L 21 R 609/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
21
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 2 R 146/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 21 R 609/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 05. April 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, die Beschäftigungszeit vom 01. Februar 1977 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversor-gung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben AVItech (Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 1 zum Anspruchs- und Anwart-schaftsüberführungsgesetz AAÜG ) und die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsverdienste festzustellen.

Der 1942 geborene Kläger war mit Urkunde der Ingenieurschule für Bauwesen N vom 02. Februar 1977 berechtigt, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen.

Der Kläger war ab Mai 1974 zunächst als Ingenieur und dann ab Juni 1982 als Leiter HAN-Baureparaturen/Erzeugnisgruppensekretär beim VEB (K) Bau W beschäftigt.

Der VEB (K) Bau W war mit der Betriebsnummer im Register der volkseigenen Wirtschaft in der ehemaligen DDR eingetragen. Unmittelbar übergeordnetes Organ war das Kreisbauamt. Der VEB unterstand dem Rat des Kreises Wittstock. Am 20. Mai 1988 wurde der VEB in den VE Kreisbaubetrieb W umgewandelt, der ebenfalls dem Kreisbauamt und dem Rat des Kreises Wittstock unterstand. Der Kläger war dort bis zum 30. Juni 1990 beschäftigt.

Eine Urkunde über die Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem wurde dem Kläger nicht ausgehändigt. Ein einzelvertraglicher Anspruch auf Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssys-tem ist nicht vorgetragen worden.

Der freiwilligen Zusatzrentenversicherung FZR trat der Kläger zum 01. Oktober 1975 bei.

Im April 2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überführung von Versorgungsan-wartschaften.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 15. November 2004 die Feststellung des streitbefange-nen Zeitraumes mit der Begründung ab, dass es sich bei dem VE Kreisbaubetrieb W nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb oder einen gleichgestellten Betrieb gehandelt habe.

Mit Widerspruch vom 19. November 2004 machte der Kläger geltend, in einem volkseigenen Produktionsbetrieb tätig gewesen zu sein. Bei dem VE Kreisbaubetrieb W habe es sich um einen VEB gehandelt, nur habe sich die Schreibweise geändert.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2005 als unbegründet zurück, da der Kläger am 30. Juni 1990 nicht in einem VEB (Industrie oder Bau) oder einem gleichgestellten Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der Zweiten Durchführungsbe-stimmung (2. DB) vom 24. Mai 1951 beschäftigt gewesen sei. Auch die Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR bestätige, dass keine Beschäftigung in einem Produktionsbe-trieb oder gleichgestellten Betrieb verrichtet worden sei, denn der Beschäftigungsbetrieb sei der Wirtschaftsgruppe 20270 zugeordnet worden, in der Betriebe für Rekonstruktionsmaßnah-men und Modernisierung sowie Baureparaturbetriebe zusammengefasst worden seien. Der Kläger habe auch nicht aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt und gehöre damit nicht zu dem Kreis der in den Anwendungsbereich des AAÜG einzubeziehenden Personen.

Mit seiner hiergegen am 04. März 2005 zum Sozialgericht Neuruppin erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und geltend gemacht, dass es sich beim VE Kreisbaubetrieb W um einen volkseigenen Betrieb, zumindest um einen gleichgestellten Betrieb gehandelt habe. Durch den VE Kreisbaubetrieb W wurden ca. 80 % Neubauten errichtet. Die Zuordnung zur Wirtschaftsgruppe 20270 sei nicht maßgebend.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen H H, ehemaliger Betriebsdirektor des VE Kreisbaubetriebes W. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweis-aufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28. September 2005 Bezug genommen.

