Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 KR 3766/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 3710/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28.04.2006 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der vom Kläger zu leistenden Zuzahlungen für das Jahr 2004. Umstritten ist, ob für das Kind M. ein Freibetrag in Höhe von 3.648,00 EUR oder von 5.808,00 EUR anzurechnen ist.
Der 1926 geborene Kläger ist Beamter im Ruhestand und lebt mit seiner Ehefrau L., die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht, zusammen. Im gemeinsamen Haushalt lebt auch der 1958 geborene Sohn M., der zu 100 % schwerbehindert ist und dem die Merkzeichen G, H, aG, RF und BL zuerkannt worden sind (Schwerbehindertenausweis vom 13.12.1988).
Auf seinen Antrag vom 02.07.2004 befreite ihn die Beklagte mit Bescheid vom 22.07.2004 für die Zeit ab 21.07.2004 bis 31.12.2004 von weiteren gesetzlichen Zuzahlungen nach § 62 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Die Belastungsgrenze betrage 268,37 EUR. Da der Kläger bereits anrechenbare Zuzahlungen von 442,11 EUR geleistet habe, werde ihm ein Betrag von 173,74 EUR erstattet. Nach Kenntnis der genauen Höhe der Ruhestandsbezüge des Klägers für das Jahr 2004 nahm die Beklagte mit Bescheid vom 16.06.2005 eine Neuberechnung der Belastungsgrenze vor. Vor Ermittlung der Belastungsgrenze werde von den jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt für den ersten im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen ein Betrag von 15 % der jährlichen Bezugsgröße (4.347 EUR) abgezogen. Für jedes familienversicherte Kind seien die Bruttoeinnahmen um den nach § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 Einkommensteuergesetz (EStG) ergebenden Kinderfreibetrag zu mindern. Damit gelte zur Zeit grundsätzlich ein Freibetrag von 3.648 EUR. Die Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt beliefen sich nach Angaben des Klägers auf 35.978,18 EUR. Hiervon seien für den Ehegatten ein Freibetrag von 4.347 EUR und für das familienversicherte Kind 3.648 EUR abzuziehen. Die Belastungsgrenze werde somit aus 27.983,18 EUR errechnet und betrage 279,83 EUR. Durch diese Neuberechnung ergebe sich eine Differenz von 11,46 EUR, dieser Betrag sei vom Kläger zurückzuzahlen.
Der Kläger erhob Widerspruch und machte geltend, gemäß § 62 Abs. 2 Satz 3 SGB V seien die Bruttoeinnahmen u. a. um den sich aus § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 EStG ergebenden Betrag zu vermindern. Dort sei zusätzlich zu dem zur Sicherung des Existenzminimums gedachten Freibetrag in Höhe von 1.824 EUR je Kind noch ein Freibetrag von 1.080 EUR für den Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf vorgesehen. Nach Satz 2 der Norm seien beide Freibeträge zu verdoppeln. Für jedes Kind ergebe sich daher ein Freibetrag von 5.808 EUR. Die Beklagte habe deswegen die Belastungsgrenze um 21,60 EUR zu hoch angesetzt.
Die Beklagte zog ein Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) vom 07.04.2004 an die Bundesknappschaft bei. Darin heißt es, zur Berechnung des Kinderfreibetrages bei der Ermittlung der Belastungsgrenze verweise § 62 Abs. 2 Satz 3 SGB V auf den sich nach § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 EStG ergebenden Betrag. Verwiesen werde nicht auf die Voraussetzung dieser Vorschriften, sondern lediglich auf den sich rechnerisch bei Anwendung beider Sätze ergebenden Betrag. Zur Entscheidung darüber, welche Rechtsauslegung dem Willen des Gesetzgebers entspreche, müsse die Begründung des Gesetzentwurfes herangezogen werden, in der der Betrag von 3.648 EUR ausdrücklich genannt werde. Dieser Betrag sei auch Grundlage der Berechnung der finanziellen Auswirkungen des Gesetzes gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Belastungsgrenze für das Jahr 2004 betrage 280,04 EUR. Nach Abzug der Erstattung vom 22.07.2004 sei der Kläger mit Zuzahlungen in Höhe von 268,37 EUR belastet. Eine weitere Erstattung könne nicht erfolgen, weil die Zuzahlungen die Belastungsgrenze nicht übersteigen. Bei dem sich nach § 32 Abs.6 Satz 1 und 2 EStG ergebenden Betrag handle es sich entsprechend der Gesetzesbegründung um den doppelten Kinderfreibetrag (2 x 1.824,00 EUR). Soweit für den Sohn M. ein höherer Abzugsbetrag geltend gemacht werde, ergebe sich keine andere Berechnung, da dies der Absicht des Gesetzgebers zuwiderlaufen würde. Angesichts der Vorgabe im Schreiben des BMGS vom 07.04.2004 sehe sich die Beklagte nicht in der Lage, dem Widerspruch des Klägers abzuhelfen. Lediglich hinsichtlich der Forderung in Höhe von 11,46 EUR werde dem Widerspruch abgeholfen. Die Rücknahme eines begünstigten Verwaltungsaktes stehe in ihrem Ermessen. Bei der Ermessensentscheidung sei neben Vertrauensschutzgesichtspunkten auch der geringe Betrag der zu Unrecht gewährten Leistung zu berücksichtigen gewesen.
