Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 20 U 912/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 46/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 212/09 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Abgrenzung zwischen arbeitnehmerähnlicher Tätigkeit und Gefälligkeit bei einem Reitunfall
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 10. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist das Vorliegen eines Arbeitsunfalles.
Die 1967 geborene Klägerin stürzte am 11. Juni 2001 beim Reiten des Pferdes F. der Beigeladenen und verletzte sich schwer. Ihr Bevollmächtigter erklärte am 13. November 2001 in einem Schreiben an die Privatversicherung der Beigeladenen, die Klägerin habe nicht ausschließlich in ihrem eigenen Interesse gehandelt, sondern das Pferd für die Beigeladene reiten wollen. Die Beigeladene gab in den Schreiben vom 1. Juli und 5. August 2002 an, die Klägerin und sie seien gute Bekannte, sie hätten zusammen Reitunterricht gehabt. In der Unfallanzeige vom 29. Juli 2002 gab sie an, sie habe die Klägerin, wie schon öfter, gebeten, das Pferd, das Bewegung gebraucht habe, zu reiten. Es habe sich um eine Gefälligkeit gehandelt. Bei Weigerung der Klägerin hätte sie einen anderen Reiter fragen müssen.
Mit Urteil vom 30. September 2002 wies das Landgericht T. die Klage der Klägerin gegen die Beigeladene (dort: Beklagte) wegen Schadenersatz ab. Nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten habe die Klägerin im Interesse der Beigeladenen aus Gefälligkeit gehandelt, weil das Pferd bewegt werden musste. Der Ausritt habe daher nicht nur der Wahrnehmung des Reithobbys gedient, sondern sei als Arbeitsunfall zu werten. Die Berufung der Klägerin wies das Oberlandesgericht M. mit Urteil vom 30. April 2003 zurück. Die Klägerin habe zwar eingewandt, sie habe das Pferd vorwiegend zum eigenen Vergnügen bewegt. Dies stehe aber der objektiven Zielsetzung der Tätigkeit, nämlich dem Tier Bewegung zu verschaffen, nicht entgegen. Die Handlungstendenz der Klägerin sei in erster Linie dahin gegangen, den Zwecken der Beigeladenen zu dienen. Der BGH hob die Urteile wegen Vorgreiflichkeit der sozialgerichtlichen Entscheidung gemäß § 108 des Siebten Sozialgesetzbuches (SGB VII) auf.
Die Klägerin erklärte im Schreiben vom 28. August 2003, der Unfallritt habe maßgeblich dem Interesse der Beigeladenen als Pferdehalterin gedient, die sie gebeten habe, das Pferd zu bewegen. Die Klägerin übersandte das Protokoll des Landgerichts T. vom 30. September 2002. Darin gab die Klägerin an, neben den Reitstunden habe sie ab und zu das Pferd S. der Beigeladenen geritten und zwar zwischen Juni und August 2000 circa achtmal. Die Beigeladene habe sie jeweils darum gebeten, da sie nach der anstrengenden Reitstunde das Pferd nicht trocken reiten wollte. Das Pferd F. habe die Beigeladene im April 2001 gekauft. Nach 3-4 Wochen habe sie auch dieses Pferd geritten und zwar insgesamt etwa zehnmal bis zum Unfall. Manchmal habe die Beigeladene gebeten, dass sie das Pferd reite, manchmal habe sie es ihr auch angeboten. Die Beigeladene gab an, sie habe die Klägerin immer zur Reitstunde im Auto mitgenommen. Am Unfalltag hätten sie gewusst, dass die Reitstunde ausfällt, aber auch gewusst, dass das Pferd bewegt werden müsse. Sie habe die Klägerin "bekniet", dass sie reite, da sie selbst sich nicht wohl gefühlt habe
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 23. September 2003 die Entschädigung des Unfalls ab, da ein Arbeitsunfall nicht vorgelegen habe. Nach den Gesamtumständen sei davon auszugehen, dass die Klägerin das Pferd aus Eigeninteresse am Reiten bewegt habe und nicht, um eine Arbeitsleistung für die private Reittierhaltung der Beigeladenen zu erbringen. Das Motiv für das Ausreiten sei somit im eigenwirtschaftlichen Bereich der Klägerin zu sehen.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 2003 zurück.
Sowohl die Klägerin als auch die Beigeladene erhoben Klagen zum Sozialgericht München.
