L 4 KR 2186/08 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 795/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2186/08 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Dem Kläger wird für die Rechtsverfolgung im Beschwerdeverfahren L 4 KR 2186/08 ER-B Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H., W., ohne die Anordnung von Ratenzahlungen bewilligt.

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 01. April 2008 abgeändert. Die Beklagte wird einstweilen verpflichtet, die Aufrechnung mit Schadensersatzforderungen in Höhe von EUR 6.107,34 gegen Abrechnungen über Heilmittel auf einen monatlichen Betrag von EUR 100,00 zu beschränken. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten im Antrags- und im Beschwerdeverfahren werden gegeneinander aufgehoben.

Der Streitwert wird sowohl für das Antrags- als auch für das Beschwerdeverfahren endgültig auf EUR 3.053,67 festgesetzt.

Gründe:

I.

Der am 1962 geborene Kläger begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, dass die Beklagte es unterlassen soll, mit einer behaupteten Schadensersatzforderung in Höhe von EUR 6.107,34 gegen künftige Forderungen aus Abrechnungen für verordnete Heilmittelerbringung in Höhe von monatlich EUR 300,00 aufzurechnen.

Der Kläger, der geschieden und Vater zweier Kinder ist, betreibt in S. eine Praxis für Physiotherapie. Er hat verschiedene Mitarbeiter beschäftigt. Ihm wurde am 10. Dezember 1996 nach § 124 Abs. 5 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) eine Zulassung als Masseur und Medizinischer Bademeister erteilt. Die Zulassung berechtigte ihn zur Abgabe von Massagen, Bewegungstherapie, Heißluft, heißer Rolle, Extensionen, Fangopackungen/Mohr-packungen, Kryotherapie und Elektrotherapie an Versicherte auch der Beklagten. Persönlich war er auch zur Abgabe von manueller Lymphdrainage und Schlingentischtherapie danach befugt. Eine Zulassung für die Durchführung Manueller Therapie (MT) besaß er insoweit persönlich nicht. Die Beklagte erweiterte auf Antrag des Klägers vom 04. Januar 1999 die erteilte Zulassung am 17. Februar 1999 um Krankengymnastik und MT mit dem Hinweis, dass diese Zulassung nicht übertragbar und nur für den (inzwischen wieder ausgeschiedenen) Angestellten J. S. persönlich gelte, solange dieser in der Praxis des Klägers beschäftigt sei. In den Jahren 2004 bis 2007 rechnete der Kläger in seiner Praxis aufgrund ärztlicher Verordnungen durchgeführte MT u.a. bei Versicherten der Beklagten nach den Sätzen für Krankengymnastik ab. Die entsprechenden Abrechnungen dafür wurden von der Klägerin bezahlt.

Im Mai 2007 beanstandete die Beklagte gegenüber dem Kläger die Abrechnung von MT-Verordnungen, da der Kläger keine Abgabe und Abrechnungsberechtigung für die Erbringung und Abrechnung von MT nach Anlage 3 des Rahmenvertrags nach § 125 Abs. 2 SGB V habe. Die Leistung MT dürfe nur mit entsprechendem Weiterbildungsnachweis abgegeben und abgerechnet werden. Die vertraglichen Regelungen, wonach Leistungserbringer mit entsprechenden Weiterbildungen MT-Rezepte annehmen, Krankengymnastik erbringen und zu ihren Lasten habe abrechnen können, sind seit 01. Dezember 2002 entfallen. Insoweit errechnete die Beklagte zunächst eine Schadensersatzforderung gegen den Kläger in Höhe von EUR 15,819,63 und kündigte die Aufrechnung mit künftigen Abrechnungen an (Schreiben vom 23., 24. und 31. Mai 2007). Demgegenüber wandte der Kläger ein, es lägen für seine Mitarbeiter Lehrgangsbescheinigungen vor; sie dürften MT ausführen, jedoch nur Krankengymnastik abrechnen. Dies sei auch geschehen. Die manuellen Therapien seien von entsprechend qualifizierten Therapeuten durchgeführt worden; ein Schaden sei nicht entstanden, da nicht MT, sondern, wesentlich kostengünstiger, lediglich Krankengymnastik abgerechnet worden sei. Dies sei im Übrigen seit zehn Jahren so gehandhabt worden. Ab Mai 2007 würden jedoch Verordnungen wegen MT nicht mehr angenommen und ausgeführt. Insoweit reichte der Kläger bei der Beklagten auch Bescheinigungen über die Teilnahme an Kursen für MT ein, die die Mitarbeiterin Monika Drabat 1994 (zweimal 40 Stunden) und 1997 (zweimal 52 Zeiteinheiten à 45 Minuten) absolviert hat. Der Kläger machte auch geltend, im Falle einer beabsichtigten Aufrechnung sei seine Existenz bedroht. Er erhob gegenüber der Beklagten im Übrigen einen Zahlungsanspruch in Höhe von EUR 1.362,07. Bis April 2007 seien seine Abrechnungen insoweit nicht beanstandet worden. Hinsichtlich der vorgelegten Weiterbildungsnachweise wies die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 11. September 2007 darauf hin, dass eine spezielle Weiterbildung in MT von mindestens 260 Stunden mit Abschlussprüfung in einer Weiterbildungseinrichtung, die die Anforderung der gemeinsamen Empfehlung nach § 124 Abs. 4 SGB V erfüllt hätte, nachzuweisen gewesen wäre. Mit Schreiben vom 07. Februar 2008 teilte die Beklagte dem Kläger dann abschließend mit, eine Nachzahlung der einbehaltenen EUR 1.174,88 (betreffend Abrechnung von MT) könne nicht erfolgen. Zwischenzeitlich sei ermittelt worden, dass in den Jahren 2005 und 2006 insgesamt 38 Rezepte für MT angenommen und anstatt der verordneten MT Krankengymnastik abgegeben und zu ihren Lasten abgerechnet worden sei. Dadurch sei ein Schaden von EUR 3.552,84 entstanden (2005 EUR 1.628,04; 2006 EUR 1.924,80). Für 2007 seien sechs Rezepte zu Unrecht abgerechnet worden, was einen Schadensbetrag von EUR 778,08 ergebe. Für das Jahr 2004 seien weitere EUR 1.776,42 festgesetzt worden. Dies entspreche dem Durchschnittswert der Jahre 2005 und 2006. Es könnten auf der Grundlage der Rechtsprechung Schätzungen von Schadensersatzansprüchen vorgenommen werden. Der Kläger wurde aufgefordert, an die Beklagte insgesamt EUR 6.107,34 zurückzuzahlen. sofern bis 22. Februar 2008 keine Zahlungsvereinbarung zustande komme, werde sie (die Beklagte) die Schadensersatzforderung mit künftigen Abrechnungen des Klägers aufrechnen. Der Kläger (Schreiben vom 15. Februar 2008) bat daraufhin nochmals, die angedrohte Aufrechnung bis zur Klärung der Auseinandersetzung zu unterlassen und künftige Abrechnungen auszugleichen. Im Falle einer Aufrechnung sei seine Existenz bedroht. Dazu äußerte sich die Beklagte mit Schreiben vom 18. Februar 2008 dahin, dass, wie bereits mehrfach ausgeführt, die Schadensersatzforderung von EUR 6.107,34 zu Recht bestehe. Die Existenz des Klägers werde durch die Aufrechnung mit diesem Betrag nicht gefährdet. Es sei auch zu berücksichtigen, dass sich die ursprüngliche Schadenshöhe von EUR 15.819,63 durch umfangreiche Ermittlungen, zu denen der Kläger selbst keinen Beitrag geleistet habe, erheblich reduziert habe. An der beabsichtigten Aufrechnung wurde festgehalten. Sie (die Beklagte) sei jedoch bereit, die Aufrechnung auf monatlich EUR 300,00 zu beschränken.

Die BKK-IKK Arbeitsgemeinschaft Baden-Württemberg (Landesverband Baden-Württemberg und Hessen) machte mit Schreiben vom 06. März 2008 gegenüber dem Kläger wegen Annahme von Heilmittelverordnungen für MT ohne Abgabe- und Abrechnungserlaubnis für die Zeit von 2004 bis Mai 2007 Schadensersatzansprüche von EUR 426,20 (für die IKK Baden-Württemberg und Hessen) sowie von EUR 2.940,40 (für die Betriebskrankenkassen) geltend. Es wurde angekündigt, für die IKK Baden-Württemberg und Hessen EUR 426,20 bei der nächsten Abrechnung des Klägers in Abzug zu bringen.

Am 11. März 2008 beantragte der Kläger beim Sozialgericht Mannheim (SG), die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Aufrechnung mit behaupteten Schadensersatzforderungen in Höhe von EUR 6.107,34 gegen Abrechnungen über Heilmittel zu unterlassen. Er trug vor, die Behauptungen der Klägerin seien falsch und würden bestritten. Er habe in den Jahren 2004 bis 2007 Verordnungen über MT angenommen, von eigens für die Verabreichung von MT ausgebildeten Mitarbeiterinnen erbringen lassen, aber nur Krankengymnastik abgerechnet. Die entsprechend ausgebildeten Mitarbeiterinnen seien M. D., C. W. und H. T ... Die von ihm vorgenommene Abrechnungspraxis sei von der Beklagten in Kenntnis des Umstands, dass er (der Kläger) selbst keine Zulassung für die Verabreichung von MT besitze, geduldet worden. Erstmals im Mai 2007 habe die Beklagte ihn darauf hingewiesen, dass sie die bisherige Handhabung nicht mehr akzeptiere, weshalb er auch sofort ab Mai 2007 entsprechende Verordnungen über MT nicht mehr angenommen habe. Auch von anderen Kassen sei diese Handhabung ebenfalls jahrelang seit 1998 geduldet worden. Ein Verwaltungsakt, gegen den er sich mit Rechtsmitteln wehren könnte, sei bisher nicht erlassen worden. Die Aufrechnung sei auch deswegen unzulässig, da dadurch vollendete Tatsachen geschaffen würden, obgleich der Sachverhalt noch nicht geklärt sei. Eine Aufrechnung sei nach § 390 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) unzulässig, da eine Forderung, der eine Einrede entgegenstehe, nicht aufgerechnet werden könne. Der Kläger reichte verschiedene Unterlagen ein, darunter seine eidesstattliche Versicherung vom 10. März 2008 sowie ein Schreiben des damaligen Verbandes der Angestellten-Krankenkassen sowie des Verbandes der Arbeiter-Ersatzkassen an ihn vom 19. Januar 1997.

Die Beklagte trat dem Antrag entgegen. Der Kläger sei zugelassener Leistungserbringer für Heilmittel im Sinne des § 124 Abs. 1 SGB V. Im Rahmen einer internen Prüfung sei festgestellt worden, dass der Kläger ärztliche Verordnungen hinsichtlich MT angenommen habe, ohne hierfür eine Abgabe und Abrechnungserlaubnis zu besitzen. In den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Heilmittel-Richtlinien) sei geregelt, dass es für bestimmte Maßnahmen der Physikalischen Therapie spezieller Qualifikationen bedürfe. Dies gelte auch für die MT. In Anlage 3 zum maßgeblichen Rahmenvertrag vom 01. Dezember 2002 (Leistungsbeschreibung Physiotherapie) sei konkret beschrieben, welche Zusatzqualifikationen gegebenenfalls für bestimmte Heilmittel erforderlich seien. Bezüglich der Abrechnungsposition X 1201 MT sei definiert, dass diese nur abrechenbar sei von Physiotherapeuten, die eine erfolgreich abgeschlossene spezielle Weiterbildung in MT von mindestens 260 Stunden mit Abschlussprüfung in einer Weiterbildungseinrichtung nach § 124 Abs. 4 SGB V nachweisen könnten. Die vorgelegten Nachweise reichten insoweit weder bei Frau W. noch bei Frau D. aus. Für Frau T. lägen überhaupt keine Nachweise bezüglich der Zusatzqualifikation MT vor. Selbst wenn die Qualifikation dem Grunde nach vorliegen würde, bestehe kein Vergütungsanspruch vor einer zu erteilenden Abgabe- und Abrechnungserlaubnis. Denn diese Erlaubnis sei bisher nicht erteilt worden. Das Bundessozialgericht (BSG) habe auch bereits entschieden, dass Behandlungen, die nicht entsprechend den vertraglichen Bestimmungen erbracht worden seien, keinen Vergütungsanspruch auslösen würden, selbst wenn die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht seien (Urteil vom 04. Mai 1994 - 6 RKa 40/93 -). Die Schätzung für die Jahre 2005 und 2006 beruhe auf den ermittelten 38 zu Unrecht abgerechneten Rezepten. Die Schätzung für das Jahr 2004 basiere auf dem Durchschnittswert der Falschabrechnungen der Jahre 2005 und 2006. Zwischen den Krankenkassen und ihren Leistungserbringern bestehe auch kein Über- und Unterordnungsverhältnis. Das Gesetz sehe vielmehr in § 129 SGB V eine vertragliche Regelung der Beziehung zwischen Krankenkassen und freiberuflich tätigen Leistungserbringern vor. Folglich erfolgten Abrechnungen (Retaxierungen) nicht durch Verwaltungsakt, sondern im Rahmen der vertraglichen Regelungen zwischen Krankenkassen und freiberuflich Tätigen nach den §§ 387 ff. BGB.

Mit Beschluss vom 01. April 2008 wies das SG den Antrag ab. Außergerichtliche Kosten seien nicht zu erstatten. Der Kläger trage die Gerichtskosten. Die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung habe der Kläger weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Es sei nicht ersichtlich, dass er bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache der Gefahr wesentlicher Nachteile ausgesetzt sei, die für ihn ausnahmsweise das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache als nicht zumutbar erscheinen ließen. Eine mögliche Existenzgefährdung durch die gegenwärtig drohende Aufrechnung in Höhe von monatlich EUR 300,00 gegenüber Forderungen, die der Kläger gegenüber der Beklagten aus seiner laufenden Tätigkeit als Physiotherapeut erwerbe, sei nicht als existenzbedrohend anzusehen. Gegenüber dem betrieblichen Monatsumsatz des Klägers, der im Rahmen einer Krankengymnastikpraxis weitere Mitarbeiter beschäftige, falle ein monatlicher Betrag von EUR 300,00 nicht wesentlich ins Gewicht. Eine konkrete Prüfung sei im Übrigen nicht möglich, da der Kläger zu seinem Geschäftsbetrieb nichts angegeben und auch seine Angaben nicht glaubhaft gemacht habe. Der Beschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 04. April 2008 zugestellt.

Gegen den Beschluss hat der Kläger am 02. Mai 2008 mit Fernkopie Beschwerde beim SG zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Ferner hat er am 10. Juli 2008 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. beantragt. Er wiederholt sein Vorbringen, dass die Aufrechnung nach § 390 BGB unzulässig sei. Im Übrigen habe er erhebliche Verbindlichkeiten zu bedienen, sodass selbst eine Aufrechnung mit EUR 300,00 monatlich, sofern sie zulässig wäre, ihn wirtschaftlich ruinieren würde. Es komme hinzu, dass nicht nur die Beklagte eine Aufrechnung erklärt habe, sondern auch die BKK-IKK Arbeitsgemeinschaft Baden-Württemberg. Ihm drohe der wirtschaftliche Ruin. Nach der von seinem Steuerberater gefertigten vorläufigen Gewinnermittlungen für die Jahre 2003 bis 2006 ergebe sich ein (durchschnittlicher) monatlicher Gewinn von EUR 1.621,22. Aufgrund gerichtlicher Vergleiche müsse er an seine geschiedene Ehefrau und die beiden gemeinsamen minderjährigen Kinder monatlich EUR 700,00 Unterhalt zahlen. Von dem verbleibenden Betrag von EUR 921,22 müsse er seinen Lebensunterhalt bestreiten, wobei er allein für die Krankenversicherung bei der Beklagten monatlich EUR 342,80 zahlen müsse. Ab August 2008 müsse er zwar monatlich nur noch EUR 300,00 Unterhalt zahlen. Jedoch habe das vorläufige Betriebsergebnis für 2008 lediglich einen monatlichen Reingewinn von EUR 1.005,33 ergeben. Für 2007 seien es insoweit lediglich EUR 995,77 monatlich gewesen. Der Kläger hat auch Angaben zu den Abrechnungen der Monate Januar bis April 2008 gemacht, aufgeschlüsselt nach Kassenrezepten, auch mit den Abrechnungen gegenüber der Beklagten, und den Privatrezepten (Bl. 26 der LSG-Akte). Der Kläger hat auch verschiedene Unterlagen eingereicht, darunter die an das SG gerichtete Klageschrift in der Hauptsache vom 07. Mai 2008.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 01. April 2008 aufzuheben und die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Aufrechnung mit behaupteten Schadensersatzforderungen in Höhe von EUR 6.107,34 gegen Abrechnungen über Heilmittel zu unterlassen.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beklagte hält den angefochtenen Beschluss des SG für zutreffend. Sie hat verschiedene Unterlagen eingereicht, darunter auch eine Aufstellung der vom Kläger in der Zeit vom 18. Februar bis 25. April 2008 vorgenommenen Abrechnungen (Bl. 23 der LSG-Akte). Die Beklagte hat ferner darauf hingewiesen, dass der Kläger bei ihr den Antrag gestellt habe, von weiteren Forderungen zunächst abzusehen, bis die Angelegenheit rechtskräftig entschieden worden sei. Diesem Antrag habe sie entsprochen und die Aufrechnung bis zur Entscheidung über die Beschwerde ausgesetzt.

Zur weiteren Darstellung auch des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die Senatsakte L 4 KR 2186/08 ER-B wegen Prozesskostenhilfe Bezug genommen.

II.

1. Dem Kläger war für das vorliegende Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe nach § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu bewilligen, weil er auf Grund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung nicht aufzubringen, die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

2. Die Beschwerde des Klägers ist statthaft und zulässig. Sie ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in der seit 01. April 2008 geltenden Fassung ausgeschlossen. Danach ist die Beschwerde ausgeschlossen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Soweit sich der Kläger in der Hauptsache (Klageschrift vom 07. Mai 2008) gegen die behauptete Schadensersatzforderung von EUR 6.107,34, mit der nicht gegen Ansprüche auf Honorare für Heilmittelerbringung in Höhe von monatlich EUR 300,00 aufgerechnet werden dürfe, mittels negativer Feststellungsklage wendet, wäre die Berufung im Hinblick auf den streitigen Betrag von EUR 6.107,34 nicht nach § 144 Abs. 1 SGG ausgeschlossen.

Die Beschwerde ist teilweise begründet. Der Kläger kann zwar nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Beklagten verlangen, die Aufrechnung einstweilen ganz zu unterlassen. Hingegen ist die Beschwerde insoweit erfolgreich, als die Aufrechnung einstweilen auf den monatlichen Betrag von EUR 100,00 zu begrenzen ist.

Ersichtlich will der Kläger die ungekürzte Auszahlung der bei der Beklagten einzureichenden Honorarabrechnungen über die Erbringung von Heilmitteln für Versicherte der Beklagten erreichen, also ohne Aufrechnung mit der geltend gemachten Schadensersatzforderung von EUR 6.107,34. Der einstweilige Rechtsschutz beurteilt sich insoweit nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG, denn die Geltendmachung des sozialrechtlichen Schadensersatzanspruchs, über den die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auch zu entscheiden haben, mittels Aufrechnung erfolgt jedenfalls hier im Gleichordnungsverhältnis der Beteiligten im Leistungserbringerrecht nicht durch Verwaltungsakt, sondern durch einseitige öffentlich-rechtliche Willenserklärung, nachdem ein Aufrechnungsvertrag nicht zustande gekommen war. Insoweit sind die §§ 387 ff. BGB anwendbar.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 und 2 SGG gilt: Soweit ein Fall des Abs. 1 nicht vorliegt, kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen, worum es hier geht, sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, sodass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund).

Der Senat erachtet die Erfolgsaussichten der Klage (negative Feststellungsklage) in der Hauptsache, mit der sich der Kläger gegen das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs in der behaupteten Höhe wendet, als offen, wenn auch aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes manches dafür spricht, dass der Kläger gegenüber der Beklagten zu Unrecht Leistungen der MT abgerechnet hat. Der von der Beklagten geltend gemachte Schadensersatzanspruch bestünde dann, wenn der Kläger Leistungen der MT gegenüber der Beklagten zu Unrecht abgerechnet hätte, weil er zur Erbringung dieser Leistungen nicht berechtigt war. Da der Kläger selbst über keine Zulassung zur Erbringung von Leistungen der MT in den streitbefangenen Jahren 2004 bis 2007 verfügte, könnte eine zulässige Leistungserbringung nur dann erfolgt sein, wenn eine der beim Kläger angestellten Physiotherapeutinnen über eine solche Zulassung verfügte. Dies ist aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes nicht der Fall. Der Kläger hat Entsprechendes nicht behauptet. Die von der Beklagten erteilte erweiterte Zulassung vom 17. Februar 1999 galt nur für den zwischenzeitlich ausgeschiedenen angestellten Physiotherapeuten J. S ... Da der Kläger die Leistungen der MT als Leistungen der Krankengymnastik gegenüber der Beklagten zur Abrechnung gebracht hat, spricht allerdings einiges dafür, dass keine der genannten angestellten Physiotherapeutinnen in den Jahren 2004 bis 2007 über eine entsprechende Zulassung verfügte. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist nicht abschließend darüber zu entscheiden, welche Qualifikation diejenigen Mitarbeiter des Klägers hatten, die von 2004 bis 2007 die MT erbracht haben, ob die MT mithin in dieser Zeit aufgrund einer Abgabe- und Abrechnungsberechtigung erfolgte. Allerdings war dem Kläger bekannt, dass für die Erbringung und Abrechnung von Leistungen der MT eine Zulassung, ggf. auch für angestellte Mitarbeiter, durch die Beklagte erforderlich ist. Denn er hatte die entsprechende Zulassung für den früheren angestellten Physiotherapeuten J. S. beantragt.

Allein die Behauptung des Klägers, die Beklagte habe jahrelang die Abrechnung in der von ihm vorgenommenen Weise geduldet, steht einem Schadensersatzanspruch nicht entgegen. Dass eingereichte Abrechnungen unbeanstandet bleiben, begründet für den Leistungserbringer noch keinen Vertrauensschutz. Eine ausdrückliche Erklärung der Beklagten, die praktizierte Abrechnungsweise werde von ihr akzeptiert, ist aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes nicht vorhanden. Möglicherweise kann auch durch die Änderung der vertraglichen Regelungen zum 01. Dezember 2002 eine Änderung der Abrechnungsregeln eingetreten sein.

Der Umstand, dass der Kläger den Schadensersatzanspruch wegen in der Zeit von 2004 bis 2007 zu Unrecht abgerechneter MT bestreitet, führt nicht zur Unzulässigkeit der Aufrechnung nach § 390 BGB. Auch ergibt sich aus § 302 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) i. V. mit § 16 (Abrechnungsregelung) des Rahmenvertrags nach § 125 Abs. 2 SGB V kein Verbot für die Krankenkassen mit Schadensansprüchen gegen Zahlungen für erbrachte Heilmittelleistungen aufzurechnen.

Weiter ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dann auch nicht die Höhe des Schadensersatzanspruchs zu klären, insbesondere auch nicht im Hinblick auf den von der Beklagten für 2004 geschätzten Schadensposten.

Im Hinblick auf die danach gebotene Interessenabwägung bejaht der Senat, dass dem Kläger im Sinne eines Anordnungsgrundes jedenfalls schwere und unzumutbare Nachteile drohen, wenn er einstweilen die Aufrechnung hinsichtlich eines monatlichen Betrags von EUR 300,00 hinnehmen müsste. Denn bei einer Einbuße von Honorarzahlungen durch die Beklagte für erbrachte Leistungen bis zu einem monatlichen Betrag von EUR 300,00 könnte derzeit eine Existenzgefährdung der Praxis des Klägers eintreten. Auch wenn der Senat nach der vom Kläger für 2008 eingereichten Gewinnermittlung von einem auch aktuellen monatlichen Gewinn von EUR 1.031,00 ausgeht und beim Kläger eine Unterhaltspflicht von EUR 300,00 pro Monat sowie einen Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung von EUR 342,80 berücksichtigt, erscheint es für den Kläger jedoch einstweilen als noch zumutbar, eine Kürzung seiner Honorarabrechnungen für Versicherte der Beklagten bis zu einem Betrag von EUR 100,00 pro Monat hinzunehmen. Auch das Interesse der Beklagten, nicht bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Hauptsache abwarten und möglicherweise das Risiko, dass der Kläger nicht mehr zahlungsfähig ist, tragen zu müssen, wird damit angemessen Rechnung getragen.

Darauf, dass für die IKK Baden-Württemberg und Hessen mit Schreiben vom 06. März 2008 ein Abzug von EUR 426,20 bei der nächsten Abrechnung angekündigt worden war, weil der Kläger Verordnungen über MT angenommen habe, jedoch krankengymnastische Behandlung durchgeführt und abgerechnet habe, kann sich der Kläger in diesem Verfahren nicht berufen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 i. V. mit § 155 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 63 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Der Streitwert im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes war endgültig für beide Instanzen auf EUR 3.053,67 festzusetzen, d. h. auf die Hälfte der streitigen Schadensersatzforderung von EUR 6.107,34.

Dieser Beschluss kann nicht mit der (weiteren) Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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