L 4 AL 380/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 77 AL 574/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 AL 380/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. Juli 2006 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1963 geborene Kläger, ein Maurer, arbeitete seit Juni 1991 bei dem Baugeschäft H, Inhaber H H. Im Dezember 2001 erhielt er die Kündigung zum 31. Dezember 2001; im Ergebnis eines durch Vergleich beendeten arbeitsgerichtlichen Verfahrens endete das Arbeitsverhältnis zum 30. April 2002. Bis einschließlich Juli 2002 blieben mehrere Versuche, den vom Arbeitgeber nicht gezahlten Lohn für den Monat Januar 2002 sowie die nach dem Vergleich zu zahlende Abfindung in Höhe von 2.000,- EUR im Wege der Zwangsvollstreckung zu erhalten, erfolglos. Mit Versäumnisurteil vom 29. November 2002 verurteilte das Arbeitsgericht Berlin den ehemaligen Arbeitgeber des Klägers zur Zahlung des Lohns für die Monate Februar bis April 2002 abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengeldes und zuzüglich der Zinsen. Unter dem 12. Dezember 2002 wurde dem Kläger eine vollstreckbare Ausfertigung des Versäumnisurteils erteilt.

Der ehemalige Arbeitgeber des Klägers gründete im Januar 2002 die H Bau GmbH, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer er zunächst war. Als Gesellschafter schied er noch im selben Monat aus der Gesellschaft aus, blieb aber ihr Geschäftsführer. Am 3. September 2002 gab er eine eidesstattliche Versicherung ab. Am 23. September 2002 beantragte er die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Dies teilte der Prozessbevollmächtigte des ehemaligen Arbeitgebers in einem die Arbeitsentgeltansprüche eines ebenfalls von der Prozessbevollmächtigten des Klägers vertretenen ehemaligen Kollegen desselben, G D, betreffenden Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Berlin (4 Sa 1107/02) mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2002 mit. Das Amtsgericht Charlottenburg lehnte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Beschluss vom 11. April 2003 mangels Masse ab.

Am 17. Juni 2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Insolvenzgeld für den Zeitraum 1. Februar bis 30. April 2002. In der Anlage zum Antrag auf Insolvenzgeld bezifferte er das Brutto-Arbeitsentgelt für Februar auf 1.670,06 EUR, für März 2002 auf 1.753,56 EUR und für April 2002 auf 1.837,07 EUR und gab an, bislang keine Zahlungen erhalten zu haben. Seinem Antrag fügte er ein Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 13. Juni 2003 in Ablichtung bei, in welchem es heißt: " in vorbezeichneter Angelegenheit konnte nunmehr durch persönliche Vorsprache beim Amtsgericht Charlottenburg in Erfahrung gebracht werden, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse bereits am 11.04.03 abgewiesen wurde. Da Sie erst heute durch mein Schreiben Kenntnis von dem Ereignis erlangt haben, ist nunmehr innerhalb von zwei Monaten beim Arbeitsamt vorzusprechen. Ich rate dringend an, umgehend tätig zu werden, um die Frist nicht zu versäumen. Sollte das Arbeitsamt nachfragen, warum der Antrag erst jetzt gestellt wird, geben Sie an, dass Sie erst jetzt Kenntnis von dem Insolvenzereignis haben und Ihnen vorher nicht die Betriebseinstellung mitgeteilt wurde. Diesbezüglich wurde ja auch ein umfangreicher Rechtsstreit geführt."

Mit Bescheid vom 11. Dezember 2003 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab und führte zur Begründung aus, die Betriebstätigkeit sei am 15. April 2002 beendet worden, so dass der 16. April 2002 als maßgeblicher Insolvenztag festzusetzen sei. Da der Kläger den Insolvenzgeldantrag erst am 17. Juni 2003 gestellt habe, habe er die zweimonatige Ausschlussfrist nicht gewahrt. Zwar werde Arbeitnehmern, die die Ausschlussfrist aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen versäumt hätten, Insolvenzgeld gewährt, wenn der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden sei. Dies sei aber hier nicht der Fall. Seiner Bevollmächtigten sei in den Parallelverfahren der ebenfalls von ihr vertretenen ehemaligen Kollegen D und W am 18. bzw. 20. Dezember 2002 bekannt geworden, dass der ehemalige Arbeitgeber die Betriebstätigkeit eingestellt und im September 2002 einen Insolvenzantrag gestellt habe. Eine umgehende Antragstellung sei dennoch nicht erfolgt. Es komme hinzu, dass der Kläger bereits bei der Arbeitslosmeldung am 2. Januar 2002 durch die Aushändigung des Merkblatts 1 für Arbeitslose auf die Möglichkeit der Beantragung von Insolvenzgeld unterrichtet worden sei. Das Merkblatt enthalte neben den Regelungen zum Arbeitslosengeld auch einen unmissverständlichen Hinweis zur Beantragung von Insolvenzgeld.

Gegen den Bescheid legte der Kläger am 15. Dezember 2003 Widerspruch ein und trug vor, er habe erst durch das Schreiben seiner Rechtsanwältin vom 13. Juni 2003 von der Insolvenz der Firma erfahren. Er habe dann innerhalb der Zweimonatsfrist, nämlich am 17. Juni 2003, den Antrag auf Insolvenzgeld gestellt. Im Januar 2002 habe er dieses noch nicht beantragt, weil die Insolvenz nicht im Raum gestanden habe und seine Kollegen und er auf Weiterbeschäftigung geklagt hätten.

Mit Bescheid vom 5. Januar 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, der Kläger habe bereits im Zeitpunkt der Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Schreiben vom 13. Dezember 2001 Kenntnis von Zahlungsschwierigkeiten des ehemaligen Arbeitgebers gehabt, denn die Kündigung sei mit fehlenden Aufträgen begründet worden und er habe sowohl gegen die Kündigung als auch wegen der ausstehenden Lohnabrechnung geklagt. Durch die Vertretung seiner ehemaligen Kollegen in den Parallelverfahren habe seine Prozessbevollmächtigte bereits am 18. Dezember 2002 Kenntnis darüber erlangt, dass die vollständige Betriebseinstellung am 15. April 2002 erfolgt sei. Spätestens seit dem 20. Dezember 2002 sei ihr auch bekannt gewesen, dass im September 2002 ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden sei. Allein aufgrund des an den Kläger gerichteten Schreibens der Bevollmächtigten, das lediglich auf den Beschluss des Amtsgerichts abstelle, könne eine andere Entscheidung nicht getroffen werden. Der Kläger habe sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Arbeitsentgeltansprüche gekümmert. Es sei einem Arbeitnehmer zumutbar, sich bei hinreichenden Anhaltspunkten für den Eintritt eines relevanten Insolvenzereignisses darüber sachkundig zu machen, notfalls auch bei einem Arbeitsamt. Versäumnisse seiner Bevollmächtigten müsse der Kläger sich zurechnen lassen.

Daraufhin hat der Kläger am 4. Februar 2004 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben. Er hat vorgetragen, die Bevollmächtigung seiner Rechtsanwältin habe nicht die Vertretung bezüglich der Ansprüche auf Insolvenzgeld erfasst, sondern sich auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage und die Geltendmachung des ausstehenden Lohns gegenüber dem Arbeitgeber beschränkt. Im Übrigen müsse er sich eine etwaige Kenntnis seiner Bevollmächtigten aus arbeitsgerichtlichen Verfahren anderer nicht zurechnen lassen. Erst durch ein Schreiben des Rechtsanwalts S vom 22. Oktober 2002 im Verfahren eines Kollegen sei bekannt geworden, dass sein ehemaliger Arbeitgeber im September 2002 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt habe und möglicherweise vermögenslos sei. Bis zu diesem Zeitpunkt sei auch versucht worden, die ausstehenden Lohnansprüche direkt gegenüber dem Arbeitgeber zu vollstrecken. Von einer Betriebsstilllegung habe er nichts gewusst. Soweit in dem Verfahren eines Kollegen am 18. Dezember 2002 ein arbeitsgerichtlicher Vergleich geschlossen worden sei, in welchem es heiße, dass der Betrieb eingestellt worden sei, seien die Parteien des Rechtsstreits nicht davon ausgegangen, dass dem tatsächlich so gewesen sei. Der Passus sei auf Wunsch des ehemaligen Arbeitgebers in den Vergleich aufgenommen worden, um sicherzustellen, dass der Kläger in dem dortigen Verfahren aus dem Urteil im Berufungsverfahren keine Rechte würde herleiten können. Der Vergleich sei im Anschluss mehrfach widerrufen und erst am 30. Juni 2003 rechtskräftig worden, so dass Kenntnis einer etwaigen Betriebseinstellung, wenn überhaupt, ab diesem Zeitpunkt angenommen werden könne. Außerdem sei zum Zeitpunkt einer etwaigen Betriebseinstellung ein Insolvenzverfahren nicht offensichtlich mangels Masse aussichtslos gewesen. Bis zur Kenntnis über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und auch im Folgenden sei er stets bestrebt gewesen, seinen Anspruch auf Arbeitsentgelt im arbeitsgerichtlichen Verfahren sowie in der anschließenden Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Erst am 29. November 2002 sei es zum Erlass des Versäumnisurteils durch das Arbeitsgericht gekommen. Auch in diesem arbeitsgerichtlichen Verfahren habe der Arbeitgeber in keiner Weise auf eine etwaige Betriebseinstellung hingewiesen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat vorgetragen, nach dem vom 24. März 2003 datierenden Gutachten des Rechtsanwalts Dr. W, welches zur Zurückweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt habe, habe der Einzelunternehmer H den Geschäftsbetrieb bereits im Januar 2002 eingestellt. Nach dem Vermögensver-zeichnis vom 3. September 2002 könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der ehe-malige Arbeitgeber des Klägers - wie behauptet - zahlungsunwillig gewesen sei. Ein Vergleich der Belastungen mit den Einkünften zeige vielmehr, dass Zahlungsunfähigkeit bestanden habe.

Dazu, dass der Betrieb nicht im Januar 2002 eingestellt worden ist, sondern die Arbeiten auf verschiedenen Baustellen, unter anderem der im Olympiastadion, bis in den Sommer des Jahres 2002 hinein weiter geführt worden sind, hat der Kläger daraufhin Beweis angeboten durch Vernehmung seiner ehemaligen Kollegen und Inaugenscheinnahme der Liste über die Schlüsselabholung für die Baugeräte. Er hat die Auffassung vertreten, auch die Tatsache, dass sein ehemaliger Arbeitgeber sich in mehreren arbeitsgerichtlichen Verfahren seiner Kollegen zur Zahlung von Abfindungen bereit gefunden habe, spreche gegen den Anschein der Masselosigkeit. Erst nachdem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden sei, sei der Betrieb eingestellt worden und erst zu diesem Zeitpunkt habe frühestens der Anschein der Masselosigkeit bestehen können. Als maßgebliches Insolvenzereignis komme nur die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Betracht.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht Berlin die Klage durch Gerichtsbescheid vom 18. Juli 2006 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe zwar bezüglich des nicht gezahlten Arbeitsentgelts für die Monate Februar, März und April 2002 am 29. November 2002 ein Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Berlin erwirkt, im Anschluss jedoch keinerlei Aktivität zur Vollstreckung aus diesem Versäumnisurteil erkennen lassen. Dies gelte sowohl für die Zeit bis zum Eintritt des Insolvenzereignisses am 11. April 2003, als auch für die Zeit danach. Dass Vollstreckungsmaßnahmen - auch solche seiner Kollegen - in der Vergangenheit bereits gescheitert gewesen seien, sei insoweit ohne Bedeutung. Festzuhalten sei, dass der Kläger eigene Aktivitäten zur Realisierung seiner nunmehr gegenüber der Solidargemeinschaft geltend gemachten Forderungen innerhalb der Ausschlussfrist nicht vorgenommen, geschweige denn unter Beweis gestellt habe. Er selbst habe mit Schreiben vom 14. Juli 2006 eingeräumt, aus Kostengründen auf eigene Vollstreckungsmaßnahmen verzichtet zu haben. Dass seine Kollegen und er den ehemaligen Arbeitgeber beobachtet hätten, um vollstreckungsfähige Vermögensgegenstände zu eruieren, genüge für den Nachweis sorgfältiger Vollstreckungsbemühungen in eigener Sache nicht. Soweit der Kläger darauf verwiesen habe, dass andere Kollegen aus Vergleichen mit dem ehemaligen Arbeitgeber Zahlungen erhalten hätten, rechtfertige dies gerade nicht, die eigenen Forderungen nicht weiter verfolgt zu haben.

Gegen den ihm am 26. Juli 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 8. August 2006 Berufung eingelegt. Er trägt vor, er habe sich bis zur Kenntnis des Insolvenzereignisses mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht. Wie seine Kollegen, so sei auch er davon ausgegangen, dass aufgrund der erheblichen Vermögenswerte des ehemaligen Arbeitgebers, insbesondere des Immobilienbesitzes, eine Befriedigung seiner offenen Forderungen im Rahmen des Insolvenzverfahrens möglich sein werde. Dass schließlich das Insolvenzverfahren gar nicht eröffnet worden sei, habe ihn und alle beteiligten Kollegen mit Überraschung getroffen. Selbst wenn er im Übrigen Anfang des Jahres 2003 nach Rechtskraft des Versäumnisurteils einen eigenen Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher gegeben hätte, wäre dieser bei der langen Verfahrensdauer in Berlin erst Mitte des Jahres bearbeitet worden. Ein früheres Tätigwerden des Gerichtsvollziehers wäre nur wahrscheinlich gewesen, wenn er einen direkten Hinweis auf Vermögenswerte hätte geben können. In Anbetracht dessen müsse es als ausreichend angesehen werden, dass er zunächst eigene Nachforschungen angestrengt und auf kostenintensive Maßnahmen verzichtet habe. Er habe, nachdem er Kenntnis von dem Abweisungsantrag erhalten habe, umgehend den Antrag auf Gewährung von Insolvenzgeld bei der Beklagten gestellt, so dass ihm der Vorwurf der Untätigkeit nicht zu machen sei. Die Nachfrist sei ihm daher einzuräumen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. Juli 2006 sowie den Bescheid vom 11. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Januar 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm für den Zeitraum vom 1. Februar bis zum 30. April 2002 Insolvenzgeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und führt ergänzend aus, der Kläger sei bereits bei Beantragung des Arbeitslosengeldes am 2. Januar 2002 auf die Möglichkeit der Beantragung von Insolvenzgeld hingewiesen worden. Für eine weitergehende Beratung habe, nachdem der Kläger als Grund für das arbeitsgerichtliche Verfahren "Kündigungsfrist", nicht etwa Ausstehen des Arbeitsentgelts, angegeben habe, keine Veranlassung bestanden. Auch aus den Vermerken über spätere persönliche Vorsprachen des Klägers sei nicht ersichtlich, dass dieser sich an die Beklagte gewandt habe, um Informationen über die Durchsetzung seiner ausstehenden Arbeitsentgeltansprüche zu erhalten. Mit diesem Anliegen habe er sich erstmals am 17. Juni 2003 an die Beklagte gewandt und sei dann unmittelbar an die Insolvenzgeldstelle verwiesen worden. Am selben Tag sei der Antrag auf Insolvenzgeld gestellt worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten bezüglich der Gewährung von Arbeitslosengeld und der Beantragung von Insolvenzgeld (zwei Bände) verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist zwar statthaft (§ 143 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG). Sie ist aber nicht begründet, denn das Sozialgericht Berlin hat die Klage zu Recht abgewiesen. Einen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihm für die Zeit vom 1. Februar bis zum 30. April 2002 Insolvenzgeld gewährt, hat der Kläger nicht. Zutreffend hatte die Beklagte seinen darauf gerichteten Antrag abgelehnt und den Widerspruch zurückgewiesen.

Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGG III) in der vorliegend ab 1. Januar 2002 anwendbaren Fassung des Gesetzes vom 10. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3443) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn Sie im Inland beschäftigt waren und bei 1. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers, 2. Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt, (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.

Diese Voraussetzungen sind, was unter den Beteiligten auch nicht streitig ist, vorliegend jedenfalls insoweit erfüllt, als der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des früheren Arbeitgebers des Klägers am 11. April 2003 mangels Masse abgewiesen wurde und der Kläger noch nicht erfüllte Ansprüche auf Arbeitsentgelt für die letzten drei Monate des zum 30. April 2002 beendeten Arbeitsverhältnisses hatte.

Der Kläger hat jedoch den erforderlichen Leistungsantrag nicht rechtzeitig gestellt. Nach § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III ist Insolvenzgeld innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen. Für den Beginn dieser Frist ist der Eintritt des je-weiligen Insolvenzfalls maßgebend, wobei im Falle der Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse (Insolvenzereignis im Sinne des § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III) auf den Tag des entsprechenden Beschlusses des Amtsgerichts Charlottenburg abzustellen ist. Dabei beginnt die Frist ohne Rücksicht auf die Zustellung dieses Beschlusses oder die Kenntnisnahme des Arbeitnehmers vom Eintritt des Insolvenzereignisses (vgl. das Urteil des Bundessozialgerichts [BSG] - noch zu § 141e Abs. 1 AFG - vom 30. April 1996, 10 RAr 8/94, zitiert nach juris). Ausgehend also vom 11. April 2003 begann die zweimonatige Ausschlussfrist am nachfolgenden Tag, dem 12. April 2003, und endete am 11. Juni 2003. Der vom Kläger am 17. Juni 2003 gestellte Antrag auf Insolvenzgeld war mithin verfristet.

Zu Recht hat das erstinstanzliche Gericht bereits darauf hingewiesen, dass auch zugunsten des Klägers keine Nachfrist gemäß § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III lief. Nach dieser Vorschrift kann ein Arbeitnehmer, der die Antragsfrist aus Gründen versäumt hat, die er nicht zu vertreten hat, den Antrag noch innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes stellen. Voraussetzung für die Nachfrist ist nach der Legaldefinition in § 324 Abs. 3 Satz 3 SGB III, dass der Arbeitnehmer sich mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht hat. Dies ist hier nicht der Fall.

Die - hier zu unterstellende - unverschuldete Unkenntnis vom Eintritt eines Insolvenzereignis-ses führt zum Beginn einer weiteren Antragsfrist, wenn der Arbeitnehmer die nach den Um-ständen erforderliche und nach seiner Persönlichkeit zumutbare Sorgfalt (§ 276 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) angewandt hat, um die rückständigen Arbeitsentgeltansprüche durchzuset-zen (vgl. Niesel, SGB III, 4. Aufl. 2007, Rdnr. 23 zu § 324). Es kann dahinstehen, ob, wie die Beklagte meint, bereits das im Dezember 2001 erhaltene Kündigungsschreiben bei dem Kläger Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des ehemaligen Arbeitgebers wecken musste. Solche hätten jedenfalls aufkommen müssen, nachdem er im Sommer 2002 erfolglos Anstrengungen unternommen hatte, den nicht gezahlten Lohn für den Monat Januar 2002 und die nach dem arbeitsgerichtlichen Vergleich von seinem ehemaligen Arbeitgeber zu leistende Abfindung zu erhalten. Nachdem er bezüglich der ausstehenden Vergütung für die Monate Februar, März und April 2002 Ende November 2002 einen Titel erwirkt hatte, hat er dennoch nichts getan, um die Befriedigung dieser Forderung zu erreichen, insbesondere hat er keine Vollstreckungsversuche unternommen. Soweit er vorträgt, er habe den ehemaligen Arbeitgeber beobachten und Ver-mögenswerte ausfindig machen wollen, ist ihm entgegenzuhalten, dass er bereits nach den Er-fahrungen aus dem Sommer 2002 hätte wissen können und müssen, dass insoweit wenig Aussicht auf Erfolg bestand. Seinem eigenen Vortrag nach wusste er im Übrigen Ende des Jahres 2002 von dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Spätestens in diesem Zeitpunkt hätte er daher die Durchsetzung seiner Ansprüche ernsthaft verfolgen müssen, denn er hatte hinreichende Anhaltspunkte für den Eintritt der Insolvenz des Unternehmens, in welchem er beschäftigt gewesen war. Dass er dennoch zugewartet hat und untätig geblieben ist, hat er zu vertreten. Im Übrigen hätte er, um sicherzustellen, dass er seiner Ansprüche nicht endgültig verlustig geht, vorsorglich einen Insolvenzgeldantrag stellen können. Den Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg brauchte er dazu weder abzuwarten noch zu kennen.

Nicht gefolgt werden schließlich kann dem Kläger, soweit er vorträgt, ein Verschulden seiner Bevollmächtigten könne ihm nicht zugerechnet werden. Nachdem diese - auch durch die Vertretung ehemaliger Kollegen des Klägers vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht Berlin - wusste, dass ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt war und darüber hinaus weitere Anhaltspunkte für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des ehemaligen Arbeitgebers und damit der Unmöglichkeit der Durchsetzung der Arbeitsentgeltansprüche des Klägers sprachen, hätte sie für die Wahrung eines etwaigen Insolvenzgeldanspruchs Sorge tragen müssen. Dass sie es nicht getan hat, war zumindest fahrlässig. Dafür, dass ihre umfassende arbeitsrechtliche Mandatierung die Geltendmachung eines potentiellen Insolvenzgeldanspruchs - ausnahmsweise - nicht auch eingeschlossen hätte, ist nichts ersichtlich, zumal eine derart begrenzte Bevollmächtigung nicht im Interesse des Klägers gewesen wäre. Hat die Bevollmächtigte innerhalb der Ausschlussfrist schuldhaft keinen Antrag gestellt und auch ihren Mandanten nicht dazu aufgefordert, so führt dies nicht dazu, dass zugunsten des Letzteren eine Nachfrist in Lauf gesetzt wird; er ist vielmehr auf mögliche Regressansprüche gegen seine Bevollmächtigte zu verweisen (vgl. dazu insgesamt auch das Urteil dieses Gerichts vom 15. August 2007, L 16 AL 213/07, zitiert nach juris, m.w.N.).

Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG genannten Gründe vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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