L 5 AS 111/09

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Koblenz (RPF)
Aktenzeichen
S 2 AS 424/06
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 AS 111/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ist der Arbeitsuchende als Eigentümer einer Eigentumswohnung Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft, sind auf ihn umgelegte und nicht abwendbare Kosten einer Instandhaltungsrücklage und eines Kabelanschlusses als Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II zu übernehmen.
1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 28.5.2008 sowie die Bescheide der Beklagten vom 2.12.2004 und 2.5.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.6.2006 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin weitere Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.1. bis 30.9.2005 in Höhe von 38,97 EUR monatlich zu gewähren.

2. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist die Höhe des Anspruchs der Klägerin auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1.1. bis 30.9.2005. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte Kosten einer Instandhaltungsrücklage sowie des Kabelanschlusses als Kosten der Unterkunft und Heizung zu übernehmen hat.

Die 1946 geborene alleinstehende Klägerin bewohnt eine Eigentumswohnung. Sie musste im Jahr 2005 an die Eigentümergemeinschaft ua eine jährliche Instandhaltungsrücklage von 355,57 EUR sowie Kabelanschlusskosten von 112,08 EUR zahlen. Die Beklagte bewilligte ihr durch Bescheide vom 2.12.2004 (für den Zeitraum vom 1.1.2005 bis zum 30.6.2005) und 2.5.2005 (für den Zeitraum vom 1.7.2005 bis 30.9.2005) Leistungen nach dem SGB II, wobei sie weder die Instandhaltungsrücklage noch die Gebühr für den Kabelanschluss als Kosten der Unterkunft und Heizung berücksichtigte. Den hiergegen von der Klägerin eingelegten Widerspruch wies sie durch Widerspruchsbescheid vom 23.6.2006 zurück. Zur Begründung führte sie aus: Die Kosten für die Instandhaltungsrücklage und den Kabelanschluss seien nach den Vorschriften des SGB II nicht erstattungsfähig. Die Instandsetzungsrücklage diene nicht der Deckung eines aktuellen Unterkunftsbedarfs, sondern der Ansparung für den Erhaltungsaufwand. Sie habe insoweit vermögensbildenden Charakter und sei daher nicht als Unterkunftsbedarf zu berücksichtigen. Die Kosten für die Nutzung eines Breitbandkabelanschlusses zählten allenfalls bei Mietwohnungen zu den berücksichtungsfähigen Aufwendungen für die Unterkunft, sofern es dem Hilfebedürftigen nicht möglich sei, die Übernahme dieser Nebenkosten vertraglich auszuschließen (Hinweis auf Verwaltungsgerichtshof VGH Baden-Württemberg 16.2.2001 7 S 2253/99). Bei Eigenheimen und Eigentumswohnungen liege es in der Hand des Eigentümers, den Breitbandkabelanschluss seines Hauses oder seiner Wohnung an das Kabelnetz durch den Einbau einer Filter oder Sperrdose zu blockieren und so diese Kosten zu vermeiden.

Mit ihrer am 10.8.2006 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage durch Urteil vom 28.5.2008 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf höhere Leistungen. Bei Eigentumswohnungen gehörten zu den vom SGB II Träger zu übernehmenden Aufwendungen jedenfalls die in § 7 Abs 2 Nr 1 bis 5 der Verordnung zu § 76 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) genannten Ausgaben. Eine Instandhaltungsrücklage zähle hierzu nicht, da diese der Bildung eines zweckbestimmten Vermögens diene und Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge, zu denen auch die Leistungen nach dem SGB II gehörten, nicht zu einer Vermögensbildung führen dürften. Die Kosten eines Kabelanschlusses seien nur erstattungsfähig, wenn sie im Mietvertrag fest an die Miete der Wohnung gekoppelt seien und nicht vermieden oder verringert werden könnten. Ausgehend davon seien diese Kosten nicht übernahmefähig.
Gegen dieses ihr am 16.6.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.6.2008 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Der Senat hat durch Beschluss vom 26.2.2009 die Berufung zugelassen.

