L 4 KR 1175/09 PKH-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 14 KR 3693/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1175/09 PKH-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger erstrebt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das beim Sozialgericht Reutlingen (SG) anhängige Klageverfahren wegen Gewährung von Krankengeld vom 27. März bis 22. Juni 2008.

Der am 1962 geborene Kläger, der seit 11. April 2004 arbeitslos war, war bei der Beklagten wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld im Rahmen der Krankenversicherung der Arbeitslosen (KVdA) krankenversichert. Bei ihm bestand ab 15. Oktober 2007 Arbeitsunfähigkeit wegen einer depressiven Episode. Behandelnde Ärztin war die Ärztin für Allgemeinmedizin - Spezielle Schmerztherapie S ... Nach dem Ende der Leistungsfortzahlung durch die Agentur für Arbeit gewährte ihm die Beklagte ab 26. November 2007 Krankengeld. Im Auszahlungsschein für Krankengeld vom 10. Dezember 2007 bejahte die behandelnde Ärztin weiterhin Arbeitsunfähigkeit (Diagnosen F 32.9 G, F 41.9 G und F 41.0 G). Am 16. November 2007 hatte der Kläger insoweit angegeben, er erhalte Antidepressiva und Gesprächstherapie. Im Gutachten des Dr. M.-W. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 12. Dezember 2007 wurde als Diagnose eine mittelgradige depressive Störung (F 32.1) genannt. Das leicht- bis mittelgradige depressive Syndrom verbunden mit Ängsten und panikartigen inneren Unruhezuständen begründete danach weitere Arbeitsunfähigkeit. Die Fortdauer von Arbeitsunfähigkeit wurde durch die behandelnde Ärztin in den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bzw. Auszahlscheine vom 10. und 27. Dezember 2007 sowie 10. Januar 2008 bescheinigt. Die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit bestätigte Dr. M.-W. in seiner Stellungnahme vom 28. Januar 2008, empfahl dabei, wie schon im Gutachten vom 12. Dezember 2007, eine psychiatrische/psychotherapeutische Mitbehandlung. Weitere Folgebescheinigungen wegen Arbeitsunfähigkeit der Ärztin S. datierten vom 24. Januar 2008 (bis voraussichtlich 07. Februar 2008), vom 07. Februar 2008 (bis voraussichtlich 22. Februar 2008), vom 21. Februar 2008 (bis voraussichtlich 09. März 2008) und vom 10. März 2008 (bis voraussichtlich 25. März 2008). Am 19. Februar 2008 fand bei der Beklagten ein Gespräch mit dem Kläger statt. Der Kläger war zu einer psychotherapeutischen Behandlung bereit.

Am 13. März 2008 hatte sich der Kläger bei der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N. vorgestellt. Darüber berichtete Dr. N. der behandelnden Ärztin S. im Arztbrief vom 16. März 2008. Darin führte sie aus, der Kläger habe kaum depressiv gewirkt, eher gereizt und vorwurfsvoll. Die diagnostische Einordnung sei nicht ganz einfach. Aufgrund der bereits durchgeführten Behandlung mit Opipramol könne bereits einer Besserung der depressiven Stimmungslage eingetreten sein. Für eine Psychotherapie habe sich der Kläger nicht motiviert gezeigt. Aus ihrer Sicht sei er vermutlich nicht voll belastbar, aber auch nicht komplett arbeitsunfähig. Eine berufliche Tätigkeit könne im Sinne einer tagesstrukturierenden Maßnahme sogar hilfreich sein. Im Bericht für die Beklagte vom 16. März 2008 verneinte Dr. N. aus ihrer Sicht Arbeitsunfähigkeit. Sie hielt eine psychosoziale Unterstützung für angezeigt. Im Hinblick auf die Stellungnahme der Dr. N. verneinte der MDK in der Stellungnahme vom 20. März 2008 fortbestehende Arbeitsunfähigkeit. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Bescheid vom 20. März 2008 danach mit, dass der MDK aufgrund des ärztlichen Befundberichts der Dr. N. festgestellt habe, dass er wieder leichte bis mittelschwere Arbeiten ausüben könne. Deswegen ende der Anspruch auf Krankengeld mit dem 26. März 2008. Der Kläger wurde auch aufgefordert, sich spätestens zum 26. März 2008 wieder bei der Agentur für Arbeit zu melden. Auf das Ende der Arbeitsunfähigkeit am 26. März 2008 wies die Beklagte auch die behandelnde Ärztin S. mit Schreiben vom 20. März 2008 hin. Der Einstellung der Zahlung des Krankengeld widersprach der Kläger mit E-Mail vom 02. April 2008. Die Beurteilung der Dr. N., dass er (der Kläger) arbeitsunfähig sei, die nach einem zehnminütigen Kurzgespräch abgegeben worden sei, treffe nicht zu. Er sei mit der Ärztin so verblieben, dass er keine weiteren Medikamente brauche und bei ihm eher eine Gesprächstherapie in Frage komme. Bei der Agentur für Arbeit werde er sich nicht melden, da er auf unbestimmte Zeit überhaupt nicht arbeitsfähig sei; er benötige alle Kraft und Zeit für die Bewältigung seiner Lebenssituation. Bei der Beklagten ging dann am 09. Mai 2008 ein Auszahlungsschein für Krankengeld der Ärztin S. vom 08. Mai 2008 ein, in dem angegeben war, dass der Kläger sich dort zuletzt am 27. März 2008 vorgestellt habe; der Kläger sei noch arbeitsunfähig. Ferner legte der Kläger (Eingang bei der Beklagten 21. Mai 2008) das Attest der Ärztin S. vom 19. Mai 2008 vor, in dem ausgeführt wurde, dass der Kläger seit September 2007 in der Praxis medizinisch betreut werde. Er sei organisch weitgehend gesund, leide aber seit Jahren zunehmend unter einer ganzen Reihe nicht genügend verarbeiteter familiärer Konflikte und einem aktuell sehr belastenden Konflikt um die Wohnmöglichkeit. Es hätten sich einige psychosomatische Folgestörungen eingestellt, wie extreme Schlafstörungen und Erschöpfung, nächtliches Schwitzen und Herzklopfen. Sie (die Ärztin) sei nicht der Meinung, dass der Kläger, ohne Schaden zu nehmen, bis zu drei Stunden täglich arbeiten könne. Damit sei er nach den gesetzlichen Richtlinien weiterhin arbeitsunfähig krank. Ferner teilte der Kläger der Beklagten noch mit, dass es ihm um die Zahlung von Krankengeld vom 27. März bis 22. Juni 2008 gehe. Ab 23. Juni 2008 werde er eine lang ersehnte Radtour unternehmen. Wegen dieser Radtour nahm der Kläger einen auf den 01. Juli 2008 bestimmten Termin für eine Zweitbegutachtung durch den MDK nicht wahr. Insoweit erstattete Dr. M.-W. am 01. Juli 2008 eine Stellungnahme nach Aktenlage. Darin führte er aus, eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit sei nach dem jetzigen Stand nicht plausibel, da auch die aktuell durchgeführte mehrwöchige Radtour eines Gesundheitszustands bedürfe, der mindestens drei Stunden leichte körperliche Tätigkeit zulassen würde und damit bei dem primär arbeitslosen Kläger keine Arbeitsunfähigkeit bestehe. Der Widerspruch blieb danach erfolglos (Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsausschusses vom 11. September 2008, der dem Kläger am 06. Oktober 2008 zugestellt wurde).

Am 21. Oktober 2008 erhob der Kläger Klage beim SG, die unter dem Aktenzeichen S 14 KR 3693/08 geführt wird. Er verfolgte seinen Anspruch auf Krankengeld vom 17. März bis 22. Juni 2008 weiter. Er machte geltend, er habe ab 23. Juni 2008 eine "Erholungsradtour" zwischen Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Insel Rügen, Brandenburg und Berlin durchgeführt. Dieser Umstand stehe der Annahme von Arbeitsunfähigkeit bis zum 22. Juni 2008 nicht entgegen, selbst wenn die Radtour die normale Dauer einer Rehabilitationsmaßnahme überschritten habe. Diese Radtour habe ihm persönlich Kraft und Abstand von seinen Problemfeldern verschafft, um sich wieder gestärkt diesen und seinem Alltag stellen zu können. Diese Erholungstour habe er frei gewählt und sie sei genau das Richtige gewesen. Einiges habe er unterwegs auch weiterbearbeiten können; er habe mehr und besser schlafen können und recht naturnah gelebt. Das Radfahren sei nicht anstrengend gewesen, denn er habe keinen Leistungssport betrieben, sondern sich beispielsweise auch länger an einzelnen Orten aufgehalten, viel gelesen, die Umgebung erkundet oder sich ausgeruht. Keineswegs sei er arbeitsfähig gewesen. Der Kläger hatte durch seine früheren Prozessbevollmächtigten am 30. Oktober 2008 auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Nachdem diese Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 19. November 2008 das Mandat für beendet erklärt und den Prozesskostenhilfeantrag zurückgenommen hatten, hatte der Kläger mit Schreiben vom 25. November 2008 erklärt, er beabsichtige weiterhin, Rechtsanwältin d. B. mit seinem Fall zu betrauen und halte daher den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufrecht.

Die Beklagte trat der Klage und dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe entgegen. Nach summarischer Betrachtung sei sie der Überzeugung, dass der Kläger ab 27. März 2008 auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vermittlungsfähig sei, und zwar vollschichtig und nicht nur, wie im MDK-Gutachten vom 01. Juli 2008 aufgeführt, für drei Stunden täglich.

Mit Beschluss vom 29. Januar 2009 lehnte das SG den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Nach summarischer Prüfung dürfte die Entscheidung der Beklagten, ab dem 27. März 2008 von wieder gegebener Arbeitsfähigkeit auszugehen, nicht zu beanstanden sein. Diese Einschätzung werde insbesondere durch die Beurteilung der Dr. N. gestützt, bei der es sich um die einzige Ärztin handle, die der Kläger zur fachärztlichen Behandlung auf psychiatrischem Gebiet aufgesucht habe. Im Hinblick auf deren Bescheinigung vom 16. März 2008, in der sie das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit verneint habe, hätte es naheliegen müssen, dass der Kläger dann eine andere Fachärztin oder einen anderen Facharzt aufgesucht hätte. Für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sei die Einholung medizinischen Sachverstands unabdingbar. Die Einschätzung der Ärztin S. zuletzt in dem Attest vom 19. Mai 2008 werde auch dadurch in Frage gestellt, dass der Kläger in der Lage gewesen sei, ab 23. Juni 2008 eine mehrmonatige Radtour zu unternehmen. Diese könne mit der Einschätzung jener Ärztin, der Kläger könne wegen extremer Schlafstörungen, Erschöpfung, nächtlichem Schwitze, Herzklopfen und Gewichtsabnahme nur noch unter drei Stunden täglich arbeiten, nicht in Einklang gebracht werden. Dieser Beschluss wurde dem Kläger am 30. Januar 2009 zugestellt.

Dagegen hat der Kläger am 27. Februar 2009 beim SG Beschwerde zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Ferner hat er Richter am SG G., der den Beschluss erlassen hat, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Dieses Antragsverfahren wird unter dem Aktenzeichen L 4 SF 1176/09 A geführt. Zur Begründung der Beschwerde macht der Kläger geltend, zu Unrecht stütze sich das SG auf die Beurteilung der Dr. N., die voreingenommen und einseitig nach einem ca. 10-minütigen Kontakt Arbeitsfähigkeit bejaht habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. Januar 2009 aufzuheben und ihm für die Rechtsverfolgung im Klageverfahren S 14 KR 3693/08 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin d. B. in Tübingen zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den angegriffenen Beschluss für zutreffend. Dem Kläger sei bis zum 26. März 2008 Krankengeld in Höhe des Arbeitslosengelds mit kalendertäglich EUR 21,34 gewährt worden. Nachweise über die behauptete Arbeitsunfähigkeit nach dem 08. Mai 2008 seien nicht vorgelegt worden. Die Beklagte hat ihre Verwaltungsakten vorgelegt, ferner den Arztbrief der Dr. N. vom 16. März 2008.

Der Berichterstatter des Senats hat die Auskunft der Ärztin S. als sachverständige Zeugin vom 25. April 2009 eingeholt, auf die Bezug genommen wird.

II.

Die Beschwerde des Klägers ist nach § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der ab 01. April 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 29 Buchst. b) des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGÄndG) vom 26. März 2008 (BGBl I, S. 444) statthaft. Sie ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ausgeschlossen, da das SG den Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin nicht wegen fehlender Bedürftigkeit, sondern mangels Erfolgsaussicht der Klage abgelehnt hat. Die Beschwerde ist ferner nicht nach oder entsprechend § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. §§ 143 ff. SGG ausgeschlossen, weil die Hauptsache nicht berufungsfähig wäre. Selbst wenn dieser Beschwerdeausschluss im sozialgerichtlichen Verfahren überhaupt eingreift (bejahend LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 05. Dezember 2008, L 8 AS 4968/08, veröffentlicht in Juris, Rn. 4 f.; verneinend Beschluss des desselben Gerichts vom 23. Februar 2009, L 13 AS 3835/08, veröffentlicht in Juris, Rn. 2), so liegen seine Voraussetzungen hier nicht vor. Denn die Berufung in der Hauptsache ist statthaft. Da die Beschwerde nach dem 01. April 2008 eingelegt worden ist, ist maßgeblich § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der seit 01. April 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 24 Buchst. a) SGGArbGÄndG. Danach bedarf die Berufung der Zulassung bei einer Klage, die u.a. eine Geldleistungen bzw. ein hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, nur, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 750,00 nicht übersteigt. Mit seiner Klage begehrt er Krankengeld vom 27. März bis 22. Juni 2008 (88 Kalendertage), und zwar in Höhe von kalendertäglich EUR 21,34, wie es ihm bis zum 26. März 2008 (in Höhe des Arbeitslosengelds) gezahlt worden war. Damit ist der Kläger um einen Betrag von (88 × EUR 21,34 =) EUR 1.877,92 beschwert.

1. Prozesskostenhilfe erhält gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn der Rechtsstandpunkt des klagenden Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für das Gericht zumindest als vertretbar erscheint und es von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage, 2008, § 73a, Rn. 7 a). Prozesskostenhilfe darf verweigert werden, wenn die Erfolgschance nur eine entfernte ist (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG - BVerfGE 81, 347, 357). Da der Begriff der hinreichenden Erfolgsaussicht enger zu verstehen ist als das Gebot einer Beweiserhebung, ist im Rahmen des Verfahrens über Prozesskostenhilfe im begrenzten Rahmen auch eine vorweggenommene Beweiswürdigung zulässig (BVerfG NVwZ 1987, 786; NJW 1997, 2745, 2746). Der Ablehnung von Prozesskostenhilfe steht es auch nicht entgegen, wenn zur abschließenden Klärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts noch einzelne Ermittlungen - wie Befragung behandelnder Ärzte - angestellt werden, sei es auch im Beschwerdeverfahren. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussicht ist der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrags. Bewilligungsreife tritt frühestens dann ein, wenn alle für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erforderlichen Unterlagen vorgelegt sind, insbesondere der vollständig ausgefüllte Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die entsprechenden Belege (vgl. §§ 117 Abs. 2 und 4 ZPO), und der Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hat (vgl. § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Februar 2009, L 13 AS 4995/08 PKH-B, veröffentlicht in Juris, Rn. 4 f.).

2. Hiernach hat das SG den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn u.a. Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Der Maßstab für die Arbeitsunfähigkeit ergibt sich aus dem Umfang des Versicherungsschutzes im Hinblick auf das konkret bestehende Versicherungsverhältnis (BSG SozR 3-2500 § 44 Nr. 10; SozR 4-2500 § 44 Nr. 6). Dies ist bei Personen, die - wie der Kläger - als Arbeitslose in der KVdA nach § 5 Satz 1 Nr. 2 SGB V versichert sind und diesen Status bereits vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit hatten, ihr Status als Arbeitsloser. Sie sind daher unabhängig von der Dauer ihrer Arbeitslosigkeit nur dann krankheitsbedingt arbeitsunfähig, wenn sie gesundheitlich nicht mehr in der Lage sind, auch leichte Arbeiten in dem zeitlichen Umfang zu verrichten, für den sie sich zuvor zwecks Erlangung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld den Vermittlungsbemühungen der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestellt haben (BSG SozR 4-2500 § 44 Nr. 9).

Das Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld setzt - abgesehen von hier nicht gegebenen stationären Behandlungen - voraus, dass die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V entsteht der Leistungsanspruch (erst) von dem Tag an, der auf den Tag dieser ärztlichen Feststellung folgt. Ohne diese Feststellung kann kein Anspruch entstehen. Damit sollen Missbrauch und praktische Schwierigkeiten vermieden werden, zu denen nachträgliche Behauptungen und rückwirkende Bescheinigungen beitragen könnten. Die Vorschrift ist nicht als bloße Zahlungsvorschrift zu verstehen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 44 Nr. 10; SozR 4-2500 § 44 Nr. 12). Der Versicherte muss auf die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V hinwirken und die entsprechende Bescheinigung der Krankenkasse vorlegen. Kommt er dieser Meldeobliegenheit nicht innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit nach, ruht der nach §§ 44 Abs. 1 Satz 1, 46 SGB V entstandene Leistungsanspruch gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V. Hiernach ruht der Anspruch, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt. Die Meldeobliegenheit ist vor jeder erneuten Inanspruchnahme des Krankengeldes zu erfüllen, auch nach einer vorübergehend leistungsfreien Zeit, selbst wenn die Arbeitsunfähigkeit seit Beginn durchgängig fortbestanden hat (BSG SozR 3-2500 § 49 Nr. 4). Das gleiche gilt auch bei ununterbrochenem Leistungsbezug, wenn wegen der Befristung der bisherigen Krankschreibung über die Weitergewährung des Krankengeldes zu befinden ist (BSG a.a.O.). Auch dann muss der Versicherte die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich rechtzeitig vor Fristablauf ärztlich feststellen lassen und der Krankenkasse melden, will er das Erlöschen oder das Ruhen des Leistungsanspruchs vermeiden (BSG SozR 4-2500 § 46 Nr. 1). Von dieser gesetzlich angeordneten Feststellungs- und Meldepflicht kann auch während eines laufenden Rechtsbehelfsverfahrens nicht abgesehen werden, da §§ 46 Abs. 1 Nr. 2, 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V eine solche Ausnahme nicht vorsehen. Dies ist auch folgerichtig, da die Krankenkasse die Befunde, die nach ärztlicher Einschätzung zur Arbeitsunfähigkeit führen, zeitnah überprüfen können muss. Es handelt sich mithin nicht um einen bloßen Formalismus. Ausnahmen hiervon hat die Rechtsprechung nur in sehr begrenzten Ausnahmefällen anerkannt, zu welchen die Betreibung eines Rechtsbehelfsverfahrens allein nicht zählt. Nur dann, wenn der Versicherte alles in seiner Macht stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, er daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert (beispielsweise durch die Fehleinschätzung der Arbeitsunfähigkeit des Vertragsarztes und des MDK) und er zusätzlich seine Rechte bei der Kasse unverzüglich (spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend macht, kann er sich auf den Mangel der zeitnahen ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit auch zu einem späteren Zeitpunkt berufen. Unter diesen engen Voraussetzungen kann die Unrichtigkeit der ärztlichen Beurteilung gegebenenfalls auch durch die nachträgliche Einschätzung eines andern ärztlichen Gutachters nachgewiesen werden und der Versicherte ausnahmsweise rückwirkend Krankengeld beanspruchen (BSG SozR 4-2500 § 46 Nr. 1).

