L 4 P 1313/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 1 P 4896/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 1313/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 12. Februar 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt Geldleistungen der Pflegeversicherung nach Pflegestufe I.

Der am 1949 geborene Kläger ist als Rentner pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Bei ihm sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 anerkannt sowie die Merkzeichen "G" und "RF" festgestellt.

Am 29. März 2006 beantragte er bei der Beklagten Geldleistungen aus der Pflegeversicherung. In der Rubrik "Hilfebedarf" kreuzte er keines der Felder "Ernährung, Bewegung, Körperpflege" an, sondern nur das Feld "Sonstiges" mit dem Zusatz "wegen plötzlicher Bewusstlosigkeit/Ohnmacht". Nachdem er sich vier Wochen in der Türkei aufgehalten hatte, wurde er am 21. Juli 2006 durch die Pflegefachkraft S. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) begutachtet. Das Gutachten nennt als pflegebegründende Diagnose eine Depression mit Verhaltensstörung und ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom. Es stellte bei Körperpflege und Ernährung keinen Hilfebedarf fest, bei der Mobilität einen solchen von acht Minuten täglich (Teilübernahme beim An- und Entkleiden gesamt, Unterstützung beim Gehen, Teilübernahme beim Stehen/Transfer). Es bestehe ein nachvollziehbarer Hilfebedarf beim An- und Ausziehen von Schuhen, Strümpfen und Hosen, da der Kläger sich nur erschwert bücken könne, sowie beim Transfer in und aus der Badewanne. Mit Bescheid vom 26. Juli 2006 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen ab. Bei dem Kläger bestehe kein Grundpflegebedarf von mehr als 45 Minuten täglich.

Der Kläger erhob Widerspruch und trug vor, er werde ohne Grund ohnmächtig, er könne keine schweren Sachen heben, vergesse manchmal, wo er sei, habe dauernd Kopfschmerzen, sein Sehvermögen sei beeinträchtigt, seine Ehefrau sei permanent mit ihm beschäftigt. In dem von ihm ausgefüllten Pflegebogen vom 01. September 2006 teilte er mit, er sei teilweise bettlägerig, an den unteren Beinen beständen Lähmungen, es bestehe teilweise eine Blasen- und Darminkontinenz, eine hochgradige Sehbehinderung, eine Sprachstörung, er sei zeitweise verwirrt, tags und nachts unruhig und zeitweise bestehe Weglauftendenz. Er benötige - jeweils teilweise - Hilfe bei der Ganzkörperwäsche, beim Duschen und Baden, Richten der Bekleidung, Aufstehen und Zubettgehen, Drehen im Bett, beim Gehen in der Wohnung sowie nachts ein- bis zweimal beim Toilettengang. Die Pflegefachkraft K. vom MDK erstattete das Gutachten nach Aktenlage vom 25. September 2006. Sie kam zu einem Grundpflegebedarf von 16 Minuten. Das Vorgutachten sei korrekt. Die Angaben im Hilfebedarfsbogen seien teilweise widersprüchlich. Daraufhin wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 2006 zurück.

