L 4 KR 465/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 18 KR 688/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 465/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 98/09 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Erfordernissen einer Kostenerstattung für zurückliegende Epilationsbehandlung in einer Privatklinik und bei einer Kosmetikerin.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts
München vom 23. August 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Behandlungskosten in einer Privatklinik 1991, Kosmetik-Praxen von 1990 bis 31.07.2006 und Fahrtkosten aus den Jahren 1990 bis 2000 in Höhe von insgesamt 24.629,50 EUR streitig.

Die 1959 geborene Klägerin war bis zum 31.07.2006 Mitglied der Beklagten. Seitdem ist sie bei der IKK/TKK versichert. Am 31.10.2005 legte sie Bescheinigungen über Epilations- und Depilationsbehandlungen in Kosmetikpraxen, die seit 1991 durchgeführt wurden, eine Rechnung der K.-Klinik B., einer staatlichen konzessionierten Privatklinik für kosmetische Chirurgie und Lasermedizin vom 29.08.1991 sowie eine Bescheinigung über Behandlungstermine bei dem Hautarzt Dr. B. vom 13.12.1990 und Bescheinigungen der Frauenklinik und Poliklinik des Klinikums I. über Behandlungstermine im Jahr 1990 bei der Beklagten vor. Beigefügt war zudem ein Attest der Fachärztin für innere Medizin B. L. vom 25.10.2005, wonach die Klägerin auf Grund einer übermäßigen Körperbehaarung, vor allem im Gesichtsbereich, seit 15 Jahren mit Epilation und Depilation behandelt werde. Die Klägerin beantragte die Kostenübernahme durch die Beklagte, wobei sie angab, dass sie die Epilations- und Depilationsbehandlungen weiterhin in der Kosmetikpraxis W. und dem Kosmetikinstitut M. durchführen lassen wolle.

Mit streitigem Bescheid vom 15.11.2005, der keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Kosmetikerinnen W. und M. seien keine zugelassenen Leistungserbringerinnen. Der Klägerin wurde empfohlen, sich zur Abklärung der medizinisch notwendigen Behandlung an ihre behandelnde Ärztin zu wenden.

Am 06.04.2006 beantragte die Klägerin erneut die Erstattung der in der K.-Klinik angefallenen Kosten, der Fahrtkosten zu ambulanten Arztterminen und der Kosten für Epilations- und Depilationsbehandlungen ab 1990. Die Anwesenheitsbestätigung vom 13.12.1990 sei vor einigen Jahren von der Krankenkasse nicht angenommen worden.

Dr. B. bestätigte unter anderem, dass bei einem Termin am 22.12.2005 eine deutliche Reduktion der Gesichtsbehaarung habe festgestellt werden können.

Mit weiterem streitigem Bescheid vom 18.04.2006 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, alle Ansprüche seien verjährt. Zudem handle es sich bei der K.-Klinik um eine Privatklinik, die nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen werden könne. Die Kosten der Epilationsbehandlungen bei nicht zugelassenen Leistungserbringern könnten ebenfalls nicht übernommen werden.

Der dagegen erhobene Widerspruch, der keine Begründung enthielt, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2006 als unbegründet zurückgewiesen. Gemäß § 45 Abs.1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) seien zum Zeitpunkt der Antragstellung im Jahr 2005 alle Ansprüche, die im Jahr 2000 oder vorher entstanden seien, verjährt. Kosten für die Epilations- und Depilationsbehandlung in Kosmetikpraxen ab 2001 könnten nicht erstattet werden, weil diese zur Behandlung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zugelassen seien.

Zur Begründung der dagegen zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, es bestehe kein Einverständnis damit, dass die Beklagte die Kostenübernahme für die Behandlungen ablehne, welche nicht in ärztlichen Räumen und nicht unter ärztlicher Aufsicht erfolgt seien. Mehrere Mitarbeiter der Beklagten hätten ihr bei Beginn der Behandlungen gesagt, sie solle wegen der Fahrtkosten mehr Behandlungen zusammenkommen lassen und im Falle des Erfolgs der Behandlung einen Antrag stellen.

