Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 AS 63/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 125/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der durch die Regelleistung abgegoltene Bedarf umfasst die gesamte Ausstattung an Bekleidung. Hierzu gehört auch würdige Kleidung für besondere Anlässe.
Die Ausrichtung einer Familienfeier in einem Gasthaus anlässlich der Erstkommunionfeier eines Kindes, stellt keine atypische Bedarfslage dar, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47ff SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist. Die Kosten einer - bescheidenen - Familienfeier sind aus der Regelleistung zu decken. Im Hinblick auf die Bedeutung von Familienfeiern anlässlich religiöser Feste ist uU ein unabweisbarer Bedarf iSd § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II anzunehmen.
Einmalige Leistungen sind gesondert zu beantragen.
Die Ausrichtung einer Familienfeier in einem Gasthaus anlässlich der Erstkommunionfeier eines Kindes, stellt keine atypische Bedarfslage dar, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47ff SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist. Die Kosten einer - bescheidenen - Familienfeier sind aus der Regelleistung zu decken. Im Hinblick auf die Bedeutung von Familienfeiern anlässlich religiöser Feste ist uU ein unabweisbarer Bedarf iSd § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II anzunehmen.
Einmalige Leistungen sind gesondert zu beantragen.
Die Berufungen gegen das Urteil des Sozialgerichtes Würzburg
vom 31.01.2008 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger begehren die Übernahme der Kosten für Bekleidung und ein Familienfest anlässlich der Erstkommunion der Klägerin zu 3.
Die Kläger bezogen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), zuletzt bewilligt mit Bescheid vom 05.02.2007 für den Zeitraum vom 01.02.2007 bis 31.07.2007.
Am 19.03.2007 beantragte der Kläger zu 1. anlässlich der am 15.04.2007 bevorstehenden Erstkommunion seiner Tochter , der Klägerin zu 3., die Bewilligung eines Bekleidungszuschusses in Höhe von 300.- EUR. Es müsse für seine Tochter ein Kommunionkleid (ebenso wie Haarschmuck, Kerze und Schuhe) sowie festliche Kleidung für sich, seine Frau (Klägerin zu 2.) und seinen Sohn (Kläger zu 4.) angeschafft werden. Darüber hinaus sei ein Familienfest mit 20 Personen in einem Gasthaus geplant. Hierfür würden ca. 700.- EUR anfallen, die gleichfalls zu erstatten seien, weil die Regelleistungen hierfür nicht ausreichten.
Die Beklagte ermittelte in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin zu 3. kein Kommunionkleid benötige, weil seitens der Kirche Kutten gestellt würden, die von den Kindern zu tragen wären. Im Rahmen eines Gespräches am 03.04.2007 wurde dem Kläger zu 1. seitens der Beklagten erläutert, dass eine Kostenübernahme lediglich in Bezug auf die Bekleidungskosten in Höhe von 300.- EUR möglich sei, und die Bewilligung auch nur als Darlehen und nicht als Zuschuss erfolgen könne. Hiermit war der Kläger zu 1. nicht einverstanden und vertrat die Auffassung, dass die beantragten Leistungen, insbesondere die Bekleidung als einmalige Beihilfen zu gewähren seien.
Mit Bescheid vom 19.06.2007 lehnte die Beklagte sowohl die Bewilligung einer Beihilfe für die Anschaffung von Bekleidung als auch für die Ausrichtung einer Familienfeier ab. Der geltend gemachte Bedarf sei nicht unter § 23 Abs 3 SGB II zu fassen, so dass ein Anspruch auf einen Zuschuss nicht bestehe. Darüber hinaus habe der Kläger zu 1. die seitens der Beklagten angebotene darlehensweise Bewilligung der Bekleidungskosten nicht in Anspruch nehmen wollen.
Im Widerspruch vom 27.06.2007 brachte der Kläger zu 1. vor, dass die Kosten für die Familienfeier auf 500.- EUR reduziert werden konnten. Im Übrigen erwarte er jedoch die Bewilligung einer Beihilfe in Höhe von 800.- EUR. Am 24.07.2007 legte er Belege über Kosten in Höhe von 822,60 EUR vor, die anlässlich der Kommunion entstanden seien (Gasthaus: 513,20 EUR; Fotostudie: 69,90 EUR; C& A: 142.- EUR; bonprix: 97,50 EUR).
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.2008 zurück. Die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen, insbesondere die Anschaffung der Bekleidung, seien nicht als Kosten einer Erstanschaffung iSd § 23 Abs 3 SGB II erstattungsfähig. Das Entstehen eines Bekleidungsbedarfes anlässlich einer Kommunion sei absehbar und nicht mit den außergewöhnlichen Umständen vergleichbar, die Anlass für eine Erstanschaffung (z.B. Geburt, Haftentlassung; Wohnungsbrand) seien. Die Aufwendungen für die Familienfeier seien bereits nach dem Wortlaut der Regelung nicht unter § 23 Abs 3 SGB II zu fassen.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger zu 1. am 17.01.2008 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Ein Ansparen der Aufwendungen für die Kommunion aus der Regelleistung sei nicht möglich und die finanziellen Reserven der Familie seien bereits anlässlich der Taufe seines Sohnes im Herbst 2006 (Kläger zu 4.) aufgebraucht worden. Er beantrage die Zahlung von 822,60 EUR.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 31.01.2008 hat der Kläger zu 1. klar gestellt, dass er für alle Mitglieder der Familie Klage erhoben habe.
