L 7 B 243/08 AY-ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 25 AY 25/07 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 B 243/08 AY-ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Bescheid, mit dem die Einstellung der Leistungen nach § 2 AsylbLG verfügt wurde, haben aufschiebende Wirkung, wenn es sich bei dem früheren Bewilligungsbescheid um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt.
2. Vorläufiger Rechtsschutz kann in diesen Fällen dadurch gewährt werrden, dass das Sozialgericht in entsprechender Anwendung des §86b Abs. 1 SGG die aufschiebende Wirkung feststellt.
I. Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 4. März 2008 aufgehoben, soweit der Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt worden war. Es wird festgestellt, dass die Klage Az. S 25 AY 2/08 der Antragsteller beim Sozialgericht Chemnitz gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Oktober 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2008 aufschiebende Wirkung hat.
II. Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in beiden Rechtzügen zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Antragsteller) begehren die Weitergewährung von Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz – AsylbLG –.

Die Antragsteller zu 1 und 2 sind die Eltern der Antragsteller zu 3 bis 7. Die Antragstellerin zu 8 ist die Mutter des Antragstellers zu 1. Nach ihren Angaben sind sie Staatsangehörige des ehemaligen Jugoslawien, stammen aus dem Kosovo und gehören der Volksgruppe der Roma an. Sie reisten nach ihren Angaben im Mai 2002 auf dem Landweg ins Bundesgebiet ein, wo sie sich am 27.05.2002 als Asylbewerber meldeten. Ihre Asylanträge wurden bestandskräftig abgelehnt. Seit 02.06.2004 verfügen die Antragsteller über aufenthaltsrechtliche Duldungen, die zeitweise wegen des Abschiebestopps für Roma aus dem Kosovo, teilweise wegen Fehlens gültiger Reisedokumente ausgestellt wurden. Ihre Asylfolgeanträge waren – soweit ersichtlich – bisher nicht erfolgreich.

Mit Bescheid vom 06.07.2005 bewilligte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (im Folgenden: Antragsgegner), dessen Zuständigkeitsbereich die Antragsteller im Rahmen des Asylverfahren zugewiesen worden waren, der Familie ab 01.07.2005 bis auf Weiteres Leistungen nach § 2 AsylbLG, wobei für die Grundbedürfnisse Ernährung, Wohnen, Hygiene u. Ä. weiterhin Sachleistungen in Form der Unterbringung in der Gemeinschaftsunterkunft in Reichenbach sowie durch Warengutscheine erbracht und nur ein erhöhter Barbetrag geleistet wurde. Den Antrag vom 03.05.2006 auf Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG in Form von Geldleistungen lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 03.01.2007 ab; im Übrigen gelte der Bescheid vom 01.07.2005 (richtig: 06.07.2005) fort. Insoweit wird auf jenen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2007 und die dazu geführten sozialgerichtlichen Verfahren S 22 AY 17/06 ER, S 25 AY 11/07, S 25 AY 10/07 ER bzw. L 3 B 457/07 AY-ER und L 3 B 458/07 AY-PKH verwiesen.

Mit Schreiben vom 09.07.2007 teilte die Zentrale Ausländerbehörde des damaligen Regierungspräsidiums Chemnitz (ZAB) auf vorherige Anfrage des Antragsgegners mit, dass die Antragsteller ihre Passlosigkeit selbst zu vertreten hätten. Mit Bescheid vom 12.07.2007 verpflichtete die ZAB die Antragsteller u.a., bei der Botschaft der Serbischen Republik vorzusprechen. Die Vorsprache erfolgte am 09.08.2007. Ihr Prozessbevollmächtigter teilte im Anschluss mit, die Antragsteller hätten die Ausstellung von Nationalpässen beantragt. Bereits am 24.07.2007 waren die Antragstellerinnen zu 2 und 5 bei einer persönlichen Vorsprache beim Sozialamt des Antragsgegners darauf hingewiesen worden, dass die Voraussetzungen des § 2 AsylbLG nicht mehr vorlägen. Im Gespräch hätten die Antragstellerinnen angegeben, sie könnten nicht in den Kosovo zurückkehren, und hierfür auch gesundheitliche Gründe geltend gemacht. Gültige Pässe bzw. Reisedokumente der Antragsteller wurden nicht vorgelegt.