Die Klägerin trägt vor: Eine Rücklage für Instandhaltungskosten sei Teil der Unterkunftskosten (Hinweis auf Landessozialgericht LSG Baden-Württemberg 26.1.2007 L 12 AS 3932/06; Sozialgericht SG Lüneburg 21.7.2005 S 25 AS 311/05). Die Instandhaltungsrücklage stehe nicht zur Disposition des einzelnen Wohnungseigentümers, sondern werde nach § 21 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) durch die Wohnungseigentümerversammlung bindend für sämtliche Wohnungseigentümer beschlossen. Auch die Kabelfernsehgebühren seien vom SGB II Träger zu übernehmen (Hinweis auf Bundesverwaltungsgericht BVerwG 12.12.1995 5 C 28/93; SG Freiburg 9.11.2007 S 12 AS 567/07). Das von ihr bewohnte Haus verfüge nicht über eine Gemeinschaftsantenne. Sie könne nicht frei entscheiden, ob sie den Kabelanschluss haben wolle, weshalb sie die Anschlussgebühr nicht vermeiden könne.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG Koblenz vom 28.5.2008 sowie die Bescheide der Beklagten vom 2.12.2004 und 2.5.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.6.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 1.1. bis 30.9.2005 weitere 38,97 EUR monatlich zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die nach §§ 143 f, 151 Sozialgerichtsgesetz SGG zulässige Berufung ist begründet. Der Klägerin stehen höhere Leistungen unter Berücksichtigung der Instandhaltungspauschale und der Kosten des Kabelanschlusses zu.

Nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Für den Eigentümer eines selbstbewohnten Hauses zählt eine Erhaltungsaufwandspauschale - anders als angemessene tatsächliche Instandhaltungsaufwendungen - nicht zu den berücksichtigungsfähigen Aufwendungen (BSG 3.3.2009 B 4 AS 38/08 R). Anders ist die Rechtslage jedoch im Falle von Wohnungseigentum, wenn der Arbeitsuchende der Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber zur Zahlung der Pauschale verpflichtet ist. Bei Mietern sind die Nebenkosten zu übernehmen, welche der Vermieter aufgrund des Mietvertrags vom Mieter verlangen kann und tatsächlich verlangt (vgl BSG 19.2.2009 B 4 AS 48/08 R). Dies gilt entsprechend für Wohnungseigentümer. Da diese der Eigentümergemeinschaft gegenüber zur Zahlung der Pauschale verpflichtet sind, sind die betreffenden Kosten vom SGB II Träger zu übernehmen (LSG Baden-Württemberg 26.1.2007 L 12 AS 3932/06, juris; LSG Rheinland-Pfalz 28.6.2007 L 3 ER 136/07 AS; Piepenstock in jurisPK SGB II, § 22 Rn 40, 42). Gemäß § 21 Abs 5 Nr 4 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) steht die Bildung der Instandhaltungsrücklage nicht zur Disposition des einzelnen Eigentümers, da die Wohnungseigentümerversammlung für sämtliche Mitglieder bindend über die zu bildenden Rücklagen für die ordnungsgemäße Instandhaltung und setzung des Gemeinschaftseigentums beschließt.

Der Pflicht zur Übernahme der Kosten der Instandhaltungspauschale steht nicht entgegen, dass bei Mietern die Übernahme einer solchen Pauschale deshalb nicht in Betracht kommt, weil der Erhaltungsaufwand dem Vermieter obliegt und daher solche Kosten nicht auf den Mieter umgelegt werden können (vgl § 2 Betriebskostenverordnung). Obwohl grundsätzlich aus Gründen der Gleichbehandlung Eigentümer und Mieter bei der Berechnung der zu leistenden Unterkunfts und Heizkosten im Zweifel gleich zu behandeln sind (Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, Rn 25), ist eine Ausnahme da gerechtfertigt, wo sich diese aus den Gegebenheiten der jeweiligen Sachlage begründet. Dies ist vorliegend wegen der, anders als beim Mieter, gegebenen Verpflichtung des Wohnungseigentümers zur Zahlung der Pauschale im Falle eines Beschlusses der Eigentümerversammlung der Fall. Dies führt nicht notwendig zu einer Privilegierung gegenüber Mietern, weil letztere den Erhaltungsaufwand regelmäßig über die Miete finanzieren.

