L 14 AS 1074/09 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 14 AS 1415/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AS 1074/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 5. Mai 2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. F H wird abgelehnt.

Gründe:

Der mit der Beschwerde angefochtene Beschluss des Sozialgerichts erweist sich als zutreffend. Zu Recht hat das Sozialgericht nicht nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG – die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid vom 13. März 2009 angeordnet, mit dem die Antragsgegnerin mit Wirkung ab dem 1. April 2009 den Bescheid vom 20. November 2008 aufgehoben hat, der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis 30. Juni 2009 in Höhe von monatlich 509,98 Euro bewilligte, und – mangels hinreichender Erfolgsaussicht – auch die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Ebenso wenig wie das Sozialgericht vermag der Senat zu erkennen, dass der Bescheid vom 13. März 2009 offensichtlich rechtswidrig ist, so dass es mit der sich aus § 39 Nr. 1 des Sozialgesetzbuches, Zweites Buch – SGB II – ergebenden sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheides sein Bewenden haben muss.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Bescheides vom 20. November 2008 mit Wirkung für die Zukunft ist § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Sozialgesetzbuches, Zehntes Buch – SGB X – iVm § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II und § 330 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches, Drittes Buch. Nach diesen Vorschriften ist die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, wenn nachträglich Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, dass zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruches geführt haben würde. Der Antragsteller hat am 8. Januar 2009 – und damit nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 20. November 2008 - Einkommen erzielt. An diesem Tag löste er die Sparkonten aus der Erbschaft nach seinem am 15. Februar 2007 verstorbenen Vater auf und ließ deren Wert in Höhe von insgesamt 11.231,23 Euro seinem eigenen Konto gutschreiben. Daneben erhielt er am 13. Januar 2009 weitere 329,73 Euro von dem Girokonto seines Vaters.

Voraussetzung für einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ist nach den §§ 7, 9 SGB II das Vorliegen von Bedürftigkeit. Als Einkommen, das einer Bedürftigkeit entgegensteht, sind nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II (alle) Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen. Einkommen ist zu unterscheiden vom Vermögen im Sinne des § 12 SGB II, für das besondere Freibeträge gelten. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts BSG gehören zum Vermögen alle finanziellen Mittel, die schon vor der Beantragung von Leistungen nach dem SGB II vorhanden gewesen sind; Mittel, die erst nach Antragstellung zugeflossen sind, gelten dagegen als Einnahmen (Urt. v. 30. Juli 2008 - B 14 AS 26/07 R - ). Geldbeträge aus einer Erbschaft, die Hilfebedürftigen während des laufenden Leistungsbezuges Erbschaft zufließen, sind danach als Einkommen, nicht als Vermögen anzusehen (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 13. Februar 2008 – L 13 AS 237/07 ER -; Urt. v. 19. Juni 2008 – L 7 AS 663/07 -, LSG Essen, Urt. v. 2. April 2009 – L 9 AS 58/07 -; LSG Stuttgart, Beschluss v. 18. Juni 2009 – L 12 AS 2457/09 ER-R -). Denn sie treten nicht an die Stelle eines schon vorher zum Vermögen des Hilfebedürftigen gehörenden Anspruches. Für den Zeitpunkt des Zuflusses kommt es nicht auf den Todestag des Erblassers, sondern auf den Moment an, in dem der Hilfebedürftige erstmals tatsächlich über das durch Erbfall Erworbene verfügen kann. Maßgeblich für den Fortfall der Bedürftigkeit ist nämlich nicht der rechtliche Zeitpunkt des Vermögensübergangs, sondern der Erwerb der Möglichkeit, mit dem ererbten Vermögen der eigenen Bedürftigkeit entgegenzuwirken.

Eine Anrechnung der von dem Antragsteller aus der Erbschaft erhaltenen 11.560,96 Euro als Einkommen ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Antragsteller im Zusammenhang mir der Erbauseinandersetzung auch die Verpflichtung übernommen hat, seinen Bruder mit 30.000,- Euro abzufinden. Offene Schulden mindern grundsätzlich weder Einkommen noch Vermögen, solange sie den Schuldner nicht daran hindern, die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zunächst zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes einzusetzen (BSG, Urt. v. 30. September 2008, B 4 AS 29/07 R; LSG Stuttgart, Beschluss v. 18. Juni 2009 – L 12 AS 2457/09 ER-R -). Der Antragsteller macht zwar geltend, dass er die aus der Erbschaft erhaltenen Barmittel benötige, um die seinem Bruder gegenüber übernommenen Verpflichtungen (teilweise) zu erfüllen. Das ändert aber nichts daran, dass die 11.560,96 Euro nicht an seinen Bruder, sondern an ihn ausgezahlt wurden, wodurch er rechtlich und tatsächlich in die Lage versetzt worden ist, aus dem Guthaben seinen allgemeinen Bedarf zu decken.

Die übernommene Schuld von 30.000,- Euro ist auch nicht als Rückzahlungsverpflichtung anzusehen, welche den wirtschaftlichen Vorteil aus dem Zufluss der 11.560,96 Euro wieder aufhebt. Nach eigenem Vortrag des Antragstellers sollen (u.a.) die zugeflossenen Geldmittel dazu dienen, seinen Bruder auszuzahlen, damit das Haus in seinem ungeteilten Eigentum bleibt. Da er den Wert des Hausgrundstückes mit 110.000.- Euro angegeben hat, ist die Erbschaft für ihn trotz der übernommenen Verpflichtung insgesamt wirtschaftlich vorteilhaft.

Ebenso wenig ergibt sich aus § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II, wonach ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe nicht als Vermögen zu berücksichtigen ist, etwas gegen die Anrechnung des Geldes als Einkommen. Der Senat lässt dahinstehen, ob das im Wege der Erbfolge erworbene Haus als Vermögen – und nicht als Einnahme in Geldeswert - anzusehen ist, obwohl es – ebenso wie das ererbte Geldvermögen – nicht schon vor Antragstellung vorhanden war, sondern erst während des Leistungsbezuges erworben wurde. Selbst wenn das Haus mit dem Erwerb Schonvermögen des Antragstellers geworden wäre – wofür sprechen könnte, dass er es schon vor Antragstellung bewohnt hat und § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II den Bestand des räumlichen Lebensmittelpunktes schützen will (vgl. dazu BSG, Urt. v. 7. November 2006 – B 7b AS 2/05 R - ) – ergäbe sich daraus nicht, dass anderes Einkommen nicht als solches angerechnet werden dürfte. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II ist nämlich eine rein vermögensrechtliche Schutzvorschrift gegenüber einem Verwertungsbegehren des Grundsicherungsträgers (BSG, Urt. v. 19. September 2008 – B 14 AS 54/07 R -). Weitergehende Rechtsfolgen können aus der Vorschrift nicht abgeleitet werden. Ob Zahlungen auf die vom Kläger im Wege der Erbauseinandersetzung eingegangene, allerdings erst im Dezember 2010 fällig werdende Schuld von 30.000 Euro als Aufwendungen für den Erwerb des selbstgenutzten Hausgrundstücks anzusehen und gegebenenfalls als Bedarf nach § 22 SGB II zu berücksichtigen wären, ist im vorliegendem Eilverfahren nicht zu entscheiden (vgl. zur Berücksichtigung von Tilgungsleistungen als Aufwendungen für Unterkunft und Heizung BSG, Urt. v. 18. Juni 2008 – B 14/11b AS 67/06 R -).

Die Einnahme von 11.560,96 Euro im Januar 2009 führt dazu, dass der Antragsteller jedenfalls in dem hier streitigen Zeitraum bis Juni 2009 insgesamt nicht mehr als bedürftig angesehen werden kann. Einmaliges Einkommen ist nach §§ 4, 2 Abs. 4 Satz 3 der Arbeitslosengeld II / Sozialgeld-Verordnung (Alg II – V) auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen, wobei es während des gesamten Verteilzeitraumes – die Hilfebedürftigkeit ausschließendes – Einkommen bliebt, es sei denn, dass die Hilfebedürftigkeit vorher aus einem anderen Grund unterbrochen wird (BSG, Urt. v. 30. September 2008 – B 4 AS 29/07 R -). Angesichts der Höhe der Einnahme, die es ermöglicht, auch Versicherungsbeiträge für einige Monate aus eigener Kraft zu entrichten, durfte der Antragsgegner davon absehen, die Leistungen auf einen so langen Zeitraum zu verteilen, dass daneben weiter Bedürftigkeit und entsprechend Versicherungspflicht bestand (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 19. Juni 2008 – L 7 AS 6634/07 - ).

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Mangels der für eine Bewilligung nach den §§ 73a SGG, 114 der Zivilprozessordnung erforderlichen Erfolgsaussicht konnte keine Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gewährt werden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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