Für die streitige Zeit ab 27. März 2008 liegen keine zeitnahen Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit vor. Die Ärztin S. hat in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 10. März 2008 zunächst Arbeitsunfähigkeit bis zum 25. März 2008 bescheinigt und am 10. März 2008 einen entsprechenden Auszahlungsschein für Krankengeld ausgestellt, was auch durch die im Beschwerdeverfahren vorgelegte Karteikarte belegt ist. Insoweit hat die Ärztin auch in der Auskunft vom 25. April 2009 bestätigt, dass sie den Kläger nur bis zum 25. März 2008 krank geschrieben habe. Zwar ergibt sich nach der Karteikarte dann auch noch ein Patientenkontakt des Klägers zu der Ärztin am 27. März 2008, bei dem ersichtlich ein Rezept ausgestellt wurde, ohne dass jedoch eine weitergehende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt wurde. Die Karteikarte ergibt dann weitere Patientenkontakte (Behandlungen) erst am 05., 19. und 20. Mai sowie am 05. und 16. Juni 2008. Erst am 09. Mai 2008 ging bei der Beklagten der am 08. Mai 2008 von der Ärztin S. ausgestellte Auszahlungsschein für Krankengeld ein, in dem die Vorstellung des Klägers am 27. März 2008 und die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit angegeben wurde. Weiter ging am 21. Mai 2008 bei der Beklagten das Attest der Ärztin S. vom 19. Mai 2008 mit der Angabe ein, dass der Kläger nach den gesetzlichen Richtlinien weiterhin arbeitsunfähig sei. Die behandelnde Vertragsärztin S. hat jedoch, nachdem sie mit Schreiben der Beklagten vom 20. März 2008 über die Beurteilung des MDK unterrichtet worden war, dass Arbeitsunfähigkeit seit 27. März 2008 nicht mehr bestehe, nicht unverzüglich widersprochen. Insoweit hatte sie im Übrigen auch Kenntnis von dem Arztbrief der Dr. N. vom 16. März 2008 erhalten. § 7 Abs. 2 der auf der Grundlage des § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erlassenen Richtlinien des Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien) bestimmt: Das Gutachten des MDK ist grundsätzlich verbindlich. Bestehen zwischen dem Vertragsarzt und dem MDK Meinungsverschiedenheiten, kann der Vertragsarzt unter schriftlicher Darlegung seiner Gründe bei der Krankenkasse eine erneute Entscheidung auf der Basis eines Zweitgutachtens beantragen. Sofern der Vertragsarzt von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, hat er diesen Antrag unverzüglich nach Kenntnisnahme der abweichenden Beurteilung des MDK zu stellen. Hier stellten jedoch weder der Auszahlungsschein vom 08. Mai 2008 noch das Attest vom 19. Mai 008 einen solchen Widerspruch mit Antrag auf Zweitbegutachtung dar, den die Ärztin S. unverzüglich gestellt hätte. Eine rückwirkende Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit außerhalb des in § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V genannten Zeitraums von einer Woche hinderte hier das Ruhen von Ansprüchen auf Krankengeld nicht. Ein Ausnahmefall, in dem die unterbliebenen ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ausnahmsweise - rückwirkend - nachgeholt werden könnte, liegt nicht vor. Der Kläger war nicht gehindert, nach Kenntnis des Bescheids vom 20. März 2008 (Arbeitsunfähigkeitsende 26. März 2008) innerhalb einer Woche nach dem Ende der bis zum 25. März 2008 von der Ärztin S., die der Annahme des Endes der Arbeitsunfähigkeit am 26. März 2008 nicht unverzüglich widersprochen hatte, festgestellten Arbeitsunfähigkeit die Beklagte auf die angebliche Fehlbeurteilung des MDK (und der Dr. N.) hinzuweisen und das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit über den 26. März 2008 hinaus feststellen zu lassen. Zwar hat der Kläger bereits im Schreiben vom 02. April 2008 der Einstellung des Krankengeld ab 27. März 2008 widersprochen. Selbst wenn dieser Widerspruch noch innerhalb der Wochenfrist erfolgt sein sollte, hat der Kläger jedoch nicht, obwohl die Auskunft der Ärztin S. einen Patientenkontakt jedenfalls am 27. März 2008 dokumentiert hat, nicht darauf hingewirkt, dass innerhalb der Wochenfrist die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit jedenfalls durch die Ärztin S. festgestellt wurde. Entsprechende Äußerungen der behandelnden Vertragsärztin S. datieren erst unter dem 08. bzw. 19. Mai 2008.

Darauf, ob die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit durch den MDK ab 27. März 2008 objektiv unrichtig war, womit sich das SG im Rahmen der zulässigen vorweggenommenen Beweiswürdigung auseinandergesetzt hat, kommt es danach nicht an. Insoweit wäre im Klageverfahren nicht zu klären, ob vom 27. März bis 22. Juni 2008 Arbeitsunfähigkeit bestanden hat, unabhängig davon, dass derzeit nicht geklärt ist, in welchem zeitlichen Umfang sich der Kläger ab 11. April 2004 der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestellt hatte. Insoweit könnte offenbleiben, ob Dr. M.-W. in der gutachtlichen Äußerung vom 01. Juli 2008 zu Recht davon ausgegangen war, dass der Maßstab der Arbeitsunfähigkeit beim Kläger in der streitigen Zeit der war, ob er in der Lage war, noch täglich mindestens drei Stunden arbeiten zu können. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass sich der Kläger im April 2004 für eine vollschichtige Arbeitstätigkeit dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt hatte, wäre nicht zu entscheiden, ob im Rahmen der vorweggenommenen Beweiswürdigung zu berücksichtigen wäre, dass in der streitigen Zeit lediglich am 27. März, 05. und 19. Mai sowie am 05. und 16. Juni 2008 Behandlungen in der Praxis der Ärztin S. dokumentiert sind, jedoch keine neurologisch-psychiatrischen Behandlungen bei anderen Fachärzten, und der Kläger dann in der Lage war, ab 23. Juni 2008 zu einer mehrmonatigen Fahrradtour nach Nord- und Ostdeutschland aufzubrechen.

3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist mit der weiteren Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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