L 7 SO 2545/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 3574/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 2545/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 28. Februar 2008 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) bereits ab Mai 2006 beanspruchen kann.

Der am 1951 geborene Kläger ist verheiratet mit I. G.; aus der Ehe stammt die am 1985 geborene Tochter A., die seit März 2007 ein Studium in Karlsruhe absolviert. Der Kläger, gelernter Maurer mit Weiterqualifizierung zum Maurermeister, war ab 1981 bis 1998 als Geschäftsführer eines von ihm selbst gegründeten Bauunternehmens tätig. Bei ab 6. Januar 1997 bestehender Arbeitsunfähigkeit musste er sich am 19. September 1997 an der Halswirbelsäule in Höhe der Etagen C 5/6 und C 6/7 einer Fusionsoperation sowie am 4. September 2000 einer Revisionsoperation in Höhe C 4/5 unterziehen; ab 1999 bezog er aus der sozialen Pflegeversicherung Leistungen nach der Pflegestufe I. Seit Februar 2003 war der Kläger als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 anerkannt; ab Juni 2008 erfolgte eine Erhöhung des GdB auf 90 unter gleichzeitiger Feststellung der Merkzeichen "G" und "B". Wegen akuter Bauchschmerzen bei chronischer Obstipation und Koprostase befand sich der Kläger in der Zeit vom 29. April bis 9. Mai 2006 in stationärer Behandlung in der St. Josefsklinik in Offenburg. Vom 16. Mai bis 30. November 2006 sowie vom 1. Oktober 2007 bis 28. Februar 2009 bezog er vom Beklagten - Kommunale Arbeitsförderung - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II); der gegen den Änderungsbescheid vom 12. Februar 2009 eingelegte Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11. März 2009 zurückgewiesen. Aufgrund der Feststellung des Rentenversicherungsträgers, dass der Kläger seit 31. Juli 2005 dauerhaft voll erwerbsgemindert sei (Schreiben vom 26. Januar 2009, eingegangen beim Beklagten am 4. Februar 2009), gewährt der Beklagte dem Kläger seit 1. März 2009 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII (Bewilligungsbescheid vom 11. März, Änderungsbescheid vom 9. April 2009, Bewilligungsbescheid vom 15. Juni 2009). Der Bewilligung ab 1. März 2009 war ein am 24. November 2008 vom Amt für Kommunale Arbeitsförderung beim Amt für Soziales und Versorgung gemäß § 5 Abs. 3 SGB II gestellter Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII vorausgegangen; dieser Antrag war vom Kläger am 16. Februar 2009 unter Verweis auf eine bereits am 15. Mai 2006 erfolgte Antragstellung wiederholt worden. Gegen die Bescheide vom 11. März und 9. April 2009 legte der Kläger jeweils u.a. mit der Begründung Widerspruch ein, dass ihm Sozialleistungen nach dem SGB XII schon ab 11. Mai 2006 zustünden; über diese Widersprüche ist noch nicht entschieden.

Am 16. Mai 2006 war beim Beklagten ein Schreiben des Klägers vom 15. Mai 2006 eingegangen, in welchem er unter Bezugnahme auf ein Telefax vom 11. Mai 2006 Leistungen nach dem SGB XII sowohl für sich als auch für seine Familie beantragt hatte. Bereits am 21. Juli 2006 erhob der Kläger für sich sowie namens seiner Ehefrau und Tochter Klage zum Sozialgericht Freiburg - SG - (S 4 SO 3574/06). Während des Klageverfahrens lehnte der Beklagte den Antrag auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII für den Kläger und seine Ehefrau mit Bescheid vom 1. September 2006 ab, da mangels Nachweises der dauerhaften Erwerbsminderung ein Leistungsanspruch nach dem SGB II bestehe. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2006 zurückgewiesen. Mit Fax vom 23. Mai 2007 teilte der Kläger dem SG mit, dass seine Ehefrau und Tochter ihre Anträge auf Leistungen nach dem SGB XII zurückzögen. Am 22. Januar 2007 erhob der Kläger für sich sowie namens seiner Ehefrau und Tochter zum SG außerdem eine "Unterlassungsklage" (S 2 AS 390/07), mit welcher dem Beklagten untersagt werden sollte, Bewilligungsbescheide auf Leistungen nach dem SGB II ohne eine entsprechende Antragstellung zu erlassen. Eine weitere am 30. Januar 2007 erhobene Klage (S 2 AS 574/07) betraf die Anfechtung von Bescheiden über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II; diese beiden Rechtsstreitigkeiten wurden mit Beschluss vom 15. Mai 2007 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Az. S 2 AS 390/07 verbunden. Mit Beschluss vom 22. August 2007 verband das SG schließlich auch die Rechtsstreitigkeiten S 4 SO 3574/06 und S 2 AS 390/07 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung nunmehr unter dem Az. S 4 SO 3574/06. Bereits zuvor hatte das SG mit rechtskräftig gewordenem Gerichtsbescheid vom 19. März 2007 (S 2 SO 177/07) eine weitere, den Bescheid vom 1. September 2006 (Widerspruchsbescheid vom 30. November 2006) betreffende Klage (als unzulässig) abgewiesen.