Durch Urteil des Sozialgerichts vom 05. April 2006 ist die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 15. November 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2005 verpflichtet worden, die Zeit vom 01. Februar 1977 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (Zusatzversorgungs-system nach Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG) sowie die während dieser Zeit erzielten Arbeitsent-gelte festzustellen. Zur Begründung ist in den Entscheidungsgründen des Urteils ausgeführt, dass das Hauptaufgabengebiet des VE Kreisbaubetriebes W der Neu- sowie der Reparaturbau gewesen sei. Es seien bis zu 80 % Neubauten im Bereich des öffentlichen Bauwesens erstellt worden. Die Erstellung erfolgte sowohl in industrieller Montage als auch "Stein auf Stein". Demgemäß überwiege die Produktion von Neubauten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidung wird auf Bl. 78-85 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Gegen das der Beklagten am 03. Mai 2006 zugestellte Urteil hat diese am 19. Mai 2006 Beru-fung beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Zur Begründung wird vorgetragen, dass der VE Kreisbaubetrieb W nach der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR in die Wirtschaftsgruppe 20270 eingeordnet worden sei, also in die Rubrik "Betriebe für die Rekonstruktionsbaumaßnahmen und Modernisierung, Baureparaturbetriebe". Er zähle damit im Wirtschaftssystem der DDR nicht zu den Betrieben, deren Hauptzweck die industrielle Her-stellung von Bauwerken gewesen sei, sondern zu den Baureparatur- und Modernisierungsbe-trieben. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts BSG – käme deshalb die Anerkennung von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech und die Feststellung entsprechender Arbeitsentgelte nicht in Betracht. Die Beklagte sieht sich in ihrer Auffassung, dass es sich bei dem Beschäftigungsbetrieb des Klägers nicht um einen Betrieb gehandelt habe, der industrielle Massenproduktion betrieben habe, auch durch ein Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 20. Oktober 2005 (L 4 RA 389/04) bestätigt.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 05. April 2006 auf-zuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger vertritt die Auffassung, die Systematik der Volkswirtschaftszweige träfe auf den Beschäftigungsbetrieb nicht zu und habe nur Indizwirkung. Der Schwerpunkt der Tätigkeit des VE Kreisbaubetriebes W habe in der Produktion gelegen. Dies ergebe sich unzweifelhaft durch die Aussage des Zeugen H.

Im Berufungsverfahren wurde Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen U S. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 18. Juni 2008 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten (Versicherungsnummer ) verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte den Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 So-zialgerichtsgesetz SGG ).

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist be-gründet. Der Kläger hat keinen mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage verfolgten An-spruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01. Februar 1977 bis 30. Juni 1990 sowie auf Feststellung der in diesem Zeit-raum erzielten Arbeitsentgelte. Infolgedessen ist das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 05. April 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Vorschriften des AAÜG finden auf den Kläger keine Anwendung, da die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 AAÜG nicht vorliegen. Der Kläger war nicht Inhaber einer bei In Kraft Treten des AAÜG am 01. August 1991 bestehenden Versorgungsanwartschaft. Eine Einzelfallent-scheidung, durch die ihm zum 01. August 1991 eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt wor-den wäre, liegt nicht vor.

Der Kläger hatte auch nach dem am 01. August 1991 gültigen Bundesrecht und aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen tatsächlichen Umstände aus bundesrechtlicher Sicht keinen An-spruch auf Erteilung einer fiktiven Versorgungszusage im Sinne der vom BSG vorgenomme-nen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG (vgl. BSG, SozR 3 857 § 1 Nr. 1 S. 12; Nr. 4 S. 24 f.; Nr. 5 S. 32 f.; Nr. 6 S. 39 f.; Nr. 8 S. 72 ff.).

Ein derartiger fiktiver bundesrechtlicher Anspruch auf Erteilung einer Zusage im Bereich der AVItech hängt nach der Rechtsprechung des BSG gemäß § 1 der Verordnung über die zu-sätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichge-stellten Betrieben vom 17. August 1990 i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der 2. DB zur VO vom 24. Mai 1951 von den folgenden Voraussetzungen ab:

1. der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (per-sönliche Voraussetzung) und 2. der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Vorausset-zung), und zwar 3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 der 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

Mit der Beschäftigung im VE Kreisbaubetrieb W am 30. Juni 1990 erfüllte der Kläger nicht die betriebliche Voraussetzung für einen fiktiven bundesrechtlichen Anspruch auf Erteilung einer Zusage nach der AVItech. Bei ihm lag jedenfalls die betriebsbezogene Voraussetzung der Ver-sorgungsordnung nicht vor. Der Kläger war zwar in einem volkseigenen Betrieb beschäftigt. Erfasst von der Versorgungsordnung waren aber nur volkseigene Produktionsbetriebe; in ei-nem solchen Betrieb war der Kläger am 30. Juni 1990 nicht beschäftigt.

