L 11 SF 2857/09 A

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 SF 2857/09 A
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den Richter am Sozialgericht F. wird als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Klägerin lehnt den Richter am Sozialgericht F., Vorsitzender der 10. Kammer des Sozialgerichts Heilbronn (SG), wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Die Klägerin begehrt im Klageverfahren S 10 KR 781/09 die Gewährung von Krankengeld (Krg) über den 7. Oktober 2007 hinaus. Die Beklagte hatte der seit 23. Oktober 2006 vorwiegend wegen Depressionen arbeitsunfähigen Klägerin mit Bescheid vom 25. April 2007 Krg bis auf Weiteres versagt, weil sie die vom Rentenversicherungsträger bewilligte stationäre Rehabilitation nicht termingerecht angetreten habe. Nachdem die Klägerin dem Rat ihrer behandelnden Ärztin Dr. W. folgend stationär vom 25. April 2007 bis 12. Juni 2007 in der psychosomatischen Klinik B.-B. behandelt und von dort mit der Empfehlung einer stufenweisen Wiedereingliederung entlassen wurde, teilte Dr. W. der Beklagten mit Schreiben vom 8. Oktober 2007 mit, dass die Klägerin von dem stationären Aufenthalt profitiert habe und inzwischen wieder Arbeitsfähigkeit bestehe. Auch in ihren Angaben vom 13. November 2007 gegenüber der Beklagten bestätigte Dr. W. die Arbeitsfähigkeit der Klägerin (ab sofort). Dr. E. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung B.-W. (MDK) führte in seinem Gutachten vom 10. Dezember 2007 aus, die Arbeitsunfähigkeitsphase der Klägerin sei von einigen Ungereimtheiten begleitet. Der von der Klägerin gewünschten Wiederaufnahme der Berufstätigkeit stünden wohl arbeitgeberseitige Widerstände entgegen. Der Beklagten werde empfohlen, die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nunmehr rechtsmittelwirksam zu beenden, da Belastungsfähigkeit für die zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit (Schieben von Autoscheiben an Gelenkarmen) bestehe. Am 12. Dezember 2007 gelangten Auszahlscheine von Dr. W. vom 5. November 2007 (ohne Angabe zur Arbeitsunfähigkeit) und vom 30. November 2007 (nicht mehr arbeitsunfähig) zu den Akten (Bl. 74, 75 Verwaltungsakte). Mit Bescheid vom 14. Dezember 2007/Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2009 gewährte die Beklagte der Klägerin, gestützt auf die Feststellungen des MDK und der Ärztin Dr. W., Krg für die Zeit vom 20. März 2007 bis 7. Oktober 2007 in Höhe von 9.084,24 EUR. Ein ärztlicher Widerspruch sei zur Beendigung der Arbeitsunfähigkeit durch den MDK nicht eingereicht worden. Demzufolge sei die Arbeitsunfähigkeit sowie die Krankengeldzahlung zum 7. Oktober 2007 zu beenden gewesen.

Die am 5. März 2009 erhobene Klage hat die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten im Wesentlichen damit begründet, dass die Haltung und Entscheidung der Beklagten entscheidend von einem Missverständnis der Stellungnahme der Ärztin Dr. W. geprägt sei. Entgegen der Interpretation der Beklagten habe Dr. W. damals lediglich gemeint, es könne eventuell getestet werden, ob die Klägerin zwei Stunden am Tag arbeiten könne, aber selbst dies sei damals fraglich gewesen. Selbst der Arbeitgeber habe dies damals verneint und abgelehnt.

Die Beklagte hat auf den Widerspruchsbescheid verwiesen und angemerkt, dass die ärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 8. Oktober 2007 (Bl. 69 Verwaltungsakte) keinerlei Freiraum einer Interpretation zulasse (Zitat: Arbeitsfähigkeit besteht inzwischen wieder).

Der Kammervorsitzende hat am 4. Juni 2009 die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Klage wohl keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte. Das Gericht beabsichtige keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen. Die Angaben von Dr. W. ließen wohl keine Interpretation zu. Für den Fall, dass die Klage nicht zurückgenommen werde, beabsichtige das Gericht, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter zu entscheiden, nachdem der Sachverhalt aufgeklärt sei und keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art bestünden.

Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausdrücklich beantragt hat, Dr. W. als sachverständige Zeugin zu hören, hat Richter am SG F. mitgeteilt, dass an der beabsichtigten Verfahrensweise festgehalten werde.