Mit Urteil vom 23.08.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zu Recht habe die Beklagte die beantragte Kostenerstattung bzw. Übernahme abgelehnt. Gemäß § 45 Abs.1 SGB I würden Ansprüche auf Sozialleistungen in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjähren, in dem sie entstanden sind. Durch den schriftlichen Antrag der Klägerin vom 21.10.2005 sei die Verjährung gehemmt (§ 45 Abs.3 SGB I). Alle Ansprüche aus den Jahren 1990 bis 2000 seien damit verjährt. Ein Leistungsanspruch für diesen Zeitraum ergebe sich auch nicht aus dem sog. Sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Auch wenn man das Vorbringen der Klägerin als wahr unterstelle, dass man ihr gesagt habe, sie solle mehrere Behandlungen zusammenkommen lassen und dass die Anwesenheitsbestätigung vom 13.12.1990 nicht angenommen worden sei, habe die Klägerin hieraus jedoch nicht den Schluss ziehen dürfen, dass ein Antrag fast 15 Jahre aufgeschoben werden konnte.

Hinsichtlich der ab 2001 in Anspruch genommenen Epilations- und Depilationsbehandlungen in Kosmetikpraxen komme als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch § 13 Abs.3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Betracht. Wie sich aus § 13 Abs.1 SGB V ergebe, trete der Kostenerstattungsanspruch jedoch an die Stelle des Anspruchs auf eine Sach- oder Dienstleistung. Er bestehe deshalb nur, soweit die selbstbeschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, die von den gesetzlichen Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen seien. Dies sei nicht der Fall, weil es sich bei den Behandlungen in Kosmetikpraxen weder um ärztliche Behandlungen im Sinne des § 27 Abs.1 Nr.1 SGB V noch um ärztlich verordnete Heil- oder Hilfsmittel im Sinne des § 27 Abs.1 Nr.2a SGB V handle.

Gegen das Urteil des SG vom 23.08.2007 richtet sich die am 17.12.2007 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung. Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen trägt die Klägerin vor, Laserbehandlungen seien 1991 an Universitätskliniken (noch) nicht durchgeführt worden. Insgesamt habe die Beklagte die Kostenübernahme zu Unrecht abgelehnt, da die Behandlungen unaufschiebbar gewesen seien. Es sei nicht richtig, dass sie erst am 31.10.2005 eine Kostenübernahme beantragt habe. Dies sei bereits 1991 und auch im Jahr 2003 geschehen.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 23.08.2007 und die zugrundeliegenden Bescheide der Beklagten vom 15.11.2005 und 28.04.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die Epilations- und Depilationsbehandlungen sowie die dazu angefallenen Fahrtkosten in einer Gesamthöhe von 24.629,50 EUR zu erstatten.

Die Vertreterin der Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Im Übrigen wird zur weiteren Darstellung des Tatbestandes auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen bzw. die beigezogenen Akten.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), erweist sich in der Sache als unbegründet.

Gegenstand des Verfahrens (§ 95 SGG) sind die Bescheide der Beklagten vom 15.11.2005 und 28.04.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2006, mit denen diese die Erstattung der geltend gemachten Kosten für durchgeführte Epilations- und Depilationsbehandlungen und Fahrtkosten abgelehnt hat.

Zulässig verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch (§ 123 SGG) mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs.4 SGG).

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erstattung von insgesamt 24.629,50 EUR für die Fahrtkosten aus den Jahren 1990 bis 2000, Krankenhauskosten in einer Privatklinik 1991 und Epilations- und Depilationskosten in Kosmetikpraxen für die Zeit von 1990 bis 2006.

Für die begehrte Kostenerstattung kommt als Anspruchsgrundlage allein § 13 Abs.3 SGB V in seiner 1. oder 2. Alternative in Betracht.