Die Versorgungsordnung begrenzte den Anwendungsbereich auf volkseigene Produktionsbe-triebe der Industrie oder des Bauwesens (BSG, Urteil vom 09. April 2002, B 4 RA 41/01 R, SozR 3-8750 § 1 Nr. 6). Hauptzweck muss die industrielle (serienmäßig wiederkehrende) Fer-tigung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation von Sachgütern bzw. die Errichtung (Massen-produktion) von baulichen Anlagen gewesen sein (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003, B 4 RA 14/03 R, veröffentlicht in juris; Urteil vom 08. Juni 2004, B 4 RA 57/03 R, veröffentlicht in juris). Notwendige Voraussetzung für die Einbeziehung in das Versorgungssystem AVItech war die Beschäftigung in einem Produktionsbetrieb (BSG, Urteil vom 10. April 2002, B 4 RA 10/02 R, SozR 3-8570 § 5 Nr. 11). Zwar ist die Differenzierung zwischen den volkseigenen Produktionsbetrieben und anderen volkseigenen Betrieben nicht immer in den Verordnungen zum Ausdruck gekommen. In der ehemaligen DDR wurde auch im Wirtschaftsleben unter-schieden zwischen auf der einen Seite den volkseigenen Betrieben in der Industrie, im Bauwe-sen und im Verkehrswesen, für die z. B. die Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der volkseigenen Betriebe, Kombinate und Vereinigungen volkseigener Betriebe vom 28. März 1973 (GBl. I S. 129 - VO 1973 -) unmittelbar galt, und auf der anderen Seite Handelsbetrieben, Betrieben auf dem Gebiet der Dienstleistungen und der Landwirtschaft und Betrieben in anderen Bereichen der Volkswirtschaft. Die Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe vom 08. November 1979 (GBl. I S. 355 - VO 1979 -) stellte den volkseigenen Kombinaten und Kombinatsbetrieben in der Indust-rie und im Bauwesen die volkseigenen Kombinate und Kombinatsbetriebe in anderen Berei-chen der Volkswirtschaft gegenüber. § 1 Abs. 2 der 2. DB enthält damit eine Klarstellung, dass der volkseigene Betrieb ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie und des Bauwesens gewesen sein muss (BSG, Urteil vom 10. April 2002, B 4 RA 10/02 R, a. a. O.).

Der VE Kreisbaubetrieb W war kein industrieller Bauproduktionsbetrieb im Sinne der Versor-gungsordnung.

Ein solcher Betrieb lag nur dann vor, wenn es sich erstens um einen VEB handelte, der organi-satorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet war, und zweitens der verfolgte Hauptzweck des VEB auf die industrielle (serienmäßig wiederkehrende) Fertigung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation bzw. Produktion (fordistisches Produktions-modell) von Sachgütern oder die Errichtung (Massenproduktion) von baulichen Anlagen aus-gerichtet war (vgl. Urteil des BSG vom 09. April 2002 – B 4 RA 41/01 R - veröffentlicht in SozR 3-8570 § 1 Nr. 6).

Maßgebend ist hierbei auf den Hauptzweck abzustellen. Die genannte Produktion muss dem Betrieb das Gepräge gegeben haben, also überwiegend und vorherrschend gewesen sein (vgl. Urteile des BSG vom 10. April 2002 – B 4 RA 10/02 R – in SozR 3-8570 § 1 Nr. 5, 18. De-zember 2003 – B 4 RA 14/03 R –, 06. Mai 2004 – B 4 RA 44/03 R – und 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R - jeweils zitiert nach juris). Der Hauptzweck wird dabei nicht durch die Art der Hilfsgeschäfte und –tätigkeiten geändert oder beeinflusst, die zu seiner Verwirklichung zwangsläufig mit ausgeführt werden müssen oder daneben verrichtet werden (vgl. Urteil des BSG vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 14/03 R -). Besteht das Produkt nach dem Haupt-zweck (Schwerpunkt) des Betriebes in einer Dienstleistung, so führen auch produkttechnische Aufgaben, die zwangsläufig, aber allenfalls nach- bzw. nebengeordnet anfallen, nicht dazu, dass ein Produktionsbetrieb vorliegt (vgl. Urteile des BSG vom 18. De-zember 2003 – B 4 RA 14/03 R -, 06. Mai 2004 – B 4 RA 44/03 R – und 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R -).