Im Klageverfahren der Beigeladenen erklärte sie im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10. Januar 2007, sie habe die Klägerin als Patientin in ihrer psychotherapeutischen Praxis kennen gelernt. Gegen Ende der Therapie hätten sie begonnen, sich anzufreunden. Sie hätten sich zum Zeitpunkt des Unfalls nahe gestanden. Die Klägerin sei stundenweise bei ihr im Haushalt tätig gewesen und dafür auch bezahlt worden. Die Klägerin habe mit ihr zusammen Reitstunde genommen und ihr Pferd entweder vorher locker geritten oder nachher im Schritt trocken geritten. Am Unfalltag sei eine Reitstunde geplant gewesen. Sie sei zusammen mit der Klägerin zum Stall gefahren und habe dort erfahren, dass die Reitstunde ausfalle. Da sie sich nicht gut gefühlt habe, habe sie die Klägerin gebeten, das Pferd zu bewegen. Zunächst habe die Klägerin abgelehnt, aber sich auf ihre dringenden Bitten dann doch bereiterklärt, zu reiten.
Die Klägerin gab an, sie sei am Unfalltag mit zum Stall gekommen, um "Stallluft zu schnuppern, Leute zu treffen und Kontakt zu Pferden zu haben". Nach 20 Minuten, in denen die Beigeladene versucht habe, sie zu überzeugen, das Pferd doch zu reiten, habe sie sich dazu entschlossen, zumal es notwendig gewesen sei, das Pferd zu bewegen und der Regen aufgehört habe. Sie sei grundsätzlich froh gewesen, wenn sie das Pferd der Beigeladenen habe reiten können, denn ein Privatpferd sei etwas anderes als ein Schulpferd. An diesem Tag wäre sie von sich aus aufgrund des schlechten Wetters nicht geritten. Sie habe es jedoch getan, um der Beigeladenen einen Gefallen zu erweisen und vor allem, weil sie gewusst habe, dass das Pferd bewegt werden müsse. Dies sei der Hauptgrund gewesen.
Das Sozialgericht wies die Klage der Beigeladenen mit Urteil vom 10. Januar 2007 ab. Die zum Unfall führende Tätigkeit sei nicht unter konkret arbeitnehmerähnlichen Umständen erbracht worden. Das Bewegen des Pferdes sei vielmehr von der Ausübung eines gemeinsamen Hobbys geprägt gewesen, der Freude am Reiten, sowie der Tierliebe und Verbundenheit der Klägerin mit dem Pferd der Beigeladenen Die Klägerin und die Beigeladene seien zum Zeitpunkt des Unfalls befreundet gewesen. Die Beziehung sei geprägt gewesen durch die gemeinsame Liebe zu Pferden und zur Ausübung des Reitsports. Es habe sich um eine verhältnismäßig geringfügige Hilfeleistung mit einem Zeitaufwand von höchstens 20 Minuten gehandelt. Die Klägerin sei daher nicht wie ein Arbeitnehmer tätig geworden, sondern als Freundin mit gleichen Interessen wie die Beigeladene.
Die Klage der Klägerin wies das Sozialgericht mit Urteil vom 10. Januar 2007 ab: Die Klage sei wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig. Mit der früheren Erhebung der Klage durch die Beigeladene sei die Streitsache rechtshängig geworden. Die Entscheidung im Rechtsstreit der Beigeladenen habe eine Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit überflüssig gemacht.
Die Klägerin legte am 13. Februar 2007 Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ein. Das Sozialgericht hätte die Klage nicht als unzulässig abweisen dürfen, sondern die Ver-
fahren der Klägerin und der Beigeladenen verbinden müssen. In materieller Hinsicht nahm sie auf ihre Ausführungen in der ersten Instanz Bezug.
Die Beigeladene legte am 6. März 2007 Anschlussberufung ein.
