Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
106
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 106 AS 8030/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe werden zurückgewiesen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Gründe:
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners, ihm über den 1. Mai 2007 hinaus die tatsächlichen Kosten für die von ihm bewohnte Wohnung als Leistung der Grundsicherung für Arbeitssuchende zu gewähren.
Der 1956 geborene Antragsteller bewohnt seit Januar 1995 ein 110 m² großes Einfamilienhaus mit (mindestens) 3 Zimmern, für das eine monatliche Miete einschließlich Nebenkosten in Höhe von 791,74 Euro zu zahlen ist. Er ist Vater eines 1995 geborenen Sohnes, der bei der Mutter lebt, und für den er Unterhalt leistet.
Mit Bescheid vom 16. Oktober 2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21. März 2007 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 1. November 2006 bis zum 30. April 2007, wobei die Kosten für die Wohnung abzüglich der Warmwasserpauschale in Höhe von 785,21 Euro berücksichtigt wurden. Mit Schreiben vom 16. Oktober 2006 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, die Wohnung sei unangemessen teuer. Die Miete übersteige den Richtwert für angemessene Kosten der Unterkunft für einen 1-Personen-Haushalt in Höhe von 360,00 Euro. Er werde dazu aufgefordert, die Kosten bis zum 3. Mai 2007 durch Untervermietung von Räumen oder durch einen Wohnungswechsel zu senken. Gegebenenfalls werde die Zahlung der Kosten für Unterkunft und Heizung auf die angemessenen Kosten in Höhe von 360,00 Euro abgesenkt.
Mit Schreiben vom 10. Dezember 2006 teilte der Antragsteller mit, dass eine Untervermietung wegen des Zuschnitts des Hauses nicht möglich sei. Ein Wohnungswechsel komme für ihn nicht in Frage, da dies für seinen 11jährigen Sohn eine unzumutbare Härte bedeuten würde. Dieser verbringe fast die gesamte Zeit außerhalb der Schule bei ihm, da die allein erziehende Mutter einer zeitaufwändigen Schichtarbeit nachgehe. Er wohne bereits seit mehr als 12 Jahren in der Wohnung und ein Umzug werde beträchtliche Kosten verursachen, da er wegen einer fortgeschrittenen Kniearthrose einen Umzug nicht selbst werde bewerkstelligen können.
Mit Bescheid vom 21. März 2007 bewilligte der Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Mai bis zum 31. Oktober 2007 und berücksichtigte dabei Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 360,00 Euro abzüglich Warmwasserpauschale von 6,53 Euro, insgesamt also 353,47 Euro. Den hiergegen erhobenen Widersprich wies der Antragsgegner durch Widerspruchsbescheid vom 19. April 2007 zurück.
Am 2. April 2007 hat der Antragsteller Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt. Sein Sohn halte sich regelmäßig (fast täglich) bei ihm auf. Aus diesem Grund benötige er ein Zimmer für seinen Sohn.
Der Antragsteller beantragt,
1. im Wege der einstweiligen Anordnung den Antragsgegner zu verpflichten, die Kosten für Unterkunft und Heizung ab 1. Mai 2007 in Höhe von 785,21 Euro zu übernehmen,
2. ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts H-G B-L zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Leistungsakten des Antragsgegners Bezug genommen, die der Kammer bei ihrer Entscheidung vorgelegen hat.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG – kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG). Entsprechend § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO – sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG). Nach der Definition des § 23 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch X - SGB X – ist eine Tatsache dann als glaubhaft gemacht anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken soll, überwiegend wahrscheinlich ist.
Von einem Anordnungsanspruch ist auszugehen, wenn nach summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache von überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache ausgegangen werden kann. Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn dem Antragssteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Weiter darf es keine zumutbaren oder einfacheren Möglichkeiten zur vorläufigen Wahrung der Sicherung des betreffenden Rechts geben. Schließlich darf grundsätzlich keine Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung, sondern nur eine vorläufige Regelung erfolgen.
Das Gericht hält nach summarischer Prüfung den Anordnungsanspruch für nicht gegeben. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf eine vorläufige Übernahme der die angemessenen Wohnkosten übersteigenden tatsächlichen Wohnkosten in Höhe von insgesamt 785,21 Euro. Nach § 22 Abs. 1 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB II - werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Satz 2 der Vorschrift als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II normiert eine Verpflichtung des Hilfebedürftigen zu Bemühungen um eine Kostensenkung. Gleichzeitig enthält die Bestimmung eine sechsmonatige "Übergangsfrist", in der auch die nicht angemessenen Kosten der Unterkunft zu übernehmen sind, wobei sich der Hilfebedürftige um eine Unterkunft bemühen muss, für die die Kosten angemessen sind. Zwar enthält die Vorschrift nach ihrem Wortlaut keine Verpflichtung zur Belehrung des Hilfeempfängers über seine Obliegenheiten und deren Folgen bei Nichtbeachtung, um den Lauf der Frist von sechs Monaten in Gang zu setzen. Diese Pflicht des Leistungsträgers gegenüber dem Hilfeempfänger kann aber dem Begriff der Zumutbarkeit entnommen werden und folgt auch daraus, dass für den Hilfeempfänger erhebliche nachteilige Auswirkungen in Bezug auf die Kürzung seines Leistungsanspruches entstehen, wenn er der ihn treffenden Obliegenheit nicht nachkommt (vgl. hierzu Urteil des BSG vom 25.05.2005 - B 11 AL 81/04 R ; Urteil des Bayerischen LSG vom 17.03.2006 – L 7 AS 20/05; Beschluss des LSG Rheinland-Pfalz vom 19. September 2006 – L 3 ER 161/06 AS). Einer über die Information der unangemessenen Kosten der Unterkunft hinausgehende Verpflichtung des Leistungsträgers, darauf hinzuweisen, welche Anforderungen hinsichtlich der Wohnungsgröße in Quadratmetern bezogen auf den allein stehenden Hilfebedürftigen bzw. die Anzahl der in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen sowie den Kaltmietpreis pro m² Wohnfläche zu erfüllen sind sowie eine Aufklärung darüber, dass die Bemühungen um eine seinen Vorgaben entsprechende Wohnung nachzuweisen sind, bedarf es jedoch nach Ansicht des Gerichts nicht. Es reicht aus, dass sich dem Hilfebedürftigen frei jeden vernünftigen Zweifels aufdrängen musste, dass die tatsächlichen Kosten unangemessen hoch und sie daher zu senken sind (vgl. Münder, SGB II, 2. Auflage 2006, § 22, Rdnr. 64; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. April 2007, L B 14 163/07 AS E). Dem wird das Schreiben des Antragsgegners vom 16. Oktober 2006 gerecht.
Die Wohnung des Antragstellers ist mit einer Gesamtmiete (abzüglich der Warmwasserpauschale) in Höhe von 785,21 Euro - auch unter Berücksichtigung des Urteils des Bundessozialgerichts vom 7. November 2006 (B 7 b AS 10/06 R9), wonach die Angemessenheit nach der sogenannten Produkttheorie zu bestimmen ist - unangemessen teuer. Bei dem Begriff der "Angemessenheit" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt und insoweit auch der Behörde keinen Spielraum belässt (vgl. nur Lang in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 1. Aufl. 2005, § 22 SGB II Rn. 39; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. Mai 2006 – L 5 B 1401/05). Das Land Berlin hat in der AV-Wohnen (Rundschreiben I Nr. 14/2005 vom 17. Juni 2005) die angemessenen Kosten einer Wohnung für eine Person auf 360,00 Euro festgelegt. Das Gericht hat keine Bedenken, sich dieser Bewertung insoweit anzuschließen, als es die jetzige Wohnung des Antragstellers für unangemessen groß (110 m²) und – deshalb – zu teuer (791,74 Euro) hält. Diese Einschätzung wird durch die im Land Berlin geltenden Bestimmungen für den sozialen Wohnungsbau bzw. die Vergabe von Wohnberechtigungsscheinen gestützt, wonach für eine Person eine Wohnung mit einem Wohnraum bzw. einer Größe von höchstens 50 m² als angemessen anzusehen ist. Im Hinblick darauf, dass einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nur "ein einfacher und im unteren Segment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung zusteht" (BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 10/06 R –) und nach dem für das Land Berlin bestehenden qualifizierten Mietspiegel für Wohnungen dieser Größe (mit Sammelheizung, Bad und Innentoilette) in einfacher Wohnlage eine Netto-Kaltmiete zwischen 3,11 Euro (bei einfacher Ausstattung und Fertigstellung bis 1918) und 6,57 Euro (Mittelwert bei Fertigstellung der Wohnung zwischen 1991 und 2003) ortsüblich ist und bei Fertigstellung der Wohnung zwischen 1919 und 1990 Mittelwerte zwischen 4,08 Euro (Fertigstellung zwischen 1956 und 1964) und 4,52 Euro (Fertigstellung in den östlichen Bezirken zwischen 1973 und 1990) ortsüblich sind, erscheint eine (Netto-Kalt)Miete von bis zu 220 Euro noch als angemessen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. April 2007, L B 14 163/07 AS ER). Bereits diesen Wert überschreitet die von dem Antragsteller für seine jetzige Wohnung geschuldete Miete. Hinzukommen die ("kalten") Betriebskosten sowie die Kosten für die Heizung der Wohnung ("warme Betriebskosten"), für die nach Nr. 6 Abs. 1 und 2 AV-Wohnen ein Betrag von (1,47 + 0,75 =) 2,22 Euro/m² anzusetzen wäre. Selbst wenn insoweit aufgrund zwischenzeitlicher Kostensteigerungen nunmehr ein Wert von 2,74 Euro als angemessen anzusehen sein sollte (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Dezember 2006, L 10 B 1091/06 AS ER), ergäbe dies "warme Betriebskosten" in Höhe von 137 Euro und somit eine Brutto-Warmmiete von 357 Euro. Auch diesen Betrag übersteigen die von dem Antragsteller geschuldeten Kosten für Unterkunft und Heizung deutlich. Hieran ändert auch die lange Mietdauer von mehr als 12 Jahren nichts, zumal das Hausgrundstück noch mit der damaligen Lebensgefährtin zusammen gemietet worden war und daher von einer längeren gemeinsamen Mietzeit auszugehen ist.
Eine Berücksichtigung des Sohnes des Antragstellers bei den Kosten der Unterkunft kommt nicht in Betracht. Der Sohn ist bei dem Antragsteller weder gemeldet noch ist dieser nach Aktenlage (mit-)sorgeberechtigt. Allein der Aufenthalt nach der Schule bei dem Antragsteller und die nachmittägliche Betreuung durch diesen führen nicht dazu, den Sohn bei den Kosten der Unterkunft mit zu berücksichtigen. Hiernach ist auch nicht von einer zeitweisen Bedarfsgemeinschaft auszugehen (vgl. hierzu Urteil des BSG vom 7. November 2007 – B 7 b AS 14/06 R). Jedenfalls wären die tatsächlichen Kosten der Unterkunft nach den oben dargestellten Grundsätzen auch bei einem angenommenen Zwei-Personen-Haushalt, für den nach der AV Wohnen 444,00 Euro angemessen sind, unangemessen hoch.
Ein Anspruch auf (weitere) Übernahme dieser unangemessen hohen Aufwendungen ist nicht ersichtlich. Der Antragsteller hat nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihm ein Wohnungswechsel nicht möglich oder nicht zumutbar sein soll. So hat er insbesondere nicht behauptet, sich – vergeblich – um eine andere, kleinere – insbesondere preisgünstigere – Wohnung bemüht zu haben. Offenbar hat der Antragsteller nach Erhalt des Briefes des Antragsgegners vom 16. Oktober 2006 gar nichts unternommen. Die Betreuung für seinen Sohn stellt kein Umzugshindernis dar. Die Vorhaltung eines eigenen Zimmers für seinen Sohn ist für die nachmittägliche Betreuung nicht erforderlich. Es steht dem Antragsteller frei, sich um eine kostenangemessene Wohnung zu bemühen, die Platz für einen Aufenthalt seines Sohnes bietet. Auch die vorgebrachten gesundheitlichen Probleme, für die der Antragsteller keinerlei Nachweis erbracht hat, hindern einen Umzug nicht. Diese sind gegebenenfalls bei der Prüfung der Übernahme der Kosten für ein gewerbliches Umzugsunternehmen zu berücksichtigen, sofern der Antragsteller bei einem Umzug die Zusicherung der Umzugskosten beantragen sollte.
Der Antragsteller hat nach alledem nur noch Anspruch auf Erstattung seiner angemessenen Aufwendungen. Deren Grenze sieht das Gericht – wie zuvor erörtert – bei einem Betrag von mehr als 360 Euro im Monat überschritten. Nur bis zu dieser Grenze kann der Antragsteller die Übernahme seiner Aufwendungen verlangen. Demnach besteht kein Grund, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Gewährung höherer Leistungen zu verpflichten.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe war gemäß §§ 73a Abs. 1 SGG, 114 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht und bei Antragstellung keine Erfolgsaussicht bestand.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.