Auch in seinen letzten Entscheidungen vom 24. April 2008 – B 4 RS 31/07 R – und 23. August 2007 – B 4 RS 3/06 R – (zitiert nach juris, vgl. auch BSG inSozR 4-8570 § 1 Nr. 3) hat das BSG an dem von ihm entwickelten Produktionsbegriff festgehalten und ausgeführt, dass nur eine Massenproduktion im Bereich des Bauwesens und nicht das Erbringen von Bauleistungen jeglicher Art für die DDR von besonderer Bedeutung gewesen sei. In dem Beschluss über die Anwendung der Grundsätze des neuen ökonomischen Systems der Planung und Leitung der Volkswirtschaft im Bauwesen vom 14. Juni 1963 (Gbl. II 437) sei auf die besondere Bedeu-tung des Bauwesens nach dem Produktionsprinzip u. a. unter der Zuständigkeit des Ministeri-ums für Bauwesen hingewiesen worden. Mit der Konzentration der Baukapazitäten in großen Bau- und Montagekombinaten habe ein neuer, selbstständiger Zweig der Volkswirtschaft ge-schaffen werden sollen, der die Organisierung und Durchführung der kompletten Serienfertigung von gleichartigen Bauwerken zum Gegenstand gehabt habe. Die Bau- und Montagekombinate hätten danach u. a. den Bau kompletter Produktionsanlagen einschließlich der dazugehö-rigen Wohnkomplexe und Nebenanlagen durchführen und jeweils die betriebsfertigen Anlagen und schlüsselfertigen Bauwerke bei Anwendung der komplexen Fließfertigung und des kombi-nierten und kompakten Bauens übergeben sollen. Von wesentlicher Bedeutung sei somit das (Massen-)"Produktionsprinzip" in der Bauwirtschaft gewesen. Demgemäß sei in dem o. g. Beschluss u. a. unterschieden worden zwischen der von den Bau- und Montagekombinaten durch-zuführenden Erstellung von Bauwerken in Massenproduktion einerseits und den Baureparaturbetrieben andererseits, die im Wesentlichen zuständig gewesen seien für die Erhaltung der Bausubstanz, die Durchführung von Um- und Ausbauten sowie von kleineren Neubauten; sie seien im Übrigen den Baudirektionen unterstellt worden.

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist für den Senat nicht erkennbar, dass der tatsächlich verfolgte Hauptzweck des VE Kreisbaubetrieb W die Massenproduktion von Bauwerken ge-wesen sei. Eine industrielle Fertigung von Sachgütern wird von dem Senat erst recht nicht gesehen und von dem Kläger auch nicht behauptet.

Dem Vorbringen des Klägers selbst lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Hauptzweck des gesamten VE Kreisbaubetrieb W die komplette Serienfertigung von gleichar-tigen Bauwerken war. Der Kläger schildert Tätigkeiten in Form der Errichtung von Neubau-ten, die 80% der Tätigkeiten des VE ausgemacht hätten. Dabei handelt es sich zwar überwie-gend um die Erbringung von Bauleistungen, aber ersichtlich nicht um eine Massenproduktion von gleichartigen Bauwerken. Für eine industrielle Massenproduktion dieser Sachgüter fehlen jegliche Anhaltspunkte. Nichts anderes ergibt sich aus den im Verfahren eingeholten Zeugen-aussagen.

Zwar erscheint es glaubhaft, wenn der Kläger und auch die Zeugen H H und U S vorgetragen haben, dass im VE Kreisbaubetrieb W neben der Bauproduktion (auch) eine industrielle (Neu-)Produktion stattgefunden habe. Dass diese aber dem Betrieb insgesamt am maßgeblichen Stichtag das Gepräge gegeben hätte, steht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und insbe-sondere den eingeholten Zeugenaussagen nicht zur Überzeugung des Senats fest.

Die Zeugen haben nicht bestätigen können, dass der Beschäftigungsbetrieb des Klägers über-wiegend mit der Massenproduktion von neuen Bauwerken befasst war.

