L 5 AS 49/06

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 58 AS 1692/06
Datum
-
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 AS 49/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits werden nicht erstattet. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren eine Hilfeleistung wegen eines im Januar 2006 im Rahmen der selb-ständigen Tätigkeit des Klägers zu 1. entstandenen Verlustes in Höhe von EUR 612,79 durch die Beklagte.

Die Kläger bilden eine Bedarfsgemeinschaft und erhielten mit Bescheid vom 22. November 2005 laufende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Leistungszeitraum vom 1. Dezember 2005 bis 31. Mai 2006. Als Einkommen der Bedarfsgemeinschaft wurde lediglich das Kindergeld angerechnet.

Mit Schreiben vom 2. Februar 2006 teilte der Kläger zu 1. der Beklagten mit, dass er im Januar 2006 aus seiner Tätigkeit als selbständiger Kleinunternehmer einen Verlust in Höhe von EUR 612,