L 6 U 31/06

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 8 U 107/02
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 31/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. Januar 2006 und der Bescheid der Beklagten vom 23. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2002 abgeändert und die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger über die Ermäßigung der Flächenwertbeiträge für die Geschäftsjahre 1997 bis 2000 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt die Beklagte 5/6 und der Kläger 1/6. Der Gegenstandswert wird für das erstinstanzliche Verfahren auf 10.465,00 EUR und für das Berufungsverfahren auf 8.740,00 EUR festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist im Berufungsverfahren noch, ob dem Kläger wegen viehloser Bodenbewirt-schaftung im Zeitraum 1996 bis 2000 eine Ermäßigung der Flächenwertbeiträge um jeweils höchstens ein Viertel zu gewähren ist.

Der 1950 geborene Kläger bewirtschaftet seit Januar 1991 als landwirtschaftlicher Unternehmer in Sachsen-Anhalt eine Fläche von rund 363 ha (zusätzlich 2,5 ha Hof- und Gebäudefläche), die zum Zuständigkeitsbereich der Beklagten gehört. Seit dem Jahre 2003 führt er sein Unternehmen in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerli-chen Rechts, deren Gesellschafter neben ihm seine Ehefrau ist.

Am 18. Juni 1991 teilte der Kläger der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft B. (LBG B. ) in einem Betriebsfragebogen mit, er betreibe auf einer Fläche von 160 ha einen bäuerlichen Einzelbetrieb, in dem er noch keine Arbeiter und Angestellten be-schäftige. Das Fragebogenfeld, in dem Angaben zum vorhandenen Viehbestand zu machen waren, strich er durch.

In der Folgezeit kam es zu Veränderungen im Umfang der vom Kläger gepachteten und bewirtschafteten Flächen, von denen die LBG B. durch Mitteilungen anderer bei ihr versicherter Unternehmer bzw. des Amtes für Landwirtschaft und Flurneuord-nung Wernigerode Kenntnis erhielt.

Mit bestandskräftigen Bescheiden vom 20. Februar 1997, 12. Februar 1998, 15. Feb-ruar 1999, 16. Februar 2000 und 14. Februar 2001 setzte die LBG B. gegenüber dem Kläger die Beiträge für die Geschäftsjahre 1996 bis 2000 fest (Flächenwertbeiträ-ge i.H.v. 28.132,44 DM, 27.251,73 DM, 27.576,58 DM, 26.616,45 DM bzw. 27.136,22 DM). Auf den Vorderseiten der Beitragsbescheide war jeweils aufgeführt, dass der Bei-tragsberechnung die zum 1. Juli des betreffenden Geschäftsjahres bekannten Flächen bzw. sonstigen Betriebsverhältnisse zugrunde gelegt worden seien. Enthielten die Be-scheide für die Geschäftsjahre 1996 bis 1999 auf der Rückseite unter Punkt 2g) jeweils den Hinweis, dass sich der Flächenwertbeitrag für Unternehmen mit Bodenbewirtschaf-tung ohne jede Viehhaltung um 25 % ermäßige, war im Bescheid vom 14. Februar 2001 der Zusatz aufgeführt, dies erfolge auf Antrag.

Am 21. Juni 2001 übersandte der Kläger der LBG B. den von ihm ausgefüllten Vordruck zu den Bewirtschaftungsflächen und zum Tierbestand. Sämtliche Felder zu den Angaben der Tierbestände strich der Kläger wiederum durch. Mit Schreiben vom 13. November 2001 teilte ihm die LBG B. mit, gemäß § 42 Abs. 4 ihrer Satzung könne ab dem laufenden Geschäftsjahr eine Ermäßigung des Flächenwertbeitrages um 25 % gewährt werden, wenn der Unternehmer während des gesamten Geschäfts-jahres ohne jede Viehhaltung gewirtschaftet habe. Mit Schreiben vom 28. Dezember 2001, das bei der LBG B. am 18. Januar 2002 einging, beantragte der Kläger eine rückwirkende Beitragsermäßigung. Seit der Gründung bis einschließlich zum Jahr 2000 habe er in seinem Unternehmen viehlos gewirtschaftet. Eine Ermäßigung des Beitra-ges habe er bislang nicht beantragt, weil er irrtümlich davon ausgegangen sei, eine Bewirtschaftung mit Vieh ziehe einen Beitragszuschlag nach sich.

Mit Bescheid vom 23. Januar 2002 gewährte die LBG B. dem Kläger für das Ge-schäftsjahr 2001 eine Ermäßigung des Flächenwertbeitrages um 25 %. Eine Beitrags-ermäßigung für (weiter) zurückliegende Umlagejahre sei deshalb nicht möglich, weil sie mit der Veröffentlichung der Satzung in ihrem Mitteilungsblatt "Sicher Leben”, Ausgabe 1/2001 vom 18. Januar 2001 und mit dem Beitragsbescheid für das Geschäftsjahr 2000 darauf hingewiesen habe, dass eine Beitragsermäßigung nur noch bei rechtzeiti-ger Antragstellung gewährt werden könne.

Hiergegen erhob der Kläger am 19. Februar 2002 Widerspruch und trug zur Begrün-dung mit Schreiben vom 21. Februar 2002 u.a. vor, bereits aus dem von ihm abgege-benen Betriebsfragebogen gehe hervor, dass er bisher viehlos gewirtschaftet habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2002 wies die LBG B. den Widerspruch als unbegründet zurück. In der dem Kläger vorliegenden und am 1. Januar 1998 in Kraft getretenen Satzung sowie den Erläuterungen zu den vorangegangenen Beitrags-bescheiden sei die Möglichkeit einer Beitragsermäßigung ausführlich dargelegt wor-den. Trotz nochmaligen Hinweises vom 13. November 2001 habe er einen Antrag auf Beitragsermäßigung jedoch erst im Januar 2002 gestellt. Obgleich eine Ermäßigung nach § 42 Abs. 4 Satz 2 der Satzung frühestens für das Beitragsjahr gewährt werden könne, in dem der entsprechende Antrag eingehe, sei die begehrte Ermäßigung aus Billigkeitsgründen vorliegend bereits für das Geschäftsjahr 2001 zugestanden worden.