Während der oben genannten Klageverfahren hatte der Kläger beim Beklagten mit Telefax vom 24. April 2007 nochmals Leistungen nach dem SGB XII beantragt. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 15. Mai 2007, weitere Anträge vom 10. Juli und 6. September 2007 mit Bescheiden vom 18. Juli und 11. September 2007 abgelehnt; den die Widersprüche gegen die Bescheide vom 15. Mai und 18. Juli 2007 zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 5. März 2008 focht der Kläger nicht an. Ferner waren beim SG und beim Landessozialgericht (LSG) mehrere Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anhängig, die jeweils u.a. wegen der nicht geklärten dauerhaften Erwerbsminderung des Klägers sowie mit Blick auf die nach dem SGB II gewährten oder zu beanspruchenden Leistungen erfolglos geblieben waren (vgl. u.a. Beschluss des SG vom 4. Juli 2007 - S 4 SO 2886/06 ER -, Beschluss des LSG vom 14. Juli 2007 - L 7 SO 3419/06 ER-B -; Beschluss des SG vom 7. August 2006 - S 4 SO 3575/06 ER -, Beschluss des LSG vom 7. September 2006 - L 7 SO 4520/06 ER-B -; Beschluss des SG vom 3. Januar 2007 - S 4 SO 6307/06 ER -, Beschluss des LSG vom 31. Januar 2007 - L 7 SO 155/07 ER-B -; Beschluss des SG vom 9. Juli 2007 - S 4 SO 2921/07 ER -, Beschluss des LSG vom 2. August 2007 - L 7 SO 3527/07 ER-B -; Beschluss des SG vom 31. August 2007 - S 4 SO 4541/07 ER -, Beschluss des LSG vom 21. September 2007 - L 7 SO 4380/07 ER-B -).

Mit Gerichtsbescheid vom 28. Februar 2008 gab das SG den Klagen von Ehefrau und Tochter des Klägers hinsichtlich der von Erstgenannten begehrten höheren Leistungen nach dem SGB II teilweise statt und wies die Klagen im Übrigen ab (S 4 SO 3574/06). Zur Klageabweisung bezüglich des Begehrens des Klägers auf Leistungen nach dem SGB XII führte es im Wesentlichen aus, dass dessen Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 8 Abs. 2 SGB II nicht nachgewiesen sei. Die vom Kläger vorgelegten Unterlagen nähmen lediglich Stellung zur Frage der Berufsunfähigkeit, nicht aber zur Erwerbsunfähigkeit; eine weitere Sachverhaltsaufklärung habe nicht erfolgen können, weil sich der Kläger bislang geweigert habe, eine Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht zu unterschreiben und sich diesbezüglich gutachterlich untersuchen zu lassen. Der Gerichtsbescheid ist ausweislich der - im Adressatenfeld sowohl den Kläger als auch seine Ehefrau und Tochter aufführenden - Postzustellungsurkunde am 13. März 2008 um 17.30 Uhr unter der Anschrift Im Dorf 23, 77787 Nordrach dem "Adressaten persönlich" übergeben worden.

