L 12 AS 1420/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 3577/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 1420/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 18.2.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Leistungen für die Kosten der Unterkunft nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) streitig.

Die 1981 geborene Klägerin und der 1973 geborene Kläger leben in einer eheähnlichen Gemeinschaft. Sie bewohnen zusammen eine ab 1.1.2005 angemietete, ca. 1972 bezugsfertig gewordene Wohnung mit 68,5 qm Wohnfläche. Der Mietzins beträgt monatlich 460 EUR. Im Mietvertrag ist eine Nebenkostenpauschale von zusätzlich monatlich 150 EUR vereinbart. Die Klägerin erzielt Einkommen aus einer nicht selbstständigen Tätigkeit, das den Bedarf der Kläger nicht deckt.

Die Kläger beziehen von dem Beklagten seit 1.1.2005 Leistungen nach dem SGB II. Bei der Leistungsbewilligung berücksichtigte der Beklagte zunächst Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 573,22 EUR (Miete 460 EUR, Heizkosten 65,97 EUR, Nebenkosten 47,25 EUR).

Im Bescheid vom 5.1.2006 wurden die Kläger darauf hingewiesen, dass die tatsächliche Miete und die Nebenkosten nur anerkannt werden könnten, wenn diese angemessen seien und dass die ortsübliche angemessene Miete, die anerkannt werden könne, derzeit 330 EUR betrage. Die Kläger wurden aufgefordert, sich eine günstigere Wohnung zu suchen. Weiter wurden die Kläger in diesem Bescheid für den Fall, dass sie keine günstigere Wohnung finden, um Nachweise über ihre Wohnungssuche gebeten (Zeitungsausschnitte, Notizen über Telefonate mit Vermietern mit Namen und Datum des Gesprächs, Absagen, Warteliste der GWG in Reutlingen) und darauf hingewiesen, dass, sollte bis 14.6.2006 nichts vorgelegt werden, ab 1.7.2006 nur noch die angemessene Höchstmiete in der Berechnung berücksichtigt werde.

Mit Bescheid vom 24.2.2006 bewilligte der Beklagte den Klägern ab 1.7.2006 bis 31.10.2006 - unter Anrechnung von Einkommen der Klägerin - Leistungen in Höhe von monatlich 443,76 EUR (Miete 330 EUR zzgl. Heiz- und Nebenkosten). Dagegen legten die Kläger Widerspruch ein und legten Zeitungsanzeigen von Vermietern vor. Sie machten geltend, eine Wohnung von 60 qm und einer Miete von 330 EUR sei in den Zeitungsanzeigen nicht angeboten worden. Mit Änderungsbescheid vom 14.6.2006 bewilligte der Beklagte daraufhin den Klägern Leistungen für die Zeit vom 1.7.2006 bis 31.10.2006 in Höhe von monatlich 573,76 EUR (Kosten für Unterkunft und Heizung 577,2 30 EUR abzüglich Einkommensüberhang). Die Kläger wurden in diesem Bescheid darauf hingewiesen, dass monatliche Nachweise mit dem Zahlungsantrag einzureichen seien, damit ab 1.11.2006 die tatsächliche Miete weiterhin anerkannt werden könne.

Die Kläger legten dem Beklagten in der Folgezeit weitere Zeitungsanzeigen von Vermietern vor und machten geltend, eine angemessene Wohnung sei nicht angeboten worden. Der Beklagte bewilligte den Klägern mit Bescheid vom 11.10.2006 - unter Anrechnung von Einkommen der Klägerin - Leistungen für die Zeit vom 1.11.2006 bis 28.2.2007 und mit Änderungsbescheid vom 26.4.2007 für die Zeit vom 1.3. bis 30.4.2007 in Höhe von monatlich 573,57 EUR (Kosten für Unterkunft und Heizung 577,32 EUR abzüglich Einkommensüberhang). Die Kläger wurden in diesem Bescheid darauf hingewiesen, ihre kontaktierten Mietgesuche unaufgefordert vorzulegen, damit die tatsächliche Miete weiterhin anerkannt werden könne; ansonsten werde nur noch die Mietobergrenze berücksichtigt.

Mit weiterem Bescheid vom 26.4.2007 wurde den Klägern für die Zeit vom 1.5.2007 bis 31.10.2007 Leistungen in Höhe von monatlich 406,15 EUR bewilligt. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, es habe nur die ortsübliche angemessene Miete in Höhe von monatlich 330 EUR und die Nebenkosten angerechnet werden können.

Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 21.5.2007 Widerspruch ein. Sie machten geltend, aus Zeitungsanzeigen gehe hervor, dass es praktisch keine Wohnungen zu dem genannten Mietpreis gebe. Weiter sei zu berücksichtigen, dass sie auf Grund ihrer Arbeitsverhältnisse in T. und einer Arbeitszeit bis 22:00 Uhr und später auf den öffentlichen Personennahverkehr angewiesen seien. Die Kläger legten Anzeigen zu Vermietungen aus dem R. General-Anzeiger vor und beriefen sich auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Außerdem legten die Kläger am 6.6.2007 Widerspruch gegen einen Änderungsbescheid vom 29.5.2007 ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.8.2007 wies der Beklagte die Widersprüche der Kläger als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, im Falle der Kläger betrage die angemessene Kaltmiete 330 EUR. Die angemessene Wohnungsgröße betrage bei zwei Personen rund 60 qm. Die tatsächliche Kaltmiete in Höhe von 460 EUR überschreite die zulässige Mietobergrenze erheblich. Die Kläger hätten trotz entsprechender Hinweise ab 1.5.2007 keine ausreichenden Belege über ihre Suche nach einer angemessenen Wohnung beigebracht, so dass ab 1.5.2007 nur noch die angemessene Kaltmiete zu übernehmen sei. Die Notwendigkeit, den Klägern ein konkretes, kostengünstigeres Wohnungsangebot zu unterbreiten, bestehe nicht.

Dagegen haben die Kläger am 13.9.2007 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben. Sie haben zur Begründung im wesentlichen geltend gemacht, ihre Nachweise für ihre Bemühungen um eine neue Wohnung seien vom Beklagten bislang stets akzeptiert worden. Es werde vom Beklagten auf kostengünstigere Wohnungen in entfernten Gemeinden hingewiesen. Dies widerspreche der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Eine Auswertung der auf dem R. Wohnungsmarkt angebotenen Wohnungen ergebe, dass von 926 angebotenen Wohnungen lediglich sechs Wohnungen zu einem Mietpreis von unter 330 EUR angeboten worden seien. Die Annahme des Beklagten zur Höhe der angemessenen Mietkosten bewege sich völlig im luftleeren Raum. Eine Wohnung für 330 EUR im Monat gebe es in R. nicht. Zu berücksichtigen sei weiter, dass sie selbst bei fiktiver Annahme eines ausreichend vorhandenen Wohnungsangebots unter einer Vielzahl von Bewerbern bei den Vermietern grundsätzlich nur "zweite Wahl" seien. Bei einer Bewerbung lägen ihre Erfolgsaussichten auf Grund ihrer finanziellen Situation von vornherein bei Null oder es bestünden zusätzliche Einschränkungen (Nichtraucher). Auf Grund der vorgenommenen Kürzungen seien sie nicht mehr in der Lage, ihre Miete zu überweisen.

Einen gleichzeitig gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, den Beklagten zur Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten zu verpflichten, hat das SG mit Beschluss vom 19.11.2007 (S 4 AS 3576/07 ER) mit der Begründung zurückgewiesen, ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Die Miete für die von den Klägern bewohnte Wohnung sei unangemessen hoch, die angemessene Mietobergrenze betrage 330 EUR. Es bestünden keine Zweifel daran, dass es in R. Wohnungen gebe, die auf dem freien Wohnungsmarkt für 330 EUR angeboten werden. Die Beschwerde dagegen hat das Landessozialgericht durch Beschluss vom 30.1.2008 (L 8 AS 6069/07 ER-B) zurückgewiesen. In seiner Begründung hat es dem SG insoweit zugestimmt, als die für die Wohnung zu zahlende Kaltmiete von 460 EUR deutlich unangemessen sei. Es hat dem SG auch darin zugestimmt, dass die vom Beklagten angenommene Kaltmiete von 330 EUR monatlich nach dem Mietspiegel der Stadt R. als angemessen zu bewerten sei, Wohnungen zu diesem Preis auf dem Wohnungsmarkt tatsächlich zur Vermietung angeboten würden und die Kläger keinen Versuch unternommen hätten, eine der Wohnungen mit einer Kaltmiete von 330 EUR anzumieten. Für unerheblich hat es das LSG erachtet, dass die Kläger wegen eines Arbeitsverhältnisses in T. mit einer Arbeitszeit bis 22:00 Uhr und später auf den ÖPNV und damit auch auf eine Wohnung in Bahnhofsnähe angewiesen seien, da dieser Umstand den räumlichen Vergleichsmaßstab nicht weiter einschränke. Auch hat das LSG das Vorbringen der Kläger nicht für überzeugend gehalten, es sei wenig realistisch, daran zu glauben, dass sich ein privater Vermieter bereit erkläre, Alg II-Empfängern eine Wohnung zur Anmietung zur Verfügung zu stellen.

