L 5 KR 3715/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 12 KR 2462/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 3715/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. Juni 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Krankengeld über den 30.1.2005 hinaus.

Die 1968 geborene Klägerin, bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert, ist bei der Fa. Daimler als Verwaltungsangestellte (Bürokauffrau) versicherungspflichtig beschäftigt.

Im September 2004 klemmte sich die Klägerin das rechte Handgelenk im Kofferraum ihres Kraftfahrzeugs ein und zog sich dabei eine Handgelenksdistorsion zu. Deswegen war sie arbeitsunfähig krank. Nach Beendigung der gesetzlichen Lohnfortzahlung am 21.10.2004 bezog sie ab 22.10.2004 Krankengeld in Höhe von täglich 71,56 EUR brutto (netto 61,64 EUR). Arbeitsunfähigkeit wurde zunächst von Dr. K. mit der Diagnose "Z. n. schwerer Beugesehnenzerrung" bescheinigt (Auszahlungsscheine für Krankengeld vom 27.10.2004, 8.11.2004, 22.11.2004, 3.12.2004, 17.12.2004, 3.1.2005); sodann bescheinigte Dr. W. Arbeitsunfähigkeit (unter der gleichen Diagnose) mit Auszahlungsscheinen vom 11.1.2005, 21.1.2005, 1.2.2005, 15.2.2005 und 1.3.2005.

Nachdem die Klägerin am 26.11.2004 mitgeteilt hatte, sie habe einen Arbeitsversuch nur 4 Tage durchgehalten (Verwaltungsakte S. 11), holte die Beklagte eine Auskunft bei Dr. K. ein. Dieser teilte unter dem 14.12.2004 mit, es sei nicht absehbar, wann die Klägerin wieder arbeitsfähig sein werde; eine MDK-Vorstellung werde angeregt. Die Beklagte erhob sodann das MDK-Gutachten des Dr. M. vom 23.12.2004 (Verwaltungsakte S. 21). Dieser diagnostizierte einen Z. n. Distorsion des rechten Handgelenks. Die angegebenen Beschwerden fänden ein Korrelat in der Schonhaltung der Hand. Eine strukturelle Verletzung sei aber dennoch nicht nachweisbar. Die Situation sei weiter unklar. Arbeitsunfähigkeit liege weiterhin vor. Unter dem 25.1.2005 erstattete Dr. M. eine weiteres MDK-Gutachten (Verwaltungsakte S. 35). Darin ist ausgeführt, Dr. K. habe auf Rücksprache (erneut) auf seine Vermutung hingewiesen, es bestünden möglicherweise Probleme am Arbeitsplatz. In Anbetracht der vorliegenden Informationen über Diagnose, Therapie und Verlauf sei weitere Arbeitsunfähigkeit nicht plausibel. Es bestünden keine strukturellen Schädigungen des Handgelenks, die eine Funktionseinschränkung bewirken könnten. Der angegebene Schmerz finde kein objektives Korrelat. Die Tätigkeit der Klägerin sei körperlich leicht. Die Arbeitsunfähigkeit sei daher zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu beenden.

Mit Bescheid vom 26.1.2005 (Verwaltungsakte S. 36) lehnte die Beklagte die Zahlung von Krankengeld über den 30.1.2005 hinaus ab.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs legte die Klägerin ein Attest des Dr. H. vom 22.2.2005 (Verwaltungsakte S. 56) vor. Darin ist ausgeführt, die Klägerin fühle sich nicht in der Lage, ihrem Beruf nachzugehen. Die Beschwerden seien glaubhaft. Deswegen werde weiterhin Arbeitsunfähigkeit attestiert. Weitere Aussagen seien nach Aktenlage nicht möglich. Dr. H. legte der Beklagten außerdem einen Bericht vom 8.3.2005 (SG-Akte S. 30) vor; darin heißt es, die Beweglichkeit des Handgelenks sei endgradig schmerzhaft reduziert und es bestehe eine Druckschmerzhaftigkeit.