Der Zeuge H H, Betriebsdirektor des VE Kreisbaubetriebes W in der Zeit bis 1985, hat die Anzahl der Neubauten an den Gesamtleistungen des VE Kreisbaubetriebes W mit etwa 80 % angegeben. Der Zeuge US, ehemaliger Bauleiter und ab Dezember 1984 Produktionsdirektor des VE Kreisbaubetriebes W, hat als Betriebszweck des VE angegeben, dass dieser u. a. die Aufgabe hatte, Anlagen der Landesverteidigung zu errichten. Weitere Aufgaben seien die Er-richtung von Bauten für die Staatssicherheit und das Ministerium des Innern gewesen. Eine Spezialisierung des Betriebes habe nicht bestanden. Es seien bspw. Industriebauten, Turnhallen und Kaufhallen sowie Wohneinheiten errichtet worden. Nach dem Investitionsvolumen über-wog der Montagebau im Sinne von Stahlbeton- bzw. Plattenbau. Die Bereiche Montagebau und konservative Bauweise seien etwa gleich gewesen. Die Mitarbeiter des Kreisbaubetriebes seien in drei Produktionsbereichen tätig gewesen. Der Bereich Industrieproduktion habe etwa 10% betragen und sei nie richtig zur Entwicklung gekommen. Der Bereich der Bauproduktion habe den Hauptteil des VE ausgemacht. Im Bereich der Konsumgüterindustrie seien etwa 1% der Beschäftigten tätig gewesen. Der VE Kreisbaubetrieb W sei kein zentral geleiteter Baube-trieb gewesen, sondern dem Rat des Kreises Wittstock unterstellt. Der Zeuge HH hat angege-ben, dass die erstellten Bauwerke Stein auf Stein und in industrieller Montage erstellt worden seien. Dies hat der Zeuge U S bestätigt.

Eine Massenproduktion von Neubauten hat damit nach den Zeugenaussagen nicht vorgelegen. Bei den Bauten handelte es sich um eine Vielzahl von Einzelgewerken, die gerade nicht in standardisierter Massenproduktion und Bauweise erfolgte sondern jeweils Einzelgewerke um-fasste. Von einer serienmäßigen Herstellung von Bauwerken durch den VE Kreisbaubetriebes W kann damit nicht gesprochen werden.

Gegen die Annahme eines Produktionsbetriebs des Bauwesens spricht zudem, dass ausweislich des Registerauszugs übergeordnetes Organ nicht das Ministerium für Bauwesen der DDR, son-dern der Rat des Kreises Wittstock war.

Die Zuordnung zur Wirtschaftsgruppe 20270 in der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR erfolgte für Betriebe für Rekonstruktionsbaumaßnahmen und Modernisierung sowie Bau-reparaturbetriebe, die Rekonstruktionsmaßnahmen und Baureparaturen an Bauwerken der In-dustrie und Lagerwirtschaft, der Wasserwirtschaft und des Meliorationswesens, der Landwirt-schaft, Binnenfischerei und Fortwirtschaft, des Verkehrs, des Post- und Fernmeldewesens, für Wohn- und gesellschaftliche Zwecke vornahmen. Eine massenhafte Produktion von Bauwer-ken wird nicht beschrieben, sie wurde vielmehr durch die Bau- und Montagebetriebe betrieben, zu denen der VE Kreisbaubetrieb W nicht zählte.

Bereits von dieser Zuordnung des VE Kreisbaubetriebes W geht ein gewichtiges Indiz dafür aus, dass es sich bei diesem Betrieb nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb im Sinne der AVItech gehandelt hat (vgl. zur Indizwirkung der Systematik der Volkswirtschaftszweige ausführlich: LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 24. Januar 2007 – L 7 R 377/05 – JURIS Rn. 33 ff.).

Letztlich ist der VEB Kreisbaubetrieb W auch kein gleichgestellter Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB, denn Kreisbaubetriebe sind darin nicht aufgeführt.

Dass die Beklagte möglicherweise in entsprechenden Fällen begünstigende Feststellungen im Sinne des AAÜG getroffen hat, berechtigt den Kläger im Übrigen nicht zu einer "Gleichbe-handlung" ("keine Gleichheit im Unrecht"). Denn wie dargelegt ist beim VE Kreisbaubetrieb Wdie betriebliche Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung in das Versorgungssystem nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.-Brandenburg
Rechtskraft
Aus
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