Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 3654/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4569/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 28. August 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt - noch - eine rückwirkende niedrigere Festsetzung und die Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung.
Er war ab dem 01. April 2002 als hauptberuflich selbstständiger Arzt freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse ohne Anspruch auf Krankengeld. Bei dem Eintritt gab er an, er habe seine selbstständige Tätigkeit ab dem 01. April 2002 aufgenommen und werde voraussichtlich 2002 kein Einkommen erzielen. Mit Bescheid vom 26. Juli 2002 setzte die Beklagte den Beitrag zur Krankenversicherung ab dem 01. April 2002 auf monatlich EUR 216,32 fest (und zugleich den Beitrag zur Pflegeversicherung auf EUR 29,90). Sie legte hierbei ein monatliches Einkommen vom EUR 1.758,75 sowie einen Beitragssatz von 12,3 v.H. zur Kranken- und von 1,7 v.H. zur Pflegeversicherung zu Grunde. Sie führte aus, der Gesetzgeber habe für selbstständig tätige freiwillige Mitglieder Mindesteinnahmen in dieser Höhe festgesetzt. Die Beiträge seien vorläufig berechnet worden. Für die endgültige Festsetzung werde ein amtlicher Nachweis in Form des letzten Einkommensteuer- oder Einkommensteuervorauszahlungsbescheids benötigt. Der Kläger rügte mit Schreiben vom 20. August 2002, die Beklagte habe ihm mündlich einen Beitrag genannt, der "nicht einmal halb so hoch wie die EUR 246,22" sei. Die Beklagte wies unter dem 13. November 2002 erneut auf die Rechtslage hin. Mit Bescheid vom 09. April 2003 setzte sie die Beiträge ab dem 01. Januar 2003 unter Berücksichtigung des Beitragssatzes von 13,3 v.H. zur Kranken- und von 1,7 v.H. zur Pflegeversicherung vorläufig auf EUR 237,40 bzw. EUR 30,34 fest. Der Gesetzgeber habe die Bezugsgröße für 2003 auf EUR 2.380,00 im Monat erhöht, hiervon seien 75 v.H. als Mindestbemessungsgrundlage heranzuziehen.
Auf ein Auskunftsersuchen der Beklagten hin teilte das zuständige Finanzamt unter dem 20. Januar 2006 mit, die Einkommensteuerbescheide des Klägers für 2003 und 2004 seien am 06. Oktober bzw. 08. Dezember 2005 erlassen worden und hätten Einkünfte aus selbstständiger Arbeit von EUR 30.078,00 bzw. EUR 41.215,00, aus Vermietung und Verpachtung von minus EUR 3.393,00 bzw. minus EUR 19.633,00 sowie aus Kapitalvermögen von EUR 5.510,00 bzw. EUR 10.301,00 festgestellt. Gleichermaßen teilte das Finanzamt am 20. März 2006 mit, der Einkommensteuerbescheid für 2002 sei am 14. Januar 2004 ausgestellt worden, er weise Einkünfte aus selbstständiger Arbeit von EUR 10.156,00, aus nichtselbstständiger Arbeit von EUR 30,00, aus Vermietung und Verpachtung von minus EUR 9.513,00 und aus Kapitalvermögen von EUR 5.656,00 aus. Daraufhin setzte die Beklagte mit Bescheid vom 24. März 2006 die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 01. April 2002 endgültig fest. Als Bemessungsgrundlage ging sie für die Zeit vom 01. April 2002 bis 31. Dezember 2003 von einem Einkommen - wie bei der vorläufigen Festsetzung - von EUR 1.758,75, für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis 31. Oktober 2005 von einem Einkommen von EUR 1.811,25, für die Zeit vom 01. November bis 31. Dezember 2005 von einem Einkommen von EUR 2.965,67 unter die Zeit ab 01. Januar 2006 von einem Einkommen von EUR 3.562,50 aus. Die Beiträge zur Krankenversicherung betrugen danach bei einem Beitragssatz von 12,3 v.H. bis 31. August 2002, von 13,3 v.H. bis 31. März 2003 und von 14,2 v.H. ab 01. April 2003 für die Zeit vom 01. April bis 31. August 2002 EUR 216,32, für die Zeit vom 01. September bis 31. Dezember 2002 EUR 233,92, für die Zeit vom 01. Januar bis 31. März 2003 EUR 237,40, für die Zeit vom 01. April bis 31. Dezember 2003 EUR 253,48, für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis 31. Oktober 2005 EUR 257,20, für die Zeit vom 01. November bis 31. Dezember 2005 EUR 421,13 und ab 01. Januar 2006 EUR 505,88. Für die Zeit vom 01. November 2005 bis 28. Februar 2006 machte sie eine Nachforderung von EUR 915,66 geltend. Der Bescheid enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung. Der Kläger erhob mit Schreiben vom 30. Juni 2006, bei der Beklagten eingegangen am 07. August 2006, Widerspruch. Diesen wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2006 zurück. Der Widerspruch sei wegen Verfristung unzulässig. Hilfsweise sei jedoch darauf hinzuweisen, dass er auch unbegründet sei.
Der Kläger kündigte seine Mitgliedschaft bei der Beklagten zum 31. März 2007 und wechselte zu einer anderen Krankenkasse.