Am 5. Juli 2002 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Magdeburg Klage erhoben und vorgetragen: Bereits seit 1991 habe die LBG B. Kenntnis von seiner viehlosen Wirtschaftsweise gehabt. Nach der bis zum 31. Dezember 1997 gültigen Satzung sei bei viehloser Bewirtschaftung eine Ermäßigung des Flächenwertbeitrages von Amts wegen vorgesehen gewesen. Erst zum 1. Januar 1998 sei ein Antragserfordernis ein-geführt worden. Eine solch einschneidende Veränderung mit gesonderter Mitwirkungs-pflicht habe ihm unmittelbar bekannt gemacht werden müssen. Eine Veröffentlichung der neuen Satzung im Mitteilungsblatt "Sicher Leben” reiche hierfür ebenso wenig aus wie ein versteckter Hinweis auf der Rückseite eines Beitragsbescheides. Da somit ein Fall fehlerhafter bzw. nicht erfolgter Aufklärung vorliege, seien die Beiträge für die Ge-schäftsjahre 1996 bis 2000 auf der Grundlage des sozialrechtlichen Herstellungsan-spruchs unter Beachtung der Verjährungsvorschriften zu ermäßigen.

Die LBG B. hat weiterhin die Ansicht vertreten, entscheidend sei, dass für den Kläger die Möglichkeit der Kenntnisnahme von den Voraussetzungen der Beitragser-mäßigung bestanden habe. Über die Satzungsveröffentlichung und die Erläuterungen in den Beitragsbescheiden hinaus sei hierauf auch mehrfach im Mitteilungsblatt "Sicher Leben” aufmerksam gemacht worden, so etwa in den Ausgaben 5/1992, 1/1994 oder 4/1994. Bei jeder vollzogenen Änderung im Flächenbestand habe der Kläger eine Mit-teilung über die Änderung in den Betriebsverhältnissen erhalten, der ein Formblatt zur Anzeige seiner Betriebsverhältnisse beigelegt gewesen sei. Hierauf habe er die viehlo-se Bewirtschaftung eintragen können. Allein aus seinen Angaben im Betriebsfragebo-gen von Juni 1991 sei noch nicht zu schließen gewesen, er betreibe sein Unternehmen ständig viehlos. Denn er habe darin auch mitgeteilt, er beschäftige noch keine Arbeit-nehmer. Daraus sei abzuleiten gewesen, der Betrieb befinde sich noch im Aufbau, zu-mal danach noch erhebliche Flächen hinzugepachtet worden seien.

Nachdem der Kläger am 8. Juli 2005 mitgeteilt hat, seit dem 1. November 2001 Mast-schweine zu halten, wohingegen er gegenüber der LBG B. noch am 3. Januar 2003 angegeben hatte, erst ab dem Jahr 2002 über einen Tierbestand zu verfügen, hat die Beklagte mit Bescheid vom 16. September 2005 über die Beitragsberechnung für die Geschäftsjahre 2001 bis 2004 ihren (herabgesetzten) Beitragsbescheid für das Geschäftsjahr 2001 zurückgenommen, auch insoweit einen Viehbestand zugrunde gelegt, und den Flächenwertbeitrag für 2001 auf (umgerechnet) 27.017,31 DM korri-giert.

Auf entsprechende Anfrage des SG hat die Beklagte am 19. Oktober 2005 angegeben, der Kläger habe den Beitrag für 1996 am 27. März 1997 beglichen. Die Tierseuchen-kasse Sachsen-Anhalt hat am 20. Oktober 2005 mitgeteilt, der Kläger habe seinen Viehbestand erstmals 2002 gemeldet. Im Jahr 2005 habe er 645 Schweine gehalten.

Mit Urteil vom 19. Januar 2006 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 16. Sep-tember 2005 insoweit aufgehoben, als er sich auf das Geschäftsjahr 2001 bezieht, die Klage im Übrigen abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Ermäßigung der Flächenwertbeiträge für die Geschäftsjahre 1996 bis 2000. Der Erstattungsanspruch für 1996 sei verjährt, für die Jahre 1997 bis 2000 fehle die erforderliche Antragstellung. Demgegenüber sei die im Bescheid vom 16. September 2005 vorgenommene Aufhebung der Beitragsermäßigung für das Ge-schäftsjahr 2001 rechtswidrig, da sie nicht den Anforderungen des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) ent-spreche. Für das Geschäftsjahr 1996 sei die bis zum 31. Dezember 1997 gültige Sat-zung der LBG B. anzuwenden, die nach § 35 Abs. 4 eine Beitragsermäßigung auf Antrag oder von Amts wegen vorgesehen habe. Die LBG B. habe aufgrund sei-ner Angaben von 1991 auch Kenntnis von der viehlosen Wirtschaftweise des Klägers gehabt. Der danach dem Grunde nach bestehende Erstattungsanspruch sei jedoch nach § 27 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) verjährt. Denn den Beitrag für das Geschäftsjahr 1996 habe der Kläger 1997 entrichtet, so dass mit Ablauf des 31. Dezember 2001 Verjäh-rung eingetreten und sein Antrag auf Beitragsermäßigung am 18. Januar 2002 zu spät eingegangen sei. Dieser Antrag sei auch im Hinblick auf die Beitragsjahre 1997 bis 2000 nicht rechtzeitig gestellt worden. Denn nach § 42 Abs. 4 der seit dem 1. Januar 1998 gültigen Satzung sei eine Beitragsermäßigung nur noch auf Antrag möglich ge-wesen. Diese Satzungsbestimmung gelte auch für das Geschäftsjahr 1997, da in der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 152 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) das Umlageverfahren der nachträglichen Bedarfsdeckung gelte. Auch nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstel-lungsanspruchs könne der Antrag vom 18. Januar 2002 nicht als fristgerecht gestellt betrachtet werden. Im Gegensatz zum Kläger, der bis Juni 2001 nie die Fragebögen zu den Änderungen der Betriebsverhältnisse ausgefüllt habe, sei der LBG B. nämlich keine Pflichtverletzung vorzuwerfen. Sie habe die Satzung ordnungsgemäß bekannt gegeben und auf die Änderung zudem im Mitteilungsblatt "Sicher Leben" sowie unter Punkt 2g) auf den Rückseiten der Beitragsbescheide für die Geschäftsjahre 1996 bis 2000 hingewiesen. Dies genüge, weil maßgeblich auf die Möglichkeit der Kenntnis-nahme abzustellen sei.