Das SG hat diese Klagen mit Urteil vom 31.01.2008 abgewiesen. Eine gesetzliche Grundlage für den von den Klägern geltend gemachten Sonderbedarfe gebe es nicht. Die Beschaffung von Kleidung, auch für besondere Anlässe, sei durch die Regelleistung abgegolten. Darüber hinaus seien die Voraussetzungen des § 23 Abs 3 SGB II, unter denen eine Erstanschaffung von Kleidung als einmaliger Bedarf bezuschusst werden könne, nicht erfüllt. Über die darlehensweise Übernahme dieser Kosten sei nicht zu entscheiden, denn dies hätten die Kläger abgelehnt. Hinsichtlich der Kosten für die Familienfeier seien die Kläger, soweit diese die Aufwendungen für sich selbst beträfen, auf die Regelleistung zu verweisen. Soweit die Kläger die Kosten für die Einladung der übrigen Teilnehmer der Feier geltend machen wollen, seien diese ebenfalls aus der Regelleistung zu finanzieren. Die (Regel)Leistung nach dem SGB II decke jedoch nur das soziokulturelle Existenzminimum; hierzu gehöre nicht die Einladung in Gaststätten.
Die Kläger haben gegen dieses Urteil am 11.03.2008 Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung werde auf das bisherige Vorbringen verwiesen.
Die Kläger beantragen (sinngemäß):
Das Urteil des Sozialgerichtes Würzburg vom 31.01.2008 wird aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 19.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.01.2008 verpflichtet, an die Kläger eine einmalige Beihilfe in Höhe von 822,60 EUR auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des Sozialgerichtes für zutreffend.
Mit Beschluss vom 08.04.2009 ist die Stadt A-Stadt - Sozialhilfeverwaltung - zum Verfahren beigeladen worden.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerechte Berufung ist zulässig, §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG), in der Sache jedoch unbegründet.
Im Hinblick auf einen möglichen Leistungsanspruch nach § 73 SGB XII war die Stadt A-Stadt - als zuständiger Träger der örtlichen Sozialhilfe und möglicher Leistungsverpflichteter - notwendig beizuladen (vgl. zur notwendigen Beiladung des Sozialhilfeträgers: BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7 b AS 14/06 R = SozR 4-4200 § 20 Nr. 1).
Die Kläger haben keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte oder die Beigeladene die Aufwendungen anlässlich der Kommunionfeier der Klägerin zu 3. als Zuschuss übernehmen. Der ablehnende Bescheid vom 19.06.2007 ist rechtsmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
Die Ausgaben für die Anschaffung festlicher Kleidung aus Anlass der Feier haben die Kläger aus der Regelleistung zu decken. Im weiteren ist hinsichtlich der geltend gemachten Aufwendungen für die Ausrichtung der Familienfeier eine zuschussweise Kostenübernahme nach dem SGB II nicht vorgesehen, und es handelt sich auch nicht um eine atypische Bedarfslage von erheblicher Grundrechtsrelevanz, die eine Verurteilung der Beigeladenen erforderlich gemacht hätte.
Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Satz 1 SGB II). Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben (§ 20 Abs 1 SGB II).
Mit dieser Regelung werden die einzelnen Bedarfe definiert, die von der Regelleistung gedeckt sein sollen, wobei zum einen das physiologische Existenzminimum garantiert wird, zum anderen wird mit den Beziehungen zur Umwelt und der Teilnahme am kulturellen Leben auch das soziokulturelle Existenzminimum angesprochen. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die Empfänger der Regelleistung nach dem SGB II nicht von der übrigen Gesellschaft abgegrenzt und stigmatisiert werden (Spellbrink in Eicher/ Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 20 Rn.21 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung (BT-Drucks 15/1516, S 56 zu § 20)).
Hierbei umfasst der durch die Regelleistung abgegoltene Bedarf die gesamte Ausstattung an Bekleidung auch für besondere Anlässe (vgl. Schmidt in Oesterreicher, SGB II, § 20 Rn. 25), denn die der Regelleistung zugrundeliegende Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS) berücksichtigt sämtlichen notwendigen Bedarf, wobei lediglich Ausgaben ausgenommen sind, die das notwendige Maß überschreiten (z.B. Maßkleidung, Pelze u.ä.) oder nicht regelmäßig über alle Bevölkerungsgruppen anfallen (z.B. Arbeitskleidung) (vgl. Spellbrink aaO § 20 Rn.26). Hinsichtlich des zuletzt genannten Aspektes sind jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass Kleidung für festliche Anlässe aus der Regelleistung ausgenommen wäre, insbesondere weil in jeder Bevölkerungsgruppe - abhängig von Herkunft und religiösen Überzeugungen - Familienfeiern anlässlich religiöser Feste oder besonderer Anlässe üblich sind.
Der von den Klägern geltend gemachte Bekleidungsaufwand ist auch nicht unter § 23 Abs 3 SGB II zu fassen. Hiernach sind Leistungen für Erstausstattungen für Bekleidung (und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt) nicht von der Regelleistung umfasst und werden gesondert erbracht (§ 22 Abs 3 Satz 1 Nr.2, Satz 2 SGB II).