Der Kläger erhob am 15. Dezember 2006 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG). Er behauptete, es komme im Schlaf häufig zu Atemaussetzern, er leide unter schwer wiegenden Depressionen, die u.a. mit Orientierungslosigkeit und innerer Unruhe verbunden seien. Er empfinde nahezu ständig starke Kopfschmerzen. Mehrfach im Monat werde er jeweils mehrere Minuten ohnmächtig. Er leide unter einem Bandscheibenvorfall und einer Wirbelsäulenverkrümmung. Wegen der damit verbundenen starken Schmerzen könne er häufig nicht gehen. Bereits bei geringer Belastung empfinde er Kraftlosigkeit und Schmerzen in Armen und Händen beidseitig. Beide Arme und Beine seien zeitweise gelähmt. Er leide ferner unter Schwerhörigkeit, einer Sprachstörung und permanenter Blasenentzündung. Immer wieder komme es zu Blasenschwäche. Es beständen Verwirrungserscheinungen und Weglauftendenzen. Er bedürfe ständiger Begleitung, weil die Gefahr einer Ohnmacht und damit eines Sturzes bestehe. Die Familie müsse die Einnahme der Medikamente kontrollieren.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Das SG holte auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gutachten vom 30. Oktober 2007 des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Ka. ein. Dieses kam zu dem Ergebnis, der Kläger leide an einer Depression mit erheblichen hypochondrischen Anteilen und Somatisierung, an degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Synkopen (Kreislaufkollaps/Ohnmacht), einem lagebedingten Schlafapnoe-Syndrom, einer Oberflächengastritis (Entzündung der oberen Schichten der Magenschleimhaut) und einer Prostatitis (Entzündung der Prostata), beide ohne Behandlungsnotwendigkeit, und einer rezidivierenden Mikrohämaturie (Blut im Urin). Aus den zu Grunde gelegten ärztlichen Unterlagen teilte Dr. Ka. mit, dem Kläger sei Krankengymnastik angeraten worden. Der Kläger könne sich weitgehend selbst versorgen und sich in seinem Haus selbstständig fortbewegen. Er benötige vielleicht leichte Hilfe beim Einsteigen in die Badewanne. Die Ernährung bewältige er selbstständig, das mundgerechte Zubereiten und die Aufnahme der Nahrung bereiteten keine Schwierigkeiten. Probleme beständen bei der Zubereitung der Ernährung, diese übernehme jedoch die Ehefrau. Aufstehen und Zubettgehen seien problemlos möglich, ebenso An- und Auskleiden, hier benötige er phasenweise bei stärkeren Schmerzen Hilfe. Drehen im Bett und Lagewechsel seien möglich, auch das Aufsuchen der Toilette. Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung könne der Kläger allein durchführen. Er sei nur unwesentlich in seiner Mobilität eingeschränkt. Für die eigentliche Pflege und Hilfestellung seien nur wenige Minuten am Tag notwendig. Wegen der Synkopen erfolge durch die Familie eine gewisse Sicherung, so würden Badezimmertüren nicht verschlossen und der Kläger von Ehefrau oder Angehörigen begleitet. Zusammenfassend sei der zeitliche Ansatz für die notwendige Pflege aus dem ersten Pflegegutachten (des MDK, acht Minuten) wahrscheinlich ausreichend.

Gegen das Gutachten von Dr. Ka. wandte der Kläger ein, er könne während jener Zeiten, in denen die angesprochenen Kopfschmerzen aufträten, das Bett nicht verlassen. Dies sei zwei- bis dreimal wöchentlich der Fall. In dieser Zeit versorge ihn seine Familie in vollem Umfang. Am Tag der Begutachtung sei es ihm relativ gut gegangen. Dieser Tag sei nicht typisch. Im Falle eines Hustenreizes müsse er sich sofort setzen, um nicht zu Boden zu fallen. Wenn dies nicht möglich sei, müsse er durch weitere Personen gestützt werden. Zu einer geplanten kernspintomatografischen Untersuchung wegen der Schmerzen an der Wirbelsäule beantragte er, eine ärztliche Stellungnahme seines behandelnden Arztes A. einzuholen.

Mit Urteil vom 12. Februar 2008 wies das SG die Klage ab. Nach den Feststellungen der Gutachterinnen des MDK, denen sich Dr. Ka. angeschlossen habe, benötige der Kläger im Bereich der Grundpflege zwischen acht und 16 Minuten Hilfe täglich, jedenfalls habe kein Gutachter festgestellt, dass er bei berücksichtigungsfähigen Verrichtungen des täglichen Lebens mehr als 45 Minuten pro Tag benötige. Nach den Ausführungen von Dr. Ka. könne der Kläger die Körperpflege weitgehend selbstständig durchführen, nur beim Einsteigen in die Badewanne sei eine Hilfe anzunehmen. Im Bereich der Mobilität seien einige Verrichtungen mit Hilfebedarf festgehalten, nämlich beim An- und Entkleiden und beim Gehen bzw. Stehen. Weitere Hilfestellungen seien nicht nachgewiesen. Dass der Kläger schwerbehindert sei, reiche nicht aus, eine andere Entscheidung im Bereich der Pflegeversicherung herbeizuführen. Die Angaben des Klägers zu seinen Kopfschmerzen, deren Objektivierung ohnehin nicht selbstverständlich sei, variierten. Wenn er an solchen Tagen das Bett nicht verlassen könne, entfalle der Hilfebedarf beim An- und Entkleiden. Dass er an solchen Tagen nicht allein auf die Toilette gehen und sich waschen könne, sei nicht anzunehmen, weil insoweit eine körperliche Einschränkung nicht nachgewiesen sei. Selbst wenn er eine stärkere Hilfe benötige, sei diese auf die Woche bezogen und auf Minuten umgerechnet nicht in einem Umfang anzunehmen, dass sich daraus ein täglicher Hilfebedarf von mehr als 45 Minuten ergebe. Es (das SG) sei nicht an einer Entscheidung gehindert, auch wenn der behandelnde Orthopäde eine kernspintomatograische Untersuchung angeregt habe, weil sich hieraus nicht ohne Weiteres ein pflegerechtlich relevanter Bedarf ergebe.

