Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 406/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 595/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23. November 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der Beiträge zur freiwilligen Versicherung der Klägerin für die Zeit vom 01.10.2002 bis 31.03.2006.
Die 1941 geborene Klägerin machte sich im Herbst 2002 selbständig (Gewerbeanmeldung vom 01.10.2002: Vermittlung von Versicherungen und Finanzdienstleistungen) und beantragte zum 01.10.2002 die freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten. Mit Schreiben vom 19.11.2002 teilte ihr die Beklagte mit, sie sei bei ihr ab dem 01.10.2002 freiwilliges Mitglied aufgrund ihrer selbständigen Tätigkeit. Wörtlich heißt es sodann:
"Die Beiträge berechnen wir vorläufig aus einem monatlichen Einkommen von 1.758,75 EUR (Mindesteinkommen im Jahr 2002). Sie betragen zur freiwilligen Krankenversicherung 221,60 EUR und zur freiwilligen Pflegeversicherung 29,90 EUR. Insgesamt 251,50 EUR.
Bitte reichen Sie uns Ihre künftigen Einkommensteuerbescheide immer gleich nach Erhalt in Kopie ein. Eine zeitnahe Überprüfung Ihrer Beitragseinstufung ist dann gewährleistet."
Nachdem die Klägerin unter dem 20.08.2003 mitgeteilt hatte, ihr liege für 2002 noch kein Bescheid vor, die monatlichen Einkünfte dürften unter 2.000 EUR liegen, passte die Beklagte mit Bescheid vom 11.09.2003 die Beiträge in der Weise an, dass sie den Gesamtbetrag auf 262,40 EUR festsetzte. Ausdrücklich heißt es in diesem Bescheid, die Anpassung erfolge vorläufig.
Am 13.07.2005 legte die Klägerin den Einkommensteuerbescheid für 2002 des Finanzamtes Bad U. vom 10.02.2005 der Beklagten vor. Darin werden Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Ehefrau in Höhe von 22.061 EUR festgesetzt. Mit Bescheid vom 14.07.2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, da jetzt der Einkommensteuerbescheid 2002 vorliege, könnten die bisher vorläufigen Beiträge endgültig berechnet werden. Der monatliche Beitrag betrage für die Zeit ab 01.10.2002 472,50 EUR, für die Zeit ab 01.11.2002 482,64 EUR, ab 01.01.2003 493,36 EUR, ab 01.08.2003 507,16 EUR, ab 01.01.2004 512,66 EUR und ab 01.01.2005 518,18 EUR. Die Nachzahlung für die Zeit vom 01.10.2002 bis 30.06.2005 betrage 8.047,38 EUR (Bl. 32 Verwaltungsakte). Dieser Betrag wurde von der Klägerin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gezahlt (Bl. 61 Verwaltungsakte).
In der Folge legte die Klägerin noch den Einkommensteuerbescheid 2003 vom 26.10.2005 (Einkünfte der Ehefrau aus Gewerbebetrieb: 59.775 EUR) und den Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 23.02.2006 (Einkünfte aus Gewerbebetrieb Ehefrau: 14.575 EUR) vor. Mit Bescheid vom 07.03.2006 passte die Beklagte die Beiträge an die geänderten Einkommensverhältnisse mit Wirkung ab 01.04.2006 an und setzte den Gesamtbeitrag auf 270,12 EUR fest.
Gegen den Bescheid vom 14.07.2005 hatte die Klägerin Widerspruch eingelegt. Sie habe ihre Selbständigkeit hervorragend geplant und 2002 ein überragendes Ergebnis (22.061 EUR in der Zeit vom 01.10. bis 31.12.2002) erzielt, die Umsätze hätten aber bereits 2003 und noch stärker 2004 und 2005 nachgelassen. Es widerspreche ihrem Rechtsempfinden, dass eine Beitragsfestsetzung für die Vergangenheit lediglich zu Ungunsten des Versicherten im Nachhinein möglich sein sollte, nicht aber zugunsten des Versicherten. Die Klägerin legte weiterhin die Bescheinigung der Steuerberaterin C. B. vom 20.09.2005 (Bl. 38 Verwaltungsakte) vor, wonach nach den ihr vorgelegten Unterlagen sowie den ergänzenden Angaben im Jahr 2004 von einem Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 24.600 EUR ausgegangen werden könne, was einem durchschnittlichen monatlichen Betrag von 2.050 EUR entspreche. Für das Jahr 2005 ergebe sich für das erste Halbjahr ein vorläufiges Ergebnis von 14.100 EUR, monatlich somit 2350 EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei freiwillig versicherten selbständig Tätigen seien die Einkünfte aus der Tätigkeit als Arbeitseinkommen für die Beitragsbemessung maßgebend. Da die Krankenkassen weder rechtlich noch organisatorisch in der Lage seien, die Höhe der Bruttoeinnahmen der Versicherten aus selbständiger Tätigkeit festzustellen, seien sie beim Nachweis der Einnahmen freiwillig versicherter Selbständiger nicht nur auf deren Angaben, sondern vor allem auf die von ihnen vorgelegten amtlichen Unterlagen, insbesondere die Einkommensteuerbescheide der Finanzämter angewiesen. Nicht zu den amtlichen Unterlagen gehörten in diesem Sinne jedoch Erklärungen des Steuerberaters des Versicherten, weil dieser nicht in amtlicher Funktion als Behördenvertreter, sondern als privater Interessenvertreter des Versicherten tätig werde.