In diesem Zusammenhang ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass der Begriff Erstausstattung nicht zeitlich eng auszulegen, sondern bedarfsbezogen zu interpretieren ist. Neben den im Gesetz genannten Bedarfslagen (Schwangerschaft; Geburt) und Lebenssituationen, die zum Totalverlust vorhandener Kleidung geführt haben (z.B. Wohnungsbrand; Entlassung nach langer Haft; Beendigung von Obdachlosigkeit), ist unter Erstausstattung auch der Kleidungsbedarf zu verstehen, der bislang noch nie gedeckt war, jedoch im Rahmen einer Erst- bzw. Grundausstattung für einen Sozialleistungsempfänger als notwendig erachtet wird (vgl. Lang/ Büggel in Eicher/Spellbrink aaO § 23 Rn. 97; Münder in LPK- SGBII, 2.Aufl., § 23 Rn.26, 33 zum Umfang der Ausstattung Rn.34). Hiervon ist abzugrenzen der Erhaltungs- bzw. Ergänzungsbedarf, der im Hinblick auf einen konkreten Anlass entsteht, und lediglich den bereits vorhandenen Bekleidungsbestand ergänzt oder erweitert.
Vorliegend ergeben sich jedoch keine Anhaltspunkte, dass bei den Klägern anlässlich der Kommunionfeier im April 2007 ein Bekleidungsbedarf entstanden ist, der bislang nicht gedeckt war und als notwendige Grundausstattung anzusehen ist. Dieser Schluss ist bereits deshalb gerechtfertigt, weil die Kläger - nach Angaben des Klägers zu 1. - im Herbst 2006 die Taufe des Klägers zu 4. gefeiert haben, und insoweit nicht nachvollziehbar erscheint, dass für die Kläger eine dem Anlass einer Kommunion entsprechende, würdige Bekleidung nach ca. einem halben Jahr nicht mehr vorhanden gewesen sein soll. Darüber hinaus liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass für die Klägerin zu 3. im Zusammenhang mit der Kommunionfeier ein spezielles, für diesen Anlass passendes "Kommunionkleid" angeschafft worden ist. Hierzu bestand auch keine Notwendigkeit, denn nach den Ermittlungen der Beklagten haben die Kindern während der Kommunionfeier Kutten getragen, so dass lediglich eine dem Anlass würdige Kleidung geboten war, die jedoch aus den oben genannten Gründen vorhanden gewesen sein muss.
Zudem besteht ein Anspruch auf eine einmalige Bezuschussung der von den Klägern konkret geltend gemachten Bekleidungsaufwendungen bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht. Nach § 23 Abs 3 Satz 2 SGB II werden einmalige Leistungen gesondert erbracht, d.h. dass diese auch gesondert zu beantragen sind (vgl. Schmidt aaO § 23 Rn. 57). Einen solchen Antrag hat der Kläger zu 1. erst am 19.03.2007 gestellt, wohingegen die geltend gemachten Aufwendungen bereits am 26.12.2006 (Kinderbekleidung: 142.- EUR) bzw. am 09.03.2007 (Damenbekleidung: 97,50 EUR) angefallen sind. Nicht nachvollziehbar an dieser Stelle ist, aus welchen Gründen die Kläger die Kosten für einen zweiten Hosenanzug (35.- EUR; wurde wohl auch an den Versender zurückgeschickt) und einen Badeanzug (9,50 EUR) geltend machen. Die (allein) geltend gemachten Aufwendungen sind daher vor der Antragstellung entstanden, so dass sie - unabhängig davon, dass ein materiell- rechtlicher Anspruch nicht besteht - ohnehin nicht erstattungsfähig sind (§ 37 Abs 2 Satz 1 SGB II).
Über die Frage, ob den Klägern - im Rahmen des § 23 Abs 1 SGB II - ein Darlehen zur Anschaffung von Bekleidung zu gewähren war, hatte der Senat nicht zu entscheiden, denn die Kläger haben eine Darlehensgewährung gegenüber der Beklagten ausdrücklich abgelehnt und im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens auch nicht beantragt.
Im Weiteren haben die Kläger auch keinen Anspruch, dass ihnen die anlässlich der Kommunionfeier entstanden Kosten (Bewirtung von Gästen 513,20 EUR; Fotoarbeiten 69,90 EUR) von der Beklagten oder der Beigeladenen erstattet werden.
Das SG hat bereits zu Recht darauf hingewiesen, dass in Bezug auf die geltend gemachten Ansprüche eine Rechtsgrundlage nach dem SGB II nicht gegeben ist. Die von Klägern geltend gemachten Kosten sind in keiner Weise unter die Begriffe der einmaligen Leistungen zu fassen, wie sie in § 23 Abs 3 SGB II geregelt sind. Dem Wesen nach ist der geltend gemachte Bedarf aus der Regelleistung zu decken, auch wenn - im Wesentlichen hinsichtlich der Bewirtungskosten - eine atypische Bedarfslage nicht per se auszuschließen ist.
Die Höhe der Regelleistung in § 20 SGB II hat abschließenden Charakter für die Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs. In diesem Rahmen ist eine Individualisierung ausgeschlossen und der Weg zu den §§ 28 Abs 1 Satz 2 und 30 Abs 1 SGB XII über § 5 Abs 2 Satz 1 iVm § 21 SGB XII nach dem Willen des Gesetzgebers verwehrt. Eine über den Gesetzeswortlaut hinausgehende (verfassungskonforme) Auslegung des § 20 (etwa durch ein Hineinlesen des § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII in den § 20 SGB II) ist angesichts des klaren Wortlauts und der nochmaligen Klarstellung durch das Fortentwicklungsgesetz (§§ 3 Abs 3, 23 Abs 1 S 4 SGB II) nicht möglich. Mithin muss der SGB II-Leistungs-empfänger mit dem sich in der Regelleistung nach § 20 SGB II darstellenden pauschalierten Bedarf auskommen. Die Regelleistung deckt, so wie sie in § 20 SGB II ausgestaltet ist, den Bedarf des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (§ 3 Abs 3 SGB II; Spellbrink aaO § 20 Rn.39 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 07.11.2006 aaO; Knickrehm in Eicher/Spellbrink aaO § 5 Rn. 19 mwN).