Gegen das Urteil, das seinem Bevollmächtigten am 03. März 2008 zugestellt wurde, hat der Kläger am 17. März 2008 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er trägt vor, das Gutachten von Dr. Ka. gebe seinen Pflegebedarf nicht zutreffend wieder. Er habe im März 2008 einen heftigen Anfall mit starker Atemnot und starken Schmerzen in der linken Brust erlitten. Er sei seitdem in ärztlicher Behandlung. Die Pflegebedürftigkeit ergebe sich auch auf Grund dieser gesundheitlichen Umstände. Das SG sei ohne nachvollziehbaren Grund dem Beweisantrag, Dr. A. zu vernehmen, nicht nachgekommen. Dieser Beweisantrag werde wiederholt. Er benötige wegen der ständigen Gefahr einer Ohnmacht stets Hilfe beim Ein- und Aussteigen aus der Badewanne und beim An- und Ausziehen der Kleidung und gelegentlich der Schuhe. Während des Badens und beim Aufsuchen der Toilette müsse jemand bei ihm bleiben. Auch sei er beim Verlassen des Hauses auf ständige Begleitung angewiesen, weil er insbesondere bei Husten oder Lachen zu Boden falle. Der Kläger hat vorgelegt den Arztbrief des Internisten Dr. G. vom 29. Mai 2008 (Diagnose chronische Bronchitis), den Diagnose-Entlassbericht der Klinik für Innere Medizin II der Universitätsklinik U. vom 08. September 2008 (Untersuchung im Schlaflabor 05./06. September 2008, Diagnose leichtgradiges, vermutlich rückenlagebedingtes Schlafapnoe-Syndrom, das die vom Kläger angegebene klinische Symptomatik allein nicht erklären könne) sowie den vorläufigen Entlassungsbericht der Orthopädischen Universitätsklinik U., Dr. W., vom 05. Mai 2009 über die stationäre Behandlung vom 29. April bis 06. Mai 2009 (Diagnose: Bandscheibenprotusion und Segmentdegeneration L5/S1, Therapie: Facettengelenksinfiltration [Infiltration des kleinen Wirbelgelenks] L5/S1, epidurale Umflutung L4/L5 und L5/S1, Infiltration des Iliosakralgelenks rechts mit Lokalanästhetikum und Triamcinolon [entzündungshemmendes und antiallergisches Glucocorticoid]).

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 12. Februar 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 26. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. November 2006 zu verurteilen, ihm ab dem 23. März 2006 Pflegegeld der Pflegestufe I zu gewähren.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Der Senat hat Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung der behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständiger Zeugen. Neurologe Dr. Br. hat unter dem 20. Juni 2008 mitgeteilt, der Kläger leide an einem deutlichen organischen Psychosyndrom mit Konzentrationsstörung, verminderter kognitiver Belastbarkeit und depressiver Einfärbung. Der Ausprägungsgrad sei mittelschwer bis schwer. Durch eine Behandlung mit Citalopram 60 mg pro Tag (selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer zur antidepressiven Behandlung) sei die depressive Störung etwas besser geworden. Orthopäde Dipl.-Mediziner A. hat unter dem 17. April 2009 mitgeteilt, bei dem Kläger handle es sich um ein Lendenwirbelsäulen-Syndrom bei degenerativer Veränderung, eine Bandscheibenprotusion an den Segmenten L5/S1 rechts und ein chronisches Schmerzsyndrom. Er habe den Kläger medikamentös behandelt (5 ml Scandicain 1 %) und manuelle Therapie, Fango und stabilisierende Krankengymnastik verordnet. Auf Anfrage des Senats hat außerdem Physiotherapeut We. unter dem 21. Juli 2008 mitgeteilt, er habe den Kläger jeweils sechsmal im Oktober 2007 und Februar 2008 behandelt. Ob er allein oder mit Begleitperson gekommen sei, könne nicht mehr gesagt werden.

Mit Schreiben vom 03. Juni 2009 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss entscheiden werde, und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 26. Juni 2009 gegeben.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Der Senat konnte über die Berufung des Klägers nach § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet hält und sie daher zurückweist und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht erhoben (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch sonst zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat seine Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. November 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Es besteht kein Anspruch auf Geldleistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung (Pflegegeld).

1. Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.