Hiergegen richtet sich die am 02.02.2006 bei dem Sozialgericht Reutlingen erhobene Klage, zu deren Begründung die Klägerin ausführt, sie beanstande, dass die Beiträge seitens der Beklagten für die Vergangenheit nur dann neu errechnet worden seien, soweit sich ihr Einkommen erhöht habe, nicht jedoch, soweit sich ihr Einkommen verringert habe. Dem Gesetz, insbesondere der Vorschrift des § 240 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) lasse sich nicht entnehmen, dass eine materiell-rechtliche Sperre errichtet werde, wonach eine Erstattung von überhöhten Beiträgen mit Wirkung für die Vergangenheit ausgeschlossen sein solle. Es sei schlechterdings nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte lediglich in der Lage sein solle, die Beiträge für die Vergangenheit dann neu zu berechnen, wenn sich diese erhöht hätten, nicht jedoch dann, wenn sich diese verringern würden. Sie würde eine vorläufige Beitragsfestsetzung auf der Basis der Bescheinigung der Steuerberaterin für die Jahre 2004 und 2005 akzeptieren.
Durch Urteil vom 23.11.2006 wies das SG die Klage ab. Es bezog sich zur Begründung auf die zutreffenden Ausführungen des Widerspruchsbescheides und führte ergänzend aus, bei freiwillig Versicherten würden die Beiträge im Ergebnis nur zeitversetzt entsprechend der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erhoben werden. Dies lasse sich rechtfertigen, weil sich Vor- und Nachteile im Regelfall die Waage halten. Die Krankenkasse dürfe typisierend davon ausgehend, dass Einkommenssteuerbescheide im jährlichen Abstand ergehen. Soweit dies nicht der Fall sei, hätten die Krankenkassen keine Verpflichtung, hierauf besondere Rücksicht zu nehmen, es handle sich um atypische Sachverhaltsgestaltungen, die maßgeblich in der Sphäre des Versicherten lägen. Der Gesetzgeber habe die Zukunftsbezogenheit von Beitragsanpassungen nach Vorlage entsprechender Nachweise ausdrücklich vorgegeben.
Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 02.0l.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 02.02.2007 Berufung eingelegt. Sie berief sich zur Begründung auf ein Urteil des LSG Berlin vom 27.03.2002 - L 12 KR 286/01 - und vertrat die Auffassung, dass mit Wirkung für die Vergangenheit im Wege der Amtsermittlung eine zutreffende Ermittlung der jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Versicherten erfolgen müsse und gegebenenfalls zuviel gezahlte Beiträge zu erstatten seien. Genau dies habe die Beklagte nicht getan, eine Verminderung der Beiträge sei von ihr verweigert worden. Dies sei schlechterdings nicht nachvollziehbar, nachdem aufgrund des Bescheides des Steuerberaters vom 20.09.2005 bereits frühzeitig klar gewesen sei, dass das Einkommen der Klägerin eingebrochen sei. Hinzu komme, dass die Beklagte in einem Hinweis zum Beitragsbescheid und der Mitwirkungspflicht darauf hingewiesen habe, dass eine Änderung der Einkommensverhältnisse für die Vergangenheit nur erfolge, wenn eine erhöhte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vorliege. Sie hätte nach Kenntnis der Bescheinigung des Steuerberaters erneut einen Vorbehaltsbescheid erlassen müssen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23. November 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. Oktober 2002 bis 31. März 2006 die über den Mindestbeitrag hinausgehenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zurück zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG im Ergebnis und in der Begründung für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft. Berufungsausschlussgründe gemäß § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor. Der Rechtsstreit geht um eine Beitragsforderung in Höhe von mindestens 8.047,38 EUR.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte war berechtigt, die Höhe der Beiträge der Klägerin zur freiwilligen Versicherung nachträglich neu festzusetzen und von ihr die Nachzahlung der entsprechenden Beiträge zu verlangen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Festsetzung niedrigerer Beiträge. Der Bescheid der Beklagten vom 14. 7 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. 1 2006 ist deshalb nicht zu beanstanden. Dies hat das SG zu Recht erkannt.
Die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung richtet sich nach § 240 SGB V. Diese Vorschrift ist für die Bemessung des Beitrags zur Pflegeversicherung gem. § 57 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) entsprechend anzuwenden. Danach wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung der Krankenkasse geregelt, wobei sicherzustellen ist, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit berücksichtigt (§ 240 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V). Abweichend hiervon trifft das Gesetz in § 240 Abs. 4 Satz 2 bis 5 Sonderregelungen für hauptberuflich selbstständige Erwerbstätige. Für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind, gilt als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223), bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der vierzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße (§ 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V in der vom 1. 1. 2003 bis 31. 7. 2006 gültigen und hier maßgeblichen Fassung). Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach Satz 2 können gem. § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden.