Ein Anspruch kann sich allenfalls aus § 73 SGB XII ergeben, der sich jedoch nicht gegen die Beklagte, sondern nur gegen die Beigeladene richten kann (zur Anwendbarkeit für Leistungsempfänger nach dem SGB II; BSG, Urteil vom 07.11.2006 aaO).
Aber auch dieser Anspruch ist nicht gegeben, denn die Ausrichtung einer Familienfeier in einem Gasthaus anlässlich der Erstkommunionfeier eines Kindes, stellt keine Bedarfslage dar, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist.
Unter der Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) war zwar anerkannt, dass die Kosten einer Kommunionfeier (einschließlich der nach der kirchlichen Zeremonie folgenden privaten Feier) zu den persönlichen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören, für die über die Regelsätze für laufende Leistungen hinaus einmalige oder laufende Leistungen zu erbringen waren (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.02.1993 - 5 C 49/90; BVerwGE 92, 102-105). Insofern müssen auch die Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums - zumindest im Ergebnis - die Möglichkeit gewährleisten, im bescheidenen Rahmen Familienfeiern ausrichten zu können.
Bei Überprüfung der EVS, die der Bemessung der Regelleistung zugrunde gelegen hat, ergibt sich, dass für Beherbungsdienstleistungen 2,4 v.H. der Regelleistung vorgesehen sind, so dass sich im Falle der Kläger allein aus dieser Position der (gesamten) Regelleistungen (= 1.036.- EUR) ein Betrag von 24,85 EUR monatlich errechnet, der es ermöglicht, innerhalb eines Jahres einen Betrag von ca. 300.- EUR anzusparen und somit eine Familienfeier in bescheidenem Rahmen zu finanzieren. Das gleiche gilt für die geltend gemachten Kosten der Fotoarbeiten, denn auch hierfür ist im Rahmen der Regelleistung eine entsprechende Position vorgesehen.
Des Weiteren ist ein Familienfest anlässlich einer Kommunion keine atypische Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Sachverhalten aufweist. Allenfalls denkbar erscheint hier ein Vergleich zu den in § 74 SGB XII geregelten Leistungen (Bestattungskosten), wobei insoweit auch nur die Kosten erstattungsfähig sind, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der rituellen Handlung stehen (Bestattung; Leichenschau, Verständigung von Angehörigen u.ä.), nicht jedoch die Kosten eines - gesellschaftsüblichen - Leichenschmauses (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 17.10.1986 - 19 K913/84 in ZfSH/SGB 1987, 325-326). Darüber hinaus scheitert die Vergleichbarkeit der Bedarfslagen an dem Umstand, dass die Situation des § 74 SGB XII - in aller Regel - unvermittelt eintritt und erhebliche Kosten verursacht, die weit über das hinausgehen, was aus Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes finanzierbar ist, wohingegen eine bescheidene Feier im Familienkreis - anlässlich eines bereits mit der Taufe eines Kindes absehbaren Ereignisses - auch langfristig planbar ist.
Zuletzt wird durch die Fragestellung, ob die Bewirtung von Familienangehörigen anlässlich einer Kommunionfeier in einem Gasthaus geboten ist, die Religionsausübungsfreiheit (Art. 4 Abs 1, Abs 2 Grundgesetz - GG) nicht in ihrem Kern tangiert, sondern nur die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs 1 GG) der Kläger, die jedoch lediglich im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung und ihrer einfachgesetzlichen Regelungen gewährleistet wird. Insofern müssen sich die Kläger auf eine bescheidene - möglicherweise im häuslichen Rahmen stattfindende - Familienfeier verweisen lassen, die durch die Regelleistung gedeckt ist, denn der Gesetzgeber hat in diesem Zusammenhang keine Notwendigkeit gesehen, Empfängern von Grundsicherungsleistungen denjenigen gleichzustellen, die ihren Lebensunterhalt durch eine Erwerbstätigkeit vollständig sichern und über ihr Einkommen nach eigenem Belieben verfügen können.
Im Ergebnis bestehen auch keine Bedenken, dass die Kläger durch die Versagung einer zuschussweisen Leistung stigmatisiert und aus dem gesellschaftlichen Leben ausgegrenzt werden, weil ihnen die Möglichkeit verweigert würde, die privaten Feierlichkeiten anlässlich der Kommunion der Klägerin zu 3) in einer auch für Dritte erkennbaren Weise in einem öffentlich zugänglichen Gasthaus zu begehen.
Zum einen war unter der Geltung des BSHG nur anerkannt, dass eine Familienfeier in einem bescheidenen Rahmen zu den persönlichen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehöre (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.02.1993 aaO), so dass hieraus nicht zwangsläufig herzuleiten ist, im Rahmen der Regelleistung müsste die finanzielle Möglichkeit zur Verfügung stehen, eine solche Feier in einem Gasthaus auszurichten.
Zum anderen dürfte es sich - unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerwG zur Bedeutung privater Feiern anlässlich religiöser Feste - um einen unabweisbaren Bedarf iSd § 23 Abs 1 SGB II handeln, für den die Beklagte - unter Umständen - ein Darlehen zu gewähren hätte. Hierüber hatte der Senat jedoch nicht zu entscheiden, denn die Kläger haben die Gewährung eines solchen Darlehens gegenüber der Beklagten abgelehnt und auch im gerichtlichen Verfahren nicht beantragt.