Mit der hiergegen am 20.12.2005 bei dem Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage verlangt der Kläger weiterhin die Berücksichtigung eines Freibetrags von 5.808 EUR für das Kind M. bei der Bestimmung der Belastungsgrenze. Nicht die Meinung des BMGS, sondern der Gesetzeswortlaut sei maßgebend. In § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG sei zusätzlich zu dem zur Sicherung des Existenzminimums gedachten Freibetrags in Höhe von 1.824 EUR je Kind noch ein Freibetrag von 1.080 für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf vorgesehen. Nach § 32 Abs.6 Satz 2 EStG seien beide Freibeträge zu verdoppeln. Für jedes Kind ergebe sich damit ein Freibetrag von 5.808 EUR. Eine andere Auslegung der Regelung scheide angesichts des klaren Gesetzeswortlauts aus. Entscheidend sei allein, was tatsächlich Gesetz geworden sei und nicht, was der Gesetzgeber habe sagen wollen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Bei der Auslegung des § 62 Abs. 2 Satz 3 SGB V sei die Absicht des Gesetzgebers zu berücksichtigen. Diesbezüglich sei im Gesetzentwurf zum GMG (BT-Drs. 15/1525 S. 95) ausgeführt, dass für Kinder ein Freibetrag eingeführt werde, der an die Stelle der bisherigen prozentualen Berücksichtigung trete. Nicht nur die Wortwahl, sondern auch der der Höhe nach benannte Betrag von 3.648 EUR bringe zum Ausdruck, dass § 62 Abs. 2 Satz 3 SGB V die Verminderung der Bruttoeinnahmen nur um den im EStG genannten Kinderfreibetrag vorsehe. Soweit der Wortlaut des durch das GMG ab 01.01.2004 neu gefassten § 62 SGB V im Widerspruch zu der Gesetzesbegründung stehe, liege ein redaktionelles Versehen vor, welches jedoch nicht dazu führe, dass das Recht anders anzuwenden sei als vom Gesetzgeber vorgesehen. Dementsprechend sei lediglich ein Kinderfreibetrag in Höhe von 3.648 EUR von den Bruttoeinnahmen in Abzug zu bringen.
Durch Urteil vom 28.04.2006 verurteilte das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2005, bei der Bestimmung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen im Jahr 2004 einen Freibetrag in Höhe von 5.808,00 EUR für den Sohn M. zu berücksichtigen und ließ die Berufung zu. Es führte zur Begründung aus, die Beklagte sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass für den noch behinderungsbedingt zu berücksichtigenden Sohn nur der doppelte Kinderfreibetrag (= 3.648,00 EUR) maßgeblich sei. Die vorgenommene Auslegung der Beklagten sei mit dem Gesetzeswortlaut nicht zu vereinbaren. § 62 Abs. 2 Satz 3 SGB V lege eindeutig fest, dass die Bruttoeinnahmen um den sich nach § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 EStG ergebenden Betrag zu vermindern seien. Damit sei ausdrücklich der gesamte Betrag des § 32 Abs.6 Satz 1 EStG und nicht lediglich der Kinderfreibetrag festgelegt. Dass der Gesetzgeber möglicherweise eine andere Freibetragsregelung beabsichtigt habe, legitimiere keine andere Auslegung. Wenn der Gesetzgeber nur die Berücksichtigung des Kinderfreibetrages im Sinne des § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG habe regeln wollen, so sei dies gesetzestechnisch nicht umgesetzt worden. In der Formulierung des § 62 Abs. 2 Satz 3 heiße es ausdrücklich "Betrag" und nicht "Kinderfreibetrag". Sei der Gesetzeswortlaut aber eindeutig, so sei dieser vorrangig gegenüber einer eventuell bestandenen Absicht des Gesetzgebers. Das SG hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Berufung zugelassen.
Gegen das ihr am 15.05.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 09.06.2006 Berufung eingelegt, mit der sie ihre bisherige Rechtsauffassung weiter verfolgt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28. April 2006 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des SG im Ergebnis und in der Begründung für zutreffend und sieht sich in seiner Rechtsauffassung durch das Urteil des BSG vom 30.6.2009 - B 1 KR 17/08 bestätigt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und Kraft Zulassung durch das SG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Bei der Ermittlung der Belastungsgrenzen ist für das Kind M. ein Freibetrag von 5.808 EUR zu berücksichtigen. Der entgegen stehende Bescheid der Beklagten vom 16.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2005 kann daher keinen Bestand haben.
Nach § 62 SGB V in der hier maßgeblichen, während des ganzen Jahres 2004 geltenden Fassung des GMG vom 14.11.2003 - BGBl. I S. 2190 haben Versicherte während jedes Kalenderjahres nur Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze zu leisten; wird die Belastungsgrenze bereits innerhalb eines Kalenderjahres erreicht, hat die Krankenkasse eine Bescheinigung darüber zu erteilen, dass für den Rest des Kalenderjahres keine Zuzahlungen mehr zu leisten sind. Die Belastungsgrenze beträgt 2 v.H. der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt; für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, beträgt sie 1 v.H. der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt (Abs. 1).
Bei der Ermittlung der Belastungsgrenze nach Abs. 1 werden nach Abs. 2 die Zuzahlungen und die Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt der mit dem Versicherten im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten und des Lebenspartners jeweils zusammen gerechnet (Satz 1). Hierbei sind die jährlichen Bruttoeinnahmen für den ersten in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten um 15 v.H. und für jeden weiteren im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten und des Lebenspartners um 10 v.H. der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches zu vermindern (Satz 2). Für jedes Kind des Versicherten und des Lebenspartners sind die jährlichen Bruttoeinnahmen um den sich nach § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 des EStG ergebenden Betrag zu vermindern; die in Satz 2 bei der Ermittlung der Belastungsgrenze vorgesehene Berücksichtigung entfällt (Satz3).