Mit den Regelungen in § 240 Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB V werden zunächst für hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige grundsätzlich kalendertägliche Einnahmen in Höhe von 1/30 der Beitragsbemessungsgrenze und damit monatliche Einnahmen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze fingiert. Das führt zu Höchstbeiträgen als Regel (Peters in KassKomm § 240 SGB V Rdnr. 34). Der Nachweis niedrigerer Einnahmen ist jedoch bei einem Selbstständigen nach Maßgabe des Satzes 2 zulässig und zwar bis zu einer Untergrenze von kalendertäglich 1/40 der monatlichen Bezugsgröße. Neben diesen Regeln zur Höchst- und Mindestbemessung der Beiträge enthält Abs. 4 Satz 2 noch eine Beweisregelung. Danach können Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines Nachweises nur für die Zukunft erfolgen, weil sie nur vom folgenden Monat an wirksam werden können. Insoweit ergibt der Wortlaut eindeutig, dass der Nachweis niedrigerer Einnahmen als der Beitragsbemessungsgrenze vom Versicherten zu führen ist (so Peters a.a.O. Rdnr. 35 b); der Versicherte trägt im Zweifel die Feststellungslast (Beweislast).
Die Beklagte hat auf dieser Grundlage die Beiträge zutreffend festgesetzt. Sie war insbesondere berechtigt, mit dem Bescheid vom 14.07.2005 die Beitragshöhe rückwirkend ab 01.10.2002 festzusetzen. Dem stand nicht entgegen, dass sie bereits mit Bescheiden vom 19.11.2002 und 11.09.2003 über die Höhe der für die Zeit ab 01.10.2002 bzw. 1.8.2003 zu zahlenden Beiträge entschieden hatte. Denn diese Bescheide enthielten keine endgültige Regelung, wie sich aus dem in beiden Bescheiden verwendeten Ausdruck "vorläufig" ergibt. Damit ist klar zum Ausdruck gekommen, dass die Beklagte hier keine endgültige Festsetzung der Beitragshöhe vornehmen wollte, sondern lediglich durch einstweiligen Verwaltungsakt über die Beitragshöhe entschieden hat. Ein vorläufiger Verwaltungsakt schafft aber zwischen den Beteiligten Rechtssicherheit nur für einen begrenzten Zeitraum bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens durch Erlass des endgültigen Verwaltungsaktes und ist von vornherein auf Ersetzung durch den endgültigen Verwaltungsakt angelegt, ohne den Verwaltungsträger bei Erlass des endgültigen Verwaltungsaktes insoweit zu binden (vgl. BSG Urteil vom 22.03.2006 - B 12 KR 14/05 R - Juris-Ausdruck Randziffer 12 m.w.N.).
Allerdings setzen die besonderen Vorschriften für die Beitragsbemessung bei hauptberuflich selbständig Erwerbstätigen in § 240 Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB V voraus, dass die Beiträge der freiwillig Versicherten in der Regel endgültig festgesetzt werden, da der Nachweis geänderter Einnahmen nur zukunftsbezogen berücksichtigt werden darf. Offensichtlich ist, dass die tatsächlich erzielten Einnahmen bei den hauptberuflich Selbständigen in der Regel nur zeitversetzt berücksichtigt werden können. Denn das Arbeitseinkommen, das nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechtes ermittelt worden ist, kann nicht vor Schluss des Kalenderjahres feststehen. Nur die Einnahmen eines bereits vergangenen Zeitraums im Sinne von § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V können nachgewiesen werden und sind dann als laufende Einnahmen solange bei der Beitragsfestsetzung zu berücksichtigen, bis ein neuer Einkommensnachweis vorliegt. Ein vergangenheitsbezogener Einkommensnachweis wie der Steuerbescheid ist somit Grundlage für eine zukunftsbezogene Beitragsfestsetzung. Die damit lediglich zeitversetzt erfolgende Berücksichtigung ergibt allerdings, auf einen längeren Zeitraum gesehen, ein zutreffendes Bild der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Insoweit erfolgt ein Ausgleich der wechselnden Einnahmen, indem sowohl die nachgewiesenen Erhöhungen der Einnahmen als auch deren nachgewiesene Verringerung für die zukünftige Beitragsfestsetzung jeweils bis zum Nachweis einer weiteren Änderung berücksichtigt wird (vgl. BSG aaO, Jurisausdruck Randnr. 16). Entgegen der gesetzlichen Regelung können allerdings bei hauptberuflich Selbständigen dann Beiträge nicht zeitversetzt festgesetzt werden, wenn - wie hier bei der Klägerin - am Beginn einer selbständigen Tätigkeit bei der erstmaligen Beitragseinstufung Nachweise über die Einnahmen noch nicht erbracht werden können. In diesen Fällen wären an sich gemäß § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V Höchstbeiträge zu zahlen. Um eine Belastung der Existenzgründer mit Höchstbeiträgen zu vermeiden, lässt das BSG zur Vermeidung eines andernfalls möglicherweise unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffs es ausnahmsweise zu, einstweilige Regelungen zur Beitragshöhe zu treffen. So ist die Beklagte bei Erlass der Bescheide vom 19.11.2002 und 11.09.2003 verfahren.
