L 7 R 1554/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 2316/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 1554/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. Januar 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung hat.

Der 1967 geborene Kläger war nach seiner Ausbildung zum Metallwerker und der Ableistung des Wehrdienstes zunächst etwa sieben Jahre in seinem Beruf und ab 1997 als Lagerarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Nach einem Arbeitsunfall am 4. Februar 2000 (Sturz aus 2,5 m Höhe) mit instabiler LWK1-Fraktur und anschließender Arbeitsunfähigkeit begann er eine Ausbildung zum Zahntechniker, bestand jedoch nach erfolgreicher Zwischenprüfung die Abschlussprüfung im Jahr 2006 nicht. Seither ist der Kläger arbeitslos. Er bezieht Arbeitslosengeld II seit 1. Februar 2006. Aufgrund des im Jahre 2000 erlittenen Arbeitsunfalls erhält der Kläger von der BGE eine Verletztenrente nach den Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung. Seit Oktober 2003 ist bei dem Kläger eine HIV-Infektion bekannt.

Im Verfahren zur Feststellung der unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) haben die BGE und das Sozialgericht Karlsruhe - SG - (S 8 U 1379/05) verschiedene Gutachten eingeholt. In einem von Facharzt für Orthopädie Dr. Th. unter dem 24. August 2005 im Auftrag des SG erstatteten Gutachten wurden myostatische Beschwerden der Rumpfwirbelsäule bei Zustand nach interkorporeller Spondylodese Th 12/L 1 nach instabiler Fraktur des 1. LWK mit tief sitzender Rundrückenbildung sowie flach linkskonvexer Lumbalskoliose ohne Zeichen einer Nervenwurzelreizung diagnostiziert. Die skoliotische Fehlstellung der Wirbelsäule sei statisch unbedeutend, der tief sitzende Rundrücken mit kyphotischer Einstellung im dorsolumbalen Übergang als gering bis mittelgradig in der Auswirkung auf die Statik der Wirbelsäule einzustufen. Hinweise für eine Instabilität im operierten Segment Th 12/L 1 lägen nicht vor. Es sei eine deutliche Verbesserung der Beweglichkeit der Wirbelsäulenabschnitte und eine Verbesserung der Muskulatur nachzuweisen. Nach Auswertung einer computertomographischen Untersuchung vom 27. Januar 2006 trat Dr. Th. der Einschätzung entgegen, die Bandscheiben¬vorfälle in den Segmenten L 4 bis S 1 seien ursächlich auf die durchgeführte Verblockungsope¬ration Th 12/L 1 zurückzuführen. Eine Verblockungsoperation im BWS-/LWS-Übergang bei nur geringer Fehlstellung der Wirbelsäule wegen einer Fraktur der 1. LWK führe nicht zu einer bio¬mechanisch nachvollziehbaren Mehrbelastung der Segmente der unteren Lendenwirbelsäule entsprechend den Segmenten L 4 bis S 1. Es bestehe daher kein Zusammenhang zwischen der unfallbedingten Versteifungsoperation Th 12/L 1 und der Bandscheibenprolapsbildung.

Noch während der - letztlich nicht erfolgreich abgeschlossenen - Umschulung zum Zahntechniker stellte der Kläger am 8. September 2005 bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung und verwies zur Begründung zum einen auf seinen Zustand nach HIV-Infektion mit rezidivierender Condylomata acuminata und reaktiv-depressiver Erkrankung und zum anderen auf seinen Zustand nach LWK1-Fraktur mit rezidivierenden Lumboischialgien.

Die Beklagte ließ den Kläger auf der Klinischen Beobachtungsstation ihres sozialmedizinischen Dienstes durch Facharzt für Orthopädie Dr. Schu., Nervenarzt Dr. Br. und Arzt für Innere Medizin Dr. B. M. gutachterlich untersuchen.

Dr. Schu. stellte in dem chirurgisch-orthopädischen Zusatzgutachten unter dem 1. November 2005 fest, dass aufgrund der Trümmerfraktur des 1. LWK dieser eine Keilform gebildet habe. Das durch diese Fehlform besonders gefährdete Segment D12/L1 sei operativ versteift und die Segmente D 11 bis L 1 seien knöchern überbrückt worden. Nachdem das Fixationsmaterial nach einem Jahr entfernt worden sei, seien als wesentliche Folge des Arbeitsunfalls eine Fehlstatik der Wirbelsäule mit kyphotischem Knick des dorsolumbalen Übergangs sowie eine Versteifung der Wirbel D 12/L1 verblieben. Ansonsten bestünden von Seiten des Bewegungsapparates keine weiteren pathologischen Auffälligkeiten. Schwere und regelmäßig mittelschwere körperliche Arbeiten, Tätigkeiten in Zwangshaltungen des Rumpfes mit Stauchungen der Wirbelsäule, mit häufigem und regelmäßigem Bücken und mit Heben und Tragen von Lasten über 15 kg seien nicht mehr möglich. Zwar sei deshalb die Wiederaufnahme der Tätigkeit als Lagerarbeiter ausgeschlossen. Keine gesundheitlichen Bedenken bestünden aber gegen leichte und teilweise mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Diese könnten überwiegend im Sitzen oder in wechselnden Körperhaltungen ausgeführt werden. Unter diesen Voraussetzungen müsse die tägliche Arbeitszeit nicht auf weniger als sechs Stunden eingeschränkt werden.