Die Übernahme der Instandhaltungspauschale ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Pauschale auch Kosten für bauliche Maßnahmen betreffen kann, die über den reinen Erhaltungsaufwand (vgl Lang/Link, aaO Rn 26) hinausgehen und deshalb zu einer Wertsteigerung auch der Eigentumswohnung führen können. Die Instandhaltungspauschale darf zwar nur für die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums verwendet werden (vgl § 21 Abs 5 Nr 2 WEG). Zu dieser zählen nicht Umgestaltungen des Gemeinschaftseigentums, die vom Aufteilungsplan oder früheren Zustand des Gebäudes abweichen und über eine ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehen (AG Düsseldorf 29.5.2007 291 II 148/06 WEG, juris Rn 37). Die ordnungsgemäße Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums ist jedoch nicht auf die Reproduktion des vormals bestehenden Zustandes beschränkt; vielmehr sind auch technisch bessere und wirtschaftlich sinnvollere Lösungen mit Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft möglich (aaO Rn 38). Insoweit ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Instandhaltungspauschale auch für bauliche Maßnahmen Verwendung finden wird, die sich wertsteigernd auswirken können. Dies ändert jedoch nichts an der Übernahmepflicht der Beklagten für die Kosten der Pauschale. Diese Kosten unterscheiden sich nämlich von Kosten, die ein Eigentümer eines Eigenheims für wertsteigernde Erneuerungsmaßnahmen aufwenden muss, dadurch, dass der Wohnungseigentümer die laufende Entrichtung der Pauschale nicht vermeiden kann, während wertsteigernde Erneuerungsmaßnahmen des Eigentümers eines Eigenheims idR aufschiebbar sind.

Die Höhe der Instandhaltungspauschale ist vorliegend angemessen. Insoweit gilt die Faustregel, dass die Rücklage für erforderliche Instandsetzungen am Wohneigentum monatlich mindestens 1 EUR je Quadratmeter betragen soll (LSG Baden-Württemberg aaO juris Rn 28). In Anbetracht der Größe der Eigentumswohnung der Klägerin (54 qm) und der jährlichen Höhe der Pauschale von 355,57 EUR ist die Pauschale nicht überhöht.

Die Klägerin hat auch Anspruch auf Übernahme der Kabelanschlussgebühr. Einem Mieter ist die Kabelanschlussgebühr vom SGB II Träger im Falle der nicht abwendbaren Verpflichtung zur Zahlung gegenüber dem Vermieter zu erstatten (BSG 19.2.2009 B 4 AS 48/08 R Rn 19). Anderenfalls sind derartige Bedürfnisse des täglichen Lebens, die nicht zu den eigentlichen Kosten der Unterkunft zählen, von der Regelleistung abgedeckt; auf Grundrechte kann sich der Betroffene in diesem Fall nicht stützen (BSG aaO Rn 18). Wie dargelegt, müssen aus Gründen der Gleichbehandlung Wohnungseigentümer und Mieter bei der Berechnung der zu leistenden Unterkunfts und Heizkosten im Wesentlichen nach den gleichen Grundsätzen behandelt werden, sofern nicht nach der jeweiligen Sachlage solche Unterschiede bestehen, die eine abweichende Handhabung begründen. Daher sind auch bei Eigentumswohnungen die Kosten des Kabelanschlusses zu übernehmen, wenn der Arbeitsuchende kraft Beschlusses der Wohnungseigentümerversammlung zur Zahlung verpflichtet ist und die Gebühr nicht abwenden kann. So ist die Sachlage im vorliegenden Fall. Das Haus, in dem die Klägerin wohnt, verfügt nicht über eine Gemeinschaftsantenne. Welche Möglichkeiten die Klägerin haben soll, die Kabelanschlussgebühr zu vermeiden, ist nicht ersichtlich. Die Aufwendungen für den Kabelanschluss werden auch fällig, wenn der Kabelanschluss von der Klägerin nicht genutzt wird. Der Einbau einer Filter- oder Sperrdose führt nicht dazu, dass die Klägerin von der Entrichtung der anteiligen Kosten des Kabelanschlusses für das Haus an die Eigentümergemeinschaft befreit würde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved