Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
58
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 58 AL 6208/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 29.9.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2008 verurteilt, dem Kläger Gründungs-zuschuss nach dem zuletzt bezogenen, ungekürzten Arbeitslosengeld (803,40 EUR) zu gewähren.
Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des Gründungszuschusses nach § 57 SGB III.
Der Kläger hatte auf eine Arbeitslosmeldung zum 10.6.2008 Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe eines kalendertäglichen Leistungssatzes von 26,78 EUR erhalten. Ausgezahlt wurden wegen Anrechnung von Nebeneinkommen seit Juli 2008 jedoch nur 10,44 EUR kalendertäglich.
In Höhe dieses Zahlbetrages war dem Kläger für eine selbständige Tätigkeit mit Beginn 1. Oktober 2008 ein Gründungzuschuss gewährt worden (Bescheid vom 29.9.2008).
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch; die Nebentätigkeit habe sich seit Oktober 2008 deutlich reduziert und sei im Dezember 2008 ganz ausgelaufen. Gestützt auf die Vorschrift des § 58 SGB III wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2008 als unbegründet zurück; maßgebend sei der Zahlbetrag des zuletzt bezogenen Alg.
Mit der am 9.12.2008 beim Sozialgericht Berlin erhobenen Klage macht der Kläger geltend, er müsse den Betrag des erworbenen Alg-Stammrechts als Gründungszuschuss erhalten.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 29.9.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2008 zu verurteilen, den Gründungszuschuss nach dem ungekürzten Arbeitslosengeld zu bemessen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zum übrigen Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die beigezogene Leistungsakte verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer schriftlichen Entscheidung nach § 124 SGG einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist auch begründet. Der Kläger hat Anspruch auf den Gründungszuschuss nach dem ungekürzten, zuletzt bezogenen Alg.
Auf den ersten Blick sprechen zwar gute Argumente für die Auffassung der Beklagten, vor allem, wenn es um die Ausweitung einer Nebentätigkeit zum Hauptberuf geht, wie es auch hier der Fall ist. Dann scheint es auf den ersten Blick nicht einsehbar, warum der Antragsteller mit dem ungekürzten Gründungzuschuss plus dem Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit besser gestellt werden soll als mit dem gekürzten Alg I plus dem Einkommen aus der Neben-tätigkeit, die ja üblicherweise nicht wegfällt, sondern über die Kurzzeitigkeitsgrenze ausge-dehnt wird (dazu BayLSG vom 30.4.2008 – info also 2008, Heft 6 S. 266 ff),.
Gegen die Auslegung des BayLSG spricht jedoch der Normzweck des § 57 SGB III, generell und ohne Differenzierung nach Art der Selbständigkeit oder der zuvor ausgeübten Neben-tätigkeit, die Beendigung der Arbeitslosigkeit zu unterstützen. Dieser Anreizeffekt wird wesentlich besser mittels einer am Alg-Stammrecht orientierten Bemessung des Gründungs-zuschusses erreicht.
Der Wortlaut des § 58 SGB III "zuletzt bezogener Betrag" steht dem nicht entgegen. Denn jüngst hat das BSG in Bestätigung seiner ständigen Rechtsprechung, dass ein und derselbe Begriff ("Bezug") je nach Sachzusammenhang unterschiedlich ausgelegt werden müsse, entschieden, dass der Zuschlag nach Alg I-Vorbezug gemäß § 24 SGB II auch im Fall einer Kürzung wegen Nebeneinkommen an der Höhe des Alg I-Stammrechts auszurichten sei (Urteil vom 30.10.2007 – B 14 AS 30/07 R).
Die genannte Entscheidung ist hier sachnah, da auch in § 24 SGB II von dem "zuletzt bezogenen Alg" die Rede ist und es nach dem Normzweck des § 24 SGB II ebenfalls darum geht, einen bestimmten, vom Alg I plus Nebeneinkommen bestimmten Lebensstandard (begrenzt) aufrecht zu erhalten.
Da der Gründungszuschuss dazu dient, die Anfangskosten der Selbständigkeit nicht auf das mit dem Alg I plus Nebeneinkommen bestimmte Lebensniveau durchschlagen zu lassen, würde die Vorschrift in der Lesart der Beklagten in den nicht wenigen Fällen einer Existenzgründung unter Aufgabe eines Nebenjobs deutlich seine Anreizwirkung verlieren. Dasselbe gilt in Fällen, in denen der Wechsel von einer neben- in die hauptberufliche Tätigkeit Kosten verursacht, die nicht allein mit einer Ausweitung der Nebentätigkeit nach der Anzahl der Arbeitsstunden aufgefangen werden können. Schließlich ist an die zahlreichen Fälle zu denken, in denen mit der Existenzgründung die Nebentätigkeit wegen Wegfall der sozialversicherungsrechtlichen Vorteile für den Arbeitgeber aufgegeben werden muss oder sich für den Selbständigen nicht mehr lohnt.