Bei der von Dr. Br. am 26. Oktober 2005 durchgeführten Untersuchung hatte der Kläger u. a. angegeben, er habe nach dreimonatiger Unterbrechung seine Lehre zum Zahntechniker im Januar 2005 wieder aufgenommen. Sein Arbeits- bzw. Ausbildungstag gehe von 7.30 Uhr bis 16.30 Uhr. Danach könne er noch eine Stunde konzentriert lernen und gehe anschließend oft schon gegen 19.00 Uhr ins Bett. Morgens um 6.00 Uhr gehe es dann wieder soweit. Einmal in der Woche gehe er schwimmen, einen halbstündigen Spaziergang mache er täglich. Er gehe regelmäßig einmal im Monat ins Kino, mal ins Museum, mal zum Essen, auch mal was Trinken. Den Haushalt versorge er komplett selbst mit Kochen, Waschen, Bügeln, Aufräumen usw. Dr. Br. erkannte in seinem nervenfachärztlichen Gutachten vom 2. November 2005 beim Kläger von Hause aus deutlich affektverhaltene, eher introvertierte Persönlichkeitszüge. Die HIV-Infektion sei völlig unzureichend verarbeitet und führe zu einer depressiven Anpassungsstörung, jedoch mit noch erhaltener Erlebnisfähigkeit und normaler Antriebslage. Ob die Tagesmüdigkeit durch die Anpassungsstörung oder durch die Medikation verursacht sei, sei nur schwer abzugrenzen; sie sei aber nicht so ausgeprägt, dass sie der erfolgreich abgelegten Zwischenprüfung im August 2005 im Wege gestanden hätte. Neurologisch liege ein unauffälliger Befund vor. Wenigstens körperlich leichte Arbeiten zu ebener Erde ohne Zeitdruck, ohne ständige nervöse Anspannung und ohne andere Stressfaktoren wie Nacht- oder Wechselschicht seien aus nervenärztlicher Sicht weiterhin vollschichtig möglich. Dringend empfohlen wurde eine supportive ambulante Psychotherapie.

Dr. B. M., der auch die Gutachten von Dr. Schu. und Dr. Br. auswertete, stellte im mehrfachärztlichen Gutachten vom 20. Dezember 2005 fest, dass die seit Oktober 2003 bekannte HIV-Infektion unter der antiretroviralen Dreifachtherapie ein sehr gutes virologisches und immunologisches Ansprechen verzeichne. AIDS-manifestierende Erkrankungen lägen keine vor. Außer einer Tagesmüdigkeit und rezidivierender Gelenkschmerzen, beides nicht sehr ausgeprägt, würden keine weiteren Nebenwirkungen der Therapie beklagt. Auf internistischem Fachgebiet ergäben sich als Leistungseinschränkungen, dass körperlich schwere Tätigkeiten und Tätigkeiten mit Infektionsgefahr nicht mehr möglich seien.

Mit Bescheid vom 29. Dezember 2005 lehnte die Beklagte darauf hin den Rentenantrag mit der Begründung ab, dass weder teilweise noch volle Erwerbsminderung vorliege.

Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte weitere Stellungnahmen ein. Dr. Schu. führte unter dem 23. Februar 2006 ergänzend aus, aus dem vorgelegten Befundbericht der Gemein¬schaftspraxis Dr. W. und Partner vom 27. Januar 2006 ergebe sich ein medianer subligamentärer Bandscheibenvorfall L4/5 bei Chondrose sowie medio-rechtslateral ein weiterer, marginal ver¬kalkter Prolaps L5/S 1, der an den Abgang der Wurzel S 1 rechts heranreiche, wobei mit größter Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass die Bandscheibenvorfälle L4/5 und L 5/S 1 be¬reits bei seiner gutachterlichen Untersuchung am 26. Oktober 2005 vorgelegen hätten. Soweit sich diese Bandscheibenvorfälle auf die Bewegungsfunktion der Wirbelsäule auswirkten, seien sie also bereits erfasst. Sie besäßen jedoch ohnehin nur eine untergeordnete Bedeutung, weil sie keine neurologische Symptomatik verursachten. Die durch die Bandscheibenvorfälle verursachte Funktionsstörung und die verminderte Belastbarkeit liege im Bereich der Belastungseinschränkung, die sich aus den Folgen der Trümmerfraktur des 12. BWK ergebe, nämlich der daraus resultierenden Fehlstatik der Wirbelsäule und der operativen Versteifung des 12. Brust- mit dem 1. Lendenwirbel. Der Funktionsausfall durch die Versteifung dieses Segments werde durch die übrigen Segmente jedoch gut ausgeglichen. Die Fehlstatik der Wirbelsäule verursache aber eine Mehrbelastung besonders der Rückenstreckmuskulatur. Hinsichtlich des quantitativen und qualitativen Leistungsvermögens blieb Dr. Schu. bei seiner vorausgegangenen Beurteilung.

Auch Dr. B. M. kam in seiner Stellungnahme vom 3. März 2006 zum Ergebnis, dass die im Januar 2006 sichtbar gemachten Bandscheibenvorfälle keine zusätzlichen neuen qualitativen Leistungseinschränkungen ergäben und es deshalb bei der Leistungsbeurteilung des mehrfachärztlichen Gutachtens bleibe.

Nach stationärer Krankenhausbehandlung vom 15. Februar bis 1. März 2006 in der Ro.-Klinik, wegen therapieresistenter Lumboischialgien wurde der Kläger bei zwar gemindertem, aber noch vorhandenem LWS-Schmerz unter Hinweis darauf entlassen, dass ein neurologisches Defizit groborientierend weiterhin nicht bestehe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Hiergegen hat der Kläger am 19. Mai 2006 Klage beim SG erhoben, mit der er den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung weiterverfolgt. Er leide an erheblichen Schmerz-Syndromen wegen ausgeprägter Lumboischialgien, die sich zunehmend verschlimmert hätten. Außerdem sei sein Leistungsvermögen aufgrund des am 4. Februar 2000 erlittenen Arbeitsunfalls herabgesetzt. Schließlich leide er wegen der HIV-Infektion an einer reaktiven depressiven Entwicklung und einer pharmakogenen Müdigkeitserscheinung.

Anlässlich eines stationären Aufenthalts in der neurochirurgischen Klinik des Universitätsklinikums He. vom 5. bis 16. Mai 2006 wurde über eine erweiterte interlaminäre Fensterung LWK5/SWK1 rechts eine mikroneurochirurgische Sequesterotomie und Nukleotomie LWK5/SWK1 durchgeführt. Dabei stellte sich der Bandscheibenvorfall als größtenteils verkalkt und schwierig zu mobilisieren dar. Ein neues neurologisches Defizit war postoperativ nicht auf- getreten, die präoperativ bestehende Lumboischialgie war postoperativ komplett rückgebildet, die Hyperästhesie bis zur Entlassung in Rückbildung begriffen.