§ 32 EStG in der 2004 geltenden Fassung des Haushaltbegleitgesetzes 2004 vom 29.12.2003 - BGBl. I S. 3076 - hatte folgenden Wortlaut: "Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 1.824 EUR für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1.080 EUR für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen. Bei Ehegatten, die nach §§ 26, 26b zusammen zur Einkommenssteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht."
Ausgehend von diesen Rechtsgrundlagen ist zunächst festzustellen, dass zwischen den Beteiligten die Höhe der jährlichen Bruttoeinnahmen des Klägers zum Lebensunterhalt ebenso unstreitig ist wie der Abzugsbetrag für die Ehefrau des Klägers. Auch die Voraussetzungen des § 32 Abs 6 Satz 1 und 2 EStG sind bezüglich des gemeinsamen Kindschaftsverhältnisses und der gemeinsamen Veranlagung zur Einkommensteuer unstreitig. Auch über die sonstigen Faktoren zur Berechnung der Belastungsgrenze herrscht zwischen den Beteiligten kein Streit.
Obwohl allein das Kind M. wegen einer schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung steht, wird die Belastungsgrenze für den Kläger, der selbst ebenso wenig wie seine Ehefrau an einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung leidet, lediglich mit 1 v.H. der jährlichen Bruttoeinnahmen angesetzt. Die Beklagte ist dabei entsprechend dem gemeinsamen Rundschreiben 030 zum GMG (vgl. Bl. 18 Verwaltungsakte) davon ausgegangen, dass die Absenkung der Belastungsgrenze für den gesamten Familienhaushalt gilt, wenn mindestens eine Person wegen der schwerwiegenden Erkrankung in Dauerbehandlung ist. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Obwohl nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt, ergibt sie sich mittelbar aus § 62 Abs. 2 Satz 1 SGB V, wonach bei der Ermittlung der Belastungsgrenzen die Zuzahlungen und die Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt der in einem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen zusammenzurechnen sind. Das arithmetisches Mittel der Belastungsgrenzen der einzelnen Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft ist im Gesetz nicht vorgesehen, würde man aber nur auf die individuelle Belastungsgrenze des einzelnen Versicherten abstellen, liefe dies dem in § 62 Abs. 2 Satz 1 SGB V vorgegebenen Grundsatz der Zusammenrechnung zuwider.
Zu Recht hat die Beklagte auch auf das Kind M. die Vorschrift des § 62 Abs. 2 Satz 3 SGB V angewendet. Obwohl M. im Jahre 2004 bereits 46 Jahre alt war, ist er bei Anwendung von § 62 Abs. 2 nicht als weiterer im Haushalt lebender Angehöriger anzusehen, sondern als Kind des Klägers. § 62 SGB V enthält selbst keine nähere Definition des Begriffes des Kindes. Nachdem das BSG mit Urteil vom 26.06.2007 - B 1 KR 41/06 R - entschieden hat, dass Kinder auch dann zu berücksichtigen sind, wenn sie nicht familienversichert sind, kann offen bleiben, ob M. nach § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V als Kind des Klägers familienversichert ist und bereits deshalb konsequenterweise auch in § 62 Abs. 2 SGB V als Kind anzusehen wäre. Mit der Verweisung auf § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 EStG übernimmt § 62 Abs. 2 SGB V zugleich den dort verwendeten Begriff des zu berücksichtigenden Kindes. Die Verweisung in § 62 Abs. 2 Satz 3 SGB V setzt voraus, dass die entsprechenden Freibeträge auch steuerrechtlich der betreffenden Person zustehen, sie also Kind im Sinne der steuerrechtlichen Vorschriften ist. Anders gesagt, nur für Personen, für die der Kinderfreibetrag gilt, sollen die Zuzahlungen entsprechend reduziert werden. Steuerrechtlich sind Kinder nach § 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen, die wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, wobei Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist (§ 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG), was bei M. unstreitig der Fall ist.
Bei der allein zwischen den Beteiligten streitigen Frage, ob lediglich der (jeweils nach § 32 Abs. 6 Satz 2 EStG zu verdoppelnde) Freibetrag für die sächliche Existenz in Höhe von 1.824 EUR (verdoppelt 3.648) EUR oder zusätzlich der Freibetrag von 1.080 EUR (verdoppelt 2.160 EUR) für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes belastungsmindernd zu berücksichtigen, ist folgt der Senat dem SG. Das Gesetz verweist in § 62 Abs. 2 Satz 3 SGB V auf den sich nach § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 EStG ergebenden Betrag, um den die Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt des Versicherten zu mindern sind. Der sich aus § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 EStG ergebende Betrag setzt sich aber sowohl aus dem Kinderfreibetrag für das sächliche Existenzminimum als auch dem Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs oder Ausbildungsbedarf des Kindes zusammen. Der Gesetzgeber hat im Einkommensteuergesetz statt eines einheitlichen Kinderfreibetrags zwei nach dem Förderungszweck näher bestimmte Freibeträge vorgesehen, die aber ausdrücklich zusammengezählt werden dürfen, wie aus dem Wort "sowie" folgt, und deren Zuerkennung von identischen Voraussetzungen abhängt. Diese Trennung ermöglicht, die Freibeträge steuerlich verschiedenen Personen zuzuordnen und etwa zwischen den personensorgeberechtigten Eltern (Kinderfreibetrag) und den tatsächlich erziehenden Großeltern (Erziehungsfreibetrag) zu trennen (vgl. § 32 Abs. 6 Satz 6 letzter Halbsatz EStG). § 62 Abs. 2 Satz 3 SGB V hat diese steuerrechtlich mögliche Aufteilung nicht übernommen und differenziert nicht näher zwischen dem Verwendungszweck der verschiedenen Freibeträge, sondern nimmt nur eine pauschale Verweisung auf § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 EStG vor. Die steuerrechtlich vorgesehenen Entlastungen werden somit in gleicher Größenordnung bei der Ermittlung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen an die Familien berücksichtigt. Die von der Beklagten vertretene Auslegung, dass lediglich der Kinderfreibetrag von 1.824 EUR (verdoppelt 3.648 EUR) von der Bezugnahme in § 62 Abs. 2 Satz 3 erfasst wird, findet im Gesetz somit keine Stütze.