Die Klägerin stellt den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 10. Januar 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. September 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2003 zu verurteilen, den Unfall vom 11. Juni 2001 als Arbeitsunfall festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene schließt sich dem Antrag der Klägerin an.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Im Tenor zu Recht hat das Sozialgericht München die Klage, allerdings mit fehlerhafter Begründung, abgewiesen. Mit der Klageerhebung durch die Beigeladene war eine Klage bezüglich des gleichen Streitgegenstandes wie die von der Klägerin erhobene Klage, nämlich: Entscheidung der Frage, ob ein Arbeitsunfall vorgelegen hat, bereits rechtshängig. Gemäß § 109 SGB VII kann ein "Schädiger", gegen den ein Versicherter, wie hier die Klägerin, Schadenersatzforderungen erhebt, nur "statt des Berechtigten" handeln, also nicht, wenn dieser das Verfahren vor dem Unfallversicherungsträger oder dem Sozialgericht selbst betreibt. Er kann dagegen beigezogen oder beigeladen werden. Da die Klägerin ihre Ansprüche gegenüber dem Unfallversicherungsträger selbst verfolgt und auch Klage erhoben hat, fehlte die Prozessführungsbefugnis der Beigeladenen. Ihre Klage hätte daher als unzulässig abgewiesen werden müssen, nicht dagegen die Klage der Klägerin.
Abzuweisen war die Klage, da die Klägerin bei der zum Unfall führenden Tätigkeit vom 11. Juni 2001 nicht unfallversichert war. Daher ist die Berufung nicht begründet.
Ein Arbeitsunfall setzt gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII einen Unfall voraus, den ein Versicherter bei einer der den Versicherungsschutz gemäß §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Voraussetzung ist, dass die zum Unfall führende Verrichtung mit der versicherten Tätigkeit sachlich verknüpft ist, der Unfall ursächlich auf der versicherten Tätigkeit beruht und im Sinne der haftungsausfüllenden Kausalität einen Gesundheitsschaden bewirkt hat.
Die Klägerin war unstreitig nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses versichert (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII). Dies würde als wesentliche Merkmale eine unselbstständige Arbeit voraussetzen, wie sie insbesondere in einem Arbeitsverhältnis geleistet wird und eine persönliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber, dessen Direktionsrecht der Beschäftigte unterliegt, sei es durch Weisungsgebundenheit oder Eingliederung in den Betrieb (vgl. BSG, SozR 2200 § 539 RVO Nr. 101).
Eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit lag gleichfalls nicht vor. Gemäß § 2 Abs. 2 S. 1
SGB VII sind Personen gegen Arbeitsunfall versichert, die wie ein nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherter tätig werden. Diese Vorschrift erfordert keine persönliche Abhängigkeit von einem Unternehmer. Vielmehr ist es ausreichend, dass eine ernstliche, dem fremden Unternehmen dienende Tätigkeit verrichtet wird, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und die ihrer Art nach auch von Personen verrichtet werden könnte, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnen Beschäftigungsverhältnis stehen und die, ungeachtet des Beweggrundes für den Entschluss, tätig zu werden, unter solchen Umständen geleistet wird, dass sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist (vgl. BSG, SozR 3-2200 § 548 Nr. 20 m.w.N.).
Allerdings wird nicht jede Tätigkeit, die einem Unternehmen objektiv nützlich und ihrer Art nach sonst üblicherweise dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist, arbeitnehmerähnlich verrichtet. Vielmehr kommt der mit dem objektiv arbeitnehmerähnlichen Verhalten verbundenen Handlungstentenz, die vom bloßen Motiv für das Tätigwerden zu unterscheiden ist, ausschlaggebende Bedeutung zu. Verfolgt nämlich eine Person mit solchem Verhalten in Wirklichkeit wesentlich allein ihre eigenen Angelegenheiten, ist sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung und somit nicht wie im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern eigenwirtschaftlich tätig und steht daher auch nicht unter Versicherungsschutz. Dabei sind die gesamten Umstände des Einzelfalls und das sich daraus ergebende Gesamtbild für die Beurteilung des Versicherungsschutzes in Betracht zu ziehen.
Die Klägerin war, wie sie, ebenso wie die Beigeladene, im Verwaltungs- und Klageverfahren bekundet hat, mit der Beigeladenen seit längerer Zeit befreundet. Sie hatte schon seit Juni 2000 häufiger ein anderes Pferd der Beigeladenen geritten und auch das Pferd F., das die Beigeladene im April 2001 gekauft hatte, schon ca. zehnmal geritten. Sie hat weiter erklärt, sie sei froh gewesen, wenn sie ein Privatpferd habe reiten können. In Anbetracht dieser Äußerungen und der Tatsache, dass die Klägerin und die Beigeladene am Unfalltag zum Reitstall gefahren waren, um die Reitstunde wahrzunehmen, die aber ausfiel, ist davon auszugehen, dass wesentliches Motiv der Klägerin der Wunsch zu reiten war, also das private Reitvergnügen im eigenen Interesse die Handlungstentenz der Klägerin bestimmte. Die Klägerin besaß genügend Reitfähigkeiten, um das Pferd, das ihr zudem durch frühere Ritte bekannt war, trocken zu reiten. Sie war nach ihren eigenen Angaben am Unfalltag mit zum Stall gekommen, um "Stallluft zu schnuppern, Leute zu treffen und Kontakt zu Pferden zu haben". Im Rahmen dieser Absicht, hat sie sich, wenn auch erst auf Bitten der Beigeladenen, bereit erklärt, das Pferd F. zu reiten.
