L 10 R 3720/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 3470/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3720/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 10.07.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht der Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Die am 1963 geborene Klägerin ist gelernte Krankenpflegehelferin und Altentherapeutin. Zuletzt war sie ab August 2005 in einer Tankstelle im Verkauf versicherungspflichtig beschäftigt. Wegen eines chronischen Schmerzsyndroms bei Postnukleotomiesyndroms nach perkutaner Diskektomie L 4/5 im Januar 1994 und Hemilaminektomie L 4 linksseitig im Oktober 2006 mit anschließender Rehabilitation ist sie seit Oktober 2006 arbeitsunfähig.

Nach einem gescheiterten Arbeitsversuch am früheren Arbeitsplatz beantragte die Klägerin am 19.04.2007 bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. In dem daraufhin von der Beklagten bei dem Orthopäden Dr. W. eingeholten Gutachten wird bei persistierender Lumboischialgie, Blockierung C 2 links und C 6 rechts, Fußfehlstatik und Diskusprotrusionen L 2/3, L 3/4 sowie L 5/S 1 eine vollschichtige Leistungsfähigkeit der Klägerin für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen, ohne Heben und Tragen von Lasten von mehr als 10 kg, ohne einseitige Körperhaltung, gehäuftes Bücken, längeres Stehen und Gehen auf harten Böden oder in unebenem Gelände sowie ohne Überkopfarbeiten unter Belastung angegeben.

Mit Bescheid vom 09.07.2007 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin mangels Erwerbsminderung ab. Auf den Widerspruch der Klägerin unter Vorlage einer Berichts des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), in dem ein chronisches Schmerzsyndrom bescheinigt wird, holte die Beklagte ein weiteres Gutachten bei dem Facharzt für Neurologie Dr. R. ein, der nach Untersuchung der Klägerin am 27.08.2007 ein sensibles Wurzelreizsyndrom L 5 und S 1 bei Postlaminektomiesyndrom bestätigte und leichte körperliche Tätigkeiten vorzugsweise im Sitzen, verbunden mit der Möglichkeit zu kurzen Pausen und Änderung der Körperposition über sechs Stunden täglich für zumutbar hielt. Nicht möglich seien Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr, Zwangshaltungen und das berufliche Führen von Kraftfahrzeugen.

Gegen die Zurückweisung ihres Widerspruchs mit Widerspruchsbescheid vom 21.11.2007 hat die Klägerin am 18.12.2007 Klage zum Sozialgericht Konstanz erhoben und die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, zumindest auf Zeit, beantragt. Das Sozialgericht hat den Bericht des Rehazentrums bei der T. in Bad W. über die Rehabilitation der Klägerin vom 21.11. bis 15.12.2006 beigezogen (entlassen als arbeitsfähig für leichte Tätigkeiten im Wechsel von Stehen, Gehen oder Sitzen ohne schweres Heben und Tragen von Lasten über 5 kg ohne Hilfsmittel, ohne Überkopfarbeiten sowie einseitige Haltungen des Oberkörpers). Vom Sozialgericht als sachverständige Zeugen befragt, haben sich die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. G. dem Reha-Bericht und der Facharzt für Orthopädie Dr. E. der Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin durch Dr. W. angeschlossen.

Mit Gerichtsbescheid vom 10.07.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und sich zur Begründung auf die Gutachten von Dr. W. und Dr. R. sowie den Reha-Entlassungsbericht gestützt, denen sich die behandelnden Ärzte angeschlossen hätten. Eine rentenrelevante quantitative Einschränkung für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt lasse sich aus der Lumboischialgie und dem chronischen Schmerz der Klägerin nicht ableiten. Die Klägerin sei daher nicht erwerbsgemindert.

Die Klägerin hat am 04.08.2008 unter Vorlage von ärztlichen Berichten u.a. über die zwischenzeitlich eingeleitete Schmerztherapie Berufung eingelegt. Wegen der darin beschriebenen Erkrankungen sei ihr Leistungsvermögen dergestalt reduziert, dass die Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gegeben seien.

Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 10.07.2008 und den Bescheid der Beklagten vom 09.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.11.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab Antragstellung Rente wegen voller Erwerbsminderung, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, sich anhand der vorgelegten Berichte gegenüber dem eingeholten orthopädischen Gutachten keine Änderung feststellen lasse.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 09.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.11.2007 ist rechtmäßig. Ein Anspruch der Klägerin auf die nur streitige Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht nicht.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen (§ 43 Abs. 2 SGB VI) für die von der Klägerin beanspruchte Rente wegen voller Erwerbsminderung dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil sie zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen noch vollschichtig ausüben kann. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Von einer Erwerbsminderung der Klägerin ist der Senat auch nicht im Hinblick auf die von ihr im Berufungsverfahren vorgelegten ärztlichen Berichte überzeugt.

Der Bericht der Radiologen Dres. Kr. u.a. vom 16.04.2007 (kein Anhalt für Rezidivprolaps L 5, unverändert breitbasige Diskusprotrusion L 2/3, L 3/4 und L 5/S 1; Rückbildung der Lähmungen des linken Fußes und der Blasenstörung nach der Operation vom 13.10.2006, aber weiterhin im Sitzen und bei körperlicher Belastung Kreuzschmerzen mit Ausstrahlung in das linke Gesäß und den Unterleib) lag Dr. W. und Dr. R. bei der Erstellung ihrer Gutachtens bereits vor und wurde von ihnen ausdrücklich berücksichtigt.

Aus den Berichten über die von der Klägerin ab Oktober 2007 durchgeführte Schmerztherapie (Bericht des Dr. Re. , Schmerzambulanz im Krankenhaus Bad W. , über die erste Vorstellung am 19.10.2007 wegen eines chronischen Schmerzsyndroms [Chronifizierungsgrad III nach Gerbershagen] bei teils in beide Beine ausstrahlenden LWS-Schmerzen) ergibt sich ebenfalls nicht, dass die Klägerin außerstande ist, eine leichte körperliche Tätigkeit in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, wenn die vom Sozialgericht seiner Entscheidung im Anschluss an das Gutachten von Dr. W. zu Grunde gelegten qualitativen Leistungseinschränkungen (wechselnde Körperhaltung, vorzugsweise im Sitzen, ohne längeres Gehen und Stehen auf harten Böden, gehäuftes Bücken, einseitige Körperhaltung und Überkopfarbeiten) beachtet werden. Denn die - nach Rückbildung der neurologischen Störungen nach der Operation vom 13.10.2006 - im Vordergrund stehende Diagnose eines chronischen Schmerzsyndroms an sich ist nicht maßgebend für den geltend gemachten Rentenanspruch, sondern dessen Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Klägerin. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die Rückenschmerzen nicht dauernd bestehen, sondern nach eigenen Angaben der Klägerin belastungsabhängig anfallsweise auftreten und medikamentös erfolgreich - wenn auch nicht mit dem Ergebnis einer kompletten Schmerzfreiheit - behandelt worden sind (Bericht der Schmerzambulanz im Zentrum für Anästhesiologie B. vom 24.06.2008: 1 bis 2 mal pro Woche belastungsabhängige Schmerzattacken im Bereich der unteren LWS von ½ bis 5-stündiger Dauer mit einschießendem Schmerzcharakter und motorischen Einschränkungen, Schmerzlinderung seit März 2007 durch Einnahme von Lyrica, seit Oktober 2007 durch Oxycodon, Schlaf durch Einnahme von Amitriptylin gut; Bericht der Schmerzambulanz vom 13.10.2008: aus schmerztherapeutischer Sicht zufriedenstellender, stabiler Zustand). Die Prognose des Dr. Ga. vom MDK Baden-Württemberg im Gutachten vom 18.01.2008, dass auch für den allgemeinen Arbeitsmarkt wegen der Chronizität der Erkrankung und der hochdosierten Medikamentation vor Ende des Krankengeldanspruchs nicht mit einem positivem Leistungsbild zu rechnen ist, hat sich damit nicht bestätigt. Vielmehr ist festzustellen, dass sich aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen keine Verschlechterung der Wirbelsäulenproblematik ableiten lässt, sondern - durch die eingeleitete Schmerztherapie - eine Verbesserung. Nach den von der Beklagten eingeholten Gutachten und dem Reha-Bericht sowie nach Auffassung der befragten behandelnden Ärzte war die Klägerin aber auch schon vor dieser Schmerztherapie nicht rentenrelevant leistungseingeschränkt.

Anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Klägerin vorgelegten Berichten des Krankenhauses Bad W. über ihre dortige Akutbehandlung nach einem am 24.04.2009 wegen Beziehungsproblemen begangenen Suizidversuch durch Opioidintoxikation und des ZfP S. über die anschließende stationäre psychiatrische Behandlung. Danach bestehen bei der Klägerin eine Anpassungsstörung, die bekannte Spinalkanalstenose an mehreren Lokalisationen der Wirbelsäule, kombinierte und andere Persönlichkeitsstörungen und eine posttraumatische Belastungsstörung. Sie ist am 05.05.2009 als arbeitsunfähig, aber deutlich zukunftsorientiert und frei von Suizidgedanken entlassen worden. Konkrete und dauerhafte Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Klägerin ergeben sich hieraus nicht und werden von ihr auch nicht behauptet. Vielmehr ist im Bericht des Krankenhauses Bad W. ausdrücklich wiederum Schmerzfreiheit nach Wiederansetzen der Opioid-Therapie vermerkt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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