Im Ergebnis waren die Berufungen daher zurückzuweisen, so dass den Klägern als Unterliegenden keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten sind. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Die Revision ist zuzulassen, denn nach Auffassung des Senates hat die Frage, ob die Kosten privater Feste anlässlich religiöser Feiern durch die Regelleistung abgedeckt sind oder dieser Sachverhalt eine atypische Bedarfslage iSd §§ 47ff SGB XII darstellt, grundsätzliche Bedeutung, § 160 Abs 2 Nr. 1 SGG.
vom 31.01.2008 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger begehren die Übernahme der Kosten für Bekleidung und ein Familienfest anlässlich der Erstkommunion der Klägerin zu 3.
Die Kläger bezogen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), zuletzt bewilligt mit Bescheid vom 05.02.2007 für den Zeitraum vom 01.02.2007 bis 31.07.2007.
Am 19.03.2007 beantragte der Kläger zu 1. anlässlich der am 15.04.2007 bevorstehenden Erstkommunion seiner Tochter , der Klägerin zu 3., die Bewilligung eines Bekleidungszuschusses in Höhe von 300.- EUR. Es müsse für seine Tochter ein Kommunionkleid (ebenso wie Haarschmuck, Kerze und Schuhe) sowie festliche Kleidung für sich, seine Frau (Klägerin zu 2.) und seinen Sohn (Kläger zu 4.) angeschafft werden. Darüber hinaus sei ein Familienfest mit 20 Personen in einem Gasthaus geplant. Hierfür würden ca. 700.- EUR anfallen, die gleichfalls zu erstatten seien, weil die Regelleistungen hierfür nicht ausreichten.
Die Beklagte ermittelte in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin zu 3. kein Kommunionkleid benötige, weil seitens der Kirche Kutten gestellt würden, die von den Kindern zu tragen wären. Im Rahmen eines Gespräches am 03.04.2007 wurde dem Kläger zu 1. seitens der Beklagten erläutert, dass eine Kostenübernahme lediglich in Bezug auf die Bekleidungskosten in Höhe von 300.- EUR möglich sei, und die Bewilligung auch nur als Darlehen und nicht als Zuschuss erfolgen könne. Hiermit war der Kläger zu 1. nicht einverstanden und vertrat die Auffassung, dass die beantragten Leistungen, insbesondere die Bekleidung als einmalige Beihilfen zu gewähren seien.
Mit Bescheid vom 19.06.2007 lehnte die Beklagte sowohl die Bewilligung einer Beihilfe für die Anschaffung von Bekleidung als auch für die Ausrichtung einer Familienfeier ab. Der geltend gemachte Bedarf sei nicht unter § 23 Abs 3 SGB II zu fassen, so dass ein Anspruch auf einen Zuschuss nicht bestehe. Darüber hinaus habe der Kläger zu 1. die seitens der Beklagten angebotene darlehensweise Bewilligung der Bekleidungskosten nicht in Anspruch nehmen wollen.
Im Widerspruch vom 27.06.2007 brachte der Kläger zu 1. vor, dass die Kosten für die Familienfeier auf 500.- EUR reduziert werden konnten. Im Übrigen erwarte er jedoch die Bewilligung einer Beihilfe in Höhe von 800.- EUR. Am 24.07.2007 legte er Belege über Kosten in Höhe von 822,60 EUR vor, die anlässlich der Kommunion entstanden seien (Gasthaus: 513,20 EUR; Fotostudie: 69,90 EUR; C& A: 142.- EUR; bonprix: 97,50 EUR).
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.2008 zurück. Die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen, insbesondere die Anschaffung der Bekleidung, seien nicht als Kosten einer Erstanschaffung iSd § 23 Abs 3 SGB II erstattungsfähig. Das Entstehen eines Bekleidungsbedarfes anlässlich einer Kommunion sei absehbar und nicht mit den außergewöhnlichen Umständen vergleichbar, die Anlass für eine Erstanschaffung (z.B. Geburt, Haftentlassung; Wohnungsbrand) seien. Die Aufwendungen für die Familienfeier seien bereits nach dem Wortlaut der Regelung nicht unter § 23 Abs 3 SGB II zu fassen.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger zu 1. am 17.01.2008 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Ein Ansparen der Aufwendungen für die Kommunion aus der Regelleistung sei nicht möglich und die finanziellen Reserven der Familie seien bereits anlässlich der Taufe seines Sohnes im Herbst 2006 (Kläger zu 4.) aufgebraucht worden. Er beantrage die Zahlung von 822,60 EUR.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 31.01.2008 hat der Kläger zu 1. klar gestellt, dass er für alle Mitglieder der Familie Klage erhoben habe.
Das SG hat diese Klagen mit Urteil vom 31.01.2008 abgewiesen. Eine gesetzliche Grundlage für den von den Klägern geltend gemachten Sonderbedarfe gebe es nicht. Die Beschaffung von Kleidung, auch für besondere Anlässe, sei durch die Regelleistung abgegolten. Darüber hinaus seien die Voraussetzungen des § 23 Abs 3 SGB II, unter denen eine Erstanschaffung von Kleidung als einmaliger Bedarf bezuschusst werden könne, nicht erfüllt. Über die darlehensweise Übernahme dieser Kosten sei nicht zu entscheiden, denn dies hätten die Kläger abgelehnt. Hinsichtlich der Kosten für die Familienfeier seien die Kläger, soweit diese die Aufwendungen für sich selbst beträfen, auf die Regelleistung zu verweisen. Soweit die Kläger die Kosten für die Einladung der übrigen Teilnehmer der Feier geltend machen wollen, seien diese ebenfalls aus der Regelleistung zu finanzieren. Die (Regel)Leistung nach dem SGB II decke jedoch nur das soziokulturelle Existenzminimum; hierzu gehöre nicht die Einladung in Gaststätten.