Vom 30. Mai bis 27. Juni 2006 befand sich der Kläger zur Anschlussheilbehandlung in der Klinik Wa. und wurde dort als mindestens sechsstündig leistungsfähig für leichte Tätigkeiten, überwiegend im Stehen und Sitzen entlassen. Qualitative Einschränkungen bestünden insoweit, als häufiges Bücken, Heben, Tragen und Bewegen schwerer Lasten () 15 kg) sowie Arbeiten in wirbelsäulenungünstigen Zwangshaltungen mit einseitiger Halterungskonstanz vermieden werden sollten (vgl. Entlassungsbericht vom 6. Juli 2006).

In einem weiteren zur Feststellung der MdE von der BGE eingeholten fachärztlichen Gutachten vom 28. April 2006 kommen Dr. Ru./Dr. Di., St. V.-Kliniken, zu dem Ergebnis, dass bereits vor dem Unfall vom 4. Februar 2000 nachweisbare unfallunabhängige Bandscheibenschäden im unteren Lendenwirbelsäulenbereich bestanden hätten. Seit Dezember 2005 sei es zu einer deutlichen Befundverschlimmerung gekommen, die sich im Wesentlichen aus den Folgen eines akuten Lumbalsyndroms mit pseudoradikulärer Ausstrahlung in beide Beine ergebe. Da der Kläger arbeitsunfähig sei, sei er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu 100 v. H. in der Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt.

Ebenfalls im Auftrag der BGE erstellte Chirurg Dr. Mi. unter dem 31. Juli 2006 nach Aktenlage ein Gutachten und kam darin zum Ergebnis, dass durch die in Fehlstellung verheilte Fraktur eine Verschlimmerung der vorbestehenden Bandscheibendegeneration eingetreten sei. Auch wenn Dr. Th. bezweifle, dass die nicht unmittelbar benachbarten Segmente betroffen seien und somit ein indirekter oder direkter Unfallzusammenhang abzulehnen sei, sei festzuhalten, dass durch die Fehlstellung im Bereich der oberen Lendenwirbelsäule eine veränderte Belastung der unteren Lendenwirbelsäulenabschnitte resultiere, da das Segment L 2/3 und 3/4 die unfallbedingte Fehlstellung nicht vollständig ausgleichen könne. Aufgrund der Bandscheibenbeschwerden sei von einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit wegen der Bandscheibendegeneration auszugehen. Inwieweit nach der erforderlichen operativen Sanierung dieser Schädigung weiterhin un¬fallbedingte Behandlungsbedürftigkeit bestehe, sei im Rahmen der weiteren Behandlung zu klä¬ren. Eine MdE von 100 v. H. sei jedoch nicht gerechtfertigt; vielmehr sei wegen der Zunahme der bandscheibenbedingten Veränderungen an der unteren Lendenwirbelsäule mit einer MdE von 30 v. H. der Befund funktionsentsprechend gewürdigt.

Mit Bescheid vom 24. August 2006 erhöhte die BGE u. a. auf der Grundlage dieses Gutachtens die Rente ab 1. Januar 2006 auf monatlich 299,79 EUR und stellte die MdB von 20 v. H. auf 30 v. H. neu fest.

Das SG hat ein orthopädisches Gutachten bei Dr. H. Ma. nach § 106 SGG eingeholt, in dem dieser unter dem 24. November 2006 im Wesentlichen die bisherigen ärztlichen Diagnosen bestätigt hat: Die in Folge des Arbeitsunfalls erlittene Kompressionsfraktur des 1. Lendenwirbels sei unter Fehlstellung verheilt. Zwischen dem 12. Brustwirbel und dem 1. Lendenwirbel habe sich eine lokale Rundrückenbildung von etwa 25° ausgebildet, was nach allgemeiner Literaturmeinung als statisch wirksame Deformierung bezeichnet werde. Die ebenfalls festgestellte leichte Seitverbiegung sei nicht von klinischer Relevanz. Die nach Versteifungsoperationen häufig auftretende vermehrte Beweglichkeit in der Nachbarschaft der versteiften Segmente sei beim Kläger nicht nachweisbar. Nachdem Beschwerden der unteren Lendenwirbelsäule aufgetreten seien, die auch in die Beine ausgestrahlt hätten, sei am 10. Mai 2006 eine Bandscheibenoperation L5/S1 durchgeführt worden. Danach sei der Ausstrahlungsschmerz nicht mehr nachweisbar und die Hypästhesie rückläufig gewesen. Heute bestehe kein Hinweis auf einen aktuellen Nervenwurzelreiz i. S. einer erneuten Kompression einer Ischiasnervenwurzel durch eventuell vorgefallene Bandscheiben; die Sensibilität, die vor der Operation gestört habe, habe sich jetzt wieder normalisiert. Auch der Achillessehnenreflex sei auf beiden Seiten gleichermaßen auslösbar, sodass vom neurologischen Befund her von einer erfolgreichen Operation ausgegangen werden könne. Auch wenn im Rahmen der Untersuchung eine ausreichende Beugung der Lendenwirbelsäule nicht vorgeführt und nur eine geringe Rumpfbeuge durchgeführt worden sei, habe die manualmedizinische Untersuchung eine freie segmentale Beweglichkeit von L 1/2 bis L 5/S 1 ohne Hypomobilitäten und ohne Instabilität ergeben. Außer der erheblich eingeschränkten Rumpfvorwärtsbeuge bestünden daher nur geringfügige pathologische Befunde, die segmentale Beweglichkeit sei frei, die neurologischen Befunde unauffällig und es gebe keinen Anhalt für eine aktuelle erneute Wurzelkompression. Überraschend sei dennoch, dass derzeit keinerlei Therapie an der Wirbelsäule durchgeführt werde, der Kläger also nicht nach anfänglicher fachlicher Anleitung täglich selbsttätige Übungen zur Kräftigung der Rücken- und Bauchmuskulatur ausführe. Aufgrund der Funktionsstörungen des Brust-Lenden-Wirbelsäulenübergangs und der Lendenwirbelsäule ergäben sich verschiedene qualitative Leistungseinschränkungen: Der Kläger könne nicht ausschließlich im Stehen, Gehen oder Sitzen und auch nicht in Wirbelsäulenzwangshaltung arbeiten, häufiges Bücken sei zu vermeiden, Lasten von mehr als 10 kg sollten nicht gehoben oder getragen werden, darunter sollte die Last am Körper getragen werden. In quantitativer Hinsicht könne unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen bis zu einer Höchstdauer von mindestens sechs Stunden täglich gearbeitet werden.