Mit der Vorlage des Einkommensteuerbescheides für 2002 am 14.07.2005 stand fest, über welche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit die Klägerin im Jahre 2002 verfügt hat (22.061 EUR im Zeitraum 01.10. bis 31.12.2002). Von dieser wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin ist somit für die Beitragsbemessung auszugehen. Hätte die Klägerin den Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2002 zeitnah 2003 vorgelegt, wäre keine weitere Diskussion erforderlich gewesen, dass sie bei nachgewiesener hoher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit den Höchstbetrag zu entrichten hat. Wäre der Bescheid aber sogleich vorgelegt worden, so wäre eine Änderung erst dann möglich gewesen, wenn die Klägerin wirtschaftlich schlechtere Verhältnisse hätte nachweisen können. Ein solcher Nachweis konnte durch den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003, der bei der Beklagten am 04.11.2005 eingegangen ist, noch nicht geführt werden, weil die Klägerin mit Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 59.775 EUR ebenfalls verpflichtet gewesen wäre, Höchstbeiträge zur freiwilligen Versicherung zu entrichten. Erst mit dem Einkommenssteuerbescheid für 2004, der der Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb lediglich in Höhe von 14.575 EUR bescheinigte, war der Nachweis einer Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse erbracht. Die Beklagte hat dementsprechend auch mit dem Bescheid vom 07.03.2006 die Beiträge mit Wirkung ab 01.04.2006 erheblich herabgesetzt.
Nach dem Gesagten bietet das Gesetz somit keine Grundlage, jeweils vorläufig Beitragsbescheide zu erlassen, der Erlass vorläufiger Beitragsbescheide bleibt auf die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit beschränkt. Die Rechtsauffassung der Klägerin, der offensichtlich vorschwebt, dass die Beiträge auch bei freiwillig versicherten selbständig erwerbstätigen Mitgliedern der Beklagten ähnlich wie bei pflichtversicherten Arbeitnehmern zeitnah aus den jeweiligen Einkünften ermittelt werden, findet im Gesetz und der das Gesetz interpretierenden Rechtsprechung des BSG keine Stütze. Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss vom 22.05.2001 die hier umstrittene Vorschrift des § 240 Abs. 4 SGB V und die darin geregelte Art und Weise der Beitragsbemessung für freiwillig versicherte selbständig Erwerbstätige für verfassungsgemäß gehalten. Hieran ist der Senat gebunden. Eine Härteklausel, die es erlauben würde, von der Nacherhebung der Beiträge abzusehen, enthält das Gesetz nicht. Mit der Rechtsprechung des BVerfG ist weiter davon auszugehen, dass eine solche Härteklausel von Verfassungswegen auch nicht geboten ist, mithin auch eine verfassungskonforme Auslegung des § 240 SGB V nicht erforderlich ist (vgl. BVerfG Beschluss vom 22.05.2001 - 1 BvL 4/96, Juris-Ausdruck Randnr. 38).
Der Klägerin kann auch insoweit nicht gefolgt werden, als sie für den Nachweis geringerer Einkommensverhältnisse die Vorlage einer Bescheinigung eines Steuerberaters für ausreichend hält. Die Beklagte hat vielmehr von der Klägerin zu Recht die Vorlage eines Einkommensteuerbescheides des zuständigen Finanzamts verlangt. Denn zur Beitragsbemessung ist auch bei hauptberuflich selbständig Erwerbstätigen das Arbeitseinkommen im Sinne von § 15 Abs. 1 SGB IV und damit der Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit, ermittelt nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts heranzuziehen (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteil vom 26.09.1996 - 12 RK 46/95 sowie Urteil vom 22.03.2006 - B 12 KR 14/05 R). Ein Nachweis kann im Regelfall erst dann als erbracht angesehen werden, wenn die entsprechenden Angaben des Klägers über seine finanziellen Verhältnisse zuvor von den Finanzämtern geprüft und bestätigt worden sind. Nur durch das Abstellen auf die Bescheide der Finanzämter ist im übrigen eine Gleichbehandlung aller selbständig erwerbstätigen freiwilligen Versicherten zu erreichen. Eigene Angaben eines Betroffenen können naturgemäß wegen dessen Interesse an einem bestimmten Ergebnis nicht berücksichtigt werden. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass ein Steuerberater der Vertreter des Steuerpflichtigen ist und damit in dessen Interesse zu wirken hat. In diesem Sinne ist die Bestätigung der Steuerberaterin vom 20.09.2005 (Bl. 38 der Verwaltungsakten) zum Nachweis bestehender Einkommensverhältnisse nicht geeignet. Hinzu kommt, dass jedenfalls bei der vorgelegten Bescheinigung ganz offensichtlich eine Prüfung der zugrunde liegenden Zahlen noch nicht einmal von der Steuerberaterin vorgenommen worden ist.