Die Klägerin hat daraufhin über ihren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 12. Juni 2009 Richter am Sozialgericht F. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der Richter gehe von einer schriftlichen Stellungnahme der Ärztin Dr. W. gegenüber der Beklagten aus und werte dies als unumstößliches Faktum. Entgegen der Interpretation des Richters, welcher befremdlicherweise völlig unreflektiert die Auffassung der Beklagten übernommen habe, sei die Stellungnahme von Dr. W. nicht so eindeutig, wie es die Beklagte suggeriere und der Richter unkritisch übernehme. Die Stellungnahme von Dr. W. sei offenbar bewusst zweideutig. Dabei werde davon ausgegangen, dass die Beklagte der Ärztin signalisiert habe, dass man von ihr eine Stellungnahme im Sinne der Beklagten erwarte. Konkret auf die Konstellation angesprochen, habe Dr. W. den Zwiespalt und die Auffassung, dass letztlich die Klägerin Recht habe, sogar erkennen lassen. Obwohl dies dem Richter F. mitgeteilt worden sei, habe er, offenbar verbohrt und verrannt in eine einseitige Voreingenommenheit zum Vorteil der Beklagten, schlicht mitgeteilt, es bleibe bei seiner beabsichtigten Verfahrensweise. Damit drohe der Richter aber an, vorsätzlich einen ordentlichen Beweisantritt der Klägerin von vornherein missachten zu wollen, was in jedem Fall den dringenden Verdacht der Voreingenommenheit und Befangenheit begründe.

Richter am Sozialgericht F. hat erklärt, er halte sich nicht für befangen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des SG sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Das Ablehnungsgesuch der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 41, 42 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung seines Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Die hier allein geltend gemachte Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit findet nach Abs. 2 des § 42 ZPO statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Eine Besorgnis der Befangenheit liegt nur vor, wenn ein objektiv vernünftiger Grund gegeben ist, der dem am Verfahren Beteiligten von seinem Standpunkt aus befürchten lassen kann, der Richter werde nicht unparteiisch und sachlich entscheiden. Eine rein subjektive unvernünftige Vorstellung ist unerheblich. Es kommt allerdings nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich parteiisch oder befangen ist oder ob er sich selbst für befangen hält. Entscheidend ist ausschließlich, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. BVerfGE 72, 350, 335; BSGE SozR 3-1500 § 60 Nr. 1). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Verfahrensverstöße oder fehlerhafte Entscheidungen eines Richters als solche grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund darstellen; etwas anderes kann nur gelten, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass die Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (vgl. LSG Niedersachsen, Beschluss vom 26.06.2001 - L 3 B 133/01 KA -). Der Ablehnungsgrund ist konkret vorzubringen und gemäß § 44 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.

Das Vorbringen der Klägerin enthält keine derartigen Gründe, die bei vernünftiger Betrachtung die Annahme einer unsachlichen Einstellung des abgelehnten Richters rechtfertigen könnten.

Mit Schreiben vom 4. Juni 2009 hat sich Richter am Sozialgericht F. lediglich zur Erfolgsaussicht der Klage unter Hinweis auf die Angaben von Dr. W. geäußert und die Absicht weiterer Ermittlungen von Amts wegen verneint. Sachliche Meinungsäußerungen, z.B. über die Aussichten von Klagen oder die Rechtslage sind aber nicht ausreichend, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen, sofern dies nicht auf eine Weise geschieht, dass der Beteiligte Grund für die Befürchtung haben muss, der Richter werde Gegenargumenten nicht mehr aufgeschlossen gegenüberstehen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 60 Rdnr. 8 j). Dies ist hier aber nicht der Fall.

Die von der Klägerin behauptete Fehlinterpretation der Mitteilung von Dr. W. seitens des Kammervorsitzenden F. ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Dr. W. teilte am 8. Oktober 2007 der Beklagten unzweideutig mit, "Arbeitsfähigkeit besteht inzwischen wieder". Ebenso bestätigte Dr. W. in ihren Angaben vom 13. November 2007 gegenüber der Beklagten die Arbeitsfähigkeit der Klägerin ab sofort. Schließlich lässt sich auch den Auszahlscheinen vom 5. November und 30. November 2007 nichts anderes entnehmen. Wenn Richter am Sozialgericht F. bei diesen Gegebenheiten keine weiteren Ermittlungen für geboten erachtet hat, sind darin keine Umstände zu sehen, die geeignet sind, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen.

Was den Vorwurf der Klägerin angeht, Dr. W. habe sich auf Druck bzw. entsprechend den Signalen der Beklagten zur Arbeitsfähigkeit geäußert und letztlich erkennen lassen, dass sie (die Klägerin) Recht habe, ist diese Behauptung durch nichts belegt. Insoweit wäre die Vorlage einer entsprechenden Stellungnahme von Dr. W., die das Vorbringen der Klägerin untermauert, erforderlich gewesen. Ohne eine solche waren weitere Ermittlungen nicht veranlasst.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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