Soweit in der Kommentarliteratur Überlegungen angestellt werden, wie als ungerecht angesehene Ergebnisse vermieden werden können (Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Stand Nov. 2008, § 62 Rn 44: der Freibetrag von 3648 EUR ist unabhängig davon anzuwenden, ob die Eltern gemeinschaftlich steuerlich veranlagt werden; - Sichert in Becker/Kingreen, Gesetzliche Krankenversicherung, München 2008, § 62 Rn 23: die Addition der Freibeträge führt zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Besserstellung der Kinder im Vergleich zu dem ersten im Haushalt lebenden Angehörigen; -Spitzenverbände der Krankenkassen (zitiert aus Hauck/Haines/Gerlach, Sozialgesetzbuch V, Kommentierung zu § 62 Rn 55): Bei alleinerziehenden ist für das erste Kind der höhere Freibetrag für den ersten Angehörigen in Höhe von 15 v. H. der Bezugsgröße zu Grunde zu legen) finden diese im Gesetz keine Stütze. Solche Überlegungen hätten vom Gesetzgeber angestellt und gegebenenfalls Eingang in den Gesetzestext finden müssen. Es liegt nicht in der Hand der Rechtsprechung, solche Entscheidungen des Gesetzgebers zu korrigieren, indem richterrechtlich eigenständig Freibeträge festgelegt werden (vgl. BSG Urt. v. 26.06.2007 - B 1 KR 41/06 R Juris-Ausdruck Rn 17). Der in der BT-Drs. 15/1525 S. 95 erwähnte Betrag von 3.648 EUR mag die ursprüngliche Vorstellung des Ministeriums während des Gesetzgebungsverfahrens zum Ausdruck bringen, diese Vorstellung hat - worauf das SG zu Recht hingewiesen hat - in den Gesetzestext keinen Eingang gefunden. Sonstige Wertungen des Gesetzgebers, die eine Minderung oder Erhöhung auf den Freibetrag von nur 1.824 EUR bzw. 3.648 EUR zuließen, lassen sich weder § 62 SGB V noch § 32 EStG entnehmen.
Insbesondere ist in diesem Zusammenhang unerheblich, ob der Kläger für das Kind M. zusätzlich Kindergeld erhalten hat. § 62 Abs. 2 SGB V stellt im Zusammenhang mit der Ermittlung des Freibetrages für Kinder nicht auf den Bezug von Kindergeld ab. Kindergeld seinerseits ist bei der Berücksichtigung der Höhe der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 22.04.2008 - B 1 KR 5/07 - nicht zu berücksichtigen. Soweit andererseits das BSG in der Entscheidung vom 10.05.2007 - B 10 KR 1/06 R - die Frage aufgeworfen hat, ob ausgehend von einem Minderungsbetrag von 5.808 EUR je Kind das davon gezahlte Kindergeld abzuziehen ist, vermag ihm der Senat nicht zu folgen. § 62 SGB V enthält lediglich eine punktuelle Verweisung auf die Vorschrift von § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 EStG. Eine generelle Verweisung auf die Vorschriften des Kindergeldrechtes im EStG (§§ 62 bis 78 EStG sowie § 31 EStG) findet gerade nicht statt. Insbesondere wird auf § 31 Abs.1 Satz 1 EStG nicht Bezug genommen. Nach dieser Vorschrift wird die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung durch die Freibeträge nach § 32 Abs.6 oder durch Kindergeld nach dem Zehnten Abschnitt bewirkt. Diese Regelungen des Familienleistungsausgleichs sind in § 62 Abs. 2 SGB V nicht übernommen worden und damit für die Ermittlung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen ohne Bedeutung. Der Senat hat daher keine rechtliche Handhabe, einen Freibetrag zu bilden, der die rechtlichen Relationen zu dem Freibetrag des § 62 Abs. 2 Satz 2 für den Lebenspartner des Versicherten wahrt. Hier die Relationen festzulegen, ist Aufgabe des Gesetzgebers. Dadurch dass der Gesetzgeber im Einkommensteuerrecht nicht nur einen Freibetrag für das sächliche Existenzminimum vorsieht, sondern noch einen weiteren Freibetrag für den Betreuungsbedarf des Kindes und er in § 62 Abs. 2 Satz 3 SGB V hierauf Bezug nimmt, hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, in welchem Umfang er die Ausgaben für Kinder bei der Errechnung der Belastungsgrenze berücksichtigt wissen will.