Gegen das am 22. Februar 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14. März 2006 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt, die Beitragsbescheide für die Geschäftsjahre 1996 bis 1999 im Original vorgelegt und unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens ergänzend geltend gemacht: Weil die für die Beitragsbemessung zugrunde zu legenden Parameter erst dann feststünden, be-sage das Prinzip der nachträglichen Bedarfsdeckung entgegen der Ansicht des SG lediglich, dass die Beitragshöhe im Wege der Umlage erst in dem auf das Beitragsjahr folgenden Jahr festgestellt werden könne. Es verschiebe also den Beitragsfestset-zungszeitpunkt lediglich in das Folgejahr. Die Tatbestandsgrundlage (Satzung) der Bei-tragserhebung müsse im Erhebungszeitpunkt allerdings bereits vorhanden gewesen sein. Die rückwirkende Änderung, wonach eine Beitragsermäßigung nur noch auf An-trag gewährt werden könne, stelle demgegenüber eine unzulässige so genannte echte Rückwirkung dar. Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb diese hier ausnahmsweise zu-lässig sei. Selbst wenn nämlich mit der Satzungsänderung Unklarheiten beseitigt wer-den sollten, sei durch unrichtige Belehrung ein Vertrauenstatbestand geschaffen wor-den, der zur Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs führe. Denn ent-gegen den Behauptungen der Beklagten und des SG hätten auch die Beitragsbeschei-de für die Geschäftsjahre 1997 bis 1999 keinen Hinweis auf das Antragserfordernis enthalten. Damit sei auch ohne Antragstellung für die Geschäftsjahre 1996 bis 2000 eine Beitragsermäßigung für viehlose Wirtschaftsweise zu gewähren.

Der Kläger beantragt seinem Vorbringen nach,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. Januar 2006 sowie den Be-scheid der Beklagten vom 23. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 6. Juni 2002 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, ihn über die Ermäßigung der Flächenwertbeiträge für die Geschäftsjahre 1996 bis 2000 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des SG. Im 3. Nachtrag vom 12. Dezember 2000 zu der vom 1. Januar 1998 an gültigen Satzung sei in § 42 Abs. 4 ein zweiter Satz eingefügt und in ihm eine rückwirkende Beitragsermäßigung ausgeschlossen worden, so dass der am 18. Januar 2002 eingegangene Antrag des Klägers verspätet sei. Selbst wenn es sich bei der Einführung des Antragserfordernisses um einen Fall der Rückwirkung handele, sei diese ausnahmsweise zulässig. Nach der bisherigen Satzungsregelung sei nämlich nicht erkennbar gewesen, ob von Amts wegen eine Ermäßigung gewährt werde, so-bald die Kenntnis von der viehlosen Bewirtschaftung vorgelegen habe, hierzu gegebe-nenfalls selbst Ermittlungen getätigt würden oder ein Antrag erforderlich gewesen sei. Aus dem fehlenden Hinweis auf das Antragserfordernis in den Beitragsbescheiden für die Jahre 1997 bis 1999 könne auch kein Verschulden hergeleitet werden. Denn aus der in ihnen enthaltenen Angabe der Möglichkeit einer Beitragsermäßigung habe der Kläger ableiten können, dass er sich mit einer entsprechenden Bitte an ihre Rechtsvor-gängerin habe wenden können. Seine verspätete Reaktion habe allein er zu vertreten. Im Hinblick auf das Umlagejahr 1996 sei für eine Verpflichtung zum Hinweis auf eine Antragstellung schon keine satzungsrechtliche Grundlage vorhanden. Überdies sei ein insoweit bestehender Erstattungsanspruch jedenfalls verjährt.

Der Senat hat (nochmals) die einschlägigen Satzungen der Rechtsvorgängerin der Beklagten beigezogen. Am 9. bzw. 22. April 2008 haben die Beteiligten einer Entschei-dung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteilig-ten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beratung und der Entscheidungsfindung des Senats.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich mit dieser Verfahrens-weise einverstanden erklärt haben.

Nachdem die Beklagte zum 1. April 2004 auf Grund der Fusion der LBG B. und der Sächsischen LBG Rechtsnachfolgerin der LBG B. geworden ist, ist auf Beklagten-seite kraft Gesetzes ein Beteiligtenwechsel eingetreten (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 99 Rn. 6a).

I. Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) sowie auch ansonsten zulässige Beru-fung des Klägers ist überwiegend begründet. Das SG hat sein Begehren, soweit es die Geschäftsjahre 1997 bis 2000 angeht, zu Unrecht abgewiesen. Denn die Rechtsvor-gängerin der Beklagten hat es im Bescheid vom 23. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2002 unzutreffend abgelehnt, auch insoweit eine Ermessensentscheidung über die Reduzierung der Flächenwertbeiträge um jeweils maximal 25 % zu treffen (hierzu unter 2. und 3.). Hierdurch ist der Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 54 Abs. 2 SGG), so dass die Beklagte im Sinne eines Beschei-dungsausspruchs nach § 131 Abs. 3 SGG zu verpflichten war, ihm unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats einen entsprechenden neuen Bescheid zu erteilen. Demgegenüber steht einer Neubescheidung hinsichtlich des Geschäftsjahres 1996 die Verjährung des zugrunde liegenden Erstattungsanspruchs entgegen (nachfolgend un-ter 1.). Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nicht mehr die mit Bescheid vom 16. September 2005 verfügte Rücknahme der Ermäßigung des Flächenwertbeitrages für das Geschäftsjahr 2001. Denn gegen das in dieser Hinsicht stattgebende Urteil hat die – insoweit allein beschwerte – Beklagte kein Rechtsmittel eingelegt, so dass der Aus-spruch des SG in diesem Umfang rechtskräftig geworden ist.

1. Im Hinblick auf das Geschäftsjahr 1996 hat das SG zutreffend entschieden, dass eine Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung jedenfalls deshalb ausscheidet, weil sie einem insoweit nach § 26 Abs. 2 und 3 Satz 1 SGB IV zugrunde liegenden Anspruch des Klägers auf Erstattung des um 25 % überhöhten Flächenwertbeitrages mit Erfolg die Einrede der Verjährung entgegen gesetzt hat. Gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV verjährt der Erstattungsanspruch in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjah-res, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. Da der Kläger den Beitrag für das Ge-schäftsjahr 1996 am 27. März 1997 beglichen hat, begann die Verjährung am 1. Janu-ar 1998 und endete am 31. Dezember 2001, so dass sein am 18. Januar 2002 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten eingegangener Antrag auf Beitragsermäßigung den Eintritt der Verjährung bezüglich des Beitragserstattungsanspruchs für das Geschäfts-jahr 1996 nicht mehr hemmen konnte (siehe § 27 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB IV).

2. Maßstab zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung ist ab dem Ge-schäftsjahr 1997 das am 1. Januar 1997 in Kraft getretene SGB VII, dessen Regelun-gen erstmals für das Haushaltsjahr 1997 anzuwenden sind (§ 219 Abs. 1 Satz 1 SGB VII), i.V.m. der einschlägigen Satzungsvorschrift der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Dabei ist entgegen der Ansicht des Klägers auch für das Geschäftsjahr 1997 nicht an § 35 der Satzung der LBG B. in der bis zum 31. Dezember 1997 gültigen Fassung anzuknüpfen, sondern § 42 Abs. 4 der am 1. Januar 1998 in Kraft getretenen Satzung einschlägig. Die Anwendung dieser Norm auf das Geschäftsjahr 1997 stellt keinen Verstoß gegen das sich aus Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) ergebende Rechts-staatsprinzip in seiner Ausprägung des Rückwirkungsverbotes dar. Ein Neubeschei-dungsanspruch betreffend dieses Geschäftsjahr lässt sich auf dieser Grundlage (noch) nicht begründen.

Das vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu formellen Gesetzen aus dem Rechts-staatsprinzip abgeleitete Rückwirkungsverbot gilt auch für untergesetzliche Normen wie Rechtsverordnungen oder Satzungen. Nach ihm ist bei der Erstreckung von Rechtsfolgen auf zeitlich zurückliegende Sachverhalte wie folgt zu unterscheiden: Eine so genannte echte Rückwirkung, die eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen zum Inhalt hat, liegt vor, wenn eine Rechtsnorm nachträglich ändernd in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift, wenn also der von der Rückwir-kung betroffene Tatbestand in der Vergangenheit nicht nur begonnen hat, sondern be-reits abgeschlossen ist. Sie ist verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig. Das Rückwirkungsverbot tritt jedoch ausnahmsweise zurück, wenn sich kein schützenswer-tes Vertrauen auf den Bestand des rückwirkend geänderten Rechts bilden konnte. Das kann etwa dann in Betracht kommen, wenn die bisherige Rechtslage unklar, verworren oder lückenhaft war und der Normgeber lediglich eine Klarstellung vorgenommen hat, wenn der Betroffene nicht mit dem Fortbestand der Regelung rechnen konnte, wenn überragende Belange des Gemeinwohls deren Beseitigung erforderlich machen oder wenn die Neuregelung nur einen marginalen Eingriff bedeutet (BVerfG, Beschluss vom 23. März 1971 – 2 BvL 2/66 u.a. – BVerfGE 30, 367 [389]; Beschluss vom 14. Mai 1985 – 2 BvL 2/83BVerfGE 72, 200 [258 ff.]; Beschluss vom 15. Oktober 1996 – 1 BvL 44/92BVerfGE 95, 64 [87]; Urteil vom 23. November 1999 – 1 BvF 1/94BVerfGE 101, 239 [263 ff.]). Wird dagegen auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlos-sene Sachverhalte bzw. Rechtsbeziehungen für die Zukunft eingewirkt und damit zugleich eine Rechtsposition nachträglich entwertet, so handelt es sich lediglich um eine so genannte unechte Rückwirkung, die eine bloße tatbestandliche Rückanknüp-fung zum Inhalt hat. Bei ihr wird somit ein Tatbestand geregelt, der zwar vor Verkün-dung der Norm begonnen, aber noch nicht vollständig abgeschlossen worden ist, wo-hingegen bei der echten Rückwirkung die Rechtsfolgen allein für einen vor der Verkün-dung liegenden Zeitpunkt auftreten sollen (BVerfG, Beschluss vom 5. Februar 2002 – 2 BvR 305/93BVerfGE 105, 17 [37 f.]; vgl. auch Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 17. September 1997 – 6 RKa 36/97SozR 3-2500 § 87 Nr. 18). Eine unechte Rückwirkung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig; im Einzelfall können sich aber Einschränkungen aus Vertrauensschutz- und Verhältnismäßigkeitsgesichtspunk-ten ergeben (BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 – 2 BvR 1387/02NVwZ 2005, 1294 m.w.N.).

