Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 4564/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4407/08 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27. Februar 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten in dem Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Versorgung mit einer Brille mit Gleitsichtgläsern.
Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte, am 1946 geborene Kläger beantragte am 25. April 2007 unter Vorlage einer Privatverordnung vom 23. April 2007 des Augenarztes Dr. A. die genannte Versorgung. Die Praxis des Dr. A. teilte der Beklagten telefonisch mit, der Visus betrage mit Brille korrigiert beidseits 0,8. Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag mit Bescheid vom 26. April 2007 ab. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet hätten, seien Sehhilfen seit dem 01. Januar 2004 nur noch verordnungsfähig, wenn der Visus auf jedem Auge bei bestmöglicher Korrektur maximal 0,3 betrage. Der Kläger erhob Widerspruch. Er trug vor, er leide an einem "Grauen Star". Er sei Anfang 2007 operiert worden. Danach habe eine Verbesserung von mehr als 0,5 Dioptrien vorgelegen. Er benötige aber nach wie vor eine Brille. Die Kosten der bis zur Operation verwendeten Brille habe die Beklagte übernommen. Die Beklagte holte das Gutachten des Dr. S., Medizinischer Dienst der Krankenkassen (MDK), vom 23. Mai 2007 ein, das die Voraussetzungen der begehrten Versorgung mit der Brille verneinte, da bei optimaler Versorgung ein Sehvermögen bis zu 1,0 oder - wie hier 0,8 vorliegen könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. September 2007 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch des Klägers zurück.
Der Kläger erhob am 18. Oktober 2007 Klage zum Sozialgericht Freiburg, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 21. November 2007 an das Sozialgericht Reutlingen (SG) verwies. Der Kläger legte unter anderem Kostenvoranschläge eines Optikers vom 19. Oktober 2005 (zwei verschiedene Paar Gleitsichtgläser zu zusammen EUR 150,00 bzw. EUR 346,00) und vom 23. April 2007 (je ein Paar mineralisches Zwei- bzw. Einstärkenglas zu zusammen EUR 82,78 bzw. EUR 15,74) vor. Er trug vor, er könne ohne Brille nur bis in eine Entfernung von 60 cm lesen. Er lebe von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG vernahm Dr. A. schriftlich als sachverständigen Zeugen. Er teilte unter dem 02. Januar 2008 mit, der Kläger leide an Kurzsichtigkeit und Hornhautverkrümmung, der Visus habe vor der Katarakt-Operation beidseits 0,4 betragen. Durch die Operation sei die Kurzsichtigkeit deutlich reduziert worden. Aufgrund der Operation habe eine neue Brille verordnet werden müssen.
Mit Urteil vom 27. Februar 2008 wies das SG die Klage ab. Versicherte ab Vollendung des 18. Lebensjahrs hätten Anspruch auf Versorgung mit einer Sehhilfe nur noch, wenn sie auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung der Stufe I der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Klassifikation des Schweregrades der Sehbehinderung auf beiden Augen hätten oder wenn die Sehhilfe der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen diene. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimme in Richtlinien, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet würden. Der Anspruch umfasse nicht die Kosten des Brillengestells. Der Kläger leide nicht unter einer schweren Sehbeeinträchtigung. Diese sei gegeben, wenn der Visus bei bestmöglicher Korrektur auf dem besseren Auge maximal 0,3 betrage. Die Sehschwäche des Klägers sei durch die beidseitige Staroperation wesentlich gebessert worden. Der Visus mit Korrektur betrage jetzt beidseits 0,8 laut der telefonischen Auskunft des Dr. A. gegenüber der Beklagten. Anspruch auf eine therapeutische Sehhilfe bestehe nicht. Die Operation nach beidseitigem Grauen Star sei nicht als Indikation in den Richtlinien erfasst. Das SG fügte seinem Urteil eine Rechtsmittelbelehrung hinzu, nach der die Berufung gegeben sei.
Gegen das ihm am 08. April 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. April 2008 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er trägt vor, es möge schon richtig sein, dass eine 80-%ige Sehschärfe bestehe, diese reiche aber nur bis 60 cm weit. Bei einer Entfernung darüber verschwömmen die Buchstaben. Ohne Sehhilfe könne er auch kein Fahrzeug fahren.
Unter dem 17. Juli 2008 hat der Berichterstatter die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Berufung entgegen der Rechtsmittelbelehrung des SG nur bei Vorliegen von Zulassungsgründen statthaft sei, nachdem die neue Sehhilfe sicher nicht über EUR 750,00 koste. Mit Schriftsatz vom 11. August 2008 hat der Kläger daraufhin Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und erneut den Kostenvoranschlag vom 23. April 2007 vorgelegt. Hierzu trägt er vor, er sehe eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darin, dass bei der Gesundheitsreform Empfänger von Leistungen nach dem SGB II nicht in ausreichender Form berücksichtigt worden seien. Bei ihm sei kein Visus von 0,8 gemessen worden, Dr. A. habe in seiner Aussage vom 02. Januar 2008 beidseits 0,4 angegeben.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27. Februar 2008 zuzulassen.
Die Beklagte hat im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde keinen Antrag gestellt. Der vom Kläger eingelegten Berufung ist sie unter Verweis auf das Urteil des SG entgegengetreten.
II.
1. Die Beschwerde des Klägers ist zulässig. Der Kläger hat sie insbesondere fristgerecht eingelegt. Wegen der falschen Rechtsmittelbelehrung in dem Urteil des SG begann die einmonatige Beschwerdefrist nach § 145 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ab der Zustellung des Urteils nicht zu laufen. Vielmehr galt nach § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG eine Beschwerdefrist von einem Jahr, die der Kläger eingehalten hat.
2. Die Beschwerde ist nicht begründet.
Die Berufung bedarf nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG der Zulassung entweder durch das SG selbst oder auf Beschwerde hin durch das LSG. Maßgeblich ist im vorliegenden Fall bereits die seit 01. April 2008 geltende Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes - SGGArbGÄndG -vom 26. März 2008 (BGBl. I, S. 444). Da dem Kläger das Urteil des SG am 08. April 2008 zugegangen ist, konnte er Rechtsmittel hiergegen erst zu dem Zeitpunkt einlegen, als die Gesetzesänderung bereits in Kraft getreten war. Änderungen des Prozessrechts ergreifen in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich auch schwebende Verfahren, soweit nicht Übergangsbestimmungen etwas anderes vorschreiben oder sich Abweichendes aus Sinn und Zweck der Vorschrift oder aus dem Zusammenhang mit anderen Grundsätzen ergibt (Bundesverfassungsgericht [BVerfG] BVerfGE 39, 156, 167; 65, 76, 98; Bundessozialgericht [BSG] BSGE 70, 133; 72, 148). Die Änderung ist am 01. April 2008 in Kraft getreten (vgl. Art. 5 SGGArbGÄndG), sodass die Neuregelung für alle Rechtsstreitigkeiten gilt, die nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung anhängig geworden sind bzw. für Rechtsmittelverfahren, in denen das Rechtsmittel nach diesem Zeitpunkt eingelegt worden ist. An einem Rechtsstreit Beteiligte können nicht darauf vertrauen, dass das Prozessrecht unverändert bleibt. Dies gilt auch dann, wenn während eines anhängigen Rechtsstreits die Berufungssumme - wie hier von EUR 500,00 auf EUR 750,00 - erhöht wird (so ausdrücklich BVerfG, Kammerbeschluss vom 05. Juni 1992 - 2 BvR 1307/91 = NJW-RR 1993, 253).
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der seit 01. April 2008 geltende Fassung bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des LSG, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, EUR 750,00 nicht übersteigt. Dies ist hier der Fall. Der Kläger begehrt die Versorgung mit einer Sachleistung, nämlich mit einer Brille mit Gleitsichtgläsern. Nach den vorliegenden Kostenvoranschlägen liegen die Kosten dieser Gläser höchstens bei EUR 346,00 (Gleitsicht Marke Gl ET, EUR 166,00 und EUR 180,00). Damit wäre im Übrigen auch der bis 31. März 2008 geltende Beschwerdewert von EUR 500,00 nicht überschritten.
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung nur dann zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Diese Zulassungsgründe liegen nicht vor.
Eine grundsätzliche Bedeutung ist nur gegeben, wenn die Rechtssache eine oder mehrere Rechtsfragen aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Berufungsgericht bedürftig und fähig sind (vgl. BSG, Beschluss vom 20. März 2008 - B 5a R 6/08 B - zu § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 144 Rdnr. 28). Eine solche Bedeutung hat die Rechtssache des Klägers nicht. Dass ein erwachsener Versicherter einen Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nur noch bei einer schweren Sehbeeinträchtigung oder einer therapeutischen Notwendigkeit hat, ergibt sich eindeutig aus § 33 Abs. 2 Satz 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V). Eine solche schwere Sehbeeinträchtigung nach Stufe I der Klassifikation der WHO setzt mindestens ein Absinken des Visus auf dem stärkeren Auge auf 0,3 voraus (oder eine Einschränkung des beidäugigen Gesichtsfeldes auf 10° oder weniger bei zentraler Fixation), wie es entsprechend §§ 33 Abs. 2 Satz 3, 92 Abs. 1 SGB V der Gemeinsame Bundesausschuss in Nr. 53.1 der Hilfsmittel-Richtlinien (zuletzt bekanntgemacht am 19. Oktober 2004, BAnz 2005 Nr. 2, S. 89) festgelegt hat. Diese rechtlichen Anforderungen sind in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung nicht in Zweifel gezogen worden. Auch an der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen bestehen keine Zweifel. Sie sind durch den Gedanken der Eigenverantwortung geprägt (§ 1 Satz 2 SGB V). Der Gesetzgeber des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes (GMG) vom 14. November 2003 (BGBl I, S. 2190) hat hierzu ausgeführt, der Sachleistungsanteil der Krankenkassen bei der Versorgung mit Sehhilfen habe zuletzt durchschnittlich EUR 50,00 betragen, die Versicherten zahlten durchschnittlich aber weitere EUR 150,00 für medizinisch nicht notwendige Leistungen, sodass davon auszugehen sei, dass der Leistungsausschluss erwachsene Versicherte grundsätzlich finanziell nicht überfordere (Bundestags-Drucksache. 15/1525, S. 85). Diese Erwägung trifft auch auf Empfänger von Leistungen nach dem SGB II zu. Den genannten Aufwand von EUR 50,00 für medizinisch notwendige Sehhilfen können sie aus dem Regelsatz, insbesondere aus dem darin enthaltenen Ansparanteil von monatlich EUR 48,00 (im Jahre 2005) tragen.
Das Urteil des SG weicht auch nicht von einer Entscheidung des LSG Baden-Württemberg, des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab. Der Kläger hat eine solche Entscheidung auch nicht bezeichnet.
Schließlich hat der Kläger auch keinen Verfahrensfehler des SG bezeichnet, auf dem das Urteil beruhen kann.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Mit der Ablehnung der Beschwerde ist das Urteil des SG rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten in dem Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Versorgung mit einer Brille mit Gleitsichtgläsern.
Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte, am 1946 geborene Kläger beantragte am 25. April 2007 unter Vorlage einer Privatverordnung vom 23. April 2007 des Augenarztes Dr. A. die genannte Versorgung. Die Praxis des Dr. A. teilte der Beklagten telefonisch mit, der Visus betrage mit Brille korrigiert beidseits 0,8. Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag mit Bescheid vom 26. April 2007 ab. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet hätten, seien Sehhilfen seit dem 01. Januar 2004 nur noch verordnungsfähig, wenn der Visus auf jedem Auge bei bestmöglicher Korrektur maximal 0,3 betrage. Der Kläger erhob Widerspruch. Er trug vor, er leide an einem "Grauen Star". Er sei Anfang 2007 operiert worden. Danach habe eine Verbesserung von mehr als 0,5 Dioptrien vorgelegen. Er benötige aber nach wie vor eine Brille. Die Kosten der bis zur Operation verwendeten Brille habe die Beklagte übernommen. Die Beklagte holte das Gutachten des Dr. S., Medizinischer Dienst der Krankenkassen (MDK), vom 23. Mai 2007 ein, das die Voraussetzungen der begehrten Versorgung mit der Brille verneinte, da bei optimaler Versorgung ein Sehvermögen bis zu 1,0 oder - wie hier 0,8 vorliegen könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. September 2007 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch des Klägers zurück.
Der Kläger erhob am 18. Oktober 2007 Klage zum Sozialgericht Freiburg, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 21. November 2007 an das Sozialgericht Reutlingen (SG) verwies. Der Kläger legte unter anderem Kostenvoranschläge eines Optikers vom 19. Oktober 2005 (zwei verschiedene Paar Gleitsichtgläser zu zusammen EUR 150,00 bzw. EUR 346,00) und vom 23. April 2007 (je ein Paar mineralisches Zwei- bzw. Einstärkenglas zu zusammen EUR 82,78 bzw. EUR 15,74) vor. Er trug vor, er könne ohne Brille nur bis in eine Entfernung von 60 cm lesen. Er lebe von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG vernahm Dr. A. schriftlich als sachverständigen Zeugen. Er teilte unter dem 02. Januar 2008 mit, der Kläger leide an Kurzsichtigkeit und Hornhautverkrümmung, der Visus habe vor der Katarakt-Operation beidseits 0,4 betragen. Durch die Operation sei die Kurzsichtigkeit deutlich reduziert worden. Aufgrund der Operation habe eine neue Brille verordnet werden müssen.