Die Kläger haben gegen dieses Urteil am 11.03.2008 Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung werde auf das bisherige Vorbringen verwiesen.
Die Kläger beantragen (sinngemäß):
Das Urteil des Sozialgerichtes Würzburg vom 31.01.2008 wird aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 19.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.01.2008 verpflichtet, an die Kläger eine einmalige Beihilfe in Höhe von 822,60 EUR auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des Sozialgerichtes für zutreffend.
Mit Beschluss vom 08.04.2009 ist die Stadt A-Stadt - Sozialhilfeverwaltung - zum Verfahren beigeladen worden.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerechte Berufung ist zulässig, §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG), in der Sache jedoch unbegründet.
Im Hinblick auf einen möglichen Leistungsanspruch nach § 73 SGB XII war die Stadt A-Stadt - als zuständiger Träger der örtlichen Sozialhilfe und möglicher Leistungsverpflichteter - notwendig beizuladen (vgl. zur notwendigen Beiladung des Sozialhilfeträgers: BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7 b AS 14/06 R = SozR 4-4200 § 20 Nr. 1).
Die Kläger haben keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte oder die Beigeladene die Aufwendungen anlässlich der Kommunionfeier der Klägerin zu 3. als Zuschuss übernehmen. Der ablehnende Bescheid vom 19.06.2007 ist rechtsmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
Die Ausgaben für die Anschaffung festlicher Kleidung aus Anlass der Feier haben die Kläger aus der Regelleistung zu decken. Im weiteren ist hinsichtlich der geltend gemachten Aufwendungen für die Ausrichtung der Familienfeier eine zuschussweise Kostenübernahme nach dem SGB II nicht vorgesehen, und es handelt sich auch nicht um eine atypische Bedarfslage von erheblicher Grundrechtsrelevanz, die eine Verurteilung der Beigeladenen erforderlich gemacht hätte.
Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Satz 1 SGB II). Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben (§ 20 Abs 1 SGB II).
Mit dieser Regelung werden die einzelnen Bedarfe definiert, die von der Regelleistung gedeckt sein sollen, wobei zum einen das physiologische Existenzminimum garantiert wird, zum anderen wird mit den Beziehungen zur Umwelt und der Teilnahme am kulturellen Leben auch das soziokulturelle Existenzminimum angesprochen. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die Empfänger der Regelleistung nach dem SGB II nicht von der übrigen Gesellschaft abgegrenzt und stigmatisiert werden (Spellbrink in Eicher/ Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 20 Rn.21 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung (BT-Drucks 15/1516, S 56 zu § 20)).
Hierbei umfasst der durch die Regelleistung abgegoltene Bedarf die gesamte Ausstattung an Bekleidung auch für besondere Anlässe (vgl. Schmidt in Oesterreicher, SGB II, § 20 Rn. 25), denn die der Regelleistung zugrundeliegende Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS) berücksichtigt sämtlichen notwendigen Bedarf, wobei lediglich Ausgaben ausgenommen sind, die das notwendige Maß überschreiten (z.B. Maßkleidung, Pelze u.ä.) oder nicht regelmäßig über alle Bevölkerungsgruppen anfallen (z.B. Arbeitskleidung) (vgl. Spellbrink aaO § 20 Rn.26). Hinsichtlich des zuletzt genannten Aspektes sind jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass Kleidung für festliche Anlässe aus der Regelleistung ausgenommen wäre, insbesondere weil in jeder Bevölkerungsgruppe - abhängig von Herkunft und religiösen Überzeugungen - Familienfeiern anlässlich religiöser Feste oder besonderer Anlässe üblich sind.
Der von den Klägern geltend gemachte Bekleidungsaufwand ist auch nicht unter § 23 Abs 3 SGB II zu fassen. Hiernach sind Leistungen für Erstausstattungen für Bekleidung (und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt) nicht von der Regelleistung umfasst und werden gesondert erbracht (§ 22 Abs 3 Satz 1 Nr.2, Satz 2 SGB II).
In diesem Zusammenhang ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass der Begriff Erstausstattung nicht zeitlich eng auszulegen, sondern bedarfsbezogen zu interpretieren ist. Neben den im Gesetz genannten Bedarfslagen (Schwangerschaft; Geburt) und Lebenssituationen, die zum Totalverlust vorhandener Kleidung geführt haben (z.B. Wohnungsbrand; Entlassung nach langer Haft; Beendigung von Obdachlosigkeit), ist unter Erstausstattung auch der Kleidungsbedarf zu verstehen, der bislang noch nie gedeckt war, jedoch im Rahmen einer Erst- bzw. Grundausstattung für einen Sozialleistungsempfänger als notwendig erachtet wird (vgl. Lang/ Büggel in Eicher/Spellbrink aaO § 23 Rn. 97; Münder in LPK- SGBII, 2.Aufl., § 23 Rn.26, 33 zum Umfang der Ausstattung Rn.34). Hiervon ist abzugrenzen der Erhaltungs- bzw. Ergänzungsbedarf, der im Hinblick auf einen konkreten Anlass entsteht, und lediglich den bereits vorhandenen Bekleidungsbestand ergänzt oder erweitert.