a) Gemessen hieran greift § 42 Abs. 4 der vom 1. Januar 1998 an gültigen Satzung der Rechtsvorgängerin der Beklagten, wonach die bisher auf Antrag oder von Amts wegen mögliche Ermäßigung des Flächenwertbeitrages bei viehloser Bewirtschaftung (§ 35 Abs. 4 der am 24. Januar 1992 genehmigten und in Sachsen-Anhalt am 1. Januar 1992 in Kraft getretenen Satzung vom 10. Dezember 1991) nur noch auf Antrag ge-währt werden konnte, bezogen auf das Geschäftsjahr 1997 nicht nachträglich ändernd in einen bereits abgewickelten, der Vergangenheit angehörenden Tatbestand ein und stellt damit keine echte Rückwirkung dar. Bei Normen, die – wie hier – Rechtsansprü-che gewähren, bedeutet "abgewickelter Tatbestand", dass ein Sachverhalt abge-schlossen ist, der die materiellen Voraussetzungen des bisher geltenden Anspruchs-tatbestandes erfüllt (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 3. Juli 2003 – 2 C 36/02BVerwGE 118, 277 m.w.N.). Dies war im Hinblick auf das Geschäftsjahr 1997 noch nicht der Fall. Für sich betrachtet liegt der Tatbestand einer Wirtschaftswei-se ohne Vieh durch den Kläger zwar vor dem In-Kraft-Treten der Änderung am 1. Ja-nuar 1998. Allein dadurch wird das Entfallen der Möglichkeit einer Beitragsermäßigung von Amts wegen aber noch nicht zum Fall einer echten Rückwirkung. Denn zu diesem Zeitpunkt hat für 1997 (noch) kein Anspruch auf Ermäßigung des Flächenwertbeitrages nach § 35 Abs. 4 der Vorgängersatzung bestanden. Im Recht der gesetzlichen Unfall-versicherung gilt nach § 152 Abs. 1 SGB VII nämlich das Umlageprinzip der nachträgli-chen Bedarfsdeckung, nach dem der anfallende Bedarf von Mitteln für das abgelaufe-ne Geschäftsjahr nach Ablauf des Kalenderjahres entsprechend dem in der Satzung festgelegten Verteilungsmaßstab auf die beitragspflichtigen Unternehmen umgelegt wird (siehe BSG, Urteil vom 18. Oktober 1984 – 2 RU 31/83SozR 2200 § 725 Nr. 10). Erst durch den im Wege der Beitragsberechnung tatsächlich ermittelten Finanzbe-darf konkretisiert sich die Verpflichtung zur Beitragszahlung zu einer individuellen Bei-tragsschuld, die im Beitragsbescheid festgesetzt und nach seinem Erlass fällig wird (§ 183 Abs. 3 Satz 1 SGB VII). Konnte wegen dieser rechtlichen Struktur die Berech-nung des Gesamtbeitrages für das Geschäftsjahr 1997, zu dem u.a. der Flächenwert-beitrag gehört, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 42 Abs. 4 der Satzung am 1. Januar 1998 noch gar nicht erfolgen, hat § 35 Abs. 4 der Satzung vom 10. Dezem-ber 1991 für die Entstehung und Zahlung eines ermäßigten Flächenwertbeitrages folg-lich (nur) an die bis Dezember 1997 bestehenden Verhältnisse angeknüpft und künftige Rechtsfolgen geregelt. Durch die Satzungsänderung wurde somit nicht in Verhältnisse, die bereits in der Vergangenheit abgeschlossen waren, nachträglich ändernd eingegrif-fen.