Mit Urteil vom 25. Januar 2007 hat das SG unter Bezugnahme auf die Gutachten der Fachärzte Dres. Ma., Schu., Br. und M. sowie die Entlassungsberichte der Ro.-Klinik und der Klinik Wa. die Klage abgewiesen. Die HIV-Infektion führe nicht zu einer Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens, da die Erkrankung noch nicht ausgebrochen sei und die vom Kläger angegebene Tagesmüdigkeit nicht so ausgeprägt sei, dass seine Alltagsbewältigung dadurch wesentlich beeinträchtigt sei. Dies gelte auch für die diagnostizierte depressive Anpas¬sungsstörung leichteren Grades.

Gegen das am 16. März 2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 23. März 2007 beim Landes¬sozialgericht (LSG) eingelegte Berufung des Klägers, mit der im Wesentlichen auf das Gutachten von Dr. Ru. vom 28. April 2006 und die dortige Feststellung verwiesen wird, wonach die Funktionseinschränkungen und Beschwerden im Lendenwirbelsäulenbereich seit Dezember 2005 infolge hinzugekommener Bandscheibenschäden zugenommen hätten. Dass weitere Verschlechte¬rungen eingetreten seien, zeige auch der Befundbericht der Universitätsklinik He. vom 29. August 2006. Hinzu komme die HIV-Infektion des Klägers, die psychische Belastungen, ständige und erhöhte Ermüdbarkeit, Unkonzentriertheit und Leistungsabfall nach nur sehr kurzer Arbeitsdauer zur Folge habe.

Der Kläger hat verschiedene weitere Befundberichte vorgelegt, so u. a. einen weiteren Bericht von Dr. Ru./Dr. Pr. vom 25. Januar 2007, in dem eine wesentliche Änderung ge¬genüber dem früheren Befund verneint wird. Die MdE wurde mit 30 v. H. angegeben. Der Klä¬ger äußerte anlässlich dieser Untersuchung, er könne eine Gehstrecke von mehr als 15 Minuten nicht bewältigen. Das Autofahren habe er weitgehend eingestellt. Nach den in den letzten Mona¬ten durchgeführten Maßnahmen hätten sich die Beschwerden im LWS-Bereich eher verstärkt denn gebessert. Seit der letzten Operation hätten sich zunehmend Taubheits- und Pelzigkeitsge¬fühle an den Fußsohlen einschließlich der Zehen eingestellt. In einem für die BGE daraufhin erstellten neurologischen Gutachten vom 23. März 2007 hat Dr. Schn. ausgeführt, die vom Kläger geltend gemachten sensiblen Störungen der Füße (Analgesie und Anästhesie) seien angesichts der unauffälligen objektiven Parameter im Befund von organisch-neurologischer Seite nicht nachvollziehbar. Auch in der Elektrophysiologie hätten sich keine Auffälligkeiten gefunden.

Am 16. Mai 2007 wurde der Kläger in der Gedächtnisambulanz der psychiatrischen Klinik der Universitätsklinik He. zur Abklärung seiner kognitiven Leistungsfähigkeit untersucht. In seinem testpsychologischen Befundbericht vom 18. Mai 2007 führt Dipl.-Psych. Wiedemann aus, der Kläger sei in Bearbeitungsgeschwindigkeit und Aufmerksamkeit deutlich vermindert gewesen. Darüber hinaus sei das Testverhalten unauffällig gewesen. Die neuropsychologische Untersuchung verweise auf eine deutliche Störung des Lern- und Speichervermögens bei insgesamt altersentsprechender Merkfähigkeitsleistung. Weiter finde sich eine stark herabgesetzte Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit und Sprachproduktion sowie Einschränkungen der geistigen Umstellungsfähigkeit. Die Konzentration sei durchschnittlich, es seien jedoch mangelnde Sorgfalt und Ermüdungserscheinungen beobachtet worden. Der auf 104 geschätzte IQ sei durchschnittlich. Hinweise auf depressives Erleben hätten sich nach dem Selbstbeurteilungsinstrument BDI nicht ergeben.

In einem Befundbericht vom 23. Juli 2007 hat Dr. Hartmann, Immunologische Ambulanz des Universitätsklinikums He., mitgeteilt, dass wegen des labilen Immunstatus des Klägers am 5. Juli 2007 eine antiretrovirale Therapie eingeleitet worden sei, die er gut vertrage. Opportunistische Infektionen seien zurzeit nicht zu befürchten.

Am 6. März 2008 wurde der Kläger wegen eines Innenmeniskusrisses am linken Knie in der Universitätsklinik He. arthroskopisch behandelt.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. Januar 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29. Dezember 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2006 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. September 2005 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Aus den im Januar und März 2007 durch- geführten chirurgischen und neurologischen Untersuchungen der BGE hätten sich im Vergleich zur Untersuchung von Dr. Ma. im November 2006 keine wesentlichen Änderungen ergeben. Eine generelle Minderung des quantitativen Leistungsvermögens für Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung sei aus den neueren Befunden nicht abzuleiten und werde auch nicht im Gutach- ten von Dr. Ru./Dr. Pr. vom 25. Januar 2007 beschrieben.

Der Senat hat Beweis erhoben nach § 109 SGG durch Einholung eines orthopädischen Gutach- tens bei Dr. Gro. vom 14. Mai 2008, der die vom Kläger geltend gemachten und für glaubhaft gehaltenen rezidivierenden LWS-/BWS-Beschwerden in den Vordergrund gestellt hat. Daneben bestünden vor allem bei entsprechender körperlicher Belastung noch Beschwerden aufgrund der Nucleotomie L5/S 1 im Jahr 2006 und Restbeschwerden bei Zustand nach Arthroskopie mit Abrasionsathroplastik und Innenmeniskusteilresektion, wobei jetzt auch Beschwerden am rechten Kniegelenk zunähmen. Der Kläger sei daher erheblich qualitativ in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Regelmäßiges Heben/Bewegen von Lasten über 5 kg seien dauerhaft nicht mehr zumutbar, ebenso wenig einseitig die Wirbelsäule belastende Tätigkeit. Arbeiten in Zwangshaltung oder vornüber gebeugter Haltung und häufiges Bücken kämen nicht in Betracht. Der Wechsel vom Gehen zum Stehen zum Sitzen müsse regelmäßig gegeben sein. Auch Arbeiten mit erhöhter Unfallgefahr, auf Gerüsten oder Leitern und mit erhöhter Infek¬tionsgefahr sowie mit erhöhter Anforderung an die Konzentrations- oder Merkfähigkeit seien ausgeschlossen. Unter diesen Einschränkungen sei der Kläger wegen der erheblichen Fehlstatik und mangelnder Belastbarkeit und Mobilität von Seiten der LWS/BWS noch unter halbschichtig für leichte körperliche Tätigkeiten arbeitsfähig, wobei die internistischen/allgemeinärztlichen Einschränkungen des Klägers zusätzlich bewertet werden müssten. Die Leistungseinschränkung sei teilweise bereits seit der LWK1-Fraktur nachweisbar, wobei eine zusätzliche Verschlechte¬rung durch den Bandscheibenvorfall L5/S 1 im Jahr 2006 mit nachfolgender Nucleotomie gege¬ben sei.

Zusätzlich hat der Senat nach § 106 SGG Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztli¬chen Gutachtens bei Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Hei. mit testpsychologischer Zusatzuntersuchung durch Dipl.-Psych. Bauer. In seinem Gutachten vom 9. Dezember 2008 hat Dr. Hei. die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule bestätigt. Trotz der geäußerten Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule hätten sich neurologische Ausfallerscheinungen wie Paresen, Atrophien oder auf eine umschriebene Nervenwurzel beziehbare Sen¬sibilitätsstörungen nicht nachweisen lassen. Der Kläger habe zwar nächtliche Sensibilitätsstö¬rungen im Bereich der Füße und Hände beklagt. Ansonsten seien aber auf eine sensible Polyneu¬ropathie beziehbare Beschwerden nicht beklagt und darauf beziehbare Befunde auch nicht erho¬ben worden. Funktionelle Leistungseinschränkungen bestünden diesbezüglich nicht. Subjektiv habe der Kläger zwar depressive Symptome mit einer Lustlosigkeit, einer Antriebslosigkeit und einer Unmotiviertheit beklagt. Die Kriterien für eine depressive Erkrankung seien aber nicht er¬füllt, weder im Sinne einer Dysthymie, noch einer (auch leichten) depressiven Episode. Die Stimmungslage sei nur themenabhängig kurzfristig leicht gedrückt gewesen, ansonsten aber durchweg euthym. Die affektive Schwingungsfähigkeit sei nicht reduziert gewesen. Es bestün¬den auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer somatoformen Störung oder auch einer Angsterkrankung i. S. der ICD-10. Im Rahmen der klinisch-psychiatrischen Untersuchung hätten sich keinerlei Störungen der Auffassung, der Konzentration oder des Durchhaltevermögens gezeigt. Auch Störungen der Merkfähigkeit oder des Gedächtnisses seien nicht zutage getreten. Es sei durchweg präzise, flüssig und konzentriert berichtet worden. Eine Prüfung der kognitiven Leistungsfähigkeit im Zuge der testpsychologischen Zusatzuntersuchung sei nicht möglich gewesen. Die teils extrem schlechten Ergebnisse müssten als Ausdruck einer völlig unzureichenden Motivation im Zuge der Bearbeitung der Testuntersuchungen interpretiert werden und seien deshalb nicht verwertbar. Die dortigen Ergebnisse ließen sich mit dem klinischen Eindruck in keiner Weise in Einklang bringen. Es liege weder eine psychiatrische noch eine seelische Störung vor. Die beklagten kognitiven Leistungseinschränkungen ließen sich ebenso wenig wie die beklagte depressive Symptomatik mit den erhobenen Befunden in Einklang bringen. Aufgrund der orthopädischen Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule kämen nur noch leichte körperliche Tätigkeiten in Betracht. Lasten über 10 kg sollten nicht gehoben oder getragen werden. Arbeiten auf Leitern, häufiges Bücken oder Treppensteigen sollten nicht erfolgen. Ebenfalls sollten Arbeiten in Kälte, unter Kälteeinfluss oder im Freien nicht verrichtet werden. Weitere Einschränkungen ergäben sich aus nervenärztlicher Sicht nicht. Es seien auch keine besonderen Arbeitsbedingungen wie betriebsunübliche Pausen oder besonders gestaltetes Arbeitsgerät aus nervenärztlicher Sicht erforderlich. Würde all dies berücksichtigt, könne der Kläger mindestens 6 Stunden täglich bzw. ganztägig arbeiten. Es bestünden auch keine besonderen Einschränkungen hinsichtlich des Arbeitsweges. Seit wann dieser Gesundheitszustand bestehe, lasse sich rückblickend nur schwer feststellen. Soweit depressive Symptome früher beschrieben worden seien, seien diese jetzt nicht mehr objektivierbar. Eine Anpassungsstörung könne jetzt aufgrund des zeitlichen Ablaufs schon definitionsgemäß nicht mehr vorliegen. Soweit die jetzigen testpsychologischen Ergebnisse von denen der Gedächtnisambulanz der Psychiatrischen Klinik der Universitätsklinik He. abweichen würden, müsse in Betracht gezogen werden, dass der Kläger im Rahmen der jetzigen Testuntersuchung eine völlig unzureichende Mitarbeit gezeigt habe. Ansonsten hätten sich keine relevanten Abweichungen von Vorbefunden und bisherigen Beurteilungen ergeben.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (2 Bände), die beigezogenen Akten der BGE (2 Bände), die Akten des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem beide Beteiligte hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs. 2 i. V. m. § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und auch im Übrigen kraft Gesetzes statthaft (§ 143), ohne dass es ihrer Zulassung bedarf. Denn sie betrifft wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Im Streit steht der Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit begehrt der Kläger nicht. Eine solche wäre gemäß § 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) auch von vornherein ausgeschlossen, weil der Kläger nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren ist (§ 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).

Die Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat die Beklagte und ihr folgend das SG einen An¬spruch des Klägers auf die geltend gemachte Rente verneint.

Nach § 43 Abs. 1 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung vom 19. Februar 2002 (BGBl. I S. 754) haben bei Erfüllung hier nicht streitiger versicherungsrechtlicher Voraussetzungen Versi¬cherte Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht unter den genannten Bedingungen bei einem Leistungsvermögen unter drei Stunden täglich (Abs. 2). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Abs. 3).

Zutreffend hat das SG ein Leistungsvermögen des Klägers für leichte Tätigkeiten auf dem all¬gemeinen Arbeitsmarkt bei Berücksichtigung nicht arbeitsmarktunüblicher qualitativer Leis¬tungseinschränkungen für mindestens sechs Stunden täglich bejaht. Die Voraussetzungen einer Erwerbsminderung liegen daher gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI nicht vor. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil des SG Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Auch der Senat folgt den Einschätzungen in den Gutachten und Berichten von Dr. Th., Dr. Schu., Dr. Br. und Dr. B. M., die im Wege des Urkundsbeweises zu verwerten waren und die durch die weiteren als Sachverständigengutachten zu würdigenden Ausführungen von Dr. H. Ma. und Dr. Hei. bestätigt werden. Dagegen hält der Senat einen Rückschluss aus den beiden im Verfahren gegen die BGE erstellten, als Urkunden verwertbaren, Gutachten von Dr. Ru. auf die hier zu entscheidende Frage der quantitativen Leistungseinschränkung für nicht gerechtfertigt. Soweit dieser im Gutachten vom 28. April 2006 seit Dezember 2005 eine MdE von 100 v. H. angenommen hat, ist diese Bewertung aufgrund der von ihm selbst im Gutachten vom 25. Januar 2007 festgestellten MdE von 30 v. H. inzwischen obsolet. Dass eine festgestellte Arbeitsunfähigkeit nicht - wie im genannten Gutachten geschehen -zwingend gleichzusetzen ist mit einer MdE von 100 v. H., ergibt sich auch aus dem Bericht von Dr. Mi., der trotz unterstellter Arbeitsunfähigkeit lediglich eine MdE von 30 v. H. für gerechtfertigt hält. Wenig verständlich ist auch, weshalb — ohne jede weitere Erklärung — trotz der auch von Dr. Ru. konstatierten erheblichen Zustandsverbesserung die Frage nach einer Änderung der für die Höhe der Rente maßgebenden Verhältnisse in dessen Gutachten vom 25. Januar 2007 schlicht verneint wird. Wenig Aussagekraft muss seinen Gutachten auch deshalb beigemessen werden, weil darin die Angaben des Klägers scheinbar ungeprüft als Befund übernommen wurden. So wird die Behauptung des Klägers, zunehmend seit der letzten Operation beidseits Taubheits- und Pelzigkeitsgefühle an den Fußsohlen einschließlich der Zehen zu spüren, als Befund dargestellt (Seite 4 des Gutachtens), ohne die empfohlene neurologische Untersuchung abzuwarten. Diese dann am 23. März 2007 durchgeführte Untersuchung führte zu dem Ergebnis, dass den Angaben des Klägers gerade keine verwertbaren Befunde entsprechen (vgl. Gutachten Dr. Schn.). Eine konkrete Aussage zur täglichen Leistungsfähigkeit findet sich in beiden Gutachten von Dr. Ru. nicht, wohl auch, da hierüber nicht zu befinden war.

Nicht zu folgen vermag der Senat auch Dr. Gro., soweit dieser den Kläger aus orthopädischer Sicht nur noch unter halbschichtig für arbeitsfähig hält. In seinem von ihm als Sachverständigen erstatteten Gutachten fehlt schon eine den vorgegebenen Beweisfragen entsprechende zeitliche Festlegung. Gefragt war danach, ob der Kläger mindestens sechs Stunden täglich, drei bis unter sechs Stunden täglich oder weniger als drei Stunden täglich arbeiten kann. Die Feststellung einer unter halbschichtigen Arbeitsfähigkeit lässt offen, ob zwischen drei und sechs Stunden oder weniger als drei Stunden täglich gearbeitet werden kann. Der Einschätzung von Dr. Gro. folgt der Senat auch deshalb nicht, weil diese nicht überzeugend begründet wurde. Der sachverständige Gutachter verweist insoweit lediglich auf die erhebliche Fehlstatik und mangelnde Belastbarkeit und Mobilität von Seiten der LWS/BWS. Hierzu wird auf die dokumentierten klinischen und radiologischen Befunde verwiesen. Es fehlt indes an jeder Auseinandersetzung mit den Gutachten und Entlassungsberichten, die trotz gleicher Befundlage nicht zu einer derartigen quantitativen Leistungseinschränkung gelangen. Diese werden nicht einmal auszugsweise dargestellt, sodass schon fraglich ist, ob der Sachverständige hiervon überhaupt Kenntnis genommen hat. Auch inhaltlich ist die viel zu oberflächliche Begründung nicht überzeugend. Die pauschal in Bezug genommen klinischen und radiologischen Befunde beschreiben zwar eine nach verheilter Fraktur eingetretene Fehlstatik. Weder die reduzierte Belast¬barkeit noch die aus der Spondylodese resultierende Beeinträchtigung der Mobilität haben in den vorherigen Untersuchungen aber zu einer derartigen Leistungseinschränkung geführt. In den Stellung¬nahmen des Rentengutachters Dr. Schu. vom 1. November 2005 und 23. Februar 2006 wird die Fehlstatik der Wirbelsäule ebenfalls dargestellt. Auch er folgert hieraus eine Belastungseinschränkung, die sich aus der Mehrbelastung besonders der Rückenmuskulatur ergibt. Die durch die Bandscheibenvor¬fälle verursachte Funktionsstörung und die dadurch bedingte verminderte Belastbarkeit liegt hin¬gegen im Bereich der Belastungseinschränkung die sich aus den beschriebenen Folgen der Trümmerfraktur ergibt. Da keine weiteren pathologischen Auffälligkeiten von Seiten des Be¬wegungsapparates bestehen, muss nach den Ausführungen des Rentengutachters die tägliche Arbeitszeit nicht auf weniger als sechs Stunden beschränkt werden. Hierfür spricht auch, dass der Kläger nach der Behand¬lung des Bandscheibenvorfalls am 10. Mai 2006 im Universitätsklinikum He. aus der vierwöchigen Anschlussheilbehandlung in der Klinik Wa. am 27. Juni 2006 vollschichtig leistungsfähig für leichte Tätigkeiten entlassen worden ist. Insoweit kann auch der im Gutachten von Dr. Ru./Dr. Di. unter dem 28. April 2006 erhobene Befund nach der Bandscheibenoperation im Mai 2006 mit anschließender Heilbehandlung als überholt angesehen werden. Dem steht die Einschätzung von Dr. Mi. in seiner Stellungnahme vom 31. Juli 2006, wonach durch die in Fehlstellung verheilte Fraktur eine Verschlimmerung der vorbestehenden Bandscheibendegeneration eingetreten sei, nur scheinbar entgegen. Denn in dem nach Aktenlage gefertigten (nicht orthopädischen) Gutachten wird lediglich über die Bandscheibenoperation im Mai 2006 berichtet, ohne das Ergebnis dieser Maßnahme zu kennen. Das Gutachten wird daher unter den Vorbehalt einer Überprüfung nach Ausheilung der Behandlung des Bandscheibenvor¬falles gestellt. Dass aus seinem Gutachten eine von Dr. Gro. unterstellte Leistungsein¬schränkung abzuleiten wäre, wird schon dadurch in Frage gestellt, dass Dr. Mi. trotz der ange¬nommenen Verschlimmerung der Bandscheibendegeneration in Abgrenzung zu Dr. Ru. lediglich eine MdE von 30 v. H. für angemessen hielt. Die Leistungsbeurteilung des Klägers durch Dr. Gro. wird im Wesentlichen aber durch die in sich schlüssigen, im Einzelnen nachvollziehbar begründeten und durch die Befundergebnisse belegten Darstellungen im fachor¬thopädischen Gutachten des Sachverständigen Dr. Ma. widerlegt. Dabei verkennt der Senat nicht, dass zwischen beiden Gutachten ein Zeitraum von ca. 18 Monaten liegt, in dem theoretisch eine Verschlechte¬rung der körperlichen Leistungsfähigkeit des Klägers hätte stattgefunden haben können. Hierauf stützt Dr. Gro. aber die von ihm befürwortete Leistungseinschränkung gerade nicht. Vielmehr beruft er sich darauf, dass diese bereits seit der LWK1-Fraktur bestehe und eine zusätzliche Ver¬schlechterung durch den Bandscheibenvorfall L 5/S 1 mit nachfolgender Nucleotomie eingetre¬ten sei. Dem steht jedoch entgegen, dass nach den Feststellungen von Dr. Ma. nach der Operation am 10. Mai 2006 der Ausstrahlungsschmerz nicht mehr nachweisbar gewesen und die Hypästhesie rückläufig gewesen war. Für einen zum Zeitpunkt der Untersuchung am 23. November 2006 aktuellen Nervenwurzelreiz durch evtl. vorgefallene Bandscheiben lagen keine Hinweise vor. Solche werden auch im Gutachten von Dr. Gro. nicht genannt Die von beiden Gutachtern erhobenen orthopädischen Befunde im Bereich der Wirbelsäule (HWS, BWS, LWS) weichen nur geringfügig voneinander ab. Anders als bei der Untersuchung von Dr. Ma., wo der Kläger der Aufforderung zur Rumpfvorwärtsbeuge nur um wenige Grade nachgekommen war, gelang ihm bei der Untersuchung von Dr. Gro. sogar eine Vorwärtsbeuge bis zu einem Finger-Boden-Abstand von 35 cm. Insgesamt hat sich die Mobilität der LWS/BWS seit der Untersuchung von Dr. Th. am 14. Juli 2005 jedenfalls nicht verschlechtert, allenfalls verbessert. Danach ist zwar aufgrund der Spondylodese das Segment D 12/ L 1 versteift, die Nachbarsegmente D 11/12 und L 1/2 sind jedoch ebenso wenig wie die übrigen Segmente der Lendenwirbelsäule blockiert oder instabil. Insgesamt weicht Dr. Gro. somit im Rahmen der Befunderhebung nur insoweit von den früheren Gutachten ab, als nunmehr die am 6. März 2008 erfolgte arthroskopische Innenmeniskusteilresektion am linken Kniegelenk mit zu berücksichtigen war. Aufgrund der rückläufigen Beschwerdesymptomatik am linken Kniegelenk muss diese Operation als erfolgreich bezeichnet werden mit der begründeten Erwartung, dass die Beschwerden weiter zurückgehen werden. Auch wenn über zunehmende Beschwerden am rechten Kniegelenk berichtet wird, hat die am 30. April 2008 durchgeführte Röntgenuntersuchung bei zwar initialer Retropatellaarthrose und leichter Patellalateralisation keinen weiteren Befund ergeben, insbesondere keine Meniskusverletzungen. Deshalb stehen auch nach Auffassung von Dr. Gro. die Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule im Vordergrund. Der Senat ist jedoch mit den Dres. Schu. und Ma. der Auffassung, dass der Kläger trotz dieser Beschwerden in der Lage ist, mehr als sechs Stunden täglich unter Berücksichtigung der von allen Gutachtern festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen zu arbeiten. Anhaltspunkte für das Bestehen der Gefahr weiterer Bandscheibenvorfälle ergeben sich aus keinem der Gutachten. Der Senat schließt sich der Auffassung von Dr. Ma. an, wonach der Kläger in bestimmten Umfang in der Lage ist, einer solchen Gefahr durch selbsttätige Übungen zur Kräftigung der Rücken- und Bauchmuskulatur vorzubeugen (vgl. Gutachten vom 24. November 2006, Seite 11).

Anhaltspunkte für eine quantitative Leistungseinschränkung ergeben sich auch nicht aus den vom Kläger beschriebenen Beschwerden im nichtorthopädischen Bereich. Sowohl Dr. Br. als auch Dr. Hei. kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass der psychische Befund eine quantitative Leistungseinschränkung nicht begründen könne. Dabei liegt nach dem Rentengutachter Dr. Br. zwar eine im weitesten Sinne depressive Anpassungsstörung vor; auch er bemerkte beim Kläger jedoch eine noch erhaltene Erlebnisfähigkeit und eine normale Antriebslage. Ebenso wie bei Dr. Hei. zeigte der Kläger im längeren Gespräch mit Dr. Br. bei insgesamt eher introvertierter Persönlich¬keit auch verhaltenen Humor. Dies wird bestätigt durch die testpsychologische Untersuchung durch Dipl.-Psych. Wiedemann vom 18. Mai 2007, bei der sich keine Hinweise auf depressives Erleben nach dem Selbstbeurteilungsinstrument BDI ergaben. Die noch erhaltene Leistungsfä¬higkeit des Klägers ergibt sich auch aus dem von ihm bei der von dem Sachverständigen Dr. Hei. durchgeführten Exploration beschriebenen Tagesablauf. Dieser war durchgehend strukturiert und zeigte keinerlei Hinweise auf ein auch nur teilweises Unvermögen des Klägers, den Anforderungen des täglichen Lebens gerecht zu werden. Der Kläger ist danach in der Lage, selbständig und allein seinen Haushalt zu führen. Er geht einkaufen und kocht sich gerne sein Essen selbst. Er nimmt am ge¬sellschaftlichen Leben teil, sieht Nachrichten oder Filme im Fernsehen und besucht Bierkneipen in Karlsruhe. Dass dies nur etwa zweimal im Monat geschieht, führt der Kläger selbst auf seine finanzielle Situation zurück und ist nicht Ausdruck einer Rückzugstendenz. Nicht ganz verständ¬lich erscheint unter diesen Umständen die eigene Einschätzung des Klägers, er habe wenig bis keine sozialen Kontakte. Auch wenn die über zwanzigjährige Beziehung des Klägers inzwischen beendet ist, hat er doch noch regelmäßig telefonischen Kontakt zu einem Freund und trifft diesen auch gelegentlich. Die vom Kläger beschriebenen Symptome der Lustlosigkeit, Antriebslosigkeit und Unmotiviertheit erfüllen daher nicht die Kriterien einer depressiven Erkrankung. Eine Leis¬tungseinschränkung ergibt sich hieraus nicht. Wenn Dr. Br. in seinem Gutachten vom 2. No¬vember 2005 eine supportive Psychotherapie empfahl, war dies mit der damals völlig unzurei¬chend verarbeiteten HIV-Infektion begründet worden. Nachdem sich entsprechende Hinweise im Gutachten von Dr. Hei. nicht mehr finden lassen, kann wohl davon ausgegangen werden, dass der Kläger inzwischen eher in der Lage ist, mit seiner Krankheit umzugehen. Dass er des¬halb in der Vergangenheit in psychotherapeutischer Behandlung gewesen ist, ergibt sich weder aus seinem Vortrag noch den vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten.

Die vom Kläger geltend gemachte Tagesmüdigkeit, Unkonzentriertheit und der Leistungsabfall rechtfertigen aus Sicht des Senats ebenfalls nicht die Annahme, er wäre nur noch unter sechs Stunden täglich in der Lage, einer Arbeit nachzugehen. Da weder Dr. Br. noch Dr. Hei. während der Exploration beim Kläger Auffälligkeiten hinsichtlich der Auffassungsgabe, Kon¬zentration, Merkfähigkeit, Gedächtnis und Aufmerksamkeit feststellen konnten, ist der Senat mit dem Sachverständigen Dr. Hei. der Auffassung, dass die Ergebnisse der testpsychologischen Untersuchung von Dipl.-Psych. Bauer, soweit diese dramatisch ausgeprägte Einbußen im Bereich der aktuell ver¬fügbaren Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit und schwere Einbußen im Bereich der Kon¬zentrationsfähigkeit sowie eine deutliche Verschlechterung im Bereich der prämorbiden Intelligenz zeigten, nicht verwertbar, sondern Ausdruck mangelnder Mitwirkungsbereitschaft, ggf. auch einer Aggravation und Simulation sind. Anders ist nicht zu erklären, weshalb der Kläger im Rahmen der Explorationen keine Störungen der Auffassung, der Konzentration oder des Durchhaltevermögens aufwies und in der Lage war, durchweg präzise, flüssig und konzentriert zu berichten und auch die Intelligenz klinisch im Normbereich lag. Dieser Eindruck stellt auch die Ergebnisse der testpsychologischen Untersuchung von Dipl.-Psych. Wiedemann teilweise in Frage, der im Bereich der Wortflüssigkeit, der verbalen Merkfähigkeit und bei der Bearbeitungs- und Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit zu weit unterdurchschnittlichen Werten kam. Auf solch deutlich geminderte kognitive Fähigkeiten wären die Gutachter Dr. Br. und Dr. Hei. sicherlich aufmerksam geworden, hätten sich hierfür Anhaltspunkte im Gespräch mit dem Kläger ergeben.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht daher zur Überzeugung des Gerichts fest, das der Kläger noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt in wechselnder Körperhaltung ohne häufiges Bücken, Heben, Tragen und Bewegen schwerer Lasten von mehr als 10 kg und Treppensteigen vollschichtig zu verrichten. Auch Arbeiten auf Leitern, in Kälte, unter Kälteeinfluss oder im Freien sind nicht mehr leidensgerecht. Diese qualitativen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit des Klägers bedingen weder nach ihrer Art noch in der Gesamtheit eine so weitgehende Einengung der noch zumutbaren Tätigkeiten, dass die Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes bestünde. Einer konkreten Benennung eines noch zumutbaren Tätigkeitsfeldes bedarf es daher nicht. Auch die Wegefähigkeit ist weder in zeitlicher Hinsicht noch hinsichtlich der Wegstrecke oder der Nutzung bestimmter Verkehrsmittel eingeschränkt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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