Nach alledem konnte die Berufung der Beklagten keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Nachdem das BSG mit Urteil vom 30.6.2009 - B 1 KR 17/08 die hier anhängige Rechtsfrage mit übereinstimmenden Ergebnis grundsätzlich entschieden hat, besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der vom Kläger zu leistenden Zuzahlungen für das Jahr 2004. Umstritten ist, ob für das Kind M. ein Freibetrag in Höhe von 3.648,00 EUR oder von 5.808,00 EUR anzurechnen ist.
Der 1926 geborene Kläger ist Beamter im Ruhestand und lebt mit seiner Ehefrau L., die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht, zusammen. Im gemeinsamen Haushalt lebt auch der 1958 geborene Sohn M., der zu 100 % schwerbehindert ist und dem die Merkzeichen G, H, aG, RF und BL zuerkannt worden sind (Schwerbehindertenausweis vom 13.12.1988).
Auf seinen Antrag vom 02.07.2004 befreite ihn die Beklagte mit Bescheid vom 22.07.2004 für die Zeit ab 21.07.2004 bis 31.12.2004 von weiteren gesetzlichen Zuzahlungen nach § 62 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Die Belastungsgrenze betrage 268,37 EUR. Da der Kläger bereits anrechenbare Zuzahlungen von 442,11 EUR geleistet habe, werde ihm ein Betrag von 173,74 EUR erstattet. Nach Kenntnis der genauen Höhe der Ruhestandsbezüge des Klägers für das Jahr 2004 nahm die Beklagte mit Bescheid vom 16.06.2005 eine Neuberechnung der Belastungsgrenze vor. Vor Ermittlung der Belastungsgrenze werde von den jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt für den ersten im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen ein Betrag von 15 % der jährlichen Bezugsgröße (4.347 EUR) abgezogen. Für jedes familienversicherte Kind seien die Bruttoeinnahmen um den nach § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 Einkommensteuergesetz (EStG) ergebenden Kinderfreibetrag zu mindern. Damit gelte zur Zeit grundsätzlich ein Freibetrag von 3.648 EUR. Die Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt beliefen sich nach Angaben des Klägers auf 35.978,18 EUR. Hiervon seien für den Ehegatten ein Freibetrag von 4.347 EUR und für das familienversicherte Kind 3.648 EUR abzuziehen. Die Belastungsgrenze werde somit aus 27.983,18 EUR errechnet und betrage 279,83 EUR. Durch diese Neuberechnung ergebe sich eine Differenz von 11,46 EUR, dieser Betrag sei vom Kläger zurückzuzahlen.
Der Kläger erhob Widerspruch und machte geltend, gemäß § 62 Abs. 2 Satz 3 SGB V seien die Bruttoeinnahmen u. a. um den sich aus § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 EStG ergebenden Betrag zu vermindern. Dort sei zusätzlich zu dem zur Sicherung des Existenzminimums gedachten Freibetrag in Höhe von 1.824 EUR je Kind noch ein Freibetrag von 1.080 EUR für den Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf vorgesehen. Nach Satz 2 der Norm seien beide Freibeträge zu verdoppeln. Für jedes Kind ergebe sich daher ein Freibetrag von 5.808 EUR. Die Beklagte habe deswegen die Belastungsgrenze um 21,60 EUR zu hoch angesetzt.
Die Beklagte zog ein Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) vom 07.04.2004 an die Bundesknappschaft bei. Darin heißt es, zur Berechnung des Kinderfreibetrages bei der Ermittlung der Belastungsgrenze verweise § 62 Abs. 2 Satz 3 SGB V auf den sich nach § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 EStG ergebenden Betrag. Verwiesen werde nicht auf die Voraussetzung dieser Vorschriften, sondern lediglich auf den sich rechnerisch bei Anwendung beider Sätze ergebenden Betrag. Zur Entscheidung darüber, welche Rechtsauslegung dem Willen des Gesetzgebers entspreche, müsse die Begründung des Gesetzentwurfes herangezogen werden, in der der Betrag von 3.648 EUR ausdrücklich genannt werde. Dieser Betrag sei auch Grundlage der Berechnung der finanziellen Auswirkungen des Gesetzes gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Belastungsgrenze für das Jahr 2004 betrage 280,04 EUR. Nach Abzug der Erstattung vom 22.07.2004 sei der Kläger mit Zuzahlungen in Höhe von 268,37 EUR belastet. Eine weitere Erstattung könne nicht erfolgen, weil die Zuzahlungen die Belastungsgrenze nicht übersteigen. Bei dem sich nach § 32 Abs.6 Satz 1 und 2 EStG ergebenden Betrag handle es sich entsprechend der Gesetzesbegründung um den doppelten Kinderfreibetrag (2 x 1.824,00 EUR). Soweit für den Sohn M. ein höherer Abzugsbetrag geltend gemacht werde, ergebe sich keine andere Berechnung, da dies der Absicht des Gesetzgebers zuwiderlaufen würde. Angesichts der Vorgabe im Schreiben des BMGS vom 07.04.2004 sehe sich die Beklagte nicht in der Lage, dem Widerspruch des Klägers abzuhelfen. Lediglich hinsichtlich der Forderung in Höhe von 11,46 EUR werde dem Widerspruch abgeholfen. Die Rücknahme eines begünstigten Verwaltungsaktes stehe in ihrem Ermessen. Bei der Ermessensentscheidung sei neben Vertrauensschutzgesichtspunkten auch der geringe Betrag der zu Unrecht gewährten Leistung zu berücksichtigen gewesen.