Nach entsprechender Anhörung der Beteiligten hat das SG durch Gerichtsbescheid vom 18.2.2008 die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe zu Recht die Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft abgelehnt und der Berechnung eine angemessene Kaltmiete von 330 EUR zugrundegelegt. Zur weiteren Begründung hat das SG auf seinen Beschluss vom 19.11.2007 sowie den Beschluss des LSG vom 30.1.2008 verwiesen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe deshalb abgesehen. Lediglich ergänzend hat das SG darauf hingewiesen, dass das von den Klägern im Beschwerdeverfahren vorgebrachte Begehren nach Festlegung von konkreten Richtlinien für die Wohnungssuche sowie zur Angemessenheit einer Wohnungen bereits durch die Ausführungen im Beschluss des LSG sowie im Beschluss der Kammer abgedeckt sei.

Gegen diesen am 19.2.2008 zur Post gegebenen Gerichtsbescheid haben die Kläger am 20.3.2008 Berufung eingelegt. Von ihrer Bevollmächtigten ist zur Begründung (im wesentlichen wiederholend) vorgebracht worden, nach dem Mietspiegel der Stadt Reutlingen ergäben sich unter Zugrundelegung eines Quadratmeterpreises von 6,50 EUR bei einer 60 qm großen Wohnung angemessene Mietkosten von mindestens 390 EUR. Im übrigen müsse der Beklagte prüfen, ob den Klägern eine kostengünstigere Wohnungen tatsächlich zugänglich sei. Hier habe der Beklagte nicht dargelegt, dass solche Wohnungen im Stadtbereich R. vorhanden seien. Bekannt sei, dass in größeren Städten keine Wohnungen mit den von den Sozialhilfeträgern für angemessen gehaltenen Mieten zu finden seien (Hinweis auf das Protokoll des Runden Tisches Freiburg über die Chancen von BezieherInnen von Alg II auf dem freien Wohnungsmarkt).

Die Kläger stellen den Antrag,

den Gerichtsbescheid des Sozialgericht Reutlingen vom 18.2.2008 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 26.4.2007 und des Änderungsbescheides vom 29.5.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.8.2007 zu verurteilen, vom 1.5.2007 bis 31.10.2007 weiterhin die Kaltmiete in Höhe von 460 EUR zu übernehmen.

Der Beklagte stellt den Antrag,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Änderung der Bewilligungsbescheide für den Zeitraum ab 1.5.2007 unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kaltmiete von 460 EUR.

Die Kläger gehören nach § 7 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 4 SGB II zum Kreis der Berechtigten für den Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, sie sind insbesondere auch hilfebedürftig. Damit haben die Kläger dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Die von den Klägern im streitigen Zeitraum bewohnte Wohnung in Reutlingen ist nicht angemessen im Sinne dieser Vorschrift. Sie ist mit 68,5 qm nicht nur zu groß für zwei Bewohner, sondern mit einer Kaltmiete von 460 EUR auch zu teuer.

Maßgeblich für die Beurteilung der Angemessenheit der Mietaufwendungen ist die Wohnungsgröße, der Wohnstandard sowie das örtliche Mietniveau (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nrn. 2 und 3). Hinsichtlich der Angemessenheit der Wohnungsgröße ist typisierend auf die Kriterien der Förderungswürdigkeit im sozialen Wohnungsbau nach den hierfür geltenden Vorschriften zurückzugreifen (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 3 Rdnr. 19; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rdnr. 24). Bezüglich des Wohnungsstandards als weiteren Faktors im Rahmen der Angemessenheitsprüfung ist darauf abzustellen, ob eine Wohnung nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist; die Wohnung muss daher im unteren Segment der nach der Größe in Betracht kommenden Wohnungen liegen (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 1). Den räumlichen Vergleichsmaßstab bildet insoweit regelmäßig der Wohnort des Hilfebedürftigen, der sich jedoch nicht stets mit dem kommunalverfassungsrechtlichen Begriff der "Gemeinde" decken muss, sodass im Einzelfall je nach den örtlichen Verhältnissen - insbesondere bei Kleinst-Gemeinden ohne eigenen Wohnungsmarkt - eine Zusammenfassung in größere Vergleichsgebiete geboten sein kann (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 3; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2). Bei der Angemessenheitsprüfung abzustellen ist zudem nicht isoliert auf die einzelnen Faktoren Wohnungsgröße, Ausstattungsstandards und Quadratmeterpreis; die angemessene Höhe der Unterkunftskosten bestimmt sich vielmehr aus dem Produkt der - abstrakt zu ermittelnden - personenzahlabhängigen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro Quadratmeter (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2; SozR 4-4200 § 22 Nr. 3; BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 70/06 R - (juris)). Da der Hilfebedürftige indessen einen Anspruch auf Deckung seines Unterkunftsbedarfes hat, hat sich die Angemessenheitsprüfung schließlich auch auf die Frage zu erstrecken, ob dem Hilfeempfänger eine andere kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich ist (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nrn. 2 und 3).

Auf dieser Grundlage ist für Baden-Württemberg von einer Wohnfläche von 60 qm für einen 2-Personenhaushalt auszugehen (vgl. hierzu Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums zur Sicherung der Bindung in der sozialen Wohnraumförderung vom 12. Februar 2002 (GABl. S. 240/245) i.d.F. der Verwaltungsvorschrift vom 22. Januar 2004 (GABl. S. 248). Hiervon ausgehend ist die Wohnung der Kläger mit 68,5 qm unangemessen groß.

Der räumliche Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der ortsüblichen Durchschnittsmiete beschränkt sich im vorliegenden Fall auf die Stadt R ... Der für die Angemessenheitsbetrachtung relevante "örtliche Wohnungsmarkt" wird grundsätzlich bestimmt durch den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Hilfeempfängers (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2) und kann im Hinblick auf dessen Größe durchaus unterschiedlich sein, je nachdem, ob es sich um einen ländlichen Raum oder ein Ballungsgebiet handelt (vgl. zuletzt, BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14/7b AS 44/06 R - (juris)). Angesichts einer Einwohnerzahl von 112.458 (zum 31.12.2007) kann als Vergleichsraum zur Ermittlung des Mietpreises auf das gesamte Stadtgebiet abgestellt werden (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R - (Terminbericht Nr. 10/09): ggf. gesamtes Stadtgebiet M. in Vergleichsbetrachtung einzubeziehen).

Die von der Beklagten zugrunde gelegte Miethöhe von 5,50 EUR pro qm und die sich daraus ergebende Obergrenze für einen 2-Personenhaushalt von 330 EUR entspricht dem Mietniveau in der Stadt R. im unteren Segment des Wohnungsmarktes für Wohnungen der Größe von 60 qm. Der Beklagte kann insoweit auf den qualifizierten Mietspiegel 2007 der Stadt R. (gültig ab April 2007) zurückgreifen. Der Mietspiegel lässt grundsätzlich die Erwartung zu, dass darin die tatsächliche Preissituation der in den letzten Jahren neu vermieteten Wohnungen - und damit auch die Marktgängigkeit dieser Wohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt - realistisch wiedergeben wird (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juli 2008 - L 7 AS 1797/08 - (juris)). Der Mietspiegel 2007 der Stadt R. legt für vor 1975 errichtete Standardwohnungen der Größe von 60 qm bei einfacher Ausstattung in durchschnittlicher Lage einen Basis-Quadratmeterpreis von bis zu 5,50 EUR zugrunde. Die Entscheidung des Beklagten ist insoweit also nicht zu beanstanden.

Danach kommt es in einem weiteren Schritt darauf an, ob eine solche Wohnung dem individuellen Bedarf der Kläger entspricht und für diese konkret verfügbar ist. Hieran bestehen nach Auffassung des Senats keine Zweifel. Es ist nicht ersichtlich, dass den Klägern ein höherer Wohnflächenbedarf als sonst bei einem Zweipersonenhaushalt zugestanden hätte. Schließlich bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte, dass den Klägern der Umzug in eine kostenangemessene Wohnung zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit nicht möglich war. Nach der Struktur des Wohnungsmarktes in R. ist durchaus davon auszugehen, dass für die Kläger die realistische Chance bestand, eine abstrakt als angemessen anzusehende Wohnung auf dem Wohnungsmarkt anzumieten. Das SG hat insoweit bereits ausgeführt, dass es einen entsprechenden Mietmarkt gebe und sich insoweit auf seine Beobachtung des Mietmarkts in den einschlägigen Anzeigenblättern (Generalanzeiger etc.) bezogen. Dies entspricht auch durchaus den von den Klägern vorgelegten Auflistungen über die Auswertung von Zeitungsanzeigen in der Zeit vom 17.2. bis 8.8.2007. Dabei waren durchaus in nicht unerheblicher Zahl auch Wohnungsanzeigen bis 330 EUR für Zweizimmerwohnungen mit 50 bis 60 qm. Den Klägern ist allerdings entgegenzuhalten, dass eine räumliche Einschränkungen auf das "Kerngebiet" von R. nicht angängig ist. Als Vergleichsmaßstab ist hier nicht das Kerngebiet von R. sondern die Stadt R. zugrundezulegen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass es in R. einen hinreichend ausgebauten Stadtverkehr gibt, der es ermöglicht, den Bahnhof in angemessener Zeit zu erreichen. So waren am 17.2. 2007 zwei Anzeigen mit den genannten Kriterien, am 10.3.2007 zwölf, am 24.2.2007 fünf, am 24.3.2007 acht, am 31.3.2007 vier usw ... Es gab also eine durchaus realistische Chance für die Kläger, eine kostenangemessene Wohnung zu finden.

Ob schließlich den Klägern trotz einer realistischen Chance, eine kostenangemessene Wohnung zu finden, die Anmietung einer derartigen Wohnung tatsächlich nicht möglich war, ist nicht ersichtlich. Dies geht indes zu Lasten der Kläger. Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II sind, soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dieser nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Die Beklagte hat hier 16 Monate die unangemessenen Unterkunftskosten getragen. In diesem Zeitraum sind die Kläger mehrfach zur Senkung der Unterkunftskosten aufgefordert worden. Der Hinweis etwa vom 5.1.2006 ist insoweit ausreichend. Er hat lediglich Aufklärungs- und Warnfunktion, damit der Hilfebedürftige Klarheit über die aus Sicht des Leistungsträgers angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung erhält (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2; BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 70/06 R - (juris)).

Soweit die Kläger in der Berufungsbegründung auch darauf abstellen, es sei bekannt, dass in größeren Städten keine Wohnungen mit den von den Sozialhilfeträgern für angemessen gehaltenen Mieten zu finden seien, und soweit sie sich hierzu auf das "Protokoll des Runden Tisches Freiburg ..." beziehen, folgt dem der Senat nicht. Die Untersuchungen des "Runden Tisches zu den Auswirkungen der Hartz-Gesetze in Freiburg" vom 31. Oktober 2006 sind nicht geeignet, die - auf empirischer Grundlage gewonnenen - Wertungen und Einschätzungen des örtlichen Wohnungsmarktes, wie sie im Mietspiegel zum Ausdruck kommen, hinreichend in Frage zu stellen und ein wesentlich höheres Mietpreisniveau oder einen generell verschlossenen Wohnungsmarkt für Sozialhilfeempfänger zu belegen. Denn die diesem Bericht zugrunde liegende Erhebung unterliegt ihrerseits methodischen Bedenken, die insbesondere darauf beruhen, dass hierbei über einen Zeitraum von ca. drei Monaten regionale Vermietungsanzeigen des gesamten Wohnungsmarktes von Freiburg - unter Ausschluss im Wesentlichen von Einzelzimmern, Untermiet- und WG-Angeboten - ausgewertet wurden und hieraus eine durchschnittliche, als ortsüblich angesehene Kaltmiete ermittelt wurde. Die auf diese Weise errechneten Durchschnittsbeträge sind indessen nicht aussagekräftig für die Feststellung der angemessenen Kosten der Unterkunft i. S. d. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II, bei denen für den - neben der maßgeblichen Wohnungsgröße - zweiten, den maßgeblichen Wert bestimmenden Faktor, also den Mietpreis pro Quadratmeter, nicht auf das Gesamtspektrum des Wohnungsmarktes abzustellen ist, sondern auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen marktüblichen Wohnungsmieten (s. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 3 Rdnr. 17, wonach dem Hilfebedürftigen hinsichtlich des Wohnstandards lediglich ein einfacher und im unteren Segment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung zusteht). Vergleichsmaßstab für die Angemessenheit der Wohnungsmiete ist damit nicht das Mietpreisniveau des gesamten Wohnungsmarktes, sondern allein das des - einem Hilfeempfänger regelmäßig zumutbaren - unteren Marktsegments. Dieses methodische Defizit der Erhebung wird dadurch verstärkt, dass in die Erhebung offenbar nicht die Mietangebote der örtlichen Wohnungsbaugesellschaften als Anbieter preisgünstigen Wohnraums des unteren Preissegments einbezogen wurden, da diese nicht oder nur selten in den regionalen Anzeigenblättern annoncieren (so bereits LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juli 2008, a.a.O.). Auf Grund dieser methodische Defizite ist auch der von den Klägern hergeleitete Schluss, es gebe in größeren Städten keine Wohnungen mit den für angemessen gehaltenen Mieten, nicht zu belegen.

Die Berufung ist damit insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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