Diese Tätigkeit ist also nicht unter Umständen, die einem Beschäftigungsverhältnis entsprechen, verrichtet worden. Denn ein Abhängigkeitsverhältnis zur Pferdebesitzerin, der Beigeladenen, lag ebenso wenig vor wie eine Eingliederung in deren "Unternehmen". Auch bestand keine Weisungsgebundenheit, sondern die Klägerin war grundsätzlich frei in ihrer Entscheidung, ob sie die Beigeladene beim Bewegen des Pferdes unterstützen wollte. Bestimmend für die Hilfe der Klägerin war die zwischen Freunden übliche Hilfsbereitschaft, die zudem auch auf Gegenseitigkeit beruhte, denn die Beigeladene hat die Klägerin regelmäßig in ihrem Auto bei der Fahrt zum Reitstall mitgenommen. Insofern war die Tätigkeit von den freundschaftlichen Beziehungen und der Freude am Reitsport geprägt. Eine Hilfe, wie sie die Klägerin der Beigeladenen leistete, ist im Hinblick auf die freundschaftlichen Beziehungen typisch und üblich. Sie überschritt nicht den Rahmen dessen, was unter Freunden als selbstverständlich zu erwarten ist. Denn der zeitliche Umfang der geleisteten Tätigkeit betrug nur etwa 20 Minuten; eine derartige Hilfeleistung kann im Hinblick auf die freundschaftlichen Beziehungen als selbst verständlich angesehen werden.
Im Hinblick darauf, dass die Willensrichtung der Beteiligten bei der Tätigkeit am 11. Juni 2001 insgesamt von freundschaftlicher Hilfeleistung - und der Freude am Reitsport - geprägt war, ist ein Versicherungsschutz nicht gegeben gewesen.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist das Vorliegen eines Arbeitsunfalles.
Die 1967 geborene Klägerin stürzte am 11. Juni 2001 beim Reiten des Pferdes F. der Beigeladenen und verletzte sich schwer. Ihr Bevollmächtigter erklärte am 13. November 2001 in einem Schreiben an die Privatversicherung der Beigeladenen, die Klägerin habe nicht ausschließlich in ihrem eigenen Interesse gehandelt, sondern das Pferd für die Beigeladene reiten wollen. Die Beigeladene gab in den Schreiben vom 1. Juli und 5. August 2002 an, die Klägerin und sie seien gute Bekannte, sie hätten zusammen Reitunterricht gehabt. In der Unfallanzeige vom 29. Juli 2002 gab sie an, sie habe die Klägerin, wie schon öfter, gebeten, das Pferd, das Bewegung gebraucht habe, zu reiten. Es habe sich um eine Gefälligkeit gehandelt. Bei Weigerung der Klägerin hätte sie einen anderen Reiter fragen müssen.
Mit Urteil vom 30. September 2002 wies das Landgericht T. die Klage der Klägerin gegen die Beigeladene (dort: Beklagte) wegen Schadenersatz ab. Nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten habe die Klägerin im Interesse der Beigeladenen aus Gefälligkeit gehandelt, weil das Pferd bewegt werden musste. Der Ausritt habe daher nicht nur der Wahrnehmung des Reithobbys gedient, sondern sei als Arbeitsunfall zu werten. Die Berufung der Klägerin wies das Oberlandesgericht M. mit Urteil vom 30. April 2003 zurück. Die Klägerin habe zwar eingewandt, sie habe das Pferd vorwiegend zum eigenen Vergnügen bewegt. Dies stehe aber der objektiven Zielsetzung der Tätigkeit, nämlich dem Tier Bewegung zu verschaffen, nicht entgegen. Die Handlungstendenz der Klägerin sei in erster Linie dahin gegangen, den Zwecken der Beigeladenen zu dienen. Der BGH hob die Urteile wegen Vorgreiflichkeit der sozialgerichtlichen Entscheidung gemäß § 108 des Siebten Sozialgesetzbuches (SGB VII) auf.