Nach alledem kann die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der Beiträge zur freiwilligen Versicherung der Klägerin für die Zeit vom 01.10.2002 bis 31.03.2006.
Die 1941 geborene Klägerin machte sich im Herbst 2002 selbständig (Gewerbeanmeldung vom 01.10.2002: Vermittlung von Versicherungen und Finanzdienstleistungen) und beantragte zum 01.10.2002 die freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten. Mit Schreiben vom 19.11.2002 teilte ihr die Beklagte mit, sie sei bei ihr ab dem 01.10.2002 freiwilliges Mitglied aufgrund ihrer selbständigen Tätigkeit. Wörtlich heißt es sodann:
"Die Beiträge berechnen wir vorläufig aus einem monatlichen Einkommen von 1.758,75 EUR (Mindesteinkommen im Jahr 2002). Sie betragen zur freiwilligen Krankenversicherung 221,60 EUR und zur freiwilligen Pflegeversicherung 29,90 EUR. Insgesamt 251,50 EUR.
Bitte reichen Sie uns Ihre künftigen Einkommensteuerbescheide immer gleich nach Erhalt in Kopie ein. Eine zeitnahe Überprüfung Ihrer Beitragseinstufung ist dann gewährleistet."
Nachdem die Klägerin unter dem 20.08.2003 mitgeteilt hatte, ihr liege für 2002 noch kein Bescheid vor, die monatlichen Einkünfte dürften unter 2.000 EUR liegen, passte die Beklagte mit Bescheid vom 11.09.2003 die Beiträge in der Weise an, dass sie den Gesamtbetrag auf 262,40 EUR festsetzte. Ausdrücklich heißt es in diesem Bescheid, die Anpassung erfolge vorläufig.
Am 13.07.2005 legte die Klägerin den Einkommensteuerbescheid für 2002 des Finanzamtes Bad U. vom 10.02.2005 der Beklagten vor. Darin werden Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Ehefrau in Höhe von 22.061 EUR festgesetzt. Mit Bescheid vom 14.07.2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, da jetzt der Einkommensteuerbescheid 2002 vorliege, könnten die bisher vorläufigen Beiträge endgültig berechnet werden. Der monatliche Beitrag betrage für die Zeit ab 01.10.2002 472,50 EUR, für die Zeit ab 01.11.2002 482,64 EUR, ab 01.01.2003 493,36 EUR, ab 01.08.2003 507,16 EUR, ab 01.01.2004 512,66 EUR und ab 01.01.2005 518,18 EUR. Die Nachzahlung für die Zeit vom 01.10.2002 bis 30.06.2005 betrage 8.047,38 EUR (Bl. 32 Verwaltungsakte). Dieser Betrag wurde von der Klägerin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gezahlt (Bl. 61 Verwaltungsakte).
In der Folge legte die Klägerin noch den Einkommensteuerbescheid 2003 vom 26.10.2005 (Einkünfte der Ehefrau aus Gewerbebetrieb: 59.775 EUR) und den Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 23.02.2006 (Einkünfte aus Gewerbebetrieb Ehefrau: 14.575 EUR) vor. Mit Bescheid vom 07.03.2006 passte die Beklagte die Beiträge an die geänderten Einkommensverhältnisse mit Wirkung ab 01.04.2006 an und setzte den Gesamtbeitrag auf 270,12 EUR fest.
Gegen den Bescheid vom 14.07.2005 hatte die Klägerin Widerspruch eingelegt. Sie habe ihre Selbständigkeit hervorragend geplant und 2002 ein überragendes Ergebnis (22.061 EUR in der Zeit vom 01.10. bis 31.12.2002) erzielt, die Umsätze hätten aber bereits 2003 und noch stärker 2004 und 2005 nachgelassen. Es widerspreche ihrem Rechtsempfinden, dass eine Beitragsfestsetzung für die Vergangenheit lediglich zu Ungunsten des Versicherten im Nachhinein möglich sein sollte, nicht aber zugunsten des Versicherten. Die Klägerin legte weiterhin die Bescheinigung der Steuerberaterin C. B. vom 20.09.2005 (Bl. 38 Verwaltungsakte) vor, wonach nach den ihr vorgelegten Unterlagen sowie den ergänzenden Angaben im Jahr 2004 von einem Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 24.600 EUR ausgegangen werden könne, was einem durchschnittlichen monatlichen Betrag von 2.050 EUR entspreche. Für das Jahr 2005 ergebe sich für das erste Halbjahr ein vorläufiges Ergebnis von 14.100 EUR, monatlich somit 2350 EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei freiwillig versicherten selbständig Tätigen seien die Einkünfte aus der Tätigkeit als Arbeitseinkommen für die Beitragsbemessung maßgebend. Da die Krankenkassen weder rechtlich noch organisatorisch in der Lage seien, die Höhe der Bruttoeinnahmen der Versicherten aus selbständiger Tätigkeit festzustellen, seien sie beim Nachweis der Einnahmen freiwillig versicherter Selbständiger nicht nur auf deren Angaben, sondern vor allem auf die von ihnen vorgelegten amtlichen Unterlagen, insbesondere die Einkommensteuerbescheide der Finanzämter angewiesen. Nicht zu den amtlichen Unterlagen gehörten in diesem Sinne jedoch Erklärungen des Steuerberaters des Versicherten, weil dieser nicht in amtlicher Funktion als Behördenvertreter, sondern als privater Interessenvertreter des Versicherten tätig werde.
Hiergegen richtet sich die am 02.02.2006 bei dem Sozialgericht Reutlingen erhobene Klage, zu deren Begründung die Klägerin ausführt, sie beanstande, dass die Beiträge seitens der Beklagten für die Vergangenheit nur dann neu errechnet worden seien, soweit sich ihr Einkommen erhöht habe, nicht jedoch, soweit sich ihr Einkommen verringert habe. Dem Gesetz, insbesondere der Vorschrift des § 240 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) lasse sich nicht entnehmen, dass eine materiell-rechtliche Sperre errichtet werde, wonach eine Erstattung von überhöhten Beiträgen mit Wirkung für die Vergangenheit ausgeschlossen sein solle. Es sei schlechterdings nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte lediglich in der Lage sein solle, die Beiträge für die Vergangenheit dann neu zu berechnen, wenn sich diese erhöht hätten, nicht jedoch dann, wenn sich diese verringern würden. Sie würde eine vorläufige Beitragsfestsetzung auf der Basis der Bescheinigung der Steuerberaterin für die Jahre 2004 und 2005 akzeptieren.
Durch Urteil vom 23.11.2006 wies das SG die Klage ab. Es bezog sich zur Begründung auf die zutreffenden Ausführungen des Widerspruchsbescheides und führte ergänzend aus, bei freiwillig Versicherten würden die Beiträge im Ergebnis nur zeitversetzt entsprechend der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erhoben werden. Dies lasse sich rechtfertigen, weil sich Vor- und Nachteile im Regelfall die Waage halten. Die Krankenkasse dürfe typisierend davon ausgehend, dass Einkommenssteuerbescheide im jährlichen Abstand ergehen. Soweit dies nicht der Fall sei, hätten die Krankenkassen keine Verpflichtung, hierauf besondere Rücksicht zu nehmen, es handle sich um atypische Sachverhaltsgestaltungen, die maßgeblich in der Sphäre des Versicherten lägen. Der Gesetzgeber habe die Zukunftsbezogenheit von Beitragsanpassungen nach Vorlage entsprechender Nachweise ausdrücklich vorgegeben.
Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 02.0l.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 02.02.2007 Berufung eingelegt. Sie berief sich zur Begründung auf ein Urteil des LSG Berlin vom 27.03.2002 - L 12 KR 286/01 - und vertrat die Auffassung, dass mit Wirkung für die Vergangenheit im Wege der Amtsermittlung eine zutreffende Ermittlung der jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Versicherten erfolgen müsse und gegebenenfalls zuviel gezahlte Beiträge zu erstatten seien. Genau dies habe die Beklagte nicht getan, eine Verminderung der Beiträge sei von ihr verweigert worden. Dies sei schlechterdings nicht nachvollziehbar, nachdem aufgrund des Bescheides des Steuerberaters vom 20.09.2005 bereits frühzeitig klar gewesen sei, dass das Einkommen der Klägerin eingebrochen sei. Hinzu komme, dass die Beklagte in einem Hinweis zum Beitragsbescheid und der Mitwirkungspflicht darauf hingewiesen habe, dass eine Änderung der Einkommensverhältnisse für die Vergangenheit nur erfolge, wenn eine erhöhte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vorliege. Sie hätte nach Kenntnis der Bescheinigung des Steuerberaters erneut einen Vorbehaltsbescheid erlassen müssen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23. November 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. Oktober 2002 bis 31. März 2006 die über den Mindestbeitrag hinausgehenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zurück zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG im Ergebnis und in der Begründung für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft. Berufungsausschlussgründe gemäß § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor. Der Rechtsstreit geht um eine Beitragsforderung in Höhe von mindestens 8.047,38 EUR.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte war berechtigt, die Höhe der Beiträge der Klägerin zur freiwilligen Versicherung nachträglich neu festzusetzen und von ihr die Nachzahlung der entsprechenden Beiträge zu verlangen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Festsetzung niedrigerer Beiträge. Der Bescheid der Beklagten vom 14. 7 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. 1 2006 ist deshalb nicht zu beanstanden. Dies hat das SG zu Recht erkannt.
Die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung richtet sich nach § 240 SGB V. Diese Vorschrift ist für die Bemessung des Beitrags zur Pflegeversicherung gem. § 57 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) entsprechend anzuwenden. Danach wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung der Krankenkasse geregelt, wobei sicherzustellen ist, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit berücksichtigt (§ 240 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V). Abweichend hiervon trifft das Gesetz in § 240 Abs. 4 Satz 2 bis 5 Sonderregelungen für hauptberuflich selbstständige Erwerbstätige. Für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind, gilt als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223), bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der vierzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße (§ 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V in der vom 1. 1. 2003 bis 31. 7. 2006 gültigen und hier maßgeblichen Fassung). Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach Satz 2 können gem. § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden.
Mit den Regelungen in § 240 Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB V werden zunächst für hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige grundsätzlich kalendertägliche Einnahmen in Höhe von 1/30 der Beitragsbemessungsgrenze und damit monatliche Einnahmen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze fingiert. Das führt zu Höchstbeiträgen als Regel (Peters in KassKomm § 240 SGB V Rdnr. 34). Der Nachweis niedrigerer Einnahmen ist jedoch bei einem Selbstständigen nach Maßgabe des Satzes 2 zulässig und zwar bis zu einer Untergrenze von kalendertäglich 1/40 der monatlichen Bezugsgröße. Neben diesen Regeln zur Höchst- und Mindestbemessung der Beiträge enthält Abs. 4 Satz 2 noch eine Beweisregelung. Danach können Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines Nachweises nur für die Zukunft erfolgen, weil sie nur vom folgenden Monat an wirksam werden können. Insoweit ergibt der Wortlaut eindeutig, dass der Nachweis niedrigerer Einnahmen als der Beitragsbemessungsgrenze vom Versicherten zu führen ist (so Peters a.a.O. Rdnr. 35 b); der Versicherte trägt im Zweifel die Feststellungslast (Beweislast).
Die Beklagte hat auf dieser Grundlage die Beiträge zutreffend festgesetzt. Sie war insbesondere berechtigt, mit dem Bescheid vom 14.07.2005 die Beitragshöhe rückwirkend ab 01.10.2002 festzusetzen. Dem stand nicht entgegen, dass sie bereits mit Bescheiden vom 19.11.2002 und 11.09.2003 über die Höhe der für die Zeit ab 01.10.2002 bzw. 1.8.2003 zu zahlenden Beiträge entschieden hatte. Denn diese Bescheide enthielten keine endgültige Regelung, wie sich aus dem in beiden Bescheiden verwendeten Ausdruck "vorläufig" ergibt. Damit ist klar zum Ausdruck gekommen, dass die Beklagte hier keine endgültige Festsetzung der Beitragshöhe vornehmen wollte, sondern lediglich durch einstweiligen Verwaltungsakt über die Beitragshöhe entschieden hat. Ein vorläufiger Verwaltungsakt schafft aber zwischen den Beteiligten Rechtssicherheit nur für einen begrenzten Zeitraum bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens durch Erlass des endgültigen Verwaltungsaktes und ist von vornherein auf Ersetzung durch den endgültigen Verwaltungsakt angelegt, ohne den Verwaltungsträger bei Erlass des endgültigen Verwaltungsaktes insoweit zu binden (vgl. BSG Urteil vom 22.03.2006 - B 12 KR 14/05 R - Juris-Ausdruck Randziffer 12 m.w.N.).
Allerdings setzen die besonderen Vorschriften für die Beitragsbemessung bei hauptberuflich selbständig Erwerbstätigen in § 240 Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB V voraus, dass die Beiträge der freiwillig Versicherten in der Regel endgültig festgesetzt werden, da der Nachweis geänderter Einnahmen nur zukunftsbezogen berücksichtigt werden darf. Offensichtlich ist, dass die tatsächlich erzielten Einnahmen bei den hauptberuflich Selbständigen in der Regel nur zeitversetzt berücksichtigt werden können. Denn das Arbeitseinkommen, das nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechtes ermittelt worden ist, kann nicht vor Schluss des Kalenderjahres feststehen. Nur die Einnahmen eines bereits vergangenen Zeitraums im Sinne von § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V können nachgewiesen werden und sind dann als laufende Einnahmen solange bei der Beitragsfestsetzung zu berücksichtigen, bis ein neuer Einkommensnachweis vorliegt. Ein vergangenheitsbezogener Einkommensnachweis wie der Steuerbescheid ist somit Grundlage für eine zukunftsbezogene Beitragsfestsetzung. Die damit lediglich zeitversetzt erfolgende Berücksichtigung ergibt allerdings, auf einen längeren Zeitraum gesehen, ein zutreffendes Bild der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Insoweit erfolgt ein Ausgleich der wechselnden Einnahmen, indem sowohl die nachgewiesenen Erhöhungen der Einnahmen als auch deren nachgewiesene Verringerung für die zukünftige Beitragsfestsetzung jeweils bis zum Nachweis einer weiteren Änderung berücksichtigt wird (vgl. BSG aaO, Jurisausdruck Randnr. 16). Entgegen der gesetzlichen Regelung können allerdings bei hauptberuflich Selbständigen dann Beiträge nicht zeitversetzt festgesetzt werden, wenn - wie hier bei der Klägerin - am Beginn einer selbständigen Tätigkeit bei der erstmaligen Beitragseinstufung Nachweise über die Einnahmen noch nicht erbracht werden können. In diesen Fällen wären an sich gemäß § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V Höchstbeiträge zu zahlen. Um eine Belastung der Existenzgründer mit Höchstbeiträgen zu vermeiden, lässt das BSG zur Vermeidung eines andernfalls möglicherweise unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffs es ausnahmsweise zu, einstweilige Regelungen zur Beitragshöhe zu treffen. So ist die Beklagte bei Erlass der Bescheide vom 19.11.2002 und 11.09.2003 verfahren.