Mit Schreiben vom 05. März 2007, bei der Beklagten am 09. März 2007 eingegangen, beantragte er bei der Beklagten, seine Beiträge herabzusetzen. Er legte den Einkommensteuerbescheid vom 23. Februar 2007 für das Jahr 2005 vor. Dieser wies Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit von EUR 11.673,00 (aus freiberuflicher Tätigkeit minus EUR 4.931,00 und aus Beteiligungen EUR 16.604,00), aus Vermietung und Verpachtung von minus EUR 22.259,00 sowie positive Einkünfte aus Kapitalvermögen von EUR 2.048,00 aus. Insgesamt ergab sich ein negatives Einkommen von minus EUR 8.538,00. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 13. März 2007 insgesamt ab. Veränderungen, die zu einer niedrigeren Einstufung führten, könnten jeweils zum ersten Tag des auf die Vorlage des Nachweises folgenden Monats berücksichtigt werden. Da sie den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005 vom 09. März 2007 erhalten habe, wäre die Änderung des Einkommens bei der Beitragsberechnung ab dem 01. April 2007 zu berücksichtigen. Die freiwillige Mitgliedschaft ende aufgrund der Kündigung zum 31. März 2007. Den Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten zurück (Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2007). Zur Begründung legte er dar, das Schreiben vom 05. März 2007 werde als Antrag nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) auf Überprüfung der mit Bescheid vom 24. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 20. November 2006 festgesetzten Beträge gewertet. Für die Berechnung der Beiträge sei grundsätzlich der letzte Einkommensteuerbescheid maßgebend. Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines vom Versicherten geführten Nachweises eines niedrigeren Einkommens könnten nur ab dem ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005, nach dem ein fiktives Einkommen von EUR 1,837,50 zu berücksichtigen wäre, könne daher erst der Beitragsbemessung ab dem 01. April 2007 zugrunde gelegt werden. Die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers habe jedoch zum 31. März 2007 geendet.
Der Kläger erhob am 02. Juli 2007 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Es verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn die Beklagte Beiträge rückwirkend erhöhen könne, jedoch bei einem Absinken des Einkommens Beiträge nicht rückwirkend niedriger festsetze und Überzahlungen erstatte. Dies widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz. Unter anderem werde er als freiwillig Versicherter gegenüber einem Pflichtversicherten benachteiligt. Er müsse trotz negativen Einkommens über EUR 600,00 im Monat zahlen, während ein Pflichtversicherter mit einem mehrfachen Einkommen wesentlich weniger und ein nichtselbstständig tätiger freiwillig Versicherter nur ein Drittel bezahlen müsse.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie bezog sich auf ihre Bescheide.
Mit Urteil vom 28. August 2008 wies das SG die Klage ab. Es wertete den schriftlichen Antrag des Klägers dahin, den Bescheid der Beklagten vom 13. März 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juni 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die ab dem 01. Januar 2005 geschuldeten Beiträge unter Zugrundelegung von Einnahmen in Höhe des 40. Teils der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze festzusetzen und eine sich daraus ergebende Überzahlung zu erstatten. Es schloss sich der Rechtsansicht der Beklagten an. Der Beitrag könne bei einem Absinken des Einkommens erst ab dem der Vorlage des Nachweises folgenden Monat berücksichtigt werden. Dies sei hier der 01. April 2007 gewesen. Eine rückwirkende Neufestsetzung scheide aus.
Am 22. September 2008 hat der Kläger Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, das Vorgehen der Beklagten sei verfassungswidrig und verstoße gegen den Gleichheitssatz. Der Kläger hat auch den am 01. September 2008 erlassenen Einkommensteuerbescheid für 2006 vorgelegt, der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit von EUR 13.584,00 (aus freiberuflicher Tätigkeit minus EUR 2.444,00 und aus Beteiligungen EUR 16.028,00) sowie aus Vermietung und Verpachtung von minus EUR 23.498,00, insgesamt mithin von minus EUR 9.914,00, ausweist.
Der Senat hat die Beteiligten unter dem 27. Mai 2009 darauf hingewiesen, dass die Beklagte in dem angegriffenen Bescheid vom 13. März 2007 auch über die Beiträge zur Pflegeversicherung entschieden hat, obwohl hierfür nicht sie, sondern die nicht beteiligte Pflegekasse zuständig gewesen sei. Die Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 04. Juni 2009 ihren Bescheid insoweit aufgehoben.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 28. August 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 13. März 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juni 2007 zu verpflichten, ihren Bescheid vom 24. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 20. November 2006 für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 31. März 2007 zurückzunehmen, seine Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung vom 01. Januar 2005 bis 31. März 2007 unter Zugrundelegung von Einnahmen in Höhe des 40. Teils der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze festzusetzen und eine sich daraus ergebene Überzahlung zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt ergänzend aus, eine Verfassungswidrigkeit der einschlägigen gesetzlichen Vorschrift sei bislang nicht festgestellt worden.