Die Klägerin erklärte im Schreiben vom 28. August 2003, der Unfallritt habe maßgeblich dem Interesse der Beigeladenen als Pferdehalterin gedient, die sie gebeten habe, das Pferd zu bewegen. Die Klägerin übersandte das Protokoll des Landgerichts T. vom 30. September 2002. Darin gab die Klägerin an, neben den Reitstunden habe sie ab und zu das Pferd S. der Beigeladenen geritten und zwar zwischen Juni und August 2000 circa achtmal. Die Beigeladene habe sie jeweils darum gebeten, da sie nach der anstrengenden Reitstunde das Pferd nicht trocken reiten wollte. Das Pferd F. habe die Beigeladene im April 2001 gekauft. Nach 3-4 Wochen habe sie auch dieses Pferd geritten und zwar insgesamt etwa zehnmal bis zum Unfall. Manchmal habe die Beigeladene gebeten, dass sie das Pferd reite, manchmal habe sie es ihr auch angeboten. Die Beigeladene gab an, sie habe die Klägerin immer zur Reitstunde im Auto mitgenommen. Am Unfalltag hätten sie gewusst, dass die Reitstunde ausfällt, aber auch gewusst, dass das Pferd bewegt werden müsse. Sie habe die Klägerin "bekniet", dass sie reite, da sie selbst sich nicht wohl gefühlt habe
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 23. September 2003 die Entschädigung des Unfalls ab, da ein Arbeitsunfall nicht vorgelegen habe. Nach den Gesamtumständen sei davon auszugehen, dass die Klägerin das Pferd aus Eigeninteresse am Reiten bewegt habe und nicht, um eine Arbeitsleistung für die private Reittierhaltung der Beigeladenen zu erbringen. Das Motiv für das Ausreiten sei somit im eigenwirtschaftlichen Bereich der Klägerin zu sehen.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 2003 zurück.
Sowohl die Klägerin als auch die Beigeladene erhoben Klagen zum Sozialgericht München.
Im Klageverfahren der Beigeladenen erklärte sie im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10. Januar 2007, sie habe die Klägerin als Patientin in ihrer psychotherapeutischen Praxis kennen gelernt. Gegen Ende der Therapie hätten sie begonnen, sich anzufreunden. Sie hätten sich zum Zeitpunkt des Unfalls nahe gestanden. Die Klägerin sei stundenweise bei ihr im Haushalt tätig gewesen und dafür auch bezahlt worden. Die Klägerin habe mit ihr zusammen Reitstunde genommen und ihr Pferd entweder vorher locker geritten oder nachher im Schritt trocken geritten. Am Unfalltag sei eine Reitstunde geplant gewesen. Sie sei zusammen mit der Klägerin zum Stall gefahren und habe dort erfahren, dass die Reitstunde ausfalle. Da sie sich nicht gut gefühlt habe, habe sie die Klägerin gebeten, das Pferd zu bewegen. Zunächst habe die Klägerin abgelehnt, aber sich auf ihre dringenden Bitten dann doch bereiterklärt, zu reiten.
Die Klägerin gab an, sie sei am Unfalltag mit zum Stall gekommen, um "Stallluft zu schnuppern, Leute zu treffen und Kontakt zu Pferden zu haben". Nach 20 Minuten, in denen die Beigeladene versucht habe, sie zu überzeugen, das Pferd doch zu reiten, habe sie sich dazu entschlossen, zumal es notwendig gewesen sei, das Pferd zu bewegen und der Regen aufgehört habe. Sie sei grundsätzlich froh gewesen, wenn sie das Pferd der Beigeladenen habe reiten können, denn ein Privatpferd sei etwas anderes als ein Schulpferd. An diesem Tag wäre sie von sich aus aufgrund des schlechten Wetters nicht geritten. Sie habe es jedoch getan, um der Beigeladenen einen Gefallen zu erweisen und vor allem, weil sie gewusst habe, dass das Pferd bewegt werden müsse. Dies sei der Hauptgrund gewesen.