2. Der Kläger erreicht keinen relevanten Grundpflegebedarf von mehr als 45 Minuten täglich.

a) Das haben die Gutachterinnen des MDK (Pflegefachkräfte S. und K.) und auch das vom SG nach § 109 Abs. 1 SGG auf Antrag des Klägers eingeholte Gutachten von Dr. Ka. ergeben. Insbesondere das Gerichtsgutachten ist überzeugend. Dr. Ka. hat bei seinem Hausbesuch durch eigene Anschauung, Überprüfung und Befragung des Klägers festgestellt, dass der Kläger selbstständig in der Wohnung laufen, die Treppen steigen, sich hinlegen, im Bett umdrehen und wieder aufstehen kann, dass er seine Körperpflege einschließlich Zahnreinigung und Rasieren selbst durchführen kann. Der Kläger selbst hatte angegeben, alle Aktivitäten im Bad selbst zu erledigen. Hilfe benötigt der Kläger allenfalls beim Einsteigen in die Badewanne (relativ hoher Sockel). Weiter hat der Kläger angegeben, alleine zu essen, sodass sich auch kein Hilfebedarf bei der Ernährung einschließlich des mundgerechten Zubereitens der Nahrung ergibt. Das Zubereiten des Essens gehört zur hauswirtschaftlichen Versorgung und nicht im Bereich der Grundpflege zu den Verrichtungen der Ernährung. Ebenso hat Dr. Ka. festgestellt, dass der Kläger allein die Wohnung verlassen und wieder aufsuchen könne.

Diese Einschätzungen des Sachverständigen lassen sich ohne Weiteres aus seinen Feststellungen zum Gesundheitszustand herleiten. Die Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers wurden bislang überwiegend manuell und mit Physiotherapie behandelt und nur gelegentlich zuletzt in der Universitätsklinik U. - mit einmaligen Injektionen von Schmerzmitteln. Dass sie zu Bewegungseinschränkungen führten, ist nicht angegeben, auch Dr. Ka. konnte solche nicht feststellen. Die psychischen Beeinträchtigungen des Klägers haben sich nach den Angaben von Dr. Br. durch die Behandlung mit Citalopram verbessert. Die verbliebene kognitive Beeinträchtigung hat nach den Feststellungen Dr. Kraemers keine Auswirkungen auf die grundpflegerischen Verrichtungen.

b) Der Vortrag des Klägers ist nicht geeignet, diese Feststellungen zu erschüttern.

Welche Krankheiten bzw. Behinderungen er aufweist, ist für die Feststellung einer Pflegebedürftigkeit und ihres Grades zunächst unerheblich. Maßgebend sind nur die Pflegebedürfnisse, die sich aus den (möglicherweise krankheits- oder behinderungsbedingten) Funktionsbeeinträchtigungen ergeben.

Der Kläger beschreibt in seinem Vortrag aber überwiegend nur, welche Krankheiten vorliegen und welche Schmerzen hieraus entstehen. Bedarfe der Grundpflege nennt er selbst nur in geringfügigem Maße. So bestreitet er nicht, sich selbst waschen, selbst essen und sich auch selbst fortbewegen zu können. Sein Vorbringen, er könne an Tagen mit starken Kopfschmerzen das Bett nicht verlassen, trägt nicht die Annahme, er müsse dann im Bett gewaschen und gefüttert werden. Auch ist nicht vorgetragen, dass der Kläger an solchen Tagen einen Harnkatheter oder dgl. benutzt. Solche Hilfsmittel hat ihm auch keiner der angehörten Ärzte verordnet. Es ist daher davon auszugehen, dass er trotz der Schmerzen die Toilette aufsuchen kann.

Der Kläger stützt sich insbesondere darauf, er müsse wegen der Gefahr von Ohnmachtsanfällen beim Baden, auf der Toilette und außer Haus ständig überwacht werden. Die allgemeine Überwachung, Beaufsichtigung und Betreuung eines Menschen, der z.B. psychisch erkrankt ist und daher selbst- oder fremdgefährdend ist, gehört jedoch nicht zu dem Grundpflegebedarf, der allein zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI führen kann (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 26. November 1998, B 3 P 13/97 R, veröffentlicht in Juris, Rn. 18; Urteil vom 24. Oktober 2008, B 3 P 23/08 R, veröffentlicht in Juris, Rn. 6). Außerdem sind Hilfestellungen (jeder Art) bei der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung pflegeversicherungsrechtlich nur relevant, wenn das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also Krankenhausaufenthalte und die stationäre Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden. Dazu zählen Arztbesuche, aber auch Wege zur Krankengymnastik, zum Logopäden oder zur Ergotherapie, soweit sie der Behandlung einer Krankheit dienen (BSG, Urteil vom 18. September 2008, B 3 P 5/07 R m.w.N., veröffentlicht in Juris, Rn. 11), wobei der Pflegeaufwand mindestens einmal wöchentlich anfallen muss. Solche Besuche beim Arzt oder Physiotherapeuten finden nur gelegentlich statt. Sie sind deshalb nicht beim Hilfebedarf der Grundpflege im Bereich der Mobilität zu berücksichtigen.

3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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