Urteils ergeben sich die beteiligten Berufsrichter, und aus dem Protokoll des Erörterungstermins vom 21.05.2007 ist der Name der Berichterstatterin Dr. N. ebenfalls zu ersehen. Soweit die Klägerin daher den Restitutionsgrund geltend machen wollte, dass Dr. N. bei der Urteilsfindung mitgewirkt habe, hätte dies innerhalb eines Monats ab Zustellung des Urteiles vom 29.11.2007, mithin bis 18.02.2008 erfolgen müssen. Einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens hat die Klägerin jedoch erst am 11.12.2008 (eingegangen beim Bayer. Landessozialgericht am 12.12.2008) und damit nach Ablauf der Monatsfrist gestellt
Eine andere Betrachtungsweise ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin bereits mit Schreiben vom 18.01.2008 (eingegangen beim Bayer. Landessozialgericht am 21.01.2008) zum Ausdruck gebracht hat, dass sie die Entscheidung vom 29.11.2007 für ein Fehlurteil halte. Dem gesamten Schreiben ist nicht zu entnehmen, dass die Klägerin dieses Urteil nochmals angreifen wollte. Die von der Klägerin gewählten Formulierungen - sie wünsche allen an diesem letzten Fehlurteil Beteiligten, dass sie in ihrem Seelenfrieden leben könnten - lassen allein den Schluss zu, dass die Klägerin mit dem Urteil vom 29.11.2007 die Angelegenheit - wenn auch unzutreffend entschieden - nunmehr als erledigt ansehe. Ein Rechtsmittel oder ein Antrag auf erneute Überprüfung der Angelegenheit war diesem Schreiben nicht zu entnehmen.
Soweit die Klägerin die sachliche Unrichtigkeit des Bescheides vom 09.08.2002, d.h. die fehlenden Zahlungen von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 04.07.2002 bis 05.09.2002 geltend machen will, ist ein Wiederaufnahmegrund nicht geltend gemacht.
Sinn und Zweck der Vorschriften über die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen gerichtlichen Verfahrens ist die Beseitigung schwerster verfahrensrechtlicher Mängel (Nichtigkeitsklage iSd § 579 ZPO) bzw. die Beseitigung von Urteilen, die auf unrichtiger insbesondere verfälschter Grundlage ergangen sind (Restitutionsklage iSd § 580 ZPO). Eine materielle Prüfung des Anspruches ist daher erst möglich wenn feststeht, dass der Weg der gerichtlichen Entscheidungsfindung mit erheblichen Mängeln im oben genannten Sinne behaftet war, die eine Durchbrechung der Rechtskraft eines Urteiles geboten erscheinen lassen. Allein das Bestehen eines materiellen Anspruches - der nach Lage der Akten jedoch nicht zu erkennen ist - rechtfertigt die Rechtskraftdurchbrechung des Urteiles vom 29.11.2007 nicht. Soweit die Klägerin die materielle Rechtswidrigkeit des bindenden Bescheides vom 09.08.2002 geltend machen will, ist dies nur im Rahmen eines bei der Beklagten durchzuführenden Verwaltungsverfahrens möglich, wobei eine Nachzahlung der von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche bereits an § 44 Abs 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) scheitern dürfte.
Im Ergebnis war der Antrag auf Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen der Klägerin.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Absatz 2 Nr.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt zum wiederholten Mal die Wiederaufnahme eines abgeschlossenen Berufungsverfahrens.
Die Klägerin meldete sich am 28.02.2002 arbeitslos, nachdem ihr Arbeitsverhältnis arbeitgeberseitig zum 27.02.2002 gekündigt worden war. Am 04.07.2002 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie im Rahmen des in die Wege geleiteten Kündigungsschutzprozesses vor dem Arbeitsgericht gewonnen habe. Der Arbeitgeber sei verpflichtet worden, ihre Bezüge bis zum Eintritt ins Rentenalter zu zahlen. Arbeitslosigkeit sei daher nicht eingetreten; sie wolle abgemeldet werden und keine Leistungen beziehen.
Am 06.09.2002 meldete sich die Klägerin erneut bei der Beklagten arbeitslos, weil ihr Arbeitgeber gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt habe. Die Abmeldung aus dem Leistungsbezug sei irrtümlich erfolgt. In der Folgezeit bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld für die Zeit vom 23.05.2002 bis 03.07.2002 (Bescheid vom 23.09.2002) unter Berücksichtigung einer vorläufigen Sperrzeit und weiter für die Zeit ab dem 06.09.2002 (Bescheid vom 27.09.2002).
Der Arbeitsrechtsstreit endete vor dem Landesarbeitsgericht (2 Sa 552/02) durch Vergleich vom 05.07.2005. Hiernach endete das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 28.02.2002, wobei zwischen den Parteien Einigkeit bestand, dass der Anlass für den geschlossenen Aufhebungsvertrag nicht in einem subjektiv vorwerfbaren Verhalten begründet sei.
Dies war für die Beklagte Anlass, von der endgültigen Feststellung einer Sperrzeit abzusehen und der Klägerin mit Bescheid vom 09.08.2005 auch für den Zeitraum vom 28.02.2002 bis 22.05.2002 Arbeitslosengeld zu bewilligen.
Mit Schreiben vom 19.08.2005 machte die Klägerin geltend, dass die Zahlungen für den Zeitraum 04.07.2002 bis 05.09.2002 fehlten. Dies wertete die Beklagte als Widerspruch gegen den Bescheid vom 09.08.2005, den sie mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.2005 zurückwies. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehe für den Zeitraum vom 04.07.2002 bis 05.09.2002 nicht, weil sich die Klägerin am 04.07.2002 aus dem Leistungsbezug abgemeldet habe. Infolge dieser Erklärung sei sie nicht mehr arbeitslos gemeldet gewesen und habe der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung gestanden.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 07.11.2005 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Sie habe angenommen sich korrekt zu verhalten, als sie sich nach dem erstinstanzlichen Urteil des Arbeitsgerichtes als "ungekündigt" abgemeldet habe. Die Notwendigkeit sich erneut arbeitslos zu melden habe sie erst erkannt, als sie die Berufung ihres Arbeitgebers in Händen gehalten habe.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 08.11.2006 abgewiesen. Aufgrund ihrer Abmeldung in der Zeit vom 04.07.2002 bis 05.09.2002 sei sie für die Arbeitsvermittlung nicht verfügbar gewesen, so dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht bestehe.
Am 04.12.2006 hat die Klägerin gegen dieses Urteil Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt (L 10 AL 394/06). Sie hat geltend gemacht, dass sie mit über 60 Jahren für eine Vermittlung schon zu alt gewesen sei. Auch habe sie anlässlich ihres Telefongespräches am 04.07.2002 nichts von Zahlungen des Arbeitgebers bis zum Rentenbeginn gesagt. Zuletzt sei auch unzutreffend, dass sie sich am 06.09.2002 erneut arbeitslos gemeldet habe. Sie sei seit ihrer ersten Meldung durchgehend arbeitslos gewesen.
Im Rahmen eines Erörterungstermins vor der Berichterstatterin des Bayer. Landessozialgerichts, Dr. N., hat die Klägerin am 21.05.2007 erklärt: "Ich erkläre das Berufungsverfahren für erledigt." Ausweislich des Protokolls ist diese Erklärung der Klägerin vorgelesen und von dieser genehmigt worden.
Am 05.06.2007 hat die Klägerin "Einspruch" bezüglich des "Urteils vom 21.05.2007" eingelegt (L 10 AL 179/07). Für die Zeit vom 01.10.2003 bis 31.12.2003 sei das Arbeitslosengeld vom Rentenversicherungsträger an die Beklagte zurück überwiesen worden. Vielleicht ergebe sich so eine Perspektive für das nicht ausbezahlte Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 04.07.2002 bis 05.09.2002.
Mit Urteil vom 29.11.2007 hat der Senat unter Teilnahme der Berichterstatterin Dr. N. festgestellt, dass das Berufungsverfahren L 10 AL 394/06 durch die Erledigungserklärung der Klägerin vom 21.05.2007 beendet worden sei. Die der Klägerin vorgelesene und von ihr genehmigte - einseitige - Erledigungserklärung sei als Berufungsrücknahme auszulegen, so dass sie durch diese Erklärung den Verlust des Rechtsmittels bewirkt habe. Ein Widerruf oder eine Anfechtung dieser prozessualen Erklärung sei ausgeschlossen. Auch seien keine Gründe vorgetragen, die eine Anfechtung rechtfertigten. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozessordnung (ZPO) nicht vor, und zuletzt sei auch eine Wiederaufnahme nach § 179 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht möglich, nachdem kein Beteiligter strafrechtlich verurteilt worden sei, weil er Tatsachen, die für die Entscheidung der Streitsache von wesentlicher Bedeutung waren, wissentlich falsch behauptet oder vorsätzlich verschwiegen habe.
Nach Zustellung dieses Urteils am 18.01.2008 hat die Klägerin dem Bayer. Landessozialgericht mitgeteilt, dass sie das Urteil vom 29.11.2007 als Fehlurteil ansehe; dass ihr das Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 04.07.2002 bis 05.09.2002 zustehe, wisse die Beklagte und auch das Sozialgericht. Sie wünsche allen an diesem letzten Fehlurteil Beteiligten, dass sie in ihrem Seelenfrieden leben könnten.
Mit den Schriftsätzen vom 11.12.2008 und 04.01.2009 hat die Klägerin erneut die Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Bayer. Landessozialgericht beantragt
(L 10 AL 7/09 WA). Sie habe niemals das Berufungsverfahren für erledigt erklärt. Dies sei ihr vom Gericht oktroyiert worden. Die Formulierungen stammten nicht von ihr, sondern von der Richterin. Ihr sei die Sache auch nicht egal gewesen, denn ansonsten hätte sie nicht bis zur letzten Instanz um ihr Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 04.07.2002 bis 05.09.2002 gekämpft.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß):
Die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichtes und des Sozialgerichtes Nürnberg vom 29.11.2007 und 08.11.2006 werden aufgehoben. Der Bescheid vom 09.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2005 wird abgeändert und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin auch für den Zeitraum vom 04.07.2002 bis 05.09.2002 Arbeitslosengeld in Höhe von 199,92 EUR wöchentlich zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
den Antrag auf Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens L 10 AL 179/07 als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise den Antrag als unbegründet zurückzuweisen.
Die Klägerin habe die Berufung am 21.05.2007 zurückgenommen. Dies habe der Senat bereits mit Urteil vom 29.11.2007 festgestellt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die gerichtlichen Akten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage auf Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens L 10 AL 179/07 ist weder statthaft noch fristgemäß und damit als unzulässig zu verwerfen.
Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozessordnung wieder aufgenommen werden, § 179 Abs 2 SGG. Hiernach kann die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens durch Nichtigkeitsklage und durch Restitutionsklage erfolgen, § 578 Abs 1 ZPO.
Vorliegend macht die Klägerin mit ihrem Wiederaufnahmeantrag geltend, dass ihr die Erklärung über die Erledigung der Berufung seitens der Richterin in der Verhandlung am 21.05.2007 "oktroyiert" worden sei und sie diese Erklärung nicht abgeben habe. Die Klägerin vertritt hierbei die Auffassung, sie dürfe dies wohl "Vergewaltigung" nennen. Die Erklärung am 21.05.2007 sei "schon verlogen niedergeschrieben" worden. Im Ergebnis bestreitet die Klägerin die Erledigungserklärung abgegeben zu haben und behauptet inzident, die Berichterstatterin Dr. N. habe sich eines strafbaren Verhaltens schuldig gemacht.
Auch wenn es keine Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten der Berichterstatterin Dr. N. gibt und die Vorhaltungen der Klägerin völlig haltlos erscheinen, insbesondere weil keinerlei Beweismittel genannt werden, stellen sie den alleinigen Anknüpfungspunkt für eine Wiederaufnahme des Verfahrens in Form einer Restitutionsklage dar. Diese findet statt, wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat, § 580 Nr. 5 ZPO.
Nachdem die Berichterstatterin Dr. N, der von der Klägerin ein strafbares Fehlverhalten unterstellt wird, auch am Urteil vom 29.11.2007 mitgewirkt hat, ist zwar formal ein Restitutionsgrund geltend gemacht. Gleichwohl ist der Wiederaufnahmeantrag nicht statthaft, denn als besondere Voraussetzung einer Restitutionsklage regelt § 581 Abs 1 ZPO, dass die Restitutionsklage nur stattfindet, wenn wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann. Diese Voraussetzung ist offensichtlich nicht gegeben, insbesondere hat die Klägerin dies weder schlüssig vorgetragen noch hierzu Beweis angeboten. Die Darlegung des Restitutionsgrundes, d.h. die strafgerichtliche Verurteilung bzw. die Darlegung, dass das Strafverfahren nicht mehr durchgeführt werden kann, ist jedoch Zulässigkeitsvoraussetzung. Insoweit genügt - wie vorliegend - eine substanzlose Behauptung, der Richter habe sich strafbar verhalten, den Anforderungen an die Darlegung eines Restitutionsgrundes nicht.