Das Sozialgericht wies die Klage der Beigeladenen mit Urteil vom 10. Januar 2007 ab. Die zum Unfall führende Tätigkeit sei nicht unter konkret arbeitnehmerähnlichen Umständen erbracht worden. Das Bewegen des Pferdes sei vielmehr von der Ausübung eines gemeinsamen Hobbys geprägt gewesen, der Freude am Reiten, sowie der Tierliebe und Verbundenheit der Klägerin mit dem Pferd der Beigeladenen Die Klägerin und die Beigeladene seien zum Zeitpunkt des Unfalls befreundet gewesen. Die Beziehung sei geprägt gewesen durch die gemeinsame Liebe zu Pferden und zur Ausübung des Reitsports. Es habe sich um eine verhältnismäßig geringfügige Hilfeleistung mit einem Zeitaufwand von höchstens 20 Minuten gehandelt. Die Klägerin sei daher nicht wie ein Arbeitnehmer tätig geworden, sondern als Freundin mit gleichen Interessen wie die Beigeladene.
Die Klage der Klägerin wies das Sozialgericht mit Urteil vom 10. Januar 2007 ab: Die Klage sei wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig. Mit der früheren Erhebung der Klage durch die Beigeladene sei die Streitsache rechtshängig geworden. Die Entscheidung im Rechtsstreit der Beigeladenen habe eine Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit überflüssig gemacht.
Die Klägerin legte am 13. Februar 2007 Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ein. Das Sozialgericht hätte die Klage nicht als unzulässig abweisen dürfen, sondern die Ver-
fahren der Klägerin und der Beigeladenen verbinden müssen. In materieller Hinsicht nahm sie auf ihre Ausführungen in der ersten Instanz Bezug.
Die Beigeladene legte am 6. März 2007 Anschlussberufung ein.
Die Klägerin stellt den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 10. Januar 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. September 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2003 zu verurteilen, den Unfall vom 11. Juni 2001 als Arbeitsunfall festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene schließt sich dem Antrag der Klägerin an.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Im Tenor zu Recht hat das Sozialgericht München die Klage, allerdings mit fehlerhafter Begründung, abgewiesen. Mit der Klageerhebung durch die Beigeladene war eine Klage bezüglich des gleichen Streitgegenstandes wie die von der Klägerin erhobene Klage, nämlich: Entscheidung der Frage, ob ein Arbeitsunfall vorgelegen hat, bereits rechtshängig. Gemäß § 109 SGB VII kann ein "Schädiger", gegen den ein Versicherter, wie hier die Klägerin, Schadenersatzforderungen erhebt, nur "statt des Berechtigten" handeln, also nicht, wenn dieser das Verfahren vor dem Unfallversicherungsträger oder dem Sozialgericht selbst betreibt. Er kann dagegen beigezogen oder beigeladen werden. Da die Klägerin ihre Ansprüche gegenüber dem Unfallversicherungsträger selbst verfolgt und auch Klage erhoben hat, fehlte die Prozessführungsbefugnis der Beigeladenen. Ihre Klage hätte daher als unzulässig abgewiesen werden müssen, nicht dagegen die Klage der Klägerin.
Abzuweisen war die Klage, da die Klägerin bei der zum Unfall führenden Tätigkeit vom 11. Juni 2001 nicht unfallversichert war. Daher ist die Berufung nicht begründet.
Ein Arbeitsunfall setzt gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII einen Unfall voraus, den ein Versicherter bei einer der den Versicherungsschutz gemäß §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Voraussetzung ist, dass die zum Unfall führende Verrichtung mit der versicherten Tätigkeit sachlich verknüpft ist, der Unfall ursächlich auf der versicherten Tätigkeit beruht und im Sinne der haftungsausfüllenden Kausalität einen Gesundheitsschaden bewirkt hat.
Die Klägerin war unstreitig nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses versichert (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII). Dies würde als wesentliche Merkmale eine unselbstständige Arbeit voraussetzen, wie sie insbesondere in einem Arbeitsverhältnis geleistet wird und eine persönliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber, dessen Direktionsrecht der Beschäftigte unterliegt, sei es durch Weisungsgebundenheit oder Eingliederung in den Betrieb (vgl. BSG, SozR 2200 § 539 RVO Nr. 101).
Eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit lag gleichfalls nicht vor. Gemäß § 2 Abs. 2 S. 1
SGB VII sind Personen gegen Arbeitsunfall versichert, die wie ein nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherter tätig werden. Diese Vorschrift erfordert keine persönliche Abhängigkeit von einem Unternehmer. Vielmehr ist es ausreichend, dass eine ernstliche, dem fremden Unternehmen dienende Tätigkeit verrichtet wird, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und die ihrer Art nach auch von Personen verrichtet werden könnte, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnen Beschäftigungsverhältnis stehen und die, ungeachtet des Beweggrundes für den Entschluss, tätig zu werden, unter solchen Umständen geleistet wird, dass sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist (vgl. BSG, SozR 3-2200 § 548 Nr. 20 m.w.N.).
