L 19 B 64/09 AS

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AS 94/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 B 64/09 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 23.01.2009 aufgehoben. Der Antragstellerin wird in Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Aachen vom 23.11.2005 ab 14.05.2009 Prozesskostenhilfe mit Ratenzahlung bewilligt. Als Kostenbeteiligung der Antragstellerin werden monatlich zu zahlende Raten in Höhe von 45,- EUR, erstmals fällig zum 01.10.2009, festgesetzt.

Gründe:

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Aufhebung einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen Nichtabgabe einer Erklärung zur Veränderung in ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen (§ 120 Abs. 4 S. 2, 124 Nr. 2 2. Alternative ZPO).

Mit Beschluss vom 23.11.2005 hat das Sozialgericht der Antragstellerin Prozesskostenhilfe für das mittlerweile abgeschlossene Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bewilligt und diese Bewilligung mit dem hier angefochtenen Beschluss vom 23.01.2009 wieder aufgehoben, nachdem die Antragstellerin mehreren Aufforderungen, eine Erklärung zu Veränderungen in ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen abzugeben, nicht nachgekommen war.

Gegen den am 28.01.2009 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 27.02.2009 Beschwerde eingelegt und eine Erklärung zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen abgegeben.

Die zulässige Beschwerde ist im tenorierten Umfang begründet.

Die Beschwerde ist nach § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Die Beschwerde unterfällt nicht dem Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr 2 SGG (ab dem 01.04.2008 geltende Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes, BGBl. I, 417). Hiernach ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die hier angegriffene nachträgliche Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 124 der Zivilprozessordnung (ZPO) wird hiervon nicht erfasst. Bereits der Wortlaut der Vorschrift in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG erfasst die nachträgliche Aufhebung von Prozesskostenhilfe nicht. Eine erweiternde Auslegung der Vorschrift ist weder nach Sinn und Zweck des Beschwerdeausschlusses geboten, noch lässt sich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/7716, S. 22) der Wille des Gesetzgebers entnehmen, den Ausschluss der Beschwerde auf die Aufhebung bereits bewilligter Prozesskostenhilfe zu erstrecken (ebenso Beschl. des LSG Rheinland-Pfalz vom 16.06.2008 - L 5 B 163/08 AS = NZS 2009, 64, des LSG NRW, Beschl. v. 02.09.2008 - L 7 B 228/08 AS - sowie vom 04.05.2009 - L 19 B 3/09 AL -).

Die Beschwerde ist in dem Sinne begründet, dass der Antragstellerin aufgrund der im Beschwerdeverfahren nachgeholten Mitwirkung Prozesskostenhilfe ab dem Tag der Vervollständigung ihrer zur Überprüfung des Anspruches auf Prozesskostenhilfe erforderlichen Unterlagen (ausführlich zu diesem Erfordernis bezüglich der Erstbewilligung von Prozesskostenhilfe: Beschluss des Senats vom 08.10.2008 - L 19 B 11/08 AL) zu bewilligen ist.

Hierbei vertritt der Senat die in Rechtsprechung und Literatur überwiegende Auffassung, dass bei Aufhebungen von Prozesskostenhilfebewilligungen nach § 124 Nr. 2 2. Alternative ZPO die Abgabe der Erklärung nach § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden kann, weil § 124 Nr. 2 2. Alternative ZPO keinen Strafcharakter hat (Beschl. des BAG vom 18.11.2003 - 5 AZB 46/03 - = BAGE 108,329 ff., Beschl. d. Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 12.02.2008 - 3 TA 2/08; Fischer in Musielak, ZPO, 6. Aufl. 2008, § 124 Rn 6; Philippi in Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 124 Rn 10 m.w.N.).

Entsprechend den - gegenüber den Verhältnissen bei Erstbewilligungen von Prozesskostenhilfe - verbesserten Einkommensverhältnissen der Antragstellerin sind nach § 115 Abs. 1 ZPO monatliche Raten in Höhe von 45,- EUR zu leisten.

Dem Einkommen der Antragstellerin von 1294,40 EUR (Erwerbseinkommen 650,- EUR, Rente 644,40 EUR) stehen Abzüge nach § 115 Abs. 1 S. 3 ZPO von 1148,35 EUR gegenüber (Unterhaltsfreibetrag nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 ZPO von 386,- EUR, der Erwerbstätigen-Freibetrag nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 ZPO, Kosten der Haftpflichtversicherung in Höhe von 17,06 EUR monatlich, Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 ZPO in Gestalt von Mietaufwendungen von 466,67 EUR sowie eines Gasverbrauchs von 96,- EUR monatlich und schließlich monatlich durchschnittliche Beiträge zu einem Automobilclub in Höhe von 6,62 EUR als Absetzung nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 ZPO).

Bei einem einzusetzenden Einkommen von 146,- EUR monatlich sind nach § 115 Abs. 1 S. 4 ZPO monatliche Raten von 45,- EUR aufzubringen. Die Verfahrenskosten übersteigen das 4-fache der Monatsraten bei weitem (§ 115 Abs. 4 ZPO).

Kosten des PKH-Beschwerdeverfahrens sind nach § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.

Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG endgültig
Rechtskraft
Aus
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