Darüber hinaus ist die Restitutionsklage nicht fristgemäß erhoben worden.
Die Klagen sind vor Ablauf der Notfrist eines Monats zu erheben, § 586 Abs 1 ZPO. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, § 586 Abs 2 Satz 1 ZPO.
Nach dem Vorbringen der Klägerin ist allein der Restitutionsgrund des § 580 Nr. 5 ZPO geltend gemacht und denkbar, denn Anhaltspunkte für andere Wiederaufnahmegründe iSd §§ 579, 580 ZPO oder § 179 Abs 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Soweit die Klägerin daher allein den Umstand bemängeln kann, dass die Berichterstatterin Dr. N am Urteil vom 29.11.2007 mitgewirkt hat, war ihr dies mit der Zustellung dieses Urteils am 18.01.2008 bekannt, denn aus dem Rubrum des Urteils ergeben sich die beteiligten Berufsrichter, und aus dem Protokoll des Erörterungstermins vom 21.05.2007 ist der Name der Berichterstatterin Dr. N. ebenfalls zu ersehen. Soweit die Klägerin daher den Restitutionsgrund geltend machen wollte, dass Dr. N. bei der Urteilsfindung mitgewirkt habe, hätte dies innerhalb eines Monats ab Zustellung des Urteiles vom 29.11.2007, mithin bis 18.02.2008 erfolgen müssen. Einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens hat die Klägerin jedoch erst am 11.12.2008 (eingegangen beim Bayer. Landessozialgericht am 12.12.2008) und damit nach Ablauf der Monatsfrist gestellt
Eine andere Betrachtungsweise ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin bereits mit Schreiben vom 18.01.2008 (eingegangen beim Bayer. Landessozialgericht am 21.01.2008) zum Ausdruck gebracht hat, dass sie die Entscheidung vom 29.11.2007 für ein Fehlurteil halte. Dem gesamten Schreiben ist nicht zu entnehmen, dass die Klägerin dieses Urteil nochmals angreifen wollte. Die von der Klägerin gewählten Formulierungen - sie wünsche allen an diesem letzten Fehlurteil Beteiligten, dass sie in ihrem Seelenfrieden leben könnten - lassen allein den Schluss zu, dass die Klägerin mit dem Urteil vom 29.11.2007 die Angelegenheit - wenn auch unzutreffend entschieden - nunmehr als erledigt ansehe. Ein Rechtsmittel oder ein Antrag auf erneute Überprüfung der Angelegenheit war diesem Schreiben nicht zu entnehmen.
Soweit die Klägerin die sachliche Unrichtigkeit des Bescheides vom 09.08.2002, d.h. die fehlenden Zahlungen von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 04.07.2002 bis 05.09.2002 geltend machen will, ist ein Wiederaufnahmegrund nicht geltend gemacht.
Sinn und Zweck der Vorschriften über die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen gerichtlichen Verfahrens ist die Beseitigung schwerster verfahrensrechtlicher Mängel (Nichtigkeitsklage iSd § 579 ZPO) bzw. die Beseitigung von Urteilen, die auf unrichtiger insbesondere verfälschter Grundlage ergangen sind (Restitutionsklage iSd § 580 ZPO). Eine materielle Prüfung des Anspruches ist daher erst möglich wenn feststeht, dass der Weg der gerichtlichen Entscheidungsfindung mit erheblichen Mängeln im oben genannten Sinne behaftet war, die eine Durchbrechung der Rechtskraft eines Urteiles geboten erscheinen lassen. Allein das Bestehen eines materiellen Anspruches - der nach Lage der Akten jedoch nicht zu erkennen ist - rechtfertigt die Rechtskraftdurchbrechung des Urteiles vom 29.11.2007 nicht. Soweit die Klägerin die materielle Rechtswidrigkeit des bindenden Bescheides vom 09.08.2002 geltend machen will, ist dies nur im Rahmen eines bei der Beklagten durchzuführenden Verwaltungsverfahrens möglich, wobei eine Nachzahlung der von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche bereits an § 44 Abs 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) scheitern dürfte.
Im Ergebnis war der Antrag auf Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen der Klägerin.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Absatz 2 Nr.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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