Allerdings wird nicht jede Tätigkeit, die einem Unternehmen objektiv nützlich und ihrer Art nach sonst üblicherweise dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist, arbeitnehmerähnlich verrichtet. Vielmehr kommt der mit dem objektiv arbeitnehmerähnlichen Verhalten verbundenen Handlungstentenz, die vom bloßen Motiv für das Tätigwerden zu unterscheiden ist, ausschlaggebende Bedeutung zu. Verfolgt nämlich eine Person mit solchem Verhalten in Wirklichkeit wesentlich allein ihre eigenen Angelegenheiten, ist sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung und somit nicht wie im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern eigenwirtschaftlich tätig und steht daher auch nicht unter Versicherungsschutz. Dabei sind die gesamten Umstände des Einzelfalls und das sich daraus ergebende Gesamtbild für die Beurteilung des Versicherungsschutzes in Betracht zu ziehen.
Die Klägerin war, wie sie, ebenso wie die Beigeladene, im Verwaltungs- und Klageverfahren bekundet hat, mit der Beigeladenen seit längerer Zeit befreundet. Sie hatte schon seit Juni 2000 häufiger ein anderes Pferd der Beigeladenen geritten und auch das Pferd F., das die Beigeladene im April 2001 gekauft hatte, schon ca. zehnmal geritten. Sie hat weiter erklärt, sie sei froh gewesen, wenn sie ein Privatpferd habe reiten können. In Anbetracht dieser Äußerungen und der Tatsache, dass die Klägerin und die Beigeladene am Unfalltag zum Reitstall gefahren waren, um die Reitstunde wahrzunehmen, die aber ausfiel, ist davon auszugehen, dass wesentliches Motiv der Klägerin der Wunsch zu reiten war, also das private Reitvergnügen im eigenen Interesse die Handlungstentenz der Klägerin bestimmte. Die Klägerin besaß genügend Reitfähigkeiten, um das Pferd, das ihr zudem durch frühere Ritte bekannt war, trocken zu reiten. Sie war nach ihren eigenen Angaben am Unfalltag mit zum Stall gekommen, um "Stallluft zu schnuppern, Leute zu treffen und Kontakt zu Pferden zu haben". Im Rahmen dieser Absicht, hat sie sich, wenn auch erst auf Bitten der Beigeladenen, bereit erklärt, das Pferd F. zu reiten.
Diese Tätigkeit ist also nicht unter Umständen, die einem Beschäftigungsverhältnis entsprechen, verrichtet worden. Denn ein Abhängigkeitsverhältnis zur Pferdebesitzerin, der Beigeladenen, lag ebenso wenig vor wie eine Eingliederung in deren "Unternehmen". Auch bestand keine Weisungsgebundenheit, sondern die Klägerin war grundsätzlich frei in ihrer Entscheidung, ob sie die Beigeladene beim Bewegen des Pferdes unterstützen wollte. Bestimmend für die Hilfe der Klägerin war die zwischen Freunden übliche Hilfsbereitschaft, die zudem auch auf Gegenseitigkeit beruhte, denn die Beigeladene hat die Klägerin regelmäßig in ihrem Auto bei der Fahrt zum Reitstall mitgenommen. Insofern war die Tätigkeit von den freundschaftlichen Beziehungen und der Freude am Reitsport geprägt. Eine Hilfe, wie sie die Klägerin der Beigeladenen leistete, ist im Hinblick auf die freundschaftlichen Beziehungen typisch und üblich. Sie überschritt nicht den Rahmen dessen, was unter Freunden als selbstverständlich zu erwarten ist. Denn der zeitliche Umfang der geleisteten Tätigkeit betrug nur etwa 20 Minuten; eine derartige Hilfeleistung kann im Hinblick auf die freundschaftlichen Beziehungen als selbst verständlich angesehen werden.
Im Hinblick darauf, dass die Willensrichtung der Beteiligten bei der Tätigkeit am 11. Juni 2001 insgesamt von freundschaftlicher Hilfeleistung - und der Freude am Reitsport - geprägt war, ist ein Versicherungsschutz nicht gegeben gewesen.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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