Mit der hiergegen am 20.12.2005 bei dem Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage verlangt der Kläger weiterhin die Berücksichtigung eines Freibetrags von 5.808 EUR für das Kind M. bei der Bestimmung der Belastungsgrenze. Nicht die Meinung des BMGS, sondern der Gesetzeswortlaut sei maßgebend. In § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG sei zusätzlich zu dem zur Sicherung des Existenzminimums gedachten Freibetrags in Höhe von 1.824 EUR je Kind noch ein Freibetrag von 1.080 für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf vorgesehen. Nach § 32 Abs.6 Satz 2 EStG seien beide Freibeträge zu verdoppeln. Für jedes Kind ergebe sich damit ein Freibetrag von 5.808 EUR. Eine andere Auslegung der Regelung scheide angesichts des klaren Gesetzeswortlauts aus. Entscheidend sei allein, was tatsächlich Gesetz geworden sei und nicht, was der Gesetzgeber habe sagen wollen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Bei der Auslegung des § 62 Abs. 2 Satz 3 SGB V sei die Absicht des Gesetzgebers zu berücksichtigen. Diesbezüglich sei im Gesetzentwurf zum GMG (BT-Drs. 15/1525 S. 95) ausgeführt, dass für Kinder ein Freibetrag eingeführt werde, der an die Stelle der bisherigen prozentualen Berücksichtigung trete. Nicht nur die Wortwahl, sondern auch der der Höhe nach benannte Betrag von 3.648 EUR bringe zum Ausdruck, dass § 62 Abs. 2 Satz 3 SGB V die Verminderung der Bruttoeinnahmen nur um den im EStG genannten Kinderfreibetrag vorsehe. Soweit der Wortlaut des durch das GMG ab 01.01.2004 neu gefassten § 62 SGB V im Widerspruch zu der Gesetzesbegründung stehe, liege ein redaktionelles Versehen vor, welches jedoch nicht dazu führe, dass das Recht anders anzuwenden sei als vom Gesetzgeber vorgesehen. Dementsprechend sei lediglich ein Kinderfreibetrag in Höhe von 3.648 EUR von den Bruttoeinnahmen in Abzug zu bringen.
Durch Urteil vom 28.04.2006 verurteilte das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2005, bei der Bestimmung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen im Jahr 2004 einen Freibetrag in Höhe von 5.808,00 EUR für den Sohn M. zu berücksichtigen und ließ die Berufung zu. Es führte zur Begründung aus, die Beklagte sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass für den noch behinderungsbedingt zu berücksichtigenden Sohn nur der doppelte Kinderfreibetrag (= 3.648,00 EUR) maßgeblich sei. Die vorgenommene Auslegung der Beklagten sei mit dem Gesetzeswortlaut nicht zu vereinbaren. § 62 Abs. 2 Satz 3 SGB V lege eindeutig fest, dass die Bruttoeinnahmen um den sich nach § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 EStG ergebenden Betrag zu vermindern seien. Damit sei ausdrücklich der gesamte Betrag des § 32 Abs.6 Satz 1 EStG und nicht lediglich der Kinderfreibetrag festgelegt. Dass der Gesetzgeber möglicherweise eine andere Freibetragsregelung beabsichtigt habe, legitimiere keine andere Auslegung. Wenn der Gesetzgeber nur die Berücksichtigung des Kinderfreibetrages im Sinne des § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG habe regeln wollen, so sei dies gesetzestechnisch nicht umgesetzt worden. In der Formulierung des § 62 Abs. 2 Satz 3 heiße es ausdrücklich "Betrag" und nicht "Kinderfreibetrag". Sei der Gesetzeswortlaut aber eindeutig, so sei dieser vorrangig gegenüber einer eventuell bestandenen Absicht des Gesetzgebers. Das SG hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Berufung zugelassen.
Gegen das ihr am 15.05.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 09.06.2006 Berufung eingelegt, mit der sie ihre bisherige Rechtsauffassung weiter verfolgt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28. April 2006 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des SG im Ergebnis und in der Begründung für zutreffend und sieht sich in seiner Rechtsauffassung durch das Urteil des BSG vom 30.6.2009 - B 1 KR 17/08 bestätigt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und Kraft Zulassung durch das SG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Bei der Ermittlung der Belastungsgrenzen ist für das Kind M. ein Freibetrag von 5.808 EUR zu berücksichtigen. Der entgegen stehende Bescheid der Beklagten vom 16.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2005 kann daher keinen Bestand haben.
Nach § 62 SGB V in der hier maßgeblichen, während des ganzen Jahres 2004 geltenden Fassung des GMG vom 14.11.2003 - BGBl. I S. 2190 haben Versicherte während jedes Kalenderjahres nur Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze zu leisten; wird die Belastungsgrenze bereits innerhalb eines Kalenderjahres erreicht, hat die Krankenkasse eine Bescheinigung darüber zu erteilen, dass für den Rest des Kalenderjahres keine Zuzahlungen mehr zu leisten sind. Die Belastungsgrenze beträgt 2 v.H. der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt; für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, beträgt sie 1 v.H. der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt (Abs. 1).
Bei der Ermittlung der Belastungsgrenze nach Abs. 1 werden nach Abs. 2 die Zuzahlungen und die Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt der mit dem Versicherten im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten und des Lebenspartners jeweils zusammen gerechnet (Satz 1). Hierbei sind die jährlichen Bruttoeinnahmen für den ersten in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten um 15 v.H. und für jeden weiteren im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten und des Lebenspartners um 10 v.H. der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches zu vermindern (Satz 2). Für jedes Kind des Versicherten und des Lebenspartners sind die jährlichen Bruttoeinnahmen um den sich nach § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 des EStG ergebenden Betrag zu vermindern; die in Satz 2 bei der Ermittlung der Belastungsgrenze vorgesehene Berücksichtigung entfällt (Satz3).