Vorliegend ergeben sich jedoch keine Anhaltspunkte, dass bei den Klägern anlässlich der Kommunionfeier im April 2007 ein Bekleidungsbedarf entstanden ist, der bislang nicht gedeckt war und als notwendige Grundausstattung anzusehen ist. Dieser Schluss ist bereits deshalb gerechtfertigt, weil die Kläger - nach Angaben des Klägers zu 1. - im Herbst 2006 die Taufe des Klägers zu 4. gefeiert haben, und insoweit nicht nachvollziehbar erscheint, dass für die Kläger eine dem Anlass einer Kommunion entsprechende, würdige Bekleidung nach ca. einem halben Jahr nicht mehr vorhanden gewesen sein soll. Darüber hinaus liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass für die Klägerin zu 3. im Zusammenhang mit der Kommunionfeier ein spezielles, für diesen Anlass passendes "Kommunionkleid" angeschafft worden ist. Hierzu bestand auch keine Notwendigkeit, denn nach den Ermittlungen der Beklagten haben die Kindern während der Kommunionfeier Kutten getragen, so dass lediglich eine dem Anlass würdige Kleidung geboten war, die jedoch aus den oben genannten Gründen vorhanden gewesen sein muss.
Zudem besteht ein Anspruch auf eine einmalige Bezuschussung der von den Klägern konkret geltend gemachten Bekleidungsaufwendungen bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht. Nach § 23 Abs 3 Satz 2 SGB II werden einmalige Leistungen gesondert erbracht, d.h. dass diese auch gesondert zu beantragen sind (vgl. Schmidt aaO § 23 Rn. 57). Einen solchen Antrag hat der Kläger zu 1. erst am 19.03.2007 gestellt, wohingegen die geltend gemachten Aufwendungen bereits am 26.12.2006 (Kinderbekleidung: 142.- EUR) bzw. am 09.03.2007 (Damenbekleidung: 97,50 EUR) angefallen sind. Nicht nachvollziehbar an dieser Stelle ist, aus welchen Gründen die Kläger die Kosten für einen zweiten Hosenanzug (35.- EUR; wurde wohl auch an den Versender zurückgeschickt) und einen Badeanzug (9,50 EUR) geltend machen. Die (allein) geltend gemachten Aufwendungen sind daher vor der Antragstellung entstanden, so dass sie - unabhängig davon, dass ein materiell- rechtlicher Anspruch nicht besteht - ohnehin nicht erstattungsfähig sind (§ 37 Abs 2 Satz 1 SGB II).
Über die Frage, ob den Klägern - im Rahmen des § 23 Abs 1 SGB II - ein Darlehen zur Anschaffung von Bekleidung zu gewähren war, hatte der Senat nicht zu entscheiden, denn die Kläger haben eine Darlehensgewährung gegenüber der Beklagten ausdrücklich abgelehnt und im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens auch nicht beantragt.
Im Weiteren haben die Kläger auch keinen Anspruch, dass ihnen die anlässlich der Kommunionfeier entstanden Kosten (Bewirtung von Gästen 513,20 EUR; Fotoarbeiten 69,90 EUR) von der Beklagten oder der Beigeladenen erstattet werden.
Das SG hat bereits zu Recht darauf hingewiesen, dass in Bezug auf die geltend gemachten Ansprüche eine Rechtsgrundlage nach dem SGB II nicht gegeben ist. Die von Klägern geltend gemachten Kosten sind in keiner Weise unter die Begriffe der einmaligen Leistungen zu fassen, wie sie in § 23 Abs 3 SGB II geregelt sind. Dem Wesen nach ist der geltend gemachte Bedarf aus der Regelleistung zu decken, auch wenn - im Wesentlichen hinsichtlich der Bewirtungskosten - eine atypische Bedarfslage nicht per se auszuschließen ist.
Die Höhe der Regelleistung in § 20 SGB II hat abschließenden Charakter für die Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs. In diesem Rahmen ist eine Individualisierung ausgeschlossen und der Weg zu den §§ 28 Abs 1 Satz 2 und 30 Abs 1 SGB XII über § 5 Abs 2 Satz 1 iVm § 21 SGB XII nach dem Willen des Gesetzgebers verwehrt. Eine über den Gesetzeswortlaut hinausgehende (verfassungskonforme) Auslegung des § 20 (etwa durch ein Hineinlesen des § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII in den § 20 SGB II) ist angesichts des klaren Wortlauts und der nochmaligen Klarstellung durch das Fortentwicklungsgesetz (§§ 3 Abs 3, 23 Abs 1 S 4 SGB II) nicht möglich. Mithin muss der SGB II-Leistungs-empfänger mit dem sich in der Regelleistung nach § 20 SGB II darstellenden pauschalierten Bedarf auskommen. Die Regelleistung deckt, so wie sie in § 20 SGB II ausgestaltet ist, den Bedarf des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (§ 3 Abs 3 SGB II; Spellbrink aaO § 20 Rn.39 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 07.11.2006 aaO; Knickrehm in Eicher/Spellbrink aaO § 5 Rn. 19 mwN).
Ein Anspruch kann sich allenfalls aus § 73 SGB XII ergeben, der sich jedoch nicht gegen die Beklagte, sondern nur gegen die Beigeladene richten kann (zur Anwendbarkeit für Leistungsempfänger nach dem SGB II; BSG, Urteil vom 07.11.2006 aaO).