§ 13 Abs.3 SGB V sieht in seiner 1. Alternative eine Kostenerstattungspflicht der Krankenkasse vor, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistungen Kosten entstanden sind.

Eine nicht aufschiebbare Leistung ist dann anzunehmen, wenn sie so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Zeit mehr bleibt, die Krankenkasse vorher einzuschalten (BSG vom 14.12.2006 - SozR 4-2500 Nr.12 Rdnr.23), um ihr Gelegenheit zu geben, ihre Leistungspflicht zu prüfen.

Eine nicht aufschiebbare Leistung im genannten Sinne liegt hier nicht vor. Fraglich ist bereits, ob in der vermehrten Körperbehaarung der Klägerin überhaupt eine Krankheit nach § 27 SGB V zu sehen ist. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung wird als Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand definiert, der entweder Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit oder beides zur Folge hat. Für die Feststellung der Regelwidrigkeit ist vom Leitbild des gesunden Menschen auszugehen, der zur Ausübung normaler körperlicher und psychischer Funktionen in der Lage ist. Vorausgesetzt wird hier eine erhebliche Abweichung, nur geringfügige Störungen, die keine wesentlichen funktionellen Beeinträchtigungen zur Folge haben, reichen nicht aus. Somit liegt eine Behandlungsbedürftigkeit im aufgezeigten Sinn vor, wenn durch den regelwidrigen Gesundheitszustand die körperlichen oder geistigen Funktionen in einem so beträchtlichen Maße eingeschränkt sind, dass ihre Wiederherstellung der Mithilfe des Arztes, also der ärztlichen Behandlung bedarf (Kassler Kommentar-Höfler, § 27 SGB V, Rdnr.9, 12, 19, m.w.N. der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG -).

Selbst wenn man eine Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung annimmt, ergibt sich kein Anspruch der Klägerin auf Kostenerstattung. Eine solche nach § 13 Abs.3 Satz 1, 2. Alternative SGB V scheidet ebenfalls aus, da die Beklagte die beanspruchte Leistung zu Recht abgelehnt hat. Eine Kostenerstattung hat nämlich nur dann zu erfolgen, wenn die selbstbeschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, die von den gesetzlichen Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen sind. Nach § 13 Abs.1 SGB V darf die Krankenkasse anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kosten nur erstatten, soweit es das SGB V oder das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) vorsieht.

Dies ist hier nicht der Fall, weil es sich bei den Behandlungen in Kosmetikpraxen weder um ärztliche Behandlungen im Sinne des § 27 Abs.1 Nr.1 SGB V noch um ärztlich verordnete Heil- oder Hilfsmittel im Sinne des § 27 Abs.1 Nr.2a SGB V handelt. Unstreitig wurden hier die in Frage stehenden Behandlungen der Epilation und Depilation nicht von anerkannten Leistungsbringern erbracht, da Kosmetikpraxen zur Behandlung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zugelassen sind (vgl. §§ 124, 126 SGB V). Daraus folgt, dass die Behandlungen im Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung nicht enthalten sind. Dies gilt auch für die geltend gemachten Kosten für die Behandlungen in der K.-Klinik in B ... Hier handelt es sich um eine Privatklinik, die nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen werden kann. Eine Erstattung von Fahrtkosten ist ebenfalls ausgeschlossen. Eine solche ist lediglich in den in § 60 SGB V aufgezählten Fällen möglich. Eine derartige Fallkonstellation ist hier nicht gegeben.

Nachdem bereits aus den genannten Gründen sich kein Anspruch für die Klägerin auf Erstattung der geltend gemachten Kosten begründen lässt, erübrigt sich ein Eingehen auf die Verjährung gemäß § 45 Abs.1 SGB I.

Somit war die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG München vom 23.08.2007 zurückzuweisen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten, da die Klägerin unterlegen ist (§ 193 SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 SGG sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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