Die Beklagte erhob das MDK-Gutachten des Dr. S. vom 17.3.2005 (Verwaltungsakte S. 63). Der Gutachter diagnostizierte einen anhaltenden Schmerzzustand am rechten Handgelenk nach Distorsion im September 2004 ohne strukturelle Schädigung. Bei einer Kernspinuntersuchung am 27.10.2004 (Bericht SG-Akte S. 86) habe sich ein Normalbefund ohne Nachweis einer okkulten Fraktur oder einer Knochenkontusion gezeigt. Es sei eine konservative Therapie durchgeführt worden. Vorgelegt worden sei ein weiterer Bericht des Dr. H.; danach liege ein reduziertes Bewegungsausmaß des Handgelenks mit endgradigen Schmerzen vor. Ein Druckschmerz finde sich vor allem dorsal am Handgelenk ohne Rötung oder Schwellung. Dr. S. führte weiter aus, neue Gesichtspunkte hätten sich nicht ergeben. Für die Beschwerden am Handgelenk finde sich weder klinisch noch radiologisch ein Korrelat. Aus orthopädischer Sicht sei deshalb nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin ihre Tätigkeit nicht längst wieder aufgenommen habe. Ihre körperlich leichte Arbeit müsste sie bewältigen können.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.4.2005 (SG-Akte S. 10) wies die Beklagte den Widerspruch zurück, worauf die Klägerin am 28.4.2005 Klage beim Sozialgericht Stuttgart erhob. Zur Begründung trug sie vor, schon der normale Einsatz der Hand bewirke eine Verdickung bis zum Ellenbogen mit entsprechenden Schmerzen. Sie müsse sehr viel Computerarbeit verrichten und hierfür die Hand einsetzen. Die Klägerin legte außerdem ein Attest der Physiotherapeutin Blatt vom 19.8.2005 vor (SG-Akte S. 45). Diese führte aus, seinerzeit sei es zu einer Überdehnung der Flexoren (Beugesehnen) gekommen; dies sei sehr schmerzhaft und die Heilung sei langwierig.

Das Sozialgericht holte die Arbeitgeberauskunft der Fa. Daimler vom 14.7.2005 (SG-Akte S. 36) ein und erhob den Befundbericht des Dr. H. vom 24.11.2005 (SG-Akte S. 68).

Die Fa. Daimler teilte mit, die Klägerin sei als Sachbearbeiterin im Team "Kundenspezifische Sonderfälle In- und Ausland" tätig. Die Arbeit sei ausschließlich im Büro zu erledigen mit Kontakten auf telefonischem, schriftlichem oder elektronischem Weg. Dabei sei die Klägerin den Belastungen eines normalen Büroarbeitsplatzes ausgesetzt. Dr. H. gab an, die Klägerin habe sich letztmals am 8.11.2005 vorgestellt. Soweit aus der Aktenlage ersichtlich, könne sie prinzipiell leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts sowie die zuletzt ausgeübte Tätigkeit vollschichtig verrichten. Die Meinung des MDK, die Arbeitsunfähigkeit sei zum 30.1.2005 zu beenden, werde nicht geteilt, zumal neue (Akut-)Erkrankungen hinzugekommen seien. Bei der Klägerin bestehe wohl eine erhebliche psychische Überlagerung.

Die Klägerin trug hierzu vor, in der orthopädischen Gemeinschaftspraxis sei nicht Dr. H., sondern Dr. W. behandelnder Arzt; vorgelegt wurde ein von Dr. W. unterzeichneter überarbeiteter Arztbericht vom 4.7.2006 (SG-Akte S. 82). Darin ist (ebenfalls) ausgeführt, soweit aus Aktenlage ersichtlich, könne die Klägerin prinzipiell leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie die zuletzt ausgeübte Tätigkeit vollschichtig verrichten.

In einem Bericht des Karl-Olga Krankenhauses, Stuttgart, über eine Untersuchung der Klägerin am 31.01.2005 (SG-Akte S. 85) ist ausgeführt, bei der Inspektion hätten sich seitengleich aussehende Hände gezeigt. Faustschluss und Fingerstreckung seien vollständig gewesen. Einen Anhalt für eine Teno- oder Artikolosynovalitis gebe es nicht. Die Beugung im rechten Handgelenk sei zur Hälfte eingeschränkt. Druckschmerzen würden vor allem im Thenarbereich und im radialen Handgelenkbereich angegeben; keine Störung der Sensibilität in der Peripherie, keine Schmerzen beim Beklopfen des Karpalkanals.

Mit Urteil vom 26.6.2008 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin sei über den 30.1.2005 hinaus nicht arbeitsunfähig i. S. d. § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) gewesen, da sie seitdem wieder vollschichtig als Sachbearbeiterin habe tätig sein können. Dr. W. habe hinsichtlich des rechten Handgelenks keine pathologischen Befunde mitgeteilt. Im Karl-Olga Krankenhaus habe man ebenfalls keine pathologischen Befunde erheben können. Die allein feststellbare Einschränkung der Beugefähigkeit des Handgelenks hindere die Klägerin nicht daran, leichte Arbeiten zu leisten. Daran ändere es nichts, dass Dr. W. Arbeitsunfähigkeit bescheinigt habe. Dem komme keine Bindungswirkung zu. Die im weiteren Verlauf aufgetretenen Erkrankungen, wie ein Wirbelsäulensyndrom und eine Distorsion des linken Sprunggelenks, begründeten Arbeitsunfähigkeit ebenfalls nicht, stünden insbesondere der Verrichtung einer sitzenden Bürotätigkeit nicht entgegen.