Mit Urteil vom 27. Februar 2008 wies das SG die Klage ab. Versicherte ab Vollendung des 18. Lebensjahrs hätten Anspruch auf Versorgung mit einer Sehhilfe nur noch, wenn sie auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung der Stufe I der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Klassifikation des Schweregrades der Sehbehinderung auf beiden Augen hätten oder wenn die Sehhilfe der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen diene. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimme in Richtlinien, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet würden. Der Anspruch umfasse nicht die Kosten des Brillengestells. Der Kläger leide nicht unter einer schweren Sehbeeinträchtigung. Diese sei gegeben, wenn der Visus bei bestmöglicher Korrektur auf dem besseren Auge maximal 0,3 betrage. Die Sehschwäche des Klägers sei durch die beidseitige Staroperation wesentlich gebessert worden. Der Visus mit Korrektur betrage jetzt beidseits 0,8 laut der telefonischen Auskunft des Dr. A. gegenüber der Beklagten. Anspruch auf eine therapeutische Sehhilfe bestehe nicht. Die Operation nach beidseitigem Grauen Star sei nicht als Indikation in den Richtlinien erfasst. Das SG fügte seinem Urteil eine Rechtsmittelbelehrung hinzu, nach der die Berufung gegeben sei.
Gegen das ihm am 08. April 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. April 2008 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er trägt vor, es möge schon richtig sein, dass eine 80-%ige Sehschärfe bestehe, diese reiche aber nur bis 60 cm weit. Bei einer Entfernung darüber verschwömmen die Buchstaben. Ohne Sehhilfe könne er auch kein Fahrzeug fahren.
Unter dem 17. Juli 2008 hat der Berichterstatter die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Berufung entgegen der Rechtsmittelbelehrung des SG nur bei Vorliegen von Zulassungsgründen statthaft sei, nachdem die neue Sehhilfe sicher nicht über EUR 750,00 koste. Mit Schriftsatz vom 11. August 2008 hat der Kläger daraufhin Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und erneut den Kostenvoranschlag vom 23. April 2007 vorgelegt. Hierzu trägt er vor, er sehe eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darin, dass bei der Gesundheitsreform Empfänger von Leistungen nach dem SGB II nicht in ausreichender Form berücksichtigt worden seien. Bei ihm sei kein Visus von 0,8 gemessen worden, Dr. A. habe in seiner Aussage vom 02. Januar 2008 beidseits 0,4 angegeben.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27. Februar 2008 zuzulassen.
Die Beklagte hat im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde keinen Antrag gestellt. Der vom Kläger eingelegten Berufung ist sie unter Verweis auf das Urteil des SG entgegengetreten.
II.
1. Die Beschwerde des Klägers ist zulässig. Der Kläger hat sie insbesondere fristgerecht eingelegt. Wegen der falschen Rechtsmittelbelehrung in dem Urteil des SG begann die einmonatige Beschwerdefrist nach § 145 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ab der Zustellung des Urteils nicht zu laufen. Vielmehr galt nach § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG eine Beschwerdefrist von einem Jahr, die der Kläger eingehalten hat.
2. Die Beschwerde ist nicht begründet.
Die Berufung bedarf nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG der Zulassung entweder durch das SG selbst oder auf Beschwerde hin durch das LSG. Maßgeblich ist im vorliegenden Fall bereits die seit 01. April 2008 geltende Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes - SGGArbGÄndG -vom 26. März 2008 (BGBl. I, S. 444). Da dem Kläger das Urteil des SG am 08. April 2008 zugegangen ist, konnte er Rechtsmittel hiergegen erst zu dem Zeitpunkt einlegen, als die Gesetzesänderung bereits in Kraft getreten war. Änderungen des Prozessrechts ergreifen in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich auch schwebende Verfahren, soweit nicht Übergangsbestimmungen etwas anderes vorschreiben oder sich Abweichendes aus Sinn und Zweck der Vorschrift oder aus dem Zusammenhang mit anderen Grundsätzen ergibt (Bundesverfassungsgericht [BVerfG] BVerfGE 39, 156, 167; 65, 76, 98; Bundessozialgericht [BSG] BSGE 70, 133; 72, 148). Die Änderung ist am 01. April 2008 in Kraft getreten (vgl. Art. 5 SGGArbGÄndG), sodass die Neuregelung für alle Rechtsstreitigkeiten gilt, die nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung anhängig geworden sind bzw. für Rechtsmittelverfahren, in denen das Rechtsmittel nach diesem Zeitpunkt eingelegt worden ist. An einem Rechtsstreit Beteiligte können nicht darauf vertrauen, dass das Prozessrecht unverändert bleibt. Dies gilt auch dann, wenn während eines anhängigen Rechtsstreits die Berufungssumme - wie hier von EUR 500,00 auf EUR 750,00 - erhöht wird (so ausdrücklich BVerfG, Kammerbeschluss vom 05. Juni 1992 - 2 BvR 1307/91 = NJW-RR 1993, 253).
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der seit 01. April 2008 geltende Fassung bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des LSG, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, EUR 750,00 nicht übersteigt. Dies ist hier der Fall. Der Kläger begehrt die Versorgung mit einer Sachleistung, nämlich mit einer Brille mit Gleitsichtgläsern. Nach den vorliegenden Kostenvoranschlägen liegen die Kosten dieser Gläser höchstens bei EUR 346,00 (Gleitsicht Marke Gl ET, EUR 166,00 und EUR 180,00). Damit wäre im Übrigen auch der bis 31. März 2008 geltende Beschwerdewert von EUR 500,00 nicht überschritten.
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung nur dann zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Diese Zulassungsgründe liegen nicht vor.
Eine grundsätzliche Bedeutung ist nur gegeben, wenn die Rechtssache eine oder mehrere Rechtsfragen aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Berufungsgericht bedürftig und fähig sind (vgl. BSG, Beschluss vom 20. März 2008 - B 5a R 6/08 B - zu § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 144 Rdnr. 28). Eine solche Bedeutung hat die Rechtssache des Klägers nicht. Dass ein erwachsener Versicherter einen Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nur noch bei einer schweren Sehbeeinträchtigung oder einer therapeutischen Notwendigkeit hat, ergibt sich eindeutig aus § 33 Abs. 2 Satz 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V). Eine solche schwere Sehbeeinträchtigung nach Stufe I der Klassifikation der WHO setzt mindestens ein Absinken des Visus auf dem stärkeren Auge auf 0,3 voraus (oder eine Einschränkung des beidäugigen Gesichtsfeldes auf 10° oder weniger bei zentraler Fixation), wie es entsprechend §§ 33 Abs. 2 Satz 3, 92 Abs. 1 SGB V der Gemeinsame Bundesausschuss in Nr. 53.1 der Hilfsmittel-Richtlinien (zuletzt bekanntgemacht am 19. Oktober 2004, BAnz 2005 Nr. 2, S. 89) festgelegt hat. Diese rechtlichen Anforderungen sind in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung nicht in Zweifel gezogen worden. Auch an der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen bestehen keine Zweifel. Sie sind durch den Gedanken der Eigenverantwortung geprägt (§ 1 Satz 2 SGB V). Der Gesetzgeber des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes (GMG) vom 14. November 2003 (BGBl I, S. 2190) hat hierzu ausgeführt, der Sachleistungsanteil der Krankenkassen bei der Versorgung mit Sehhilfen habe zuletzt durchschnittlich EUR 50,00 betragen, die Versicherten zahlten durchschnittlich aber weitere EUR 150,00 für medizinisch nicht notwendige Leistungen, sodass davon auszugehen sei, dass der Leistungsausschluss erwachsene Versicherte grundsätzlich finanziell nicht überfordere (Bundestags-Drucksache. 15/1525, S. 85). Diese Erwägung trifft auch auf Empfänger von Leistungen nach dem SGB II zu. Den genannten Aufwand von EUR 50,00 für medizinisch notwendige Sehhilfen können sie aus dem Regelsatz, insbesondere aus dem darin enthaltenen Ansparanteil von monatlich EUR 48,00 (im Jahre 2005) tragen.
Das Urteil des SG weicht auch nicht von einer Entscheidung des LSG Baden-Württemberg, des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab. Der Kläger hat eine solche Entscheidung auch nicht bezeichnet.
Schließlich hat der Kläger auch keinen Verfahrensfehler des SG bezeichnet, auf dem das Urteil beruhen kann.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Mit der Ablehnung der Beschwerde ist das Urteil des SG rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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