Mit der Vorlage des Einkommensteuerbescheides für 2002 am 14.07.2005 stand fest, über welche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit die Klägerin im Jahre 2002 verfügt hat (22.061 EUR im Zeitraum 01.10. bis 31.12.2002). Von dieser wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin ist somit für die Beitragsbemessung auszugehen. Hätte die Klägerin den Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2002 zeitnah 2003 vorgelegt, wäre keine weitere Diskussion erforderlich gewesen, dass sie bei nachgewiesener hoher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit den Höchstbetrag zu entrichten hat. Wäre der Bescheid aber sogleich vorgelegt worden, so wäre eine Änderung erst dann möglich gewesen, wenn die Klägerin wirtschaftlich schlechtere Verhältnisse hätte nachweisen können. Ein solcher Nachweis konnte durch den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003, der bei der Beklagten am 04.11.2005 eingegangen ist, noch nicht geführt werden, weil die Klägerin mit Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 59.775 EUR ebenfalls verpflichtet gewesen wäre, Höchstbeiträge zur freiwilligen Versicherung zu entrichten. Erst mit dem Einkommenssteuerbescheid für 2004, der der Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb lediglich in Höhe von 14.575 EUR bescheinigte, war der Nachweis einer Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse erbracht. Die Beklagte hat dementsprechend auch mit dem Bescheid vom 07.03.2006 die Beiträge mit Wirkung ab 01.04.2006 erheblich herabgesetzt.
Nach dem Gesagten bietet das Gesetz somit keine Grundlage, jeweils vorläufig Beitragsbescheide zu erlassen, der Erlass vorläufiger Beitragsbescheide bleibt auf die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit beschränkt. Die Rechtsauffassung der Klägerin, der offensichtlich vorschwebt, dass die Beiträge auch bei freiwillig versicherten selbständig erwerbstätigen Mitgliedern der Beklagten ähnlich wie bei pflichtversicherten Arbeitnehmern zeitnah aus den jeweiligen Einkünften ermittelt werden, findet im Gesetz und der das Gesetz interpretierenden Rechtsprechung des BSG keine Stütze. Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss vom 22.05.2001 die hier umstrittene Vorschrift des § 240 Abs. 4 SGB V und die darin geregelte Art und Weise der Beitragsbemessung für freiwillig versicherte selbständig Erwerbstätige für verfassungsgemäß gehalten. Hieran ist der Senat gebunden. Eine Härteklausel, die es erlauben würde, von der Nacherhebung der Beiträge abzusehen, enthält das Gesetz nicht. Mit der Rechtsprechung des BVerfG ist weiter davon auszugehen, dass eine solche Härteklausel von Verfassungswegen auch nicht geboten ist, mithin auch eine verfassungskonforme Auslegung des § 240 SGB V nicht erforderlich ist (vgl. BVerfG Beschluss vom 22.05.2001 - 1 BvL 4/96, Juris-Ausdruck Randnr. 38).
Der Klägerin kann auch insoweit nicht gefolgt werden, als sie für den Nachweis geringerer Einkommensverhältnisse die Vorlage einer Bescheinigung eines Steuerberaters für ausreichend hält. Die Beklagte hat vielmehr von der Klägerin zu Recht die Vorlage eines Einkommensteuerbescheides des zuständigen Finanzamts verlangt. Denn zur Beitragsbemessung ist auch bei hauptberuflich selbständig Erwerbstätigen das Arbeitseinkommen im Sinne von § 15 Abs. 1 SGB IV und damit der Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit, ermittelt nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts heranzuziehen (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteil vom 26.09.1996 - 12 RK 46/95 sowie Urteil vom 22.03.2006 - B 12 KR 14/05 R). Ein Nachweis kann im Regelfall erst dann als erbracht angesehen werden, wenn die entsprechenden Angaben des Klägers über seine finanziellen Verhältnisse zuvor von den Finanzämtern geprüft und bestätigt worden sind. Nur durch das Abstellen auf die Bescheide der Finanzämter ist im übrigen eine Gleichbehandlung aller selbständig erwerbstätigen freiwilligen Versicherten zu erreichen. Eigene Angaben eines Betroffenen können naturgemäß wegen dessen Interesse an einem bestimmten Ergebnis nicht berücksichtigt werden. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass ein Steuerberater der Vertreter des Steuerpflichtigen ist und damit in dessen Interesse zu wirken hat. In diesem Sinne ist die Bestätigung der Steuerberaterin vom 20.09.2005 (Bl. 38 der Verwaltungsakten) zum Nachweis bestehender Einkommensverhältnisse nicht geeignet. Hinzu kommt, dass jedenfalls bei der vorgelegten Bescheinigung ganz offensichtlich eine Prüfung der zugrunde liegenden Zahlen noch nicht einmal von der Steuerberaterin vorgenommen worden ist.
Nach alledem kann die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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