Auf das ihr am 3.7.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am (Montag, dem) 4.8.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie ergänzend vor, die Gutachten des MDK könnten nicht überzeugen, zumal sie (später) nicht persönlich untersucht worden sei. Bei Berücksichtigung aller Arztunterlagen ergebe sich, dass sie über den 30.1.2005 hinaus arbeitsunfähig gewesen sei, zumal Dr. W. entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt habe. Sollte man von einer psychischen Überlagerung ausgehen, könne auch eine psychische Erkrankung zur Arbeitsunfähigkeit führen. Das Sozialgericht hätte weitere Ermittlungen anstellen müssen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26.6.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 26.1.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.4.2005 zu verurteilen, ihr über den 30.1.2005 hinaus bis zum 14.11.2005 Krankengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Ergänzend trägt sie vor, auch Dr. H. habe die Klägerin, wenngleich aushilfsweise, behandelt. Wegen einer im Mai beim Fußballspiel erlittenen Sprunggelenksdistorsion bzw. wegen einem Wirbelsäulensyndrom lägen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht vor. Die behandelnden Ärzte hätten gegen die MDK-Gutachten keinen Widerspruch erhoben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihr über den 30.1.2005 hinaus Krankengeld zu gewähren; die Klägerin hat darauf keinen Anspruch.

Das Sozialgericht hat in seinem Urteil zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V) das Leistungsbegehren der Klägerin zu beurteilen ist, und weshalb ihr danach Krankengeld über den 30.1.2005 hinaus nicht zusteht. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten anzumerken:

Mit dem Sozialgericht ist auch der Senat der Auffassung, dass die Klägerin ab 30.1.2005 ihre bisherige Tätigkeit als kaufmännische Angestellte – eine körperliche leichte Tätigkeit (vgl. die Arbeitgeberauskunft der Fa. Daimler vom 14.7.2005) - wieder (vollschichtig) ausüben konnte und deshalb Arbeitsunfähigkeit i. S. d. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht mehr vorlag. Das geht aus den vorliegenden Gutachten und Arztunterlagen schlüssig hervor. So ist Dr. M. im MDK-Gutachten vom 25.1.2005 zu der Überzeugung gelangt, dass weitere Arbeitsunfähigkeit nicht mehr plausibel zu begründen sei. Er hat sich hierfür in nachvollziehbarer Weise auf die vorliegenden Informationen zu Diagnose, Therapie und Verlauf der Handgelenksdistorsion gestützt und namentlich darauf abgestellt, dass strukturelle Schädigungen, die eine Funktionseinschränkung bewirken könnten, nicht vorliegen und es für den angegebenen Schmerz kein objektives Korrelat gibt. Die behandelnden Ärzte haben der Auffassung des MDK nicht widersprochen und ein Zweitgutachten nicht beantragt (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 2 der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien). Vielmehr ist im zur Widerspruchsbegründung eingereichten Attest des Dr. H. vom 22.2.2005 lediglich davon die Rede, die Beschwerden seien glaubhaft; zur Feststellung von Arbeitsunfähigkeit genügt diese Bezugnahme auf die subjektiven Angaben der Klägerin für sich allein nicht, zumal Dr. H. im Attest vom 8.3.2005 selbst nur eine endgradig schmerzhaft reduzierte Handgelenksbeweglichkeit und Druckschmerzhaftigkeit festgestellt hat. Auch Dr. S. hat im MDK-Gutachten vom 17.3.2005 keinen Anhalt für fortbestehende Arbeitsunfähigkeit gefunden. Gestützt wird diese Einschätzung durch den bei der Kernspinuntersuchung des Handgelenks (am 27.10.2004 - Bl. 86 SG-Akte) erhobenen Normalbefund ohne Nachweis einer okkulten Fraktur oder einer Knochenkontusion. Damit sind die angegebenen Schmerzen klinisch und radiologisch ohne Korrelat.

Die Einwendungen der Klägerin können nicht überzeugen. Die MDK-Gutachter haben sich auf die vorliegenden Arztberichte und Arztunterlagen gestützt und ihre Auffassung danach schlüssig begründet; einer erneuten körperlichen Untersuchung der Klägerin bedurfte es bei dieser Sachlage nicht. Das Attest der Physiotherapeutin Blatt vom 19.8.2005, in dem die im September 2004 erlittene Verletzung als schmerzhaft und der Heilungsprozess als langwierig eingestuft wird, besagt für das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit über den 30.1.2005 hinaus nichts. Dafür genügt es auch nicht, dass Dr. W. weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt hat; diesen kommt, wie das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat, keine Bindungswirkung zu. Für das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit begründenden psychischen Erkrankung ist nichts ersichtlich; außerdem wurden insoweit und im Hinblick auf Erkrankungen der Wirbelsäule und des Sprunggelenks Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht ausgestellt.

Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat angesichts der vorliegenden (zeitnah erstellten) Gutachten und Arztberichte weitere Ermittlungen nicht auf.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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