Am 24. März 2009 erhob der Kläger beim SG gegen den Beklagten - Kommunale Arbeitsförderung - bezüglich des Widerspruchsbescheids vom 11. März 2009 Klage (S 13 AS 1565/09) u.a. mit dem Begehren, festzustellen, dass er einen Rechtsanspruch auf Sozialleistungen nach dem SGB XII ab dem 1. Mai 2006 habe; er beantragte die Verbindung mit den Verfahren S 4 SO 3574/06 und S 2 AS 390/07. Mit richterlicher Verfügung vom 9. April 2009 wurde der Kläger auf den Gerichtsbescheid vom 28. Februar 2008 hingewiesen. Mit Gerichtsbescheid vom 4. August 2009 - dem Kläger zugestellt am 10. August 2009 - wies das SG die Klage im Verfahren S 13 AS 1565/09 im Wesentlichen mit der Begründung ab, der begehrten Feststellung stehe bereits entgegen, dass der Beklagte als Träger der Leistungen nach dem SGB II für eine solche Feststellung nicht zuständig sei. Dieser Gerichtsbescheid wurde - soweit ersichtlich - vom Kläger nicht angefochten.

Mit einem am 15. April 2009 beim SG zum Az. S 4 SO 3574/06 eingegangenen Schreiben vom 14. April 2009 hat der Kläger mitgeteilt, er fordere aufgrund seiner vollen Erwerbsminderung seit 31. Juli 2005 eine Verurteilung des Beklagten zu Sozialleistungen nach dem SGB XII ab dem 1. Mai 2006. Auf Hinweis des SG (Verfügung vom 23. April 2009), dass bereits am 28. Februar 2008 ein dem Kläger persönlich zugestellter Gerichtsbescheid ergangen sei, hat der Kläger, dem mit der vorgenannten Verfügung auch eine Abschrift des Gerichtsbescheids vom 28. Februar 2008 übersandt worden war, mit Schreiben vom 18. Mai 2009 (Eingang beim SG am 19. Mai 2009) erklärt, er lege "gegen das Urteil vom 28.02.2008 unter Protest fristwahrend Widerspruch" ein; er habe das Urteil am 13. März 2008 nicht persönlich ausgehändigt erhalten und bitte deshalb um eine Kopie der "Empfangsbestätigung". Der Senat hat mit Verfügung vom 9. Juni 2009 beim Kläger angefragt, ob das Schreiben vom 18. Mai 2009 als Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 28. Februar 2008 gemeint sein solle; mit derselben Verfügung ist dem Kläger eine Fotokopie der Postzustellungsurkunde vom 13. März 2008 übersandt worden. Der Kläger hat darauf mit Telefax vom 29. Juni 2009 mitgeteilt, dass sein Schreiben vom 18. Mai 2009 als "Widerspruch" zu bewerten sei, und um Fristverlängerung bis 15. Juli 2009 gebeten, weil er sich wegen seines schlechten Gesundheitszustandes derzeit nicht voll konzentrieren könne. Auf die Senatsverfügung vom 30. Juni 2009, mit der der Kläger unter antragsgemäßer Fristverlängerung sowie unter erneutem Hinweis auf die Postzustellungsurkunde vom 13. März 2008 nochmals zur Äußerung aufgefordert worden ist, ob mit dem "Widerspruch" das Rechtsmittel der Berufung gemeint gewesen sei, hat der Kläger erst aufgrund des gerichtlichen Erinnerungsschreibens vom 16. Juli 2009 mit Telefax vom 29. Juli 2009 reagiert; er hat angegeben, dass ihm wegen seines schlechten Gesundheitszustandes eine "Widerspruchsbegründung" bislang nicht möglich gewesen sei, und die Nachreichung derselben bis 10. August 2009 angekündigt. Trotz weiterer Erinnerung (Verfügung vom 17. August 2009) ist eine Äußerung des Klägers nicht mehr eingegangen.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 28. Februar 2008 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 1. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2006 zu verurteilen, ihm Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bereits ab 1. Mai 2006 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt (sinngemäß),

die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten (12 Bände), die Klageakten des SG (S 4 SO 3574/06 (2 Bände), S 2 AS 390/07, S 2 AS 574/07), die weitere Akte des SG (S 13 AS 1565/09), die Berufungsakte des Senats (L 7 SO 2545/09) und die weiteren Senatsakten (L 7 SO 3419/06 ER-B, L 7 SO 4162/06 ER-B, L 7 SO 4520/06 ER-B, L 7 SO 155/07 ER-B, L 7 SO 3527/07 ER-B, L 7 SO 4380/07 ER-B) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist unzulässig.

Der Senat legt das am 19. Mai 2009 beim SG eingegangene Schreiben des Klägers vom 18. Mai 2009 als Rechtsmittel der Berufung im Sinne des § 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) aus, obwohl er dort den Begriff des "Widerspruchs" verwendet hat und hierbei auch auf das Aufklärungsschreiben des Senats vom 9. Juni 2009 in seinem Telefax vom 29. Juni 2009 (vgl. ferner das Telefax vom 29. Juli 2009) verblieben ist. Denn Prozesshandlungen - so auch die Einlegung eines Rechtsmittels - sind entsprechend dem in § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zum Ausdruck gekommenen allgemeinen Rechtsgedanken unter Berücksichtigung des wirklichen Willens des Erklärenden, wie er nach den äußerlich in Erscheinung getretenen Umständen verstanden werden musste, auszulegen (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-1500 § 158 Nr. 2; BSG SozR 4-1500 § 151 Nr. 3; ferner Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 38). Bei der Auslegung einer Prozesserklärung ist daher grundsätzlich nicht allein am Wortlaut zu haften, sondern anhand des maßgebenden objektiven Erklärungswerts zu würdigen, was der Beteiligte mit der Prozesshandlung erkennbar gemeint hat. Vorliegend lag mit dem von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des SG zur Zustellung mittels Postzustellungsurkunde herausgegebenen Gerichtsbescheid vom 28. Februar 2008 eine gerichtliche Entscheidung vor, gegen welche - soweit der Kläger sinngemäß eine Beschwer geltend macht - allein das Rechtsmittel der Berufung (vgl. § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) in Betracht kam. Die Berufung des Klägers ist indessen unzulässig, weil sie verspätet eingegangen ist.

Nach § 158 Satz 1 SGG ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, wenn sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt worden ist. Der Kläger hat mit seinem Schreiben vom 18. Mai 2009 zwar die Formvorschriften des § 151 Abs. 1 und 2 SGG gewahrt. Er hat die Berufung indessen nicht rechtzeitig eingelegt.

Nach § 151 Absatz 1 SGG ist die Berufung binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Landessozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird (§ 151 Abs. 2 Satz 1 SGG). Gerichtsbescheide sind zuzustellen (§ 105 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGG, § 133 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 SGG); zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung - ZPO - (vgl. § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG). Nach § 64 Abs. 1 SGG beginnt der Lauf einer Frist, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tage nach der Zustellung. Eine nach Monaten bestimmte Frist endet mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach der Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt - hier also die Zustellung - fällt (§ 64 Abs. 2 Satz 1 SGG); fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages (Abs. 3 a.a.O.). Vorliegend ist die Berufungsfrist versäumt, ohne dass Wiedereinsetzungsgründe gegeben sind.

Die mit einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrung (vgl. § 136 Abs. 1 Nr. 7 SGG i.V.m. § 66 SGG) versehene Ausfertigung des Gerichtsbescheids des SG vom 28. Februar 2008 ist ausweislich der Postzustellungsurkunde am 13. März 2008 (einem Donnerstag) dem "Adressaten persönlich" übergeben worden (vgl. hierzu §§ 166 Abs. 1, 177 ZPO). Der Senat geht davon aus, dass diese Person, sofern nicht der Kläger selbst, der im gesamten Verfahren erster Instanz sowohl für sich selbst als auch für seine Ehefrau und Tochter als Bevollmächtigter aufgetreten ist und im Verfahren S 2 AS 390/07 zudem mit der Klageschrift auch schriftliche Vollmachten derselben zu den Akten gereicht hatte (vgl. im Übrigen auch § 73 Abs. 2 Satz 2 SGG in der Fassung bis 30. Juni 2008), so aber jedenfalls seine mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt lebende Ehefrau I. G. war; die Tochter A. hält sich ausweislich der Angaben des Klägers (vgl. etwa Schreiben vom 27. März 2009 an den Beklagten) unter der Woche am Studienort auf und kehrt erst freitags nach Nordrach zurück. Der Senat hat ferner keinen Zweifel daran, dass auch die Ehefrau des Klägers, die ausweislich der umfangreichen Akten dessen Handlungen im Zusammenhang mit den behördlichen Auseinandersetzungen unter persönlichem Einsatz stets mitgetragen hat, von Ehemann und Tochter zumindest stillschweigend bevollmächtigt war, Rechtshandlungen für beide vorzunehmen, und damit auch berechtigt war, die zur Zustellung bewirkte Ausfertigung des Gerichtsbescheids vom 28. Februar 2008 für beide in Empfang zu nehmen (vgl. nochmals § 73 Abs. 2 Satz 2 SGG (Fassung bis 30. Juni 2008); ferner BSGE 8, 149; Bundesfinanzhof (BFH) BFHE 100, 171 (jeweils zur Bevollmächtigung unter Ehegatten); zur Duldungs- und Anscheinsvollmacht vgl. im Übrigen BFH, Beschluss vom 3. März 2003 - IX B 206/02 - (juris)).