Der Senat hat die Beteiligten mehrmals, zuletzt unter dem 09. Juni 2009, darüber unterrichtet, dass er durch Beschluss entscheiden wolle, und Gelegenheit zur Stellungnahme zuletzt bis zum 30. Juni 2009 gegeben.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akten des SG sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Der Senat konnte nach § 153 Abs. 4 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss entscheiden. Er hält die Berufung, nachdem die Beklagte die angegriffene Entscheidung hinsichtlich der Beiträge zur Pflegeversicherung aufgehoben hat, einstimmig für unbegründet. Eine mündliche Verhandlung ist nicht erforderlich. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Die Beteiligten sind gemäß § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG zuvor gehört worden.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere nach § 151 Abs. 1 SGG frist- und formgerecht eingelegt, aber nicht begründet. Soweit die Beklagte über den Antrag des Klägers hinsichtlich der Beiträge zur Krankenversicherung entschieden hat, ist die Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage des Klägers (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) zu Recht als unbegründet abgewiesen worden. Insoweit ist der angegriffene Bescheid der Beklagten rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte war zu einer rückwirkenden Herabsetzung der Beiträge zur Krankenversicherung auf den Mindestsatz vom 01. Januar 2005 bis zum 31. März 2007 nicht verpflichtet
1. Ein solcher Anspruch ergab sich zunächst nicht aus § 44 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X). Nach dieser Vorschrift kann die Rücknahme eines Verwaltungsakts auch mit Wirkung für die Vergangenheit verlangt werden, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt worden ist und deshalb Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Bescheid vom 24. März 2006 über die endgültige Festsetzung der Krankenversicherungsbeiträge war bei seinem Erlass für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 31. März 2007 rechtmäßig.
a) Nach § 240 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) in der bis 31. Dezember 2008 geltenden Fassung wird für freiwillige Mitglieder die Beitragsbemessung durch die Satzung geregelt. Nach § 9 I. Satz 1 der Satzung der Beklagten werden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen - §§ 223, 226, 228 bis 240 SGB V und § 23a des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) - der Mitglieder bemessen. Nach § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 gilt als beitragspflichtige Einnahme für hauptberuflich selbstständig tätige freiwillige Mitglieder für den Kalendertag der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze nach § 223 SGB V, bei Nachweis niedrigerer Einkünfte jedoch mindestens der 40. Teil der monatlichen Bezugsgröße. Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines vom Versicherten geführten Nachweises "nach Satz 2" können nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden. Diese Regelung fand sich während des gesamten hier streitigen Zeitraums in § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.d.F. des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S. 2266). Ab dem 01. April 2007 wurde sie durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26. März 2007 (BGBl I S. 378) zu Satz 5, ab dem 16. Dezember 2008 durch das Kinderförderungsgesetz vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2403) zu Satz 6.
Der Kläger war während des gesamten Streitzeitraums hauptberuflich selbstständig tätig. Wie sich durch die Einkommensteuerbescheide ergeben hat, verfügte er auch in der gesamten Zeit nicht über positive Einkünfte. Gleichwohl konnte er keine Veranlagung mit dem Mindestbeitrag nach § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V verlangen. Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 24. März 2006 einen höheren, einkommensgerechten Beitrag auch für die Zukunft festgesetzt. Dieser Bescheid ist bindend geworden (§ 77 SGG), weil der Kläger gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 20. November 2006 keine Klage erhoben hatte. Diese Festsetzung einkommensgerechter Beiträge war im Übrigen auch rechtmäßig, weil der Kläger nach den Einkommensteuerbescheiden für 2002 bis 2004 erheblich höhere positive Einkünfte hatte als später. Dass die Beklagte bei Beginn der selbstständigen Tätigkeit die Beiträge des Klägers zunächst vorläufig festgesetzt hatte (Bescheide vom 26. Juli 2002 und 09. April 2003), stand einer endgültigen Festsetzung nicht entgegen (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2006, B 12 KR 14/05 R, Rn. 14 ff, veröffentlicht in Juris,.). Dass sich sein Einkommen ab 2005 erheblich verringert hatte, wies der Kläger der Beklagten erst durch Vorlage des Einkommensteuerbescheids Anfang März 2007 nach. Sein Beitrag zur Krankenversicherung wäre daher erst ab dem 01. April 2007 gesunken, ab diesem Monat war er aber bei der Beklagten nicht mehr versichert.
b) § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V in der damaligen Fassung (Satz 6 n.F.) ist nicht verfassungswidrig. Der Senat war daher nicht nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. § 80 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) verpflichtet, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einzuholen.
Der Kläger rügt insoweit vor allem, hauptberuflich selbstständig tätige freiwillig Krankenversicherte würden durch § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V a.F. gegenüber abhängig beschäftigten (freiwillig oder pflichtweise) Krankenversicherten benachteiligt. Es ist aber schon zweifelhaft, ob hier wirklich eine gesetzliche Ungleichbehandlung vorliegt, der Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG also überhaupt beeinträchtigt ist. Bei beiden Versichertengruppen gilt der Grundsatz, dass bei einem Absinken der Einkünfte auch die Beiträge zur Krankenversicherung herabgesetzt werden. Es besteht allenfalls ein faktischer Nachteil, weil abhängig Beschäftigte ein solches Absinken zeitnah durch Vorlage einer Lohnabrechnung nachweisen können (oder der Arbeitgeber durch Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags ohnehin Lohnveränderungen sofort berücksichtigt), während Selbstständige einen anderen Nachweis führen müssen. Dies muss aber nicht zwangsläufig zu Verzögerungen führen. Ein Selbstständiger muss nicht bis zum Erlass eines Einkommensteuerbescheids abwarten, um sein verringertes Einkommen nachzuweisen, was in der Tat erst später möglich ist. Er kann z.B. auch eine aktuelle Gewinn- und Verlustrechnung seines Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers vorlegen (Bernsdorff, in: JurisPK SGB V, § 240 Rn. 23 unter Hinweis auf BSG, SozR 3-2500 § 240 Nr. 14 S. 56). Auch andere Nachweise, die sofort oder zumindest kurzfristig vorgelegt werden können, schließt § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V nicht aus. Selbst wenn aber Selbstständige hier durch die tatsächlichen Umstände benachteiligt werden, weil sie Einkommensveränderungen erst später nachweisen können als Beschäftigte (hiervon geht anscheinend auch das BSG aus, vgl. Urteil vom 22. März 2006, B 12 KR 14/05 R, Rn. 16, veröffentlicht in Juris), und wenn dies auch zu einer gesetzlichen Ungleichbehandlung führt, so ist diese gerechtfertigt. Das Einkommen Selbstständiger lässt sich nur mit größerem Aufwand ermitteln als bei Beschäftigten. Dies beruht auf Umständen, die - im Verhältnis zwischen Krankenkasse und Versichertem - in der Sphäre des Selbstständigen liegen. Daher darf ihm die Last überbürdet werden, zeitnah einen Einkommensnachweis zu führen.
Dass die Krankenkassen berechtigt sind, Beiträge zunächst vorläufig festzusetzen und später, nach dem Nachweis der tatsächlichen Einkünfte, endgültig auch zu höheren Beiträgen zu kommen und die Differenz nachzufordern (BSG, Urteil vom 22. März 2006, a.a.O. Rn. 17), während den Versicherten eine solcher rückwirkender Nachweis versagt bleibt, beeinträchtigt den Gleichheitssatz schon nicht. Sozialleistungsträger und Versicherte sind nicht vergleichbar, der Gesetzgeber muss hier keine identischen Regelungen vorsehen. Im Übrigen gilt auch hier, dass es den Krankenkassen nicht möglich ist, zeitnah die tatsächlichen Einkommensverhältnisse ihrer selbstständigen Mitglieder zu ermitteln, weil die relevanten Umstände in der Sphäre des Versicherten liegen.
Die allgemeine Handlungsfreiheit des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Zwar dürfte insoweit eine Beeinträchtigung vorliegen, als nach § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V a.F. zumindest zeitweise ein Versicherter höhere Beiträge zahlen muss als nach seinen Einkommensverhältnissen an sich gerechtfertigt wäre. Auch dieser Eingriff ist aber gerechtfertigt. Wäre dem Versicherten ein rückwirkender Nachweis abgesunkenen Einkommens erlaubt, könnten die Krankenkassen ihre Einnahmen nicht verlässlich schätzen (Bernsdorff, a.a.O. Rn. 26 mit Hinweis auf BSG, SozR 2200 § 180 Nr. 20 S. 67 f.). Der Eingriff wiegt auch nicht schwer, da es, wie bereits ausgeführt, der Versicherte selbst in der Hand hat, zeitnah ausreichende Nachweise vorzulegen und so zeitnah auch eine Absenkung der Beiträge zu erreichen.
2. Ebenso kann der Kläger die Rücknahme des Bescheids vom 24. März 2006 nicht nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X verlangen. Nach dieser Regelung soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die bei seinem Erlass vorgelegen hatten, wesentlich geändert haben und die begehrte Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt.
Im Bereich der Festsetzung der Krankenversicherungsbeiträge freiwillig versicherter Selbstständiger hat der Gesetzgeber mit § 240 Abs. 4 S. 3 (a.F.) bzw. S. 6 (n.F.) SGB V selbst festgelegt, dass die wesentliche Änderung der Verhältnisse nicht die Änderung der zu Grunde gelegten Einkünfte selbst und auch nicht der Erlass des entsprechenden Einkommensteuerbescheid ist, sondern erst die Vorlage dieses Bescheids bei der zuständigen Krankenkasse. Dies war hier der 09. März 2007. Wie bereits ausgeführt, lag daher erst ab April 2007 eine relevante Veränderung vor, ab diesem Zeitpunkt war der Kläger aber nicht mehr bei der Beklagten versichert.
3. Da die Beklagte die Beitragsfestsetzung nicht rückwirkend ändern musste und also keine Überzahlungen vorliegen, steht dem Kläger auch kein Rückerstattungsanspruch zu.
4. Die Entscheidung über die Kosten der Berufung beruht auf § 193 SGG. Auch wenn der Kläger teilweise obsiegt hat, weil die Beklagte die Festsetzung hinsichtlich der Beiträge zur Pflegeversicherung aufgehoben hat, sieht der Senat davon ab, die Beklagte zur Erstattung eines Teils der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu verpflichten. Der Senat stützt sich hierbei auf den in § 92 Abs. 2 Nr. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) kodifizierten Grundsatz, dass bei einem geringfügigen Obsiegen keine Kostenquote zu bilden ist.
5. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG lagen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt - noch - eine rückwirkende niedrigere Festsetzung und die Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung.
Er war ab dem 01. April 2002 als hauptberuflich selbstständiger Arzt freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse ohne Anspruch auf Krankengeld. Bei dem Eintritt gab er an, er habe seine selbstständige Tätigkeit ab dem 01. April 2002 aufgenommen und werde voraussichtlich 2002 kein Einkommen erzielen. Mit Bescheid vom 26. Juli 2002 setzte die Beklagte den Beitrag zur Krankenversicherung ab dem 01. April 2002 auf monatlich EUR 216,32 fest (und zugleich den Beitrag zur Pflegeversicherung auf EUR 29,90). Sie legte hierbei ein monatliches Einkommen vom EUR 1.758,75 sowie einen Beitragssatz von 12,3 v.H. zur Kranken- und von 1,7 v.H. zur Pflegeversicherung zu Grunde. Sie führte aus, der Gesetzgeber habe für selbstständig tätige freiwillige Mitglieder Mindesteinnahmen in dieser Höhe festgesetzt. Die Beiträge seien vorläufig berechnet worden. Für die endgültige Festsetzung werde ein amtlicher Nachweis in Form des letzten Einkommensteuer- oder Einkommensteuervorauszahlungsbescheids benötigt. Der Kläger rügte mit Schreiben vom 20. August 2002, die Beklagte habe ihm mündlich einen Beitrag genannt, der "nicht einmal halb so hoch wie die EUR 246,22" sei. Die Beklagte wies unter dem 13. November 2002 erneut auf die Rechtslage hin. Mit Bescheid vom 09. April 2003 setzte sie die Beiträge ab dem 01. Januar 2003 unter Berücksichtigung des Beitragssatzes von 13,3 v.H. zur Kranken- und von 1,7 v.H. zur Pflegeversicherung vorläufig auf EUR 237,40 bzw. EUR 30,34 fest. Der Gesetzgeber habe die Bezugsgröße für 2003 auf EUR 2.380,00 im Monat erhöht, hiervon seien 75 v.H. als Mindestbemessungsgrundlage heranzuziehen.
Auf ein Auskunftsersuchen der Beklagten hin teilte das zuständige Finanzamt unter dem 20. Januar 2006 mit, die Einkommensteuerbescheide des Klägers für 2003 und 2004 seien am 06. Oktober bzw. 08. Dezember 2005 erlassen worden und hätten Einkünfte aus selbstständiger Arbeit von EUR 30.078,00 bzw. EUR 41.215,00, aus Vermietung und Verpachtung von minus EUR 3.393,00 bzw. minus EUR 19.633,00 sowie aus Kapitalvermögen von EUR 5.510,00 bzw. EUR 10.301,00 festgestellt. Gleichermaßen teilte das Finanzamt am 20. März 2006 mit, der Einkommensteuerbescheid für 2002 sei am 14. Januar 2004 ausgestellt worden, er weise Einkünfte aus selbstständiger Arbeit von EUR 10.156,00, aus nichtselbstständiger Arbeit von EUR 30,00, aus Vermietung und Verpachtung von minus EUR 9.513,00 und aus Kapitalvermögen von EUR 5.656,00 aus. Daraufhin setzte die Beklagte mit Bescheid vom 24. März 2006 die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 01. April 2002 endgültig fest. Als Bemessungsgrundlage ging sie für die Zeit vom 01. April 2002 bis 31. Dezember 2003 von einem Einkommen - wie bei der vorläufigen Festsetzung - von EUR 1.758,75, für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis 31. Oktober 2005 von einem Einkommen von EUR 1.811,25, für die Zeit vom 01. November bis 31. Dezember 2005 von einem Einkommen von EUR 2.965,67 unter die Zeit ab 01. Januar 2006 von einem Einkommen von EUR 3.562,50 aus. Die Beiträge zur Krankenversicherung betrugen danach bei einem Beitragssatz von 12,3 v.H. bis 31. August 2002, von 13,3 v.H. bis 31. März 2003 und von 14,2 v.H. ab 01. April 2003 für die Zeit vom 01. April bis 31. August 2002 EUR 216,32, für die Zeit vom 01. September bis 31. Dezember 2002 EUR 233,92, für die Zeit vom 01. Januar bis 31. März 2003 EUR 237,40, für die Zeit vom 01. April bis 31. Dezember 2003 EUR 253,48, für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis 31. Oktober 2005 EUR 257,20, für die Zeit vom 01. November bis 31. Dezember 2005 EUR 421,13 und ab 01. Januar 2006 EUR 505,88. Für die Zeit vom 01. November 2005 bis 28. Februar 2006 machte sie eine Nachforderung von EUR 915,66 geltend. Der Bescheid enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung. Der Kläger erhob mit Schreiben vom 30. Juni 2006, bei der Beklagten eingegangen am 07. August 2006, Widerspruch. Diesen wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2006 zurück. Der Widerspruch sei wegen Verfristung unzulässig. Hilfsweise sei jedoch darauf hinzuweisen, dass er auch unbegründet sei.
Der Kläger kündigte seine Mitgliedschaft bei der Beklagten zum 31. März 2007 und wechselte zu einer anderen Krankenkasse.
Mit Schreiben vom 05. März 2007, bei der Beklagten am 09. März 2007 eingegangen, beantragte er bei der Beklagten, seine Beiträge herabzusetzen. Er legte den Einkommensteuerbescheid vom 23. Februar 2007 für das Jahr 2005 vor. Dieser wies Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit von EUR 11.673,00 (aus freiberuflicher Tätigkeit minus EUR 4.931,00 und aus Beteiligungen EUR 16.604,00), aus Vermietung und Verpachtung von minus EUR 22.259,00 sowie positive Einkünfte aus Kapitalvermögen von EUR 2.048,00 aus. Insgesamt ergab sich ein negatives Einkommen von minus EUR 8.538,00. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 13. März 2007 insgesamt ab. Veränderungen, die zu einer niedrigeren Einstufung führten, könnten jeweils zum ersten Tag des auf die Vorlage des Nachweises folgenden Monats berücksichtigt werden. Da sie den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005 vom 09. März 2007 erhalten habe, wäre die Änderung des Einkommens bei der Beitragsberechnung ab dem 01. April 2007 zu berücksichtigen. Die freiwillige Mitgliedschaft ende aufgrund der Kündigung zum 31. März 2007. Den Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten zurück (Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2007). Zur Begründung legte er dar, das Schreiben vom 05. März 2007 werde als Antrag nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) auf Überprüfung der mit Bescheid vom 24. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 20. November 2006 festgesetzten Beträge gewertet. Für die Berechnung der Beiträge sei grundsätzlich der letzte Einkommensteuerbescheid maßgebend. Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines vom Versicherten geführten Nachweises eines niedrigeren Einkommens könnten nur ab dem ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005, nach dem ein fiktives Einkommen von EUR 1,837,50 zu berücksichtigen wäre, könne daher erst der Beitragsbemessung ab dem 01. April 2007 zugrunde gelegt werden. Die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers habe jedoch zum 31. März 2007 geendet.
Der Kläger erhob am 02. Juli 2007 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Es verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn die Beklagte Beiträge rückwirkend erhöhen könne, jedoch bei einem Absinken des Einkommens Beiträge nicht rückwirkend niedriger festsetze und Überzahlungen erstatte. Dies widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz. Unter anderem werde er als freiwillig Versicherter gegenüber einem Pflichtversicherten benachteiligt. Er müsse trotz negativen Einkommens über EUR 600,00 im Monat zahlen, während ein Pflichtversicherter mit einem mehrfachen Einkommen wesentlich weniger und ein nichtselbstständig tätiger freiwillig Versicherter nur ein Drittel bezahlen müsse.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie bezog sich auf ihre Bescheide.
Mit Urteil vom 28. August 2008 wies das SG die Klage ab. Es wertete den schriftlichen Antrag des Klägers dahin, den Bescheid der Beklagten vom 13. März 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juni 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die ab dem 01. Januar 2005 geschuldeten Beiträge unter Zugrundelegung von Einnahmen in Höhe des 40. Teils der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze festzusetzen und eine sich daraus ergebende Überzahlung zu erstatten. Es schloss sich der Rechtsansicht der Beklagten an. Der Beitrag könne bei einem Absinken des Einkommens erst ab dem der Vorlage des Nachweises folgenden Monat berücksichtigt werden. Dies sei hier der 01. April 2007 gewesen. Eine rückwirkende Neufestsetzung scheide aus.
Am 22. September 2008 hat der Kläger Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, das Vorgehen der Beklagten sei verfassungswidrig und verstoße gegen den Gleichheitssatz. Der Kläger hat auch den am 01. September 2008 erlassenen Einkommensteuerbescheid für 2006 vorgelegt, der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit von EUR 13.584,00 (aus freiberuflicher Tätigkeit minus EUR 2.444,00 und aus Beteiligungen EUR 16.028,00) sowie aus Vermietung und Verpachtung von minus EUR 23.498,00, insgesamt mithin von minus EUR 9.914,00, ausweist.
Der Senat hat die Beteiligten unter dem 27. Mai 2009 darauf hingewiesen, dass die Beklagte in dem angegriffenen Bescheid vom 13. März 2007 auch über die Beiträge zur Pflegeversicherung entschieden hat, obwohl hierfür nicht sie, sondern die nicht beteiligte Pflegekasse zuständig gewesen sei. Die Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 04. Juni 2009 ihren Bescheid insoweit aufgehoben.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 28. August 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 13. März 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juni 2007 zu verpflichten, ihren Bescheid vom 24. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 20. November 2006 für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 31. März 2007 zurückzunehmen, seine Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung vom 01. Januar 2005 bis 31. März 2007 unter Zugrundelegung von Einnahmen in Höhe des 40. Teils der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze festzusetzen und eine sich daraus ergebene Überzahlung zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt ergänzend aus, eine Verfassungswidrigkeit der einschlägigen gesetzlichen Vorschrift sei bislang nicht festgestellt worden.