Aber auch dieser Anspruch ist nicht gegeben, denn die Ausrichtung einer Familienfeier in einem Gasthaus anlässlich der Erstkommunionfeier eines Kindes, stellt keine Bedarfslage dar, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist.
Unter der Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) war zwar anerkannt, dass die Kosten einer Kommunionfeier (einschließlich der nach der kirchlichen Zeremonie folgenden privaten Feier) zu den persönlichen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören, für die über die Regelsätze für laufende Leistungen hinaus einmalige oder laufende Leistungen zu erbringen waren (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.02.1993 - 5 C 49/90; BVerwGE 92, 102-105). Insofern müssen auch die Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums - zumindest im Ergebnis - die Möglichkeit gewährleisten, im bescheidenen Rahmen Familienfeiern ausrichten zu können.
Bei Überprüfung der EVS, die der Bemessung der Regelleistung zugrunde gelegen hat, ergibt sich, dass für Beherbungsdienstleistungen 2,4 v.H. der Regelleistung vorgesehen sind, so dass sich im Falle der Kläger allein aus dieser Position der (gesamten) Regelleistungen (= 1.036.- EUR) ein Betrag von 24,85 EUR monatlich errechnet, der es ermöglicht, innerhalb eines Jahres einen Betrag von ca. 300.- EUR anzusparen und somit eine Familienfeier in bescheidenem Rahmen zu finanzieren. Das gleiche gilt für die geltend gemachten Kosten der Fotoarbeiten, denn auch hierfür ist im Rahmen der Regelleistung eine entsprechende Position vorgesehen.
Des Weiteren ist ein Familienfest anlässlich einer Kommunion keine atypische Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Sachverhalten aufweist. Allenfalls denkbar erscheint hier ein Vergleich zu den in § 74 SGB XII geregelten Leistungen (Bestattungskosten), wobei insoweit auch nur die Kosten erstattungsfähig sind, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der rituellen Handlung stehen (Bestattung; Leichenschau, Verständigung von Angehörigen u.ä.), nicht jedoch die Kosten eines - gesellschaftsüblichen - Leichenschmauses (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 17.10.1986 - 19 K913/84 in ZfSH/SGB 1987, 325-326). Darüber hinaus scheitert die Vergleichbarkeit der Bedarfslagen an dem Umstand, dass die Situation des § 74 SGB XII - in aller Regel - unvermittelt eintritt und erhebliche Kosten verursacht, die weit über das hinausgehen, was aus Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes finanzierbar ist, wohingegen eine bescheidene Feier im Familienkreis - anlässlich eines bereits mit der Taufe eines Kindes absehbaren Ereignisses - auch langfristig planbar ist.
Zuletzt wird durch die Fragestellung, ob die Bewirtung von Familienangehörigen anlässlich einer Kommunionfeier in einem Gasthaus geboten ist, die Religionsausübungsfreiheit (Art. 4 Abs 1, Abs 2 Grundgesetz - GG) nicht in ihrem Kern tangiert, sondern nur die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs 1 GG) der Kläger, die jedoch lediglich im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung und ihrer einfachgesetzlichen Regelungen gewährleistet wird. Insofern müssen sich die Kläger auf eine bescheidene - möglicherweise im häuslichen Rahmen stattfindende - Familienfeier verweisen lassen, die durch die Regelleistung gedeckt ist, denn der Gesetzgeber hat in diesem Zusammenhang keine Notwendigkeit gesehen, Empfängern von Grundsicherungsleistungen denjenigen gleichzustellen, die ihren Lebensunterhalt durch eine Erwerbstätigkeit vollständig sichern und über ihr Einkommen nach eigenem Belieben verfügen können.
Im Ergebnis bestehen auch keine Bedenken, dass die Kläger durch die Versagung einer zuschussweisen Leistung stigmatisiert und aus dem gesellschaftlichen Leben ausgegrenzt werden, weil ihnen die Möglichkeit verweigert würde, die privaten Feierlichkeiten anlässlich der Kommunion der Klägerin zu 3) in einer auch für Dritte erkennbaren Weise in einem öffentlich zugänglichen Gasthaus zu begehen.
Zum einen war unter der Geltung des BSHG nur anerkannt, dass eine Familienfeier in einem bescheidenen Rahmen zu den persönlichen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehöre (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.02.1993 aaO), so dass hieraus nicht zwangsläufig herzuleiten ist, im Rahmen der Regelleistung müsste die finanzielle Möglichkeit zur Verfügung stehen, eine solche Feier in einem Gasthaus auszurichten.
Zum anderen dürfte es sich - unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerwG zur Bedeutung privater Feiern anlässlich religiöser Feste - um einen unabweisbaren Bedarf iSd § 23 Abs 1 SGB II handeln, für den die Beklagte - unter Umständen - ein Darlehen zu gewähren hätte. Hierüber hatte der Senat jedoch nicht zu entscheiden, denn die Kläger haben die Gewährung eines solchen Darlehens gegenüber der Beklagten abgelehnt und auch im gerichtlichen Verfahren nicht beantragt.
Im Ergebnis waren die Berufungen daher zurückzuweisen, so dass den Klägern als Unterliegenden keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten sind. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Die Revision ist zuzulassen, denn nach Auffassung des Senates hat die Frage, ob die Kosten privater Feste anlässlich religiöser Feiern durch die Regelleistung abgedeckt sind oder dieser Sachverhalt eine atypische Bedarfslage iSd §§ 47ff SGB XII darstellt, grundsätzliche Bedeutung, § 160 Abs 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
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