Mit Schreiben vom 25.09.2007 an den Prozessbevollmächtigten der Antragsteller wurden die Antragsteller zur beabsichtigten Einstellung der Leistung nach § 2 AsylbLG angehört. Mit Bescheid vom 18.10.2007 stellte der Antragsgegner die Leistungen nach § 2 AsylbLG an die Familie ein. Mit Bescheiden vom 12.11.2007 wurde den Antragstellern ab 01.11.2007 Grundleistungen nach § 3 AsylbLG und Krankenhilfe nach § 4 AsylbLG gewährt. Am 15.11.2007 wandte sich der Klägerbevollmächtigte gegen die Versagung der Leistungen für seine Mandanten. Der Antragsgegner bestätigte mit Schreiben vom 19.11.2007 den fristgerechten Eingang des Widerspruchs und leitete diesen am 10.12.2007 an die ZAB weiter.

Am 04.12.2007 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Chemnitz die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Sie seien Staatsangehörige von Serbien und Montenegro und Volkszugehörige der Roma aus dem Kosovo. Eine aktuelle Bescheinigung der Gesellschaft für bedrohte Völker vom 31.10.2007, die sie zugleich vorgelegt haben, belege diesen Umstand. Bislang hätten sie Leistungen gemäß § 2 AsylbLG erhalten. Diese seien mit Bescheid vom 18.10.2007 eingestellt worden. Dem Änderungsbescheid fehle es an einer sachlichen Grundlage. Gleichzeitig haben sie die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten beantragt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.02.2008 hat die ZAB den Widerspruch der Antragsteller gegen den Bescheid vom 11.02.2008 zurückgewiesen, sich in der Begründung auf § 1a Nr. 2 AsylbLG bezogen und Ausführungen zu den unabweisbar notwendigen Leistungen gemacht. Die Streichung des Taschengeldes und der pauschalen Bekleidungsbeihilfe sei verhältnismäßig. Es sei nicht erkennbar, aus welchem Grund die Kürzung der Leistungen unzumutbar sein solle. Dagegen haben die Antragsteller am 27.02.2008 beim Sozialgericht Chemnitz Klage erhoben (S 25 AY 2/08), über die noch nicht entscheiden ist.

Das Sozialgericht hat den Antrag als einstweiligen Anordnungsantrag ausgelegt und mit Beschluss vom 04.03.2008 abgelehnt, weil die Antragsteller die Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch auf Leistungen gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG ab Antragstellung bei Gericht nicht hinreichend glaubhaft gemacht hätten. Sie hätten die Dauer ihres Aufenthalts rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst, weil sie nicht freiwillig ausgereist seien. Die derzeitige Entwicklung im Kosovo lasse den Schluss zu, dass die Rückkehrmöglichkeiten für Rückkehrwillige sich stetig verbesserten. Dass die Antragsteller derart in der Bundesrepublik integriert seien, dass ihnen eine Rückkehr unzumutbar sei, sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Den Antrag auf Prozesskostenhilfe hat das Sozialgericht wegen fehlender Erfolgsaussicht des Eilverfahrens ebenfalls abgelehnt.

Gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts haben die Antragsteller jeweils am 03.04.2008 Beschwerde eingelegt (vgl. auch L 7 B 244/08 AY-PKH). Sie beziehen sich auf das bisherige Vorbringen und machen geltend, sie seien in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert. Die Kinder kämen der Schulpflicht nach. Es könne keine Rede davon sein, dass sie die Dauer ihres Aufenthalts rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst hätten. Eine Rückkehr sei ihnen nicht zuzumuten. Gerade in jüngster Vergangenheit sei es im Kosovo zu massiven Unruhen gekommen. Grund für die Unzumutbarkeit der Ausreise sei auch die Integration nach jahrelangem Aufenthalt.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 04.03.2008 aufzuheben und ihnen weiterhin Leistungen nach § 2 AsylbLG zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verweist auf die angefochtene Entscheidung und trägt vor, die Antragsteller seien ihren Mitwirkungspflichten zur Beschaffung von Reisedokumenten, wie sie im Bescheid der ZAB vom 12.07.2007 gefordert worden sei bis heute nicht bzw. nur ungenügend nachgekommen. Die Passlosigkeit hätten sie selbst zu vertreten; ihre Identität sei nach wie vor ungeklärt. Allein aus dem Nichtmitwirken bei der Passbeschaffung träten Gründe ein, die dazu führten, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden könnten. Die Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise sei jederzeit gegeben gewesen. Zwar sei im Bescheid vom 18.10.2007 nicht konkret auf die Vorschriften der §§ 45, 48 SGB X Bezug genommen, jedoch seien diese gleichwohl bei der Entscheidung berücksichtigt worden. Die Entscheidung zur Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG vom 01.07.2005 sei insbesondere von der damaligen Unmöglichkeit der Abschiebung besonderer ethnischer Minderheiten aus dem Kosovo getragen gewesen. Dessen ungeachtet seien die Antragsteller verpflichtet, sich um gültige Reisepässe zu bemühen. Die Leistungsbescheide begründeten keine Dauerleistung, was sich aus dem Wesen der Sozialhilfe als stets neu zu bewilligende Leistung zur Deckung des aktuellen Bedarfs ergebe. Bei der Kürzung der Leistungen handele es sich nicht um einen Entzug, sondern um eine teilweise begründete Ablehnung, so dass ein Widerspruch dagegen keine aufschiebende Wirkung entfalte.