Der Senat hat die Beteiligten mehrmals, zuletzt unter dem 09. Juni 2009, darüber unterrichtet, dass er durch Beschluss entscheiden wolle, und Gelegenheit zur Stellungnahme zuletzt bis zum 30. Juni 2009 gegeben.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akten des SG sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Der Senat konnte nach § 153 Abs. 4 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss entscheiden. Er hält die Berufung, nachdem die Beklagte die angegriffene Entscheidung hinsichtlich der Beiträge zur Pflegeversicherung aufgehoben hat, einstimmig für unbegründet. Eine mündliche Verhandlung ist nicht erforderlich. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Die Beteiligten sind gemäß § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG zuvor gehört worden.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere nach § 151 Abs. 1 SGG frist- und formgerecht eingelegt, aber nicht begründet. Soweit die Beklagte über den Antrag des Klägers hinsichtlich der Beiträge zur Krankenversicherung entschieden hat, ist die Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage des Klägers (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) zu Recht als unbegründet abgewiesen worden. Insoweit ist der angegriffene Bescheid der Beklagten rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte war zu einer rückwirkenden Herabsetzung der Beiträge zur Krankenversicherung auf den Mindestsatz vom 01. Januar 2005 bis zum 31. März 2007 nicht verpflichtet
1. Ein solcher Anspruch ergab sich zunächst nicht aus § 44 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X). Nach dieser Vorschrift kann die Rücknahme eines Verwaltungsakts auch mit Wirkung für die Vergangenheit verlangt werden, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt worden ist und deshalb Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Bescheid vom 24. März 2006 über die endgültige Festsetzung der Krankenversicherungsbeiträge war bei seinem Erlass für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 31. März 2007 rechtmäßig.
a) Nach § 240 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) in der bis 31. Dezember 2008 geltenden Fassung wird für freiwillige Mitglieder die Beitragsbemessung durch die Satzung geregelt. Nach § 9 I. Satz 1 der Satzung der Beklagten werden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen - §§ 223, 226, 228 bis 240 SGB V und § 23a des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) - der Mitglieder bemessen. Nach § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 gilt als beitragspflichtige Einnahme für hauptberuflich selbstständig tätige freiwillige Mitglieder für den Kalendertag der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze nach § 223 SGB V, bei Nachweis niedrigerer Einkünfte jedoch mindestens der 40. Teil der monatlichen Bezugsgröße. Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines vom Versicherten geführten Nachweises "nach Satz 2" können nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden. Diese Regelung fand sich während des gesamten hier streitigen Zeitraums in § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.d.F. des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S. 2266). Ab dem 01. April 2007 wurde sie durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26. März 2007 (BGBl I S. 378) zu Satz 5, ab dem 16. Dezember 2008 durch das Kinderförderungsgesetz vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2403) zu Satz 6.
Der Kläger war während des gesamten Streitzeitraums hauptberuflich selbstständig tätig. Wie sich durch die Einkommensteuerbescheide ergeben hat, verfügte er auch in der gesamten Zeit nicht über positive Einkünfte. Gleichwohl konnte er keine Veranlagung mit dem Mindestbeitrag nach § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V verlangen. Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 24. März 2006 einen höheren, einkommensgerechten Beitrag auch für die Zukunft festgesetzt. Dieser Bescheid ist bindend geworden (§ 77 SGG), weil der Kläger gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 20. November 2006 keine Klage erhoben hatte. Diese Festsetzung einkommensgerechter Beiträge war im Übrigen auch rechtmäßig, weil der Kläger nach den Einkommensteuerbescheiden für 2002 bis 2004 erheblich höhere positive Einkünfte hatte als später. Dass die Beklagte bei Beginn der selbstständigen Tätigkeit die Beiträge des Klägers zunächst vorläufig festgesetzt hatte (Bescheide vom 26. Juli 2002 und 09. April 2003), stand einer endgültigen Festsetzung nicht entgegen (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2006, B 12 KR 14/05 R, Rn. 14 ff, veröffentlicht in Juris,.). Dass sich sein Einkommen ab 2005 erheblich verringert hatte, wies der Kläger der Beklagten erst durch Vorlage des Einkommensteuerbescheids Anfang März 2007 nach. Sein Beitrag zur Krankenversicherung wäre daher erst ab dem 01. April 2007 gesunken, ab diesem Monat war er aber bei der Beklagten nicht mehr versichert.
b) § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V in der damaligen Fassung (Satz 6 n.F.) ist nicht verfassungswidrig. Der Senat war daher nicht nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. § 80 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) verpflichtet, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einzuholen.
Der Kläger rügt insoweit vor allem, hauptberuflich selbstständig tätige freiwillig Krankenversicherte würden durch § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V a.F. gegenüber abhängig beschäftigten (freiwillig oder pflichtweise) Krankenversicherten benachteiligt. Es ist aber schon zweifelhaft, ob hier wirklich eine gesetzliche Ungleichbehandlung vorliegt, der Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG also überhaupt beeinträchtigt ist. Bei beiden Versichertengruppen gilt der Grundsatz, dass bei einem Absinken der Einkünfte auch die Beiträge zur Krankenversicherung herabgesetzt werden. Es besteht allenfalls ein faktischer Nachteil, weil abhängig Beschäftigte ein solches Absinken zeitnah durch Vorlage einer Lohnabrechnung nachweisen können (oder der Arbeitgeber durch Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags ohnehin Lohnveränderungen sofort berücksichtigt), während Selbstständige einen anderen Nachweis führen müssen. Dies muss aber nicht zwangsläufig zu Verzögerungen führen. Ein Selbstständiger muss nicht bis zum Erlass eines Einkommensteuerbescheids abwarten, um sein verringertes Einkommen nachzuweisen, was in der Tat erst später möglich ist. Er kann z.B. auch eine aktuelle Gewinn- und Verlustrechnung seines Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers vorlegen (Bernsdorff, in: JurisPK SGB V, § 240 Rn. 23 unter Hinweis auf BSG, SozR 3-2500 § 240 Nr. 14 S. 56). Auch andere Nachweise, die sofort oder zumindest kurzfristig vorgelegt werden können, schließt § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V nicht aus. Selbst wenn aber Selbstständige hier durch die tatsächlichen Umstände benachteiligt werden, weil sie Einkommensveränderungen erst später nachweisen können als Beschäftigte (hiervon geht anscheinend auch das BSG aus, vgl. Urteil vom 22. März 2006, B 12 KR 14/05 R, Rn. 16, veröffentlicht in Juris), und wenn dies auch zu einer gesetzlichen Ungleichbehandlung führt, so ist diese gerechtfertigt. Das Einkommen Selbstständiger lässt sich nur mit größerem Aufwand ermitteln als bei Beschäftigten. Dies beruht auf Umständen, die - im Verhältnis zwischen Krankenkasse und Versichertem - in der Sphäre des Selbstständigen liegen. Daher darf ihm die Last überbürdet werden, zeitnah einen Einkommensnachweis zu führen.
Dass die Krankenkassen berechtigt sind, Beiträge zunächst vorläufig festzusetzen und später, nach dem Nachweis der tatsächlichen Einkünfte, endgültig auch zu höheren Beiträgen zu kommen und die Differenz nachzufordern (BSG, Urteil vom 22. März 2006, a.a.O. Rn. 17), während den Versicherten eine solcher rückwirkender Nachweis versagt bleibt, beeinträchtigt den Gleichheitssatz schon nicht. Sozialleistungsträger und Versicherte sind nicht vergleichbar, der Gesetzgeber muss hier keine identischen Regelungen vorsehen. Im Übrigen gilt auch hier, dass es den Krankenkassen nicht möglich ist, zeitnah die tatsächlichen Einkommensverhältnisse ihrer selbstständigen Mitglieder zu ermitteln, weil die relevanten Umstände in der Sphäre des Versicherten liegen.
Die allgemeine Handlungsfreiheit des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Zwar dürfte insoweit eine Beeinträchtigung vorliegen, als nach § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V a.F. zumindest zeitweise ein Versicherter höhere Beiträge zahlen muss als nach seinen Einkommensverhältnissen an sich gerechtfertigt wäre. Auch dieser Eingriff ist aber gerechtfertigt. Wäre dem Versicherten ein rückwirkender Nachweis abgesunkenen Einkommens erlaubt, könnten die Krankenkassen ihre Einnahmen nicht verlässlich schätzen (Bernsdorff, a.a.O. Rn. 26 mit Hinweis auf BSG, SozR 2200 § 180 Nr. 20 S. 67 f.). Der Eingriff wiegt auch nicht schwer, da es, wie bereits ausgeführt, der Versicherte selbst in der Hand hat, zeitnah ausreichende Nachweise vorzulegen und so zeitnah auch eine Absenkung der Beiträge zu erreichen.
2. Ebenso kann der Kläger die Rücknahme des Bescheids vom 24. März 2006 nicht nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X verlangen. Nach dieser Regelung soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die bei seinem Erlass vorgelegen hatten, wesentlich geändert haben und die begehrte Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt.
Im Bereich der Festsetzung der Krankenversicherungsbeiträge freiwillig versicherter Selbstständiger hat der Gesetzgeber mit § 240 Abs. 4 S. 3 (a.F.) bzw. S. 6 (n.F.) SGB V selbst festgelegt, dass die wesentliche Änderung der Verhältnisse nicht die Änderung der zu Grunde gelegten Einkünfte selbst und auch nicht der Erlass des entsprechenden Einkommensteuerbescheid ist, sondern erst die Vorlage dieses Bescheids bei der zuständigen Krankenkasse. Dies war hier der 09. März 2007. Wie bereits ausgeführt, lag daher erst ab April 2007 eine relevante Veränderung vor, ab diesem Zeitpunkt war der Kläger aber nicht mehr bei der Beklagten versichert.
3. Da die Beklagte die Beitragsfestsetzung nicht rückwirkend ändern musste und also keine Überzahlungen vorliegen, steht dem Kläger auch kein Rückerstattungsanspruch zu.
4. Die Entscheidung über die Kosten der Berufung beruht auf § 193 SGG. Auch wenn der Kläger teilweise obsiegt hat, weil die Beklagte die Festsetzung hinsichtlich der Beiträge zur Pflegeversicherung aufgehoben hat, sieht der Senat davon ab, die Beklagte zur Erstattung eines Teils der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu verpflichten. Der Senat stützt sich hierbei auf den in § 92 Abs. 2 Nr. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) kodifizierten Grundsatz, dass bei einem geringfügigen Obsiegen keine Kostenquote zu bilden ist.
5. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG lagen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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