b) Liegt demnach eine grundsätzlich zulässige unechte Rückwirkung vor, ergeben sich aus Vertrauensschutz- und/oder Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten keine Ein-schränkungen, die ihr vorliegend ausnahmsweise entgegen stehen. Hierbei ist zu-nächst zu berücksichtigen, dass der Betroffene schon nicht ohne Weiteres auf den un-veränderten Fortbestand einer ihm günstigen Regelung vertrauen darf. Denn für den Normgeber besteht die unabdingbare Notwendigkeit, die Rechtsordnung ändern zu können, um handlungsfähig zu bleiben und auf gegebenenfalls veränderte Verhältnisse zu reagieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 – 2 BvR 1053/98BVerfGE 106, 225 m.w.N.). Die bei der Beklagten versicherten Unternehmer müssen also damit rechnen, dass sie von der ihr in den §§ 182, 183 SGB VII gesetzlich einge-räumten Befugnis, autonomes Recht zu setzen, bis hin zu einer Reduzierung des Bei-tragsnachlasses mit Wirkung für die Zukunft Gebrauch macht (vgl. BSG, Urteil vom 19. September 2007 – B 1 KR 9/07 R – juris). Überdies war mit der Satzungsänderung auch keine gerade für den Kläger bestehende unzumutbare Härte verbunden. Dass sie einen entwertenden Eingriff bewirkte, den er bei seinen Dispositionen nicht mehr be-rücksichtigen konnte, kann angesichts des nach wie vor bestehenden Rechts, wegen viehloser Wirtschaftsweise die Herabsetzung des Flächenwertbeitrages zu beantragen und so einen entsprechenden Anspruch geltend zu machen, nicht angenommen wer-den. Dies gilt umso mehr, als dieses Antragsrecht nach wie vor auch für das Ge-schäftsjahr 1997 bestand. Denn der Ausschluss einer rückwirkenden Antragstellung durch den in § 42 Abs. 4 neu eingefügten Satz 2 erfolgte erst mit Wirkung zum 1. Ja-nuar 2001 (als 3. Nachtrag von der Vertreterversammlung der Rechtsvorgängerin der Beklagten am 12. Dezember 2000 beschlossen und am 4. Januar 2001 genehmigt; abrufbar unter: http://www.lsv.de/mod/11about/about02/index.html in der Rubrik: Archiv – Satzungen – Vorstandsbeschlüsse). Der vom 1. Januar 1998 an gültige § 42 Abs. 4 der Satzung enthielt damit keine Regelung, auf die der Kläger nicht mehr nachträglich reagieren konnte. Ein schützenswertes Vertrauen in die dauerhafte Aufrechterhaltung der auch von Amts wegen möglichen Reduzierung des Flächenwertbeitrages konnte bei ihm daher nicht grundsätzlich entstehen.

3. Wegen verspäteter Hinweiserteilung kann der Kläger für die Geschäftsjahre 1997 bis 2000 von der Beklagten jedoch eine Neubescheidung über die Gewährung einer Er-mäßigung des Flächenwertbeitrages um jeweils höchstens ein Viertel auf Grundlage des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verlangen.

Der – im Wesentlichen dreigliedrige – Tatbestand dieses richterrechtlich aus den sozia-len Rechten (insbesondere den §§ 13, 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – SGB I) entwickelten verschuldensunabhängigen Rechtsinstituts setzt Folgendes voraus: Es muss eine dem Sozialleistungsträger aufgrund Gesetzes oder Sozialrechts-verhältnisses zurechenbare Haupt- oder Nebenpflicht (insbesondere zur Auskunft oder Beratung) verletzt sein. Dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sein. Ein (verfahrensrechtliches oder materielles Leistungs-, Gestaltungs- oder Abwehr-)Recht, das ihm gegenüber dem Leistungsträger zugestan-den hat oder ohne die Pflichtverletzung zugestanden hätte, darf nicht mehr oder nicht mehr im ursprünglichen Umfang bestehen. Schließlich muss ein Schutzzweckzusam-menhang zwischen der erfolgten Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden in dem Sinne bestehen, dass der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetre-tene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann. Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist grundsätzlich und soweit notwendig sowie rechtlich und tatsächlich möglich der Zustand wieder herzustellen, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger sich rechtmäßig verhalten hätte. Der Betroffene hat also das Recht, so behandelt zu werden, als stehe ihm das infolge der Pflichtverletzung beein-trächtigte Recht nach wie vor in vollem Umfang zu (BSG, Urteil vom 15. Dezember 1994 – 4 RA 64/93SozR 3-2600 § 58 Nr. 2; Urteil vom 6. März 2003 – B 4 RA 38/02 RSozR 4-2600 § 115 Nr. 1; Urteil vom 10. Dezember 2003 – B 9 VJ 2/02 RSozR 4-3100 § 60 Nr. 1; Urteil vom 27. Juli 2004 – B 7 SF 1/03 RSGb 2005, 236 oder Ur-teil vom 26. April 2005 – B 5 RJ 6/04 RSozR 4-2600 § 4 Nr. 2). Gemessen hieran kann der Kläger verlangen, so gestellt zu werden, als hätte er den Antrag auf Ermäßi-gung der Flächenwertbeiträge für die Geschäftsjahre 1997 bis 2000 rechtzeitig gestellt.

a) Zwar liegt keine Pflichtverletzung in Form einer nach § 13 SGB I gebotenen Aufklä-rung vor, aus der im Übrigen auch kein subjektiver Anspruch im Sinne eines einklagba-ren Rechts folgen würde (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 1976 – 3 RK 7/76BSGE 42, 224). Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat gegenüber dem Kläger je-doch ihre sich aus § 14 SGB I ergebende Auskunfts- und Beratungspflicht verletzt. Nach dieser Norm schuldet der Leistungsträger dem Bürger eine umfassende Bera-tung, wovon auch die so genannte Spontanberatung erfasst ist. In der Rechtsprechung ist geklärt und anerkannt, dass – unabhängig von einem konkreten Beratungsbegehren – der Leistungsträger gehalten ist, auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und von jedem ver-ständigen Versicherten bzw. Mitglied mutmaßlich genutzt würden (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 – B 9 VJ 2/02 RSozR 4-3100 § 60 Nr. 1). Dies gilt erst recht, wenn die Behörde – wie hier – einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. Während im Regelfall davon ausgegangen werden kann, dass mit der Verkündung einer Rechtsnorm deren Inhalt als bekannt gilt (Grundsatz der formellen Publizität), ist der Pflicht zur Bekanntmachung der in § 42 Abs. 4 auf das Antragserfordernis einge-schränkten Beitragsermäßigung durch die ordnungsgemäße Veröffentlichung der am 22. Dezember 1997 genehmigten Satzung der LBG B. vom 27. November 1997 (BAnZ Nr. 12, 568 vom 20. Januar 1998) ausnahmsweise noch nicht Genüge getan. Denn einerseits enthielten die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten für die Ge-schäftsjahre 1997 bis 2000 erlassenen Beitragsbescheide die Auskunft, der Beitrags-berechnung seien die jeweils zum 1. Juli des Vorjahres bekannten Betriebsverhältnisse zugrunde gelegt worden, obgleich dies im Hinblick auf die viehlose Bewirtschaftung durch den Kläger gerade nicht den Tatsachen entsprach. Schon deshalb ist die Be-gründung der Bescheide unrichtig. Hinzu kommt, dass die LBG B. entgegen der insoweit geänderten Satzung in den unter Punkt 2g) gegebenen Erläuterungen zu den Bemessungsgrundlagen der Beitragsbescheide für die genannten Geschäftsjahre vom 12. Februar 1998, 15. Februar 1999 und 16. Februar 2000 bezüglich der bei Bodenbe-wirtschaftung ohne Vieh bestehenden Möglichkeit einer Reduzierung des Flächenwert-beitrages um 25 % nicht nur das Antragserfordernis verschwieg. Vielmehr suggerierte sie hierin sogar eine allein von Amts wegen gewährte Beitragsermäßigung (" ... er-mäßigt sich ... um 25 %."). Erst im Beitragsbescheid für das Geschäftsjahr 2000 vom 14. Februar 2001 ist unter Punkt 2g) der Zusatz aufgeführt, dies erfolge (nur) auf An-trag. Auch bezogen auf dieses Geschäftsjahr war dieser Hinweis allerdings verspätet, da nach dem mit Wirkung zum 1. Januar 2001 in § 42 Abs. 4 neu eingefügten Satz 2 eine Antragstellung nur noch für das jeweils laufende Geschäftsjahr erfolgen konnte (s.o.).

b) Aus diesem von ihr begründeten Vertrauenstatbestand resultierte für die Rechtsvor-gängerin der Beklagten die Pflicht, den Kläger so rechtzeitig auf die Notwendigkeit ei-ner Antragstellung hinzuweisen, dass er ein entsprechendes Gestaltungsrecht bis spä-testens Ende Dezember 2000 hätte ausüben können. Gegenüber dieser Pflicht durfte sie sich auch nicht auf eine etwaige fehlende Kenntnis von der viehlosen Bewirtschaf-tung durch den Kläger berufen. Denn bereits im ersten Betriebsfragebogen, der bei ihr am 18. Juni 1991 einging, hatte der Kläger das Feld zu den Angaben des Viehbestan-des durchgestrichen. Nach dem objektiven Empfängerhorizont konnte aus dieser Mit-teilung nur der Schluss gezogen werden, dass eine Bewirtschaftung ohne Vieh erfolg-te. Hiergegen lässt sich nicht mit Erfolg einwenden, der Kläger habe es nachfolgend versäumt, die Formblätter zu Mitteilungen der Flächenänderung und der Änderung des Tierbestandes ausgefüllt zurückzusenden, wobei sich die Rechtsvorgängerin der Be-klagten ohnehin nicht allein auf die insoweit zu machenden Mitteilungen verlassen konnte. Kenntnis hinsichtlich der Flächenänderungen erlangte sie unabhängig vom Kläger schon durch die Mitteilungen derjenigen Unternehmer, die ihr Land an ihn ver-pachtet hatten. Andererseits musste sich der Kläger nur dann zu einer Mitteilung einer bei ihm eingetretenen Änderung des Tierbestandes veranlasst sehen, wenn eine sol-che tatsächlich eingetreten wäre. Dies war aber bis einschließlich zum Jahr 2000, bis zu dem er sein Unternehmen viehlos betrieb, überhaupt nicht der Fall. Aber selbst wenn sich die beratungserheblichen Daten erst bei einem zusätzlichen Arbeitsgang erschlossen hätten, würde das nicht dazu führen, dass die Hinweispflicht auf eine sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängende Gestaltungsmöglichkeit entfällt. Denn in-soweit ist der Beklagten die Amtsermittlungsverpflichtung der Verwaltung (§ 20 Abs. 1 und 2 SGB X) entgegen zu halten, wonach alle für den Einzelfall bedeutsamen – ins-besondere auch die für den Beteiligten günstigen – Umstände zu ermitteln und bei den zu treffenden Entscheidungen zu berücksichtigen sind. In den meisten Fällen dürfte sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt im vorliegenden Zusammenhang (Be-wirtschaftung mit Vieh bzw. ohne) aus Melde- und Mitteilungsbögen ergeben. Bei Un-klarheiten oder Zweifeln hätte die LBG B. (z.B. mittels telefonischer Rückfrage) aber ihrerseits nachforschen müssen, ob der Kläger seine Landwirtschaft nach wie vor viehlos betreibt oder zwischenzeitlich über einen Viehbestand verfügte, zumal die Viehhaltung einen elementaren Bestandteil der Landwirtschaft darstellt. Jedenfalls hät-te sie bei den Beitragsfestsetzungen, bei denen sie nach eigener Auskunft jeweils von den individuellen Verhältnissen des Vorjahres ausging, ohne eigene Untersuchungen nicht einfach zu seinen Lasten von einer Änderung ausgehen dürfen, die tatsächlich nicht erfolgt war und für die auch keine ausreichend belastbaren Indizien vorlagen.

c) Durch die unrichtigen Beitragsbescheide ist dem Kläger in Form überhöhter Beiträge ein Schaden erwachsen und er wurde von der Beantragung einer Ermäßigung ab-gehalten. Aufgrund der in ihnen enthaltenen Hinweise ist er nämlich irrtümlich davon ausgegangen, dass bei den Beitragsfestsetzungen bereits Ermäßigungen um jeweils 25 % enthalten waren, wie seine Annahme, bei einer Bewirtschaftung mit Vieh wären die (bereits erhöhten) Beiträge um einen Zuschlag anzuheben gewesen, belegt. Dar-über hinaus hat er infolge Unterlassens einer rechtzeitigen Beratung seitens der LBG B. dadurch eine Fehldisposition getroffen, dass er von seinem Gestaltungs-recht, wegen viehloser Bewirtschaftung auch für die Geschäftsjahre 1997 bis 2000 je-weils eine Ermäßigung der Flächenwertbeiträge zu beantragen, das nach § 42 Abs. 4 Satz 2 der Satzung ab dem 1. Januar 2001 nicht mehr rückwirkend ausgeübt werden konnte, zu spät Gebrauch gemacht hat. Sein Schaden besteht also in der unterbliebe-nen Entscheidung über die Gewährung eines 25 %igen Nachlasses der Flächenwert-beiträge, auf den er wegen seiner viehlosen Wirtschaftsweise in den genannten Ge-schäftsjahren einen Anspruch gehabt hätte (§ 42 Abs. 4 Satz 1 der Satzung). Dieser durch die Auskunfts- und Beratungspflichtverletzung bewirkte Nachteil kann schließlich durch ein zulässiges Verwaltungshandeln, der Herbeiführung einer satzungsgemäßen Entscheidung über die Reduzierung der Flächenwertbeiträge, beseitigt werden. Mithin ist der Status herzustellen, der bestehen würde, wenn der Kläger rechtzeitig über die notwendige Antragstellung informiert worden wäre. Dass er bei rechtzeitiger Beratung eine noch mögliche rückwirkende Beitragsermäßigung beantragt hätte, zeigt seine un-mittelbare Reaktion nach der Aufklärung im November 2001. Demnach gilt sein am 18. Januar 2002 eingegangener Antrag auf Beitragsermäßigungen auch betreffend die Geschäftsjahre 1997 bis 2000 als fristgerecht gestellt. Über ihn hat die Beklagte nun-mehr in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens (§ 39 SGB I) zu entscheiden, wobei sie insbesondere den mit Wirkung zum 1. Januar 1994 in Kraft getretenen Vorstandsbe-schluss ihrer Rechtsvorgängerin zur Ermäßigung des Flächenwertbeitrages vom 19. Juli 1993 (abrufbar unter: http://www.lsv.de/mod/11about/ about02/index.html in der Rubrik: Archiv – Satzungen – Vorstandsbeschlüsse), nach dem bei viehloser Bewirt-schaftung der Flächenwertbeitrag – in der Regel – um 25 % ermäßigt wird, heranzu-ziehen haben wird.

Nach alledem waren das Urteil des SG und der angefochtene Bescheid entsprechend dem Ausspruch abzuändern, die Beklagte insoweit zur Neubescheidung zu verpflichten und die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der Kläger mit seinem Begehren im Gesamtergebnis der gerichtlichen Verfahren (Beitragsjahre 1996 bis 2001) lediglich im Hinblick auf das Geschäftsjahr 1996 unterle-gen war, so dass für ihn eine Obsiegensquote von 5/6 angemessen erscheint.

III.

Die Festsetzung des Gegenstandwertes hat ihre Grundlage in § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. den §§ 1 Nr. 4, 40, 47 Abs. 1 und 52 Gerichtskostengesetz (GKG), wobei wiederum das Begehrensziel des Klägers als bezifferbare Geldleistung maßgeblich war. Nach diesen Regelungen bemisst sich der Streitwert grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache (§ 52 Abs. 1 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein (Auffang-) Streitwert von 5.000,00 EUR anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG). Betrifft der Antrag eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG). Entscheidend für die Höhe des Gegen-standswertes ist damit, ob dem Klageziel eine – zumindest näherungsweise – bere-chenbare Größe zugrunde liegt. Nur wenn dies nicht der Fall ist, bleibt Raum für einen Rückgriff auf den Auffangwert. Davon ausgehend war hier der Antrag des Klägers (zu-treffend) auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides der Beklagten und Verpflich-tung zur Neubescheidung gerichtet. Der Wert einer reinen Bescheidungsklage ent-spricht jedoch nicht demjenigen einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage, da durch jene das Endziel des Klägers, die Herabsetzung der Flächenwertbeiträge für die Geschäftsjahre 1996 bis 2001 um jeweils höchstens ein Viertel, noch nicht erreicht wird. Unter Berücksichtigung dessen hält es der Senat für gerechtfertigt, den Gegen-standswert einer Bescheidungsklage auf die Hälfte des Wertes einer entsprechenden Leistungsklage festzusetzen (ebenso Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschlüsse des 9. Senats vom 26. September 2007 – L 9 B 5/07 KA – und 21. August 2008 – L 9 B 3/08 KA –; siehe auch Teil B. 3.1 Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit 2007, JurBüro 2007, 459 ff. = NZS 2007, 472 ff.). Im Rahmen einer solchen Klage würde das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der erstrebten Entscheidung 25 % der Summe der Flächenwertbeiträge für die Jahre 1996 bis 2001 (163.730,73 DM), also einen Be-trag i.H.v. 40.932,68 DM ausmachen. Demnach ergibt sich im erstinstanzlichen Verfah-ren für die Bescheidungsklage – umgerechnet und gerundet – ein Gegenstandswert von 10.465,00 EUR. Abzüglich des im Berufungsverfahren nicht mehr strittigen Flächen-wertbeitrages für das Geschäftsjahr 2001 (27.017,31 DM) beträgt hier der Gegen-standswert nach entsprechender Berechnung 8.740,00 EUR.

IV. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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