In all den genannten Fällen fordert der Normzweck des § 57 SGB III, einen nachhaltigen Anreiz zur Beendigung der Arbeitslosigkeit zu setzen, eine Anknüpfung an das ungekürzte Alg I.
Nur wenn eine frühere Nebentätigkeit weiterhin zusätzlich zur hauptberuflichen Selbständigkeit ausgeübt wird und werden kann und die Existenzgründung über die mit der 300 EUR Pauschale abgesicherten Kosten für den Versicherungsschutz keine Zusatzkosten verursacht, wäre die Förderung mit dem ungekürzten Alg I nicht sachgerecht. Dabei dürfte es sich jedoch um Ausnahmefälle handeln, die für die Auslegung von § 58 SGB III nicht maßgebend sind.
Das Gericht brauchte daher nicht aufzuklären, ob der Wegfall der Nebentätigkeit im hier vorliegenden Fall mit der Existenzgründung zusammenhängt oder welche Kosten dem Kläger infolge der Selbständigkeit entstanden sind.
Gegen die Bemessung des Gründungszuschusses nach dem gekürzten Alg I ist außerdem noch zu bedenken, dass diese Auslegung von § 58 SGB III den versicherungsschädlichen Fehlanreiz setzt, vor Beginn der Selbständigkeit die Nebentätigkeit aufzugeben.
Es spricht daher mehr dafür, dass nach Sinn und Zweck der Förderleistung des § 57 SGB III das ungekürzte Alg I vor Beginn der Selbständigkeit die Höhe des Gründungzuschusses bestimmt.
Es kann mithin offen bleiben, ob die Beklagte das bis zum 30.9.2008 erzielte Nebenein-kommen korrekt ermittelt bzw. alle mit der Einkommenserzielung verbundenen Aufwen-dungen berücksichtigt hat. Desgleichen kommt es nicht darauf an, ob zumindest in den Fällen, in denen schon bei Beantragung des Gründungszuschusses der Wegfall der Nebentätigkeit sicher ist, eine Bemessung nach dem ungekürzten Alg I zu erfolgen hat. Wie ausgeführt, ist den §§ 57 ff SGB III eine solche Differenzierung fremd.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.
Bei einer Differenz von 490,20 EUR (= 803,40 EUR - 313,20 EUR) und 9 Monaten Förderdauer wird der Berufungsstreitwert erreicht.
Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des Gründungszuschusses nach § 57 SGB III.
Der Kläger hatte auf eine Arbeitslosmeldung zum 10.6.2008 Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe eines kalendertäglichen Leistungssatzes von 26,78 EUR erhalten. Ausgezahlt wurden wegen Anrechnung von Nebeneinkommen seit Juli 2008 jedoch nur 10,44 EUR kalendertäglich.
In Höhe dieses Zahlbetrages war dem Kläger für eine selbständige Tätigkeit mit Beginn 1. Oktober 2008 ein Gründungzuschuss gewährt worden (Bescheid vom 29.9.2008).
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch; die Nebentätigkeit habe sich seit Oktober 2008 deutlich reduziert und sei im Dezember 2008 ganz ausgelaufen. Gestützt auf die Vorschrift des § 58 SGB III wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2008 als unbegründet zurück; maßgebend sei der Zahlbetrag des zuletzt bezogenen Alg.
Mit der am 9.12.2008 beim Sozialgericht Berlin erhobenen Klage macht der Kläger geltend, er müsse den Betrag des erworbenen Alg-Stammrechts als Gründungszuschuss erhalten.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 29.9.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2008 zu verurteilen, den Gründungszuschuss nach dem ungekürzten Arbeitslosengeld zu bemessen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zum übrigen Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die beigezogene Leistungsakte verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer schriftlichen Entscheidung nach § 124 SGG einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist auch begründet. Der Kläger hat Anspruch auf den Gründungszuschuss nach dem ungekürzten, zuletzt bezogenen Alg.
Auf den ersten Blick sprechen zwar gute Argumente für die Auffassung der Beklagten, vor allem, wenn es um die Ausweitung einer Nebentätigkeit zum Hauptberuf geht, wie es auch hier der Fall ist. Dann scheint es auf den ersten Blick nicht einsehbar, warum der Antragsteller mit dem ungekürzten Gründungzuschuss plus dem Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit besser gestellt werden soll als mit dem gekürzten Alg I plus dem Einkommen aus der Neben-tätigkeit, die ja üblicherweise nicht wegfällt, sondern über die Kurzzeitigkeitsgrenze ausge-dehnt wird (dazu BayLSG vom 30.4.2008 – info also 2008, Heft 6 S. 266 ff),.
Gegen die Auslegung des BayLSG spricht jedoch der Normzweck des § 57 SGB III, generell und ohne Differenzierung nach Art der Selbständigkeit oder der zuvor ausgeübten Neben-tätigkeit, die Beendigung der Arbeitslosigkeit zu unterstützen. Dieser Anreizeffekt wird wesentlich besser mittels einer am Alg-Stammrecht orientierten Bemessung des Gründungs-zuschusses erreicht.
Der Wortlaut des § 58 SGB III "zuletzt bezogener Betrag" steht dem nicht entgegen. Denn jüngst hat das BSG in Bestätigung seiner ständigen Rechtsprechung, dass ein und derselbe Begriff ("Bezug") je nach Sachzusammenhang unterschiedlich ausgelegt werden müsse, entschieden, dass der Zuschlag nach Alg I-Vorbezug gemäß § 24 SGB II auch im Fall einer Kürzung wegen Nebeneinkommen an der Höhe des Alg I-Stammrechts auszurichten sei (Urteil vom 30.10.2007 – B 14 AS 30/07 R).
Die genannte Entscheidung ist hier sachnah, da auch in § 24 SGB II von dem "zuletzt bezogenen Alg" die Rede ist und es nach dem Normzweck des § 24 SGB II ebenfalls darum geht, einen bestimmten, vom Alg I plus Nebeneinkommen bestimmten Lebensstandard (begrenzt) aufrecht zu erhalten.
Da der Gründungszuschuss dazu dient, die Anfangskosten der Selbständigkeit nicht auf das mit dem Alg I plus Nebeneinkommen bestimmte Lebensniveau durchschlagen zu lassen, würde die Vorschrift in der Lesart der Beklagten in den nicht wenigen Fällen einer Existenzgründung unter Aufgabe eines Nebenjobs deutlich seine Anreizwirkung verlieren. Dasselbe gilt in Fällen, in denen der Wechsel von einer neben- in die hauptberufliche Tätigkeit Kosten verursacht, die nicht allein mit einer Ausweitung der Nebentätigkeit nach der Anzahl der Arbeitsstunden aufgefangen werden können. Schließlich ist an die zahlreichen Fälle zu denken, in denen mit der Existenzgründung die Nebentätigkeit wegen Wegfall der sozialversicherungsrechtlichen Vorteile für den Arbeitgeber aufgegeben werden muss oder sich für den Selbständigen nicht mehr lohnt.
In all den genannten Fällen fordert der Normzweck des § 57 SGB III, einen nachhaltigen Anreiz zur Beendigung der Arbeitslosigkeit zu setzen, eine Anknüpfung an das ungekürzte Alg I.
Nur wenn eine frühere Nebentätigkeit weiterhin zusätzlich zur hauptberuflichen Selbständigkeit ausgeübt wird und werden kann und die Existenzgründung über die mit der 300 EUR Pauschale abgesicherten Kosten für den Versicherungsschutz keine Zusatzkosten verursacht, wäre die Förderung mit dem ungekürzten Alg I nicht sachgerecht. Dabei dürfte es sich jedoch um Ausnahmefälle handeln, die für die Auslegung von § 58 SGB III nicht maßgebend sind.
Das Gericht brauchte daher nicht aufzuklären, ob der Wegfall der Nebentätigkeit im hier vorliegenden Fall mit der Existenzgründung zusammenhängt oder welche Kosten dem Kläger infolge der Selbständigkeit entstanden sind.
Gegen die Bemessung des Gründungszuschusses nach dem gekürzten Alg I ist außerdem noch zu bedenken, dass diese Auslegung von § 58 SGB III den versicherungsschädlichen Fehlanreiz setzt, vor Beginn der Selbständigkeit die Nebentätigkeit aufzugeben.
Es spricht daher mehr dafür, dass nach Sinn und Zweck der Förderleistung des § 57 SGB III das ungekürzte Alg I vor Beginn der Selbständigkeit die Höhe des Gründungzuschusses bestimmt.
Es kann mithin offen bleiben, ob die Beklagte das bis zum 30.9.2008 erzielte Nebenein-kommen korrekt ermittelt bzw. alle mit der Einkommenserzielung verbundenen Aufwen-dungen berücksichtigt hat. Desgleichen kommt es nicht darauf an, ob zumindest in den Fällen, in denen schon bei Beantragung des Gründungszuschusses der Wegfall der Nebentätigkeit sicher ist, eine Bemessung nach dem ungekürzten Alg I zu erfolgen hat. Wie ausgeführt, ist den §§ 57 ff SGB III eine solche Differenzierung fremd.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.
Bei einer Differenz von 490,20 EUR (= 803,40 EUR - 313,20 EUR) und 9 Monaten Förderdauer wird der Berufungsstreitwert erreicht.
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