§ 32 EStG in der 2004 geltenden Fassung des Haushaltbegleitgesetzes 2004 vom 29.12.2003 - BGBl. I S. 3076 - hatte folgenden Wortlaut: "Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 1.824 EUR für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1.080 EUR für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen. Bei Ehegatten, die nach §§ 26, 26b zusammen zur Einkommenssteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht."
Ausgehend von diesen Rechtsgrundlagen ist zunächst festzustellen, dass zwischen den Beteiligten die Höhe der jährlichen Bruttoeinnahmen des Klägers zum Lebensunterhalt ebenso unstreitig ist wie der Abzugsbetrag für die Ehefrau des Klägers. Auch die Voraussetzungen des § 32 Abs 6 Satz 1 und 2 EStG sind bezüglich des gemeinsamen Kindschaftsverhältnisses und der gemeinsamen Veranlagung zur Einkommensteuer unstreitig. Auch über die sonstigen Faktoren zur Berechnung der Belastungsgrenze herrscht zwischen den Beteiligten kein Streit.
Obwohl allein das Kind M. wegen einer schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung steht, wird die Belastungsgrenze für den Kläger, der selbst ebenso wenig wie seine Ehefrau an einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung leidet, lediglich mit 1 v.H. der jährlichen Bruttoeinnahmen angesetzt. Die Beklagte ist dabei entsprechend dem gemeinsamen Rundschreiben 030 zum GMG (vgl. Bl. 18 Verwaltungsakte) davon ausgegangen, dass die Absenkung der Belastungsgrenze für den gesamten Familienhaushalt gilt, wenn mindestens eine Person wegen der schwerwiegenden Erkrankung in Dauerbehandlung ist. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Obwohl nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt, ergibt sie sich mittelbar aus § 62 Abs. 2 Satz 1 SGB V, wonach bei der Ermittlung der Belastungsgrenzen die Zuzahlungen und die Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt der in einem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen zusammenzurechnen sind. Das arithmetisches Mittel der Belastungsgrenzen der einzelnen Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft ist im Gesetz nicht vorgesehen, würde man aber nur auf die individuelle Belastungsgrenze des einzelnen Versicherten abstellen, liefe dies dem in § 62 Abs. 2 Satz 1 SGB V vorgegebenen Grundsatz der Zusammenrechnung zuwider.
Zu Recht hat die Beklagte auch auf das Kind M. die Vorschrift des § 62 Abs. 2 Satz 3 SGB V angewendet. Obwohl M. im Jahre 2004 bereits 46 Jahre alt war, ist er bei Anwendung von § 62 Abs. 2 nicht als weiterer im Haushalt lebender Angehöriger anzusehen, sondern als Kind des Klägers. § 62 SGB V enthält selbst keine nähere Definition des Begriffes des Kindes. Nachdem das BSG mit Urteil vom 26.06.2007 - B 1 KR 41/06 R - entschieden hat, dass Kinder auch dann zu berücksichtigen sind, wenn sie nicht familienversichert sind, kann offen bleiben, ob M. nach § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V als Kind des Klägers familienversichert ist und bereits deshalb konsequenterweise auch in § 62 Abs. 2 SGB V als Kind anzusehen wäre. Mit der Verweisung auf § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 EStG übernimmt § 62 Abs. 2 SGB V zugleich den dort verwendeten Begriff des zu berücksichtigenden Kindes. Die Verweisung in § 62 Abs. 2 Satz 3 SGB V setzt voraus, dass die entsprechenden Freibeträge auch steuerrechtlich der betreffenden Person zustehen, sie also Kind im Sinne der steuerrechtlichen Vorschriften ist. Anders gesagt, nur für Personen, für die der Kinderfreibetrag gilt, sollen die Zuzahlungen entsprechend reduziert werden. Steuerrechtlich sind Kinder nach § 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen, die wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, wobei Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist (§ 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG), was bei M. unstreitig der Fall ist.
Bei der allein zwischen den Beteiligten streitigen Frage, ob lediglich der (jeweils nach § 32 Abs. 6 Satz 2 EStG zu verdoppelnde) Freibetrag für die sächliche Existenz in Höhe von 1.824 EUR (verdoppelt 3.648) EUR oder zusätzlich der Freibetrag von 1.080 EUR (verdoppelt 2.160 EUR) für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes belastungsmindernd zu berücksichtigen, ist folgt der Senat dem SG. Das Gesetz verweist in § 62 Abs. 2 Satz 3 SGB V auf den sich nach § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 EStG ergebenden Betrag, um den die Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt des Versicherten zu mindern sind. Der sich aus § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 EStG ergebende Betrag setzt sich aber sowohl aus dem Kinderfreibetrag für das sächliche Existenzminimum als auch dem Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs oder Ausbildungsbedarf des Kindes zusammen. Der Gesetzgeber hat im Einkommensteuergesetz statt eines einheitlichen Kinderfreibetrags zwei nach dem Förderungszweck näher bestimmte Freibeträge vorgesehen, die aber ausdrücklich zusammengezählt werden dürfen, wie aus dem Wort "sowie" folgt, und deren Zuerkennung von identischen Voraussetzungen abhängt. Diese Trennung ermöglicht, die Freibeträge steuerlich verschiedenen Personen zuzuordnen und etwa zwischen den personensorgeberechtigten Eltern (Kinderfreibetrag) und den tatsächlich erziehenden Großeltern (Erziehungsfreibetrag) zu trennen (vgl. § 32 Abs. 6 Satz 6 letzter Halbsatz EStG). § 62 Abs. 2 Satz 3 SGB V hat diese steuerrechtlich mögliche Aufteilung nicht übernommen und differenziert nicht näher zwischen dem Verwendungszweck der verschiedenen Freibeträge, sondern nimmt nur eine pauschale Verweisung auf § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 EStG vor. Die steuerrechtlich vorgesehenen Entlastungen werden somit in gleicher Größenordnung bei der Ermittlung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen an die Familien berücksichtigt. Die von der Beklagten vertretene Auslegung, dass lediglich der Kinderfreibetrag von 1.824 EUR (verdoppelt 3.648 EUR) von der Bezugnahme in § 62 Abs. 2 Satz 3 erfasst wird, findet im Gesetz somit keine Stütze.