Allerdings ist der Zustellungsurkunde vom 13. März 2008 nicht zu entnehmen, welchem der damaligen Kläger die Gerichtsbescheidsausfertigung am 13. März 2008 übergeben worden ist (vgl. hierzu § 182 Abs. 2 Nr. 2 ZPO); der Kläger hat sich hierzu trotz wiederholter Fristverlängerungsanträge nicht geäußert. Ein derartiger Verstoß gegen die inhaltlichen Anforderungen der Zustellungsurkunde führt indes seit der Neufassung der Zustellungsvorschriften durch das Zustellungsreformgesetz vom 25. Juni 2001 (BGBl. I S. 1206) nicht mehr dazu, dass damit die Zustellung unwirksam ist (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 19. Juli 2007 - I ZR 136/05 - NJW-RR 2008, 218; BFH, Beschluss vom 9. März 2009 - IX B 120/08 - (juris); Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin, Beschluss vom 18. Mai 2004 - 2 N 27.03 - (juris); Keller in Meyer-Ladewig, u.a., SGG, 9. Auflage, § 63 Rdnr. 19b); denn die Zustellungsurkunde ist nicht konstitutiver Teil der Zustellung, sondern dient lediglich dem vereinfachten Nachweis der Zustellung (vgl. BSG SozR 4-1750 § 175 Nr. 1 (Rdnr. 11)). Vielmehr greift hier die Vorschrift des § 189 ZPO ein (vgl. nochmals BFH, Beschluss vom 9. März 2009 a.a.O); danach gilt das zuzustellende Dokument in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Tatsächlich zugegangen ist ein Schriftstück dann, wenn es so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass er die Möglichkeit hat, von seinem Inhalt zuverlässig Kenntnis zu erlangen (vgl. BSG SozR 4-1750 § 175 Nr. 1 (Rdnr. 9); ferner BVerwG Buchholz 316 § 28 VwVfG Nr. 10; BVerwGE 104, 301, 313; BGH, Urteil vom 21. März 2001 - VIII ZR 244/00 - NJW 2001, 1946, 1947). Dies ist hier der Fall. Die Gerichtsbescheidsausfertigung ist dem Kläger zur Überzeugung des Senats auf jeden Fall im Verlauf des Monats März 2008 im vorgenannten Sinne tatsächlich zugegangen (vgl. hierzu BFH, Beschlüsse vom 17. November 2008 - VII B 148/08 - und vom 17. März 2009 - IV B 102/08 - (beide juris)). Die Ehefrau des Klägers, die - wie den Akten zwanglos zu entnehmen ist - ihr behördliches Vorgehen mit diesem regelmäßig abstimmt, hat nämlich mit ihrem am 18. März 2008 beim Beklagten eingegangenen Telefax (datiert mit dem 19. März 2008) unter Hinweis auf das "Urteil vom 28.02.2008" (also den Gerichtsbescheid vom 28. Februar 2008), den "das SG Freiburg auch Ihrer Behörde ... zugestellt hat", den "uns" vom Gericht zugesprochenen Betrag per Barauszahlung eingefordert, wobei die Eheleute hiervon laut dem vorgenannten Telefax zwei Betten, einen Kleiderschrank und diverse Möbel anschaffen wollten. Die Ehefrau des Klägers war wegen der Auszahlung eines Vorschusses von 500,00 Euro aus dem ausgeurteilten Betrag sodann am 20. März 2008 persönlich auf der Außenstelle Wolfach des Landratsamts Ortenaukreis (vgl. Aktenvermerk des Sachgebietsleiters Vollmer vom selben Tag); sie bestätigte dort am 20. März 2008 den Empfang eines Schecks über den genannten Betrag unterschriftlich und erklärte sich mit der Überweisung des Restbetrags (vgl. hierzu Ausführungsbescheid vom 18. März 2008) einverstanden. Ausweislich des vorgenannten Aktenvermerks des Sachgebietsleiters verließ sie sodann nach Aushändigung des Schecks das Dienstgebäude und stieg in den - auf den Kläger zugelassenen - Personenkraftwagen mit dem amtlichen Kennzeichen OG-WY 172 ein, in welchem dieser auf sie bereits gewartet hatte. In Anbetracht der genannten Umstände ist der Senat von einem tatsächlichen Zugang des Gerichtsbescheids vom 28. Februar 2008 auch beim Kläger überzeugt; es wäre nach dem oben geschilderten Geschehensablauf weltfremd und widerspräche jeglicher Lebenserfahrung, anzunehmen, der Kläger habe keine Möglichkeit gehabt, von seinem Inhalt tatsächlich Kenntnis zu erlangen. Der Kläger hat denn auch nie behauptet, den Gerichtsbescheid nicht erhalten zu haben, sondern in seinem Schreiben vom 18. Mai 2009 lediglich in Abrede gestellt, dass der Gerichtsbescheid ihm am 13. März 2008 persönlich ausgehändigt worden sei. Auf Fragen der Verwirkung (§ 242 BGB) des Berufungsrechts (vgl. hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. September 2001 - 12 A 1534/00 - (juris); ferner Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 28. April 1989 - 8 S 3669/88 -(juris, Rdnr. 31); Keller in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., vor § 60 Rdnrn. 14a, b) war nach allem nicht mehr einzugehen. Immerhin hatte aber die Ehefrau des Klägers in ihrem oben erwähnten Telefax vom 18. März 2008 unter Bezugnahme auf "das Urteil vom 28.02.2008" wörtlich erklärt, dass "dieses Urteil für uns nicht annehmbar ist und aus diesem Grunde müssten wir eigentlich Widerspruch einlegen"; unter erneuter Verwendung der ersten Person in der Mehrzahl ("wir") hatte sie im Telefax jedoch angekündigt, dass sie "auf einen Widerspruch verzichten" würden, wenn ihnen der Beklagte bis spätestens 21. März 2008 den aus dem "Urteil" geschuldeten Betrag per Barscheck zukommen lasse, damit der "menschenunwürdige Zustand" durch die Anschaffung des oben erwähnten Mobiliars beseitigt werden könne.

Dem Kläger ist nach allem zur Überzeugung des Senats der Gerichtsbescheid vom 28. Februar 2008, wenn nicht bereits am 13. März 2008, so aber spätestens bis zum 18. oder 20. März 2008 tatsächlich zugegangen. Er hat damit zur vorgenannten Zeit Gelegenheit gehabt, vom Inhalt der Entscheidung Kenntnis zu erlangen; sofern er sich nunmehr an den Inhalt des Gerichtsbescheids nicht mehr erinnern sollte, ist dies unerheblich. Die einmonatige Berufungsfrist (§ 151 Abs. 1 SGG) war daher zum Zeitpunkt des Eingangs seines Schreibens vom 18. Mai 2009 beim SG (19. Mai 2009) bereits seit Langem, und zwar schon seit weit über ein Jahr, abgelaufen. Die Monatsfrist des § 151 Abs. 1 SGG wäre im Übrigen selbst dann nicht gewahrt, wenn insoweit auf das Schreiben des Klägers vom 14. April 2009 an das SG abzustellen wäre.

Wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung kann dem Kläger auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Wiedereinsetzung ist (nur) zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine Verfahrensfrist einzuhalten (§ 67 Abs. 1 SGG). Gemäß § 67 Abs. 3 SGG ist ein Wiedereinsetzungsgesuch nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Ein solcher Ausnahmefall ist indessen nur dann gegeben, wenn es sich um ein Ereignis (z.B. eine Naturkatastrophe oder andere unabwendbare Zufälle) handelt, das auch durch die größte, nach den Umständen des gegebenen Falles von dem Beteiligten zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden kann (vgl. Keller in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 67 Rdnr. 14a m.w.N.). Derartige Gründe sind vom Kläger weder vorgebracht noch sonst wie ersichtlich.

Da unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 12/06 R - SozR 4-3500 § 21 Nr. 1 (Rdnr. 8)) eine Einbeziehung der Bescheide vom 15. Mai und 18. Juli 2007 (Widerspruchsbescheid vom 5. März 2008) sowie vom 11. September 2007, ferner der Bescheide vom 11. März und 9. April 2009 über § 96 SGG nicht in Betracht kommt, ist dem Senat eine Sachentscheidung insgesamt verwehrt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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