Mit Schreiben vom 15.12.2008 hat der Antragsgegner mitgeteilt, dass durch die Ausländerbehörde der Bezug von eigenem Wohnraum zur Verbesserung der sozialen Belange der Familie, insbesondere der Kinder genehmigt worden sei; die Leistungsgewährung dezentral untergebrachter Leistungsberechtigter erfolge nach Zustimmung durch die ZAB in Geldform.

Auf Anfrage des Senats unter Bezugnahme auf das Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 17.12.2007 hat die ZAB am 03.06.2009 mitgeteilt, dass das Rückführungsverbot von Roma in den Kosovo noch nicht aufgehoben worden sei. Es fänden Gespräche zu einem Rückführungsabkommen statt, deren Abschluss noch in diesem Jahr erwartet werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Gerichtsakten in den Verfahren L 7 B 244/08 AY-PKH, L 3 B 457/07 AY-ER und L 3 B 458/07 AY-PKH und auf die Verwaltungsakten des Antragsgegners (3 Bände) Bezug genommen.

II.

Die Entscheidung trifft gemäß § 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG – die Berichterstatterin als Einzelrichter, da die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Unrecht abgelehnt.

Entgegen der Annahme des Sozialgerichts war das Rechtsschutzbegehren der Antragsteller nicht als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu werten. Eine einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG kommt nur in Betracht, wenn ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG nicht vorliegt (§ 86b Abs. 2 Satz 1 und 2 SGG). Ein solcher Fall war aber gegeben, weil der Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.10.2007 aufschiebende Wirkung hat. Da der Antragsgegner trotz dieses Umstandes ab 01.11.2007 die Leistungen nach § 2 AsylbLG an die Antragsteller eingestellt hat, negiert er diese Rechtswirkung, so dass in entsprechender Anwendung des § 86b Abs. 1 SGG das Bestehen der aufschiebenden Wirkung festzustellen ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/¬Keller/¬Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rdnr. 15, m. w. N.; SächsLSG, Beschluss vom 20.02.2008 – L 3 B 174/07 AY-ER ; LSG Nieders.-Bremen, Beschluss vom 18.12.2008 L 11 AY 117/08 ER u.a. , JURIS-Dokument Rn. 11; LSG Bad.-Württ., Beschluss vom 18.10.2006 – L 7 SO 3313/06 ER-B – JURIS-Dokument Rn. 2).

Das Rechtsschutzbegehren im Eilverfahren ist gemäß § 123 SGG, der auch im Beschwerdeverfahren Anwendung findet (vgl. Meyer-Ladewig in: Meyer-Ladewig u.a., a. a. O., § 123 Rdnr. 3b sowie Rdnr. 4 vor § 172), in sachdienlicher Auslegung als Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der gegen den Bescheid vom 18.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2008 eingelegten Klage Az. S 25 AY 2/08 zu behandeln. Dem steht nicht entgegen, dass die rechtskundig vertretenen Antragsteller ausdrücklich den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt haben. Denn gemäß § 123 SGG entscheidet das Gericht, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu seien. Maßgeblich ist, was mit dem Rechtsbehelf gewollt ist. Das von den Antragstellern unzweideutig Gewollte ist die (vorläufige) Weiterzahlung von Leistungen nach § 2 AsylbLG statt der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG. Dieses Ziel können sie prozessual schon mit einem Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs gegen den Bescheid vom 18.10.2007 erreichen, so dass davon auszugehen ist, dass sie ihr Begehren mit einem solchen Antrag nach § 86b Abs. 1 SGG analog verfolgen wollten. Bei dem angefochtenen Bescheid vom 18.10.2007 handelt es sich nämlich um die Aufhebung des Bescheids vom 06.07.2005, mit dem den Antragstellern ab 01.07.2005 Leistungen nach § 2 AsylbLG ohne zeitliche Begrenzung über den 30.07.2005 hinaus bewilligt worden waren. Diese Leistungsentziehung kann indes mit den Rechtsmitteln des (Anfechtungs-)¬Wi¬der¬spruchs und der Anfechtungsklage angegriffen werden (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2008 B 8 AY 9/07 R ), wodurch gemäß § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung eintritt, so dass der steitgegenständliche Bescheid vom 18.10.2007 nicht vollziehbar ist. Die bewilligten Leistungen wären somit wegen des gesetzlich angeordneten Eintritts der aufschiebenden Wirkung zunächst entsprechend der Bewilligung im Bescheid vom 06.07.2005 weiter zu zahlen (gewesen), so dass dem Begehren der Antragsteller durch die Feststellung, dass ihr Widerspruch aufschiebende Wirkung entfaltet, in zulässiger Weise und wirkungsvoll Rechtsschutz gewährt werden kann.

Der Antragsgegner hat den Antragstellern durch Bescheid vom 06.07.2005 Leistungen nach § 2 AsylbLG ab 01.07.2005 bis auf Weiteres bewilligt. Handelt es sich hierbei um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, muss sich dessen Aufhebung an den über § 9 Abs. 3 AsylbLG entsprechend anwendbaren Regelungen der §§ 45, 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch SGB X messen lassen (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2008 &61472;8 AY 13/07 – Rz. 10, 11 m.w.N.). Dem steht nicht entgegen, dass § 2 Abs. 1 AsylbLG hinsichtlich des Leistungsumfangs auf das SGB XII und damit auf die Vorschriften des Sozialhilferechts verweist. Zwar sind Sozialhilfeleistungen nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtssprechung grundsätzlich keine rentenähnlichen Dauerleistungen, sondern Hilfen in einer besonderen Notsituation, die nur für die nächstliegende Zeit bewilligt werden (vgl. auch BSG, Urteil vom 08.02.2007 – B 9b AY 1/06 R – JURIS-Dokument Rn. 12). Gleichwohl sind auch die Sozialhilfebehörden nicht gehindert, Leistungen für einen längeren Zeitraum zu gewähren, insbesondere bei invariablen Sachverhalten und ggf. konkludent durch fortlaufende Auszahlung der ursprünglich bewilligten Leistungen (vgl. schon BVerwG, Urteil vom 29.09.1971 V C 110.70 –, BVerwGE 38, 299; BSG, Urteile vom 17.06.2008, z.B. B 8 AY 11/07 R – Rz. 10). Da auch im Asylbewerberleistungsrecht der Erlass von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung in Betracht kommt, wie schon der Verweis in § 9 Abs. 3 AsylbLG auf die §§ 44 bis 50 SGB X deutlich macht, muss auf den objektiven Erklärungsinhalt des betreffenden Verwaltungsakts abgestellt werden (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2008 – B 8/9b AY 1/07 R – Rz. 11). Trifft der Sozialhilfeträger eine Entscheidung für einen längeren Zeitraum, muss er sich daran festhalten lassen. Gemäß § 9 Abs. 3 AsylbLG sind Änderungen der auf Dauer bewilligten Leistungen am Maßstab der §§ 44 ff. SGB X zu prüfen.

Im vorliegenden Fall ergibt die Auslegung des Bescheides vom 06.07.2005, dass damit ab 01.07.2005 für einen zunächst nicht begrenzten Zeitraum Leistungen nach § 2 AsylbLG bewilligt worden sind. Hierfür spricht schon die Formulierung "bis auf weiteres", die das Ende des Leistungszeitraumes ausdrücklich offen lässt (vgl. Grube in: Grube/Wahrendorf, SGB XII 2. Aufl., Einleitung Rdnr. 83 m. w. N.). Ferner heißt es ausdrücklich, dass die Antragsteller monatlich Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG hätten. Eine Beschränkung der Leistungen auf einen bestimmten Monat enthält der Bescheid nicht. Zwar führt der Berechnungsbogen zum Bescheid nur den Monat Juli 2005 auf. Es handelt sich dabei aber offensichtlich nur um eine auf die Familienmitglieder bezogene Darstellung der verwendeten Rechnungsgrößen. Eine etwaige Begrenzung der Leistungszeiträume erfolgte ausdrücklich weder im Verfügungssatz noch in den Gründen des Bescheides. Bestätigt wurde dies – dem Grunde nach – nochmals mit Bescheid vom 03.01.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2007, durch den damals die Gewährung von Barleistungen statt der zugesprochenen Sachleistungen mit erhöhtem Bargeldanteil gemäß § 2 AsylbLG abgelehnt und die Fortgeltung des Bescheides vom Juli 2005 ausgesprochen wurde. An der dauerhaften Bewilligung von sog. Analogleistungen nach § 2 AsylbLG an die Antragsteller wurde somit auch im Bescheid vom 03.01.2007 festgehalten. Denn gerade der Bescheid zur Ablehnung der Gewährung von Barleistungen statt Sachleistungen bekräftigt durch den Verweis auf die Fortgeltung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides vom Juli 2005 dessen – vom Antragsgegner womöglich nicht beabsichtigte – Dauerwirkung, wie sie sich für einen objektiven Bescheidempfänger darstellt. Nach der Wortwahl in diesen beiden Bescheiden des Antragsgegners handelt sich bei der Bewilligung mit Bescheid vom 06.07.2005 um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Die Einstellung der Leistungen im Bescheid vom 18.10.2007 stellt somit eine Änderung der bestandskräftigen Bewilligung vom 06.07.2005 dar.

Daher kann im vorliegenden Beschwerdeverfahren dahinstehen, ob der Bescheid vom 18.10.2007 den Anforderungen des § 45 SGB X an die Rücknahme eines anfänglich rechtswidrigen Verwaltungsaktes oder den Erfordernissen des § 48 SGB X für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes wegen nachträglicher Änderung der Verhältnisse zu entsprechen hat. Für den Erfolg des Rechtsschutzbegehrens der Antragsteller ist hier ausreichend, dass Rechtsmittel gegen den Bescheid gemäß § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung entfalten, da ein Fall des § 86a Abs. 2 SGG nicht vorliegt. Insbesondere handelt es sich hier nicht um einen in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts oder der Sozialversicherung (§ 86a Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 SGG) ergangenen Verwaltungsakt. Der Antragsgegner hat auch nicht die sofortige Vollziehung des Einstellungsbescheides vom 18.10.2007 angeordnet (§ 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG). Schließlich entfällt die aufschiebende Wirkung auch nicht aufgrund spezialgesetzlicher Regelung. Eine dem § 39 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vergleichbare Vorschrift findet sich weder im AsylbLG noch im SGB XII.

Lediglich ergänzend wird für eine etwaige materielle Prüfung im Hauptsacheverfahren darauf hingewiesen, dass wegen des fortbestehenden Rückführungsverbotes für Roma in den Kosovo Zweifel bestehen könnten, ob eine rechtmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer durch die Antragsteller vorliegt. Denn nach der neueren Rechtsprechung des jetzt zuständigen 8. Senats des BSG handelt ein aufenthaltsrechtlich geduldeter Leistungsempfänger nicht schon dann rechtsmissbräuchlich, wenn er nicht freiwillig ausreist und hierfür keine anerkennenswerten Gründe vorliegen (vgl. BSG, Urteile vom 17.06.2008, B&61472;8 AY 13/07 R und B 8/9b AY 1/07 R ).

Nach alledem ist der ablehnende Beschluss des Sozialgerichts aufzuheben und in entsprechender Anwendung des § 86b Abs. 1 SGG durch deklaratorischen Beschluss festzustellen, dass der Widerspruch der Antragsteller gegen den Bescheid vom 18.10.2007 aufschiebende Wirkung hat, weil der Antragsgegner diese Wirkung nach wie vor negiert.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG in analoger Anwendung.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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