Soweit in der Kommentarliteratur Überlegungen angestellt werden, wie als ungerecht angesehene Ergebnisse vermieden werden können (Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Stand Nov. 2008, § 62 Rn 44: der Freibetrag von 3648 EUR ist unabhängig davon anzuwenden, ob die Eltern gemeinschaftlich steuerlich veranlagt werden; - Sichert in Becker/Kingreen, Gesetzliche Krankenversicherung, München 2008, § 62 Rn 23: die Addition der Freibeträge führt zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Besserstellung der Kinder im Vergleich zu dem ersten im Haushalt lebenden Angehörigen; -Spitzenverbände der Krankenkassen (zitiert aus Hauck/Haines/Gerlach, Sozialgesetzbuch V, Kommentierung zu § 62 Rn 55): Bei alleinerziehenden ist für das erste Kind der höhere Freibetrag für den ersten Angehörigen in Höhe von 15 v. H. der Bezugsgröße zu Grunde zu legen) finden diese im Gesetz keine Stütze. Solche Überlegungen hätten vom Gesetzgeber angestellt und gegebenenfalls Eingang in den Gesetzestext finden müssen. Es liegt nicht in der Hand der Rechtsprechung, solche Entscheidungen des Gesetzgebers zu korrigieren, indem richterrechtlich eigenständig Freibeträge festgelegt werden (vgl. BSG Urt. v. 26.06.2007 - B 1 KR 41/06 R Juris-Ausdruck Rn 17). Der in der BT-Drs. 15/1525 S. 95 erwähnte Betrag von 3.648 EUR mag die ursprüngliche Vorstellung des Ministeriums während des Gesetzgebungsverfahrens zum Ausdruck bringen, diese Vorstellung hat - worauf das SG zu Recht hingewiesen hat - in den Gesetzestext keinen Eingang gefunden. Sonstige Wertungen des Gesetzgebers, die eine Minderung oder Erhöhung auf den Freibetrag von nur 1.824 EUR bzw. 3.648 EUR zuließen, lassen sich weder § 62 SGB V noch § 32 EStG entnehmen.
Insbesondere ist in diesem Zusammenhang unerheblich, ob der Kläger für das Kind M. zusätzlich Kindergeld erhalten hat. § 62 Abs. 2 SGB V stellt im Zusammenhang mit der Ermittlung des Freibetrages für Kinder nicht auf den Bezug von Kindergeld ab. Kindergeld seinerseits ist bei der Berücksichtigung der Höhe der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 22.04.2008 - B 1 KR 5/07 - nicht zu berücksichtigen. Soweit andererseits das BSG in der Entscheidung vom 10.05.2007 - B 10 KR 1/06 R - die Frage aufgeworfen hat, ob ausgehend von einem Minderungsbetrag von 5.808 EUR je Kind das davon gezahlte Kindergeld abzuziehen ist, vermag ihm der Senat nicht zu folgen. § 62 SGB V enthält lediglich eine punktuelle Verweisung auf die Vorschrift von § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 EStG. Eine generelle Verweisung auf die Vorschriften des Kindergeldrechtes im EStG (§§ 62 bis 78 EStG sowie § 31 EStG) findet gerade nicht statt. Insbesondere wird auf § 31 Abs.1 Satz 1 EStG nicht Bezug genommen. Nach dieser Vorschrift wird die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung durch die Freibeträge nach § 32 Abs.6 oder durch Kindergeld nach dem Zehnten Abschnitt bewirkt. Diese Regelungen des Familienleistungsausgleichs sind in § 62 Abs. 2 SGB V nicht übernommen worden und damit für die Ermittlung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen ohne Bedeutung. Der Senat hat daher keine rechtliche Handhabe, einen Freibetrag zu bilden, der die rechtlichen Relationen zu dem Freibetrag des § 62 Abs. 2 Satz 2 für den Lebenspartner des Versicherten wahrt. Hier die Relationen festzulegen, ist Aufgabe des Gesetzgebers. Dadurch dass der Gesetzgeber im Einkommensteuerrecht nicht nur einen Freibetrag für das sächliche Existenzminimum vorsieht, sondern noch einen weiteren Freibetrag für den Betreuungsbedarf des Kindes und er in § 62 Abs. 2 Satz 3 SGB V hierauf Bezug nimmt, hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, in welchem Umfang er die Ausgaben für Kinder bei der Errechnung der Belastungsgrenze berücksichtigt wissen will.
Nach alledem konnte die Berufung der Beklagten keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Nachdem das BSG mit Urteil vom 30.6.2009 - B 1 KR 17/08 die hier anhängige Rechtsfrage mit übereinstimmenden Ergebnis grundsätzlich entschieden hat, besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen.
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