Gründe:
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners, ihm über den 1. Mai 2007 hinaus die tatsächlichen Kosten für die von ihm bewohnte Wohnung als Leistung der Grundsicherung für Arbeitssuchende zu gewähren.
Der 1956 geborene Antragsteller bewohnt seit Januar 1995 ein 110 m² großes Einfamilienhaus mit (mindestens) 3 Zimmern, für das eine monatliche Miete einschließlich Nebenkosten in Höhe von 791,74 Euro zu zahlen ist. Er ist Vater eines 1995 geborenen Sohnes, der bei der Mutter lebt, und für den er Unterhalt leistet.
Mit Bescheid vom 16. Oktober 2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21. März 2007 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 1. November 2006 bis zum 30. April 2007, wobei die Kosten für die Wohnung abzüglich der Warmwasserpauschale in Höhe von 785,21 Euro berücksichtigt wurden. Mit Schreiben vom 16. Oktober 2006 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, die Wohnung sei unangemessen teuer. Die Miete übersteige den Richtwert für angemessene Kosten der Unterkunft für einen 1-Personen-Haushalt in Höhe von 360,00 Euro. Er werde dazu aufgefordert, die Kosten bis zum 3. Mai 2007 durch Untervermietung von Räumen oder durch einen Wohnungswechsel zu senken. Gegebenenfalls werde die Zahlung der Kosten für Unterkunft und Heizung auf die angemessenen Kosten in Höhe von 360,00 Euro abgesenkt.
Mit Schreiben vom 10. Dezember 2006 teilte der Antragsteller mit, dass eine Untervermietung wegen des Zuschnitts des Hauses nicht möglich sei. Ein Wohnungswechsel komme für ihn nicht in Frage, da dies für seinen 11jährigen Sohn eine unzumutbare Härte bedeuten würde. Dieser verbringe fast die gesamte Zeit außerhalb der Schule bei ihm, da die allein erziehende Mutter einer zeitaufwändigen Schichtarbeit nachgehe. Er wohne bereits seit mehr als 12 Jahren in der Wohnung und ein Umzug werde beträchtliche Kosten verursachen, da er wegen einer fortgeschrittenen Kniearthrose einen Umzug nicht selbst werde bewerkstelligen können.
Mit Bescheid vom 21. März 2007 bewilligte der Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Mai bis zum 31. Oktober 2007 und berücksichtigte dabei Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 360,00 Euro abzüglich Warmwasserpauschale von 6,53 Euro, insgesamt also 353,47 Euro. Den hiergegen erhobenen Widersprich wies der Antragsgegner durch Widerspruchsbescheid vom 19. April 2007 zurück.
Am 2. April 2007 hat der Antragsteller Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt. Sein Sohn halte sich regelmäßig (fast täglich) bei ihm auf. Aus diesem Grund benötige er ein Zimmer für seinen Sohn.
Der Antragsteller beantragt,
1. im Wege der einstweiligen Anordnung den Antragsgegner zu verpflichten, die Kosten für Unterkunft und Heizung ab 1. Mai 2007 in Höhe von 785,21 Euro zu übernehmen,
2. ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts H-G B-L zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Leistungsakten des Antragsgegners Bezug genommen, die der Kammer bei ihrer Entscheidung vorgelegen hat.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG – kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG). Entsprechend § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO – sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG). Nach der Definition des § 23 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch X - SGB X – ist eine Tatsache dann als glaubhaft gemacht anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken soll, überwiegend wahrscheinlich ist.
Von einem Anordnungsanspruch ist auszugehen, wenn nach summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache von überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache ausgegangen werden kann. Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn dem Antragssteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Weiter darf es keine zumutbaren oder einfacheren Möglichkeiten zur vorläufigen Wahrung der Sicherung des betreffenden Rechts geben. Schließlich darf grundsätzlich keine Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung, sondern nur eine vorläufige Regelung erfolgen.
Das Gericht hält nach summarischer Prüfung den Anordnungsanspruch für nicht gegeben. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf eine vorläufige Übernahme der die angemessenen Wohnkosten übersteigenden tatsächlichen Wohnkosten in Höhe von insgesamt 785,21 Euro. Nach § 22 Abs. 1 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB II - werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Satz 2 der Vorschrift als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II normiert eine Verpflichtung des Hilfebedürftigen zu Bemühungen um eine Kostensenkung. Gleichzeitig enthält die Bestimmung eine sechsmonatige "Übergangsfrist", in der auch die nicht angemessenen Kosten der Unterkunft zu übernehmen sind, wobei sich der Hilfebedürftige um eine Unterkunft bemühen muss, für die die Kosten angemessen sind. Zwar enthält die Vorschrift nach ihrem Wortlaut keine Verpflichtung zur Belehrung des Hilfeempfängers über seine Obliegenheiten und deren Folgen bei Nichtbeachtung, um den Lauf der Frist von sechs Monaten in Gang zu setzen. Diese Pflicht des Leistungsträgers gegenüber dem Hilfeempfänger kann aber dem Begriff der Zumutbarkeit entnommen werden und folgt auch daraus, dass für den Hilfeempfänger erhebliche nachteilige Auswirkungen in Bezug auf die Kürzung seines Leistungsanspruches entstehen, wenn er der ihn treffenden Obliegenheit nicht nachkommt (vgl. hierzu Urteil des BSG vom 25.05.2005 - B 11 AL 81/04 R ; Urteil des Bayerischen LSG vom 17.03.2006 – L 7 AS 20/05; Beschluss des LSG Rheinland-Pfalz vom 19. September 2006 – L 3 ER 161/06 AS). Einer über die Information der unangemessenen Kosten der Unterkunft hinausgehende Verpflichtung des Leistungsträgers, darauf hinzuweisen, welche Anforderungen hinsichtlich der Wohnungsgröße in Quadratmetern bezogen auf den allein stehenden Hilfebedürftigen bzw. die Anzahl der in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen sowie den Kaltmietpreis pro m² Wohnfläche zu erfüllen sind sowie eine Aufklärung darüber, dass die Bemühungen um eine seinen Vorgaben entsprechende Wohnung nachzuweisen sind, bedarf es jedoch nach Ansicht des Gerichts nicht. Es reicht aus, dass sich dem Hilfebedürftigen frei jeden vernünftigen Zweifels aufdrängen musste, dass die tatsächlichen Kosten unangemessen hoch und sie daher zu senken sind (vgl. Münder, SGB II, 2. Auflage 2006, § 22, Rdnr. 64; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. April 2007, L B 14 163/07 AS E). Dem wird das Schreiben des Antragsgegners vom 16. Oktober 2006 gerecht.
Die Wohnung des Antragstellers ist mit einer Gesamtmiete (abzüglich der Warmwasserpauschale) in Höhe von 785,21 Euro - auch unter Berücksichtigung des Urteils des Bundessozialgerichts vom 7. November 2006 (B 7 b AS 10/06 R9), wonach die Angemessenheit nach der sogenannten Produkttheorie zu bestimmen ist - unangemessen teuer. Bei dem Begriff der "Angemessenheit" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt und insoweit auch der Behörde keinen Spielraum belässt (vgl. nur Lang in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 1. Aufl. 2005, § 22 SGB II Rn. 39; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. Mai 2006 – L 5 B 1401/05). Das Land Berlin hat in der AV-Wohnen (Rundschreiben I Nr. 14/2005 vom 17. Juni 2005) die angemessenen Kosten einer Wohnung für eine Person auf 360,00 Euro festgelegt. Das Gericht hat keine Bedenken, sich dieser Bewertung insoweit anzuschließen, als es die jetzige Wohnung des Antragstellers für unangemessen groß (110 m²) und – deshalb – zu teuer (791,74 Euro) hält. Diese Einschätzung wird durch die im Land Berlin geltenden Bestimmungen für den sozialen Wohnungsbau bzw. die Vergabe von Wohnberechtigungsscheinen gestützt, wonach für eine Person eine Wohnung mit einem Wohnraum bzw. einer Größe von höchstens 50 m² als angemessen anzusehen ist. Im Hinblick darauf, dass einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nur "ein einfacher und im unteren Segment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung zusteht" (BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 10/06 R –) und nach dem für das Land Berlin bestehenden qualifizierten Mietspiegel für Wohnungen dieser Größe (mit Sammelheizung, Bad und Innentoilette) in einfacher Wohnlage eine Netto-Kaltmiete zwischen 3,11 Euro (bei einfacher Ausstattung und Fertigstellung bis 1918) und 6,57 Euro (Mittelwert bei Fertigstellung der Wohnung zwischen 1991 und 2003) ortsüblich ist und bei Fertigstellung der Wohnung zwischen 1919 und 1990 Mittelwerte zwischen 4,08 Euro (Fertigstellung zwischen 1956 und 1964) und 4,52 Euro (Fertigstellung in den östlichen Bezirken zwischen 1973 und 1990) ortsüblich sind, erscheint eine (Netto-Kalt)Miete von bis zu 220 Euro noch als angemessen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. April 2007, L B 14 163/07 AS ER). Bereits diesen Wert überschreitet die von dem Antragsteller für seine jetzige Wohnung geschuldete Miete. Hinzukommen die ("kalten") Betriebskosten sowie die Kosten für die Heizung der Wohnung ("warme Betriebskosten"), für die nach Nr. 6 Abs. 1 und 2 AV-Wohnen ein Betrag von (1,47 + 0,75 =) 2,22 Euro/m² anzusetzen wäre. Selbst wenn insoweit aufgrund zwischenzeitlicher Kostensteigerungen nunmehr ein Wert von 2,74 Euro als angemessen anzusehen sein sollte (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Dezember 2006, L 10 B 1091/06 AS ER), ergäbe dies "warme Betriebskosten" in Höhe von 137 Euro und somit eine Brutto-Warmmiete von 357 Euro. Auch diesen Betrag übersteigen die von dem Antragsteller geschuldeten Kosten für Unterkunft und Heizung deutlich. Hieran ändert auch die lange Mietdauer von mehr als 12 Jahren nichts, zumal das Hausgrundstück noch mit der damaligen Lebensgefährtin zusammen gemietet worden war und daher von einer längeren gemeinsamen Mietzeit auszugehen ist.
Eine Berücksichtigung des Sohnes des Antragstellers bei den Kosten der Unterkunft kommt nicht in Betracht. Der Sohn ist bei dem Antragsteller weder gemeldet noch ist dieser nach Aktenlage (mit-)sorgeberechtigt. Allein der Aufenthalt nach der Schule bei dem Antragsteller und die nachmittägliche Betreuung durch diesen führen nicht dazu, den Sohn bei den Kosten der Unterkunft mit zu berücksichtigen. Hiernach ist auch nicht von einer zeitweisen Bedarfsgemeinschaft auszugehen (vgl. hierzu Urteil des BSG vom 7. November 2007 – B 7 b AS 14/06 R). Jedenfalls wären die tatsächlichen Kosten der Unterkunft nach den oben dargestellten Grundsätzen auch bei einem angenommenen Zwei-Personen-Haushalt, für den nach der AV Wohnen 444,00 Euro angemessen sind, unangemessen hoch.
Ein Anspruch auf (weitere) Übernahme dieser unangemessen hohen Aufwendungen ist nicht ersichtlich. Der Antragsteller hat nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihm ein Wohnungswechsel nicht möglich oder nicht zumutbar sein soll. So hat er insbesondere nicht behauptet, sich – vergeblich – um eine andere, kleinere – insbesondere preisgünstigere – Wohnung bemüht zu haben. Offenbar hat der Antragsteller nach Erhalt des Briefes des Antragsgegners vom 16. Oktober 2006 gar nichts unternommen. Die Betreuung für seinen Sohn stellt kein Umzugshindernis dar. Die Vorhaltung eines eigenen Zimmers für seinen Sohn ist für die nachmittägliche Betreuung nicht erforderlich. Es steht dem Antragsteller frei, sich um eine kostenangemessene Wohnung zu bemühen, die Platz für einen Aufenthalt seines Sohnes bietet. Auch die vorgebrachten gesundheitlichen Probleme, für die der Antragsteller keinerlei Nachweis erbracht hat, hindern einen Umzug nicht. Diese sind gegebenenfalls bei der Prüfung der Übernahme der Kosten für ein gewerbliches Umzugsunternehmen zu berücksichtigen, sofern der Antragsteller bei einem Umzug die Zusicherung der Umzugskosten beantragen sollte.
Der Antragsteller hat nach alledem nur noch Anspruch auf Erstattung seiner angemessenen Aufwendungen. Deren Grenze sieht das Gericht – wie zuvor erörtert – bei einem Betrag von mehr als 360 Euro im Monat überschritten. Nur bis zu dieser Grenze kann der Antragsteller die Übernahme seiner Aufwendungen verlangen. Demnach besteht kein Grund, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Gewährung höherer Leistungen zu verpflichten.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe war gemäß §§ 73a Abs. 1 SGG, 114 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht und bei Antragstellung keine Erfolgsaussicht bestand.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.
Rechtskraft
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