Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
103
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 103 AS 10511/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S V gewährt. 2. Der Antragsgegner wird verpflichtet, im Bewilligungszeitraum Januar bis Mai 2007 Leistungen unter Ansatz der tatsächlichen Unterkunftskosten zu gewähren. 3. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. 4.
Gründe:
I.
Die Antragsteller (Ast.), eine Mutter mit ihren beiden 1993 und 1996 geb. Kindern, bewohnt seit Dezember 1999 eine 4-Zimmer-Wohnung (119 qm), die sie zeitweise untervermietet hatte. In 2004 bezog die Familie Sozialhilfe unter Anerkennung der seinerzeitigen Miete von 932,08 EUR abzüglich der Untermiete von 200,- EUR.
Seit Januar 2005 wird Alg II und Sozialgeld gewährt sowie die aufgrund mehrfacher Mieterhöhungen im November 2006 auf 972,26 EUR gestiegenen Unterkunftskosten. Seit Dezember 2006 sind 1015,74 EUR Mietkosten aufzuwenden. Untervermietet war die Wohnung in den Monaten April bis Juni 2006.
Nach Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsberechnung waren die Ast. mit Schreiben vom 21.6.2006 zu einer Senkung der Mietkosten auf den geltenden Richtwert für einen 3-Personen-Haushalt (542,- EUR Warmmiete) aufgefordert worden. Die Übernahme der vollen Miete wurde für die Dauer von sechs Monaten, gerechnet vom Datum des formell als Bescheid abgefassten Schreibens (bis zum 21.12.2006) zugesichert.
Neben Hinweisen zu Umfang und Nachweis der Suchbemühungen einer günstigeren Unterkunft wird ausgeführt, dass Wohnungsbeschaffungskosten übernommen werden "können", wenn vor Anmietung neuen Wohnraums ein entsprechender Antrag gestellt werde.
Hinweise, wie sich der AV-Richtwert zusammensetzt, enthält das Schreiben vom 21.6.2006 nicht.
Gegen die Mietsenkungsaufforderung erhoben die Ast. Widerspruch, mit dem sie unter Bezugnahme auf ein dem Bescheid vom 21.6.2006 vorangegangenes Informationsschreiben vom 6.6.2006 geltend machen, bei Alleinerziehenden mit zwei Kindern solle "in der Regel" keine Mietsenkung verlangt werden.
Seit dem 22.12.2006 zahlt der Antragsgegner (Ag.) nur die Richtlinienmiete von 542,- EUR, zuletzt in Gestalt eines mit Widerspruch und einstweiliger Anordnung angegriffenen Bewilligungsbescheides vom 6.11.2006.
Die Ast. machen geltend, unter den Regelfall der Alleinerziehenden-Familie zu zählen, die wegen eines Sonderbedarfs keiner Kostensenkung unterliege. Einem Umzug stehe außerdem die enge Einbindung in den Wohnbezirk entgegen, besonders geprägt durch ein Vereinsprojekt "L T e.V.". Dieses von einer Jury ausgewählte und als förderungswürdig anerkannte Projekt biete über eine Tätigkeit als Projektleiterin die Chance, die Hilfebedürftigkeit zu überwinden. Ein Antrag auf Einstiegsgeld werde bei Bewilligung der Fördermittel erwogen. Derzeit diene ein Teil der Wohnung als regelmäßiger Treffpunkt des Vereins. Zur Vorbereitung der Selbstständigkeit werde Büroraum benötigt, der in der Wohnung eingerichtet wurde.
Die enge Mitbetreuung der Kinder durch die in unmittelbarer Wohnnähe lebenden Väter sei wegen deren Berufstätigkeit bzw. –vorbereitung derzeit nicht mehr zu realisieren, so dass von einer durch Alleinerziehung geprägten Familiensituation auszugehen sei.
Zumindest müsse der Familie der 10%ige Wohnungs-Mehrbedarf nach Ziffer B der Richtlinien zuerkannt werden.
Der Ag. hält dem Antrag die außergewöhnlich hohen Mietkosten entgegen. Von einer Allein-erziehung könne wegen der zeitweiligen Betreuung durch die Väter nicht ausgegangen werden.
II.
Der nach § 86 b Abs. 2 SGG zulässige Antrag ist auch begründet. Die Ast. haben derzeit noch Anspruch auf Berechnung ihrer Leistungen unter Ansatz der tatsächlich anfallenden Mietkosten abzüglich der Warmwasser-Pauschale.
Das Gericht folgt nach eigener Prüfung den Entscheidungen des LSG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 19.9.2006 – L 3 ER 161/06 AS) und des Bay.LSG (Urteil vom 18.8.2006 – L 7 AS 141/06). Die dort für eine wirksame Mietsenkungsaufforderung verlangte Information darüber, wie sich die zur Beurteilung der Angemessenheit von Unterkunftskosten erstellten Richtwerte zusammensetzten, ist auch nach Ansicht des erkennenden Gerichts ganz wichtig, um dem Leistungsberechtigten eine Obliegenheitsverletzung mit nachteiligen Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch mit hinreichender Deutlichkeit aufzuzeigen. Denn angesichts steigender Betriebsnebenkosten ist es wichtig zu wissen, von welchem Betriebskostenanteil in der Bruttomiete, bzw. pro qm der Ag. ausgeht. Nur dann kann der Betroffene ermitteln, ob für die verbleibende Kaltmiete angemessener Wohnraum in nennenswerter Zahl auf dem Wohnungsmarkt zur Verfügung steht. Hierbei geht das Gericht angesichts der besonderen sozialen Einbindung der Familie davon aus, dass der hier in Betracht kommende Wohnungs-markt den näheren Bezirk umfasst. Weder § 22 Abs. 1 SGB II noch dem Programmsatz des § 2 SGB II ist die Forderung zu entnehmen, dass Hilfebedürftige in Randlagen oder prekäre Wohn-gegenden umziehen sollen. Der Gesetzgeber hat eine räumliche Konzentration von SGB II-Beziehern nicht gewollt.
Es kommt hinzu, dass der Aufforderungsbescheid vom 21.6.2006 den unzutreffenden Hinweis enthält, dass Wohnungsbeschaffungskosten auf Antrag übernommen werden "können". § 22 Abs. 3 SGB II besagt, dass Wohnungsbeschaffungskosten übernommen werden "sollen", wenn der SGB II-Träger den Umzug veranlasst (Versagung nur im atypischen Fall). Dass der Berliner Wohnungsmarkt so entspannt ist, dass genügend angemessener Wohnraum ohne Kautionserfordernis zur Verfügung steht, ist nach Einschätzung des Gerichts nicht feststellbar; in aller Regel wird eine Kaution verlangt.
Aus Sicht des Ast. war deshalb nicht klar, ob sie bei Auffinden einer Wohnung mit der Über-nahme der Kaution und der Umzugskosten verbindlich rechnen können. Dies ist erheblich, da die Suche nach kautionsfreiem Wohnraum den Markt zumutbarer Wohnungen nennenswert verringern kann.
Aus Sicht der Ast. war außerdem nicht klar, ob sie bei dem aus ihrer Sicht zweifelsfrei zu führenden Nachweis einer Alleinerziehung die Mietsenkung überhaupt noch trifft. Wegen der Ausgestaltung der Mietsenkungsaufforderung als Obliegenheit ist auf die Sichtweise der Betroffenen abzustellen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 25.05.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R). Nicht umsonst verpflichtet § 22 Abs. 2 Satz 3 SGB II den Ag. zu einer der wirksamen Mietkürzung vorgeschalteten Anhörung, mit der neben der Mitteilung, dass die Miete als unangemessen beurteilt werde, Raum gegeben wird, Argumente für eine abweichende Beurteilung vorzutra-gen. Die Suchfrist wird daher erst in Gang gesetzt, wenn nach Prüfung der vorgetragenen Argumente vom SGB II-Träger kenntlich gemacht wird, dass sie dessen Beurteilung zur Unangemessenheit nicht verändern.
Der Ag. hätte deshalb darauf hinweisen müssen, dass er selbst bei Nachweis der Allein-erziehung wegen der hohen Miete von seinen selbst gesetzten Handlungsmaßstäben abweichen will. Dass es sich bei dem Vorbringen zur veränderten Betreuungssituation um eine bloße Schutzbehauptung handelt, kann nach Aktenlage nicht angenommen werden.
Im Übrigen wäre bei Unterstellung der Fortgeltung der bisherigen Situation (nachbarschaft-liche Wohnsituation der Väter) darzulegen gewesen, dass dies als Grund für die Beibehaltung der Wohnung nicht anerkannt werde.
Des Weiteren hätte der Ag. zur Inkraftsetzung der Mietsenkung darauf hinweisen müssen, dass hier ungeachtet der substantiiert vorgetragenen Projektplanung "l T e.V." dennoch keine Änderung der von einer Wirtschaftlichkeitsprüfung gesteuerten Senkungsaufforderung beabsichtigt ist. Im Hinblick auf die BSG-Entscheidung vom 23.11.2006 - B 11b AS 3/05 R - könnte eine Kostenübernahme für Zusatzwohnraum zur Vorbereitung einer Selbstständigkeit unter dem Gesichtspunkt einer Förderung nach § 16 Abs. 2 SGB II beachtlich sein:
Zwar hat das LSG zu Recht entschieden, dass die § § 22, 29 und 16 Abs 1 SGB II keine geeignete Rechtsgrundlage hinsichtlich der begehrten Übernahme der Aufwendungen für das angemietete Atelier bieten. Das LSG hat jedoch nicht den § 16 Abs 2 Satz 1 SGB II geprüft und hierzu auch keine Feststellungen getroffen. Nach dieser Vorschrift können über die in § 16 Abs 1 SGB II genannten Leistungen hinaus weitere Leistungen erbracht werden, die für die Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben erforderlich sind. Die Erforderlichkeit der Leistungen beurteilt sich nach den Zielvorgaben der § § 1, 3 SGB II und setzt insbesondere ein schlüssiges Konzept zur Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit voraus.
(aus der Pressemitteilung des noch unveröffentlichten Urteils)
Zu Recht wenden die Ast. schließlich noch ein, dass keine Prüfung eines zumindest um 10% erhöhten Wohnraumbedarfs stattgefunden hat. Da die Ast. noch in 2006 zum Teil unterver-mietet hatten, wäre ihnen ggfs. mit Zuerkennung einer angemessenen Miete von 596,- EUR die Chance eröffnet worden, mit Untermieteinnahmen und ggfs. Einstiegsgeld die nicht über-nahmefähigen Kosten selbst zu tragen. Dieser Gesichtspunkt ist von Belang, da er ebenfalls die Entscheidung über Art und Umfang der Mietsenkungsbemühungen beeinflussen kann.
Folge der unzureichenden bzw. nicht eindeutigen Informationen über die Obliegenheit zur Mietsenkung ist die Fortdauer des Anspruchs auf Übernahme der tatsächlich anfallenden Mietkosten. Das Vorbringen im Eilverfahren kann nicht als konkludente, ausreichende Mietsenkungsaufforderung gewertet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe:
I.
Die Antragsteller (Ast.), eine Mutter mit ihren beiden 1993 und 1996 geb. Kindern, bewohnt seit Dezember 1999 eine 4-Zimmer-Wohnung (119 qm), die sie zeitweise untervermietet hatte. In 2004 bezog die Familie Sozialhilfe unter Anerkennung der seinerzeitigen Miete von 932,08 EUR abzüglich der Untermiete von 200,- EUR.
Seit Januar 2005 wird Alg II und Sozialgeld gewährt sowie die aufgrund mehrfacher Mieterhöhungen im November 2006 auf 972,26 EUR gestiegenen Unterkunftskosten. Seit Dezember 2006 sind 1015,74 EUR Mietkosten aufzuwenden. Untervermietet war die Wohnung in den Monaten April bis Juni 2006.
Nach Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsberechnung waren die Ast. mit Schreiben vom 21.6.2006 zu einer Senkung der Mietkosten auf den geltenden Richtwert für einen 3-Personen-Haushalt (542,- EUR Warmmiete) aufgefordert worden. Die Übernahme der vollen Miete wurde für die Dauer von sechs Monaten, gerechnet vom Datum des formell als Bescheid abgefassten Schreibens (bis zum 21.12.2006) zugesichert.
Neben Hinweisen zu Umfang und Nachweis der Suchbemühungen einer günstigeren Unterkunft wird ausgeführt, dass Wohnungsbeschaffungskosten übernommen werden "können", wenn vor Anmietung neuen Wohnraums ein entsprechender Antrag gestellt werde.
Hinweise, wie sich der AV-Richtwert zusammensetzt, enthält das Schreiben vom 21.6.2006 nicht.
Gegen die Mietsenkungsaufforderung erhoben die Ast. Widerspruch, mit dem sie unter Bezugnahme auf ein dem Bescheid vom 21.6.2006 vorangegangenes Informationsschreiben vom 6.6.2006 geltend machen, bei Alleinerziehenden mit zwei Kindern solle "in der Regel" keine Mietsenkung verlangt werden.
Seit dem 22.12.2006 zahlt der Antragsgegner (Ag.) nur die Richtlinienmiete von 542,- EUR, zuletzt in Gestalt eines mit Widerspruch und einstweiliger Anordnung angegriffenen Bewilligungsbescheides vom 6.11.2006.
Die Ast. machen geltend, unter den Regelfall der Alleinerziehenden-Familie zu zählen, die wegen eines Sonderbedarfs keiner Kostensenkung unterliege. Einem Umzug stehe außerdem die enge Einbindung in den Wohnbezirk entgegen, besonders geprägt durch ein Vereinsprojekt "L T e.V.". Dieses von einer Jury ausgewählte und als förderungswürdig anerkannte Projekt biete über eine Tätigkeit als Projektleiterin die Chance, die Hilfebedürftigkeit zu überwinden. Ein Antrag auf Einstiegsgeld werde bei Bewilligung der Fördermittel erwogen. Derzeit diene ein Teil der Wohnung als regelmäßiger Treffpunkt des Vereins. Zur Vorbereitung der Selbstständigkeit werde Büroraum benötigt, der in der Wohnung eingerichtet wurde.
Die enge Mitbetreuung der Kinder durch die in unmittelbarer Wohnnähe lebenden Väter sei wegen deren Berufstätigkeit bzw. –vorbereitung derzeit nicht mehr zu realisieren, so dass von einer durch Alleinerziehung geprägten Familiensituation auszugehen sei.
Zumindest müsse der Familie der 10%ige Wohnungs-Mehrbedarf nach Ziffer B der Richtlinien zuerkannt werden.
Der Ag. hält dem Antrag die außergewöhnlich hohen Mietkosten entgegen. Von einer Allein-erziehung könne wegen der zeitweiligen Betreuung durch die Väter nicht ausgegangen werden.
II.
Der nach § 86 b Abs. 2 SGG zulässige Antrag ist auch begründet. Die Ast. haben derzeit noch Anspruch auf Berechnung ihrer Leistungen unter Ansatz der tatsächlich anfallenden Mietkosten abzüglich der Warmwasser-Pauschale.
Das Gericht folgt nach eigener Prüfung den Entscheidungen des LSG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 19.9.2006 – L 3 ER 161/06 AS) und des Bay.LSG (Urteil vom 18.8.2006 – L 7 AS 141/06). Die dort für eine wirksame Mietsenkungsaufforderung verlangte Information darüber, wie sich die zur Beurteilung der Angemessenheit von Unterkunftskosten erstellten Richtwerte zusammensetzten, ist auch nach Ansicht des erkennenden Gerichts ganz wichtig, um dem Leistungsberechtigten eine Obliegenheitsverletzung mit nachteiligen Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch mit hinreichender Deutlichkeit aufzuzeigen. Denn angesichts steigender Betriebsnebenkosten ist es wichtig zu wissen, von welchem Betriebskostenanteil in der Bruttomiete, bzw. pro qm der Ag. ausgeht. Nur dann kann der Betroffene ermitteln, ob für die verbleibende Kaltmiete angemessener Wohnraum in nennenswerter Zahl auf dem Wohnungsmarkt zur Verfügung steht. Hierbei geht das Gericht angesichts der besonderen sozialen Einbindung der Familie davon aus, dass der hier in Betracht kommende Wohnungs-markt den näheren Bezirk umfasst. Weder § 22 Abs. 1 SGB II noch dem Programmsatz des § 2 SGB II ist die Forderung zu entnehmen, dass Hilfebedürftige in Randlagen oder prekäre Wohn-gegenden umziehen sollen. Der Gesetzgeber hat eine räumliche Konzentration von SGB II-Beziehern nicht gewollt.
Es kommt hinzu, dass der Aufforderungsbescheid vom 21.6.2006 den unzutreffenden Hinweis enthält, dass Wohnungsbeschaffungskosten auf Antrag übernommen werden "können". § 22 Abs. 3 SGB II besagt, dass Wohnungsbeschaffungskosten übernommen werden "sollen", wenn der SGB II-Träger den Umzug veranlasst (Versagung nur im atypischen Fall). Dass der Berliner Wohnungsmarkt so entspannt ist, dass genügend angemessener Wohnraum ohne Kautionserfordernis zur Verfügung steht, ist nach Einschätzung des Gerichts nicht feststellbar; in aller Regel wird eine Kaution verlangt.
Aus Sicht des Ast. war deshalb nicht klar, ob sie bei Auffinden einer Wohnung mit der Über-nahme der Kaution und der Umzugskosten verbindlich rechnen können. Dies ist erheblich, da die Suche nach kautionsfreiem Wohnraum den Markt zumutbarer Wohnungen nennenswert verringern kann.
Aus Sicht der Ast. war außerdem nicht klar, ob sie bei dem aus ihrer Sicht zweifelsfrei zu führenden Nachweis einer Alleinerziehung die Mietsenkung überhaupt noch trifft. Wegen der Ausgestaltung der Mietsenkungsaufforderung als Obliegenheit ist auf die Sichtweise der Betroffenen abzustellen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 25.05.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R). Nicht umsonst verpflichtet § 22 Abs. 2 Satz 3 SGB II den Ag. zu einer der wirksamen Mietkürzung vorgeschalteten Anhörung, mit der neben der Mitteilung, dass die Miete als unangemessen beurteilt werde, Raum gegeben wird, Argumente für eine abweichende Beurteilung vorzutra-gen. Die Suchfrist wird daher erst in Gang gesetzt, wenn nach Prüfung der vorgetragenen Argumente vom SGB II-Träger kenntlich gemacht wird, dass sie dessen Beurteilung zur Unangemessenheit nicht verändern.
Der Ag. hätte deshalb darauf hinweisen müssen, dass er selbst bei Nachweis der Allein-erziehung wegen der hohen Miete von seinen selbst gesetzten Handlungsmaßstäben abweichen will. Dass es sich bei dem Vorbringen zur veränderten Betreuungssituation um eine bloße Schutzbehauptung handelt, kann nach Aktenlage nicht angenommen werden.
Im Übrigen wäre bei Unterstellung der Fortgeltung der bisherigen Situation (nachbarschaft-liche Wohnsituation der Väter) darzulegen gewesen, dass dies als Grund für die Beibehaltung der Wohnung nicht anerkannt werde.
Des Weiteren hätte der Ag. zur Inkraftsetzung der Mietsenkung darauf hinweisen müssen, dass hier ungeachtet der substantiiert vorgetragenen Projektplanung "l T e.V." dennoch keine Änderung der von einer Wirtschaftlichkeitsprüfung gesteuerten Senkungsaufforderung beabsichtigt ist. Im Hinblick auf die BSG-Entscheidung vom 23.11.2006 - B 11b AS 3/05 R - könnte eine Kostenübernahme für Zusatzwohnraum zur Vorbereitung einer Selbstständigkeit unter dem Gesichtspunkt einer Förderung nach § 16 Abs. 2 SGB II beachtlich sein:
Zwar hat das LSG zu Recht entschieden, dass die § § 22, 29 und 16 Abs 1 SGB II keine geeignete Rechtsgrundlage hinsichtlich der begehrten Übernahme der Aufwendungen für das angemietete Atelier bieten. Das LSG hat jedoch nicht den § 16 Abs 2 Satz 1 SGB II geprüft und hierzu auch keine Feststellungen getroffen. Nach dieser Vorschrift können über die in § 16 Abs 1 SGB II genannten Leistungen hinaus weitere Leistungen erbracht werden, die für die Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben erforderlich sind. Die Erforderlichkeit der Leistungen beurteilt sich nach den Zielvorgaben der § § 1, 3 SGB II und setzt insbesondere ein schlüssiges Konzept zur Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit voraus.
(aus der Pressemitteilung des noch unveröffentlichten Urteils)
Zu Recht wenden die Ast. schließlich noch ein, dass keine Prüfung eines zumindest um 10% erhöhten Wohnraumbedarfs stattgefunden hat. Da die Ast. noch in 2006 zum Teil unterver-mietet hatten, wäre ihnen ggfs. mit Zuerkennung einer angemessenen Miete von 596,- EUR die Chance eröffnet worden, mit Untermieteinnahmen und ggfs. Einstiegsgeld die nicht über-nahmefähigen Kosten selbst zu tragen. Dieser Gesichtspunkt ist von Belang, da er ebenfalls die Entscheidung über Art und Umfang der Mietsenkungsbemühungen beeinflussen kann.
Folge der unzureichenden bzw. nicht eindeutigen Informationen über die Obliegenheit zur Mietsenkung ist die Fortdauer des Anspruchs auf Übernahme der tatsächlich anfallenden Mietkosten. Das Vorbringen im Eilverfahren kann nicht als konkludente, ausreichende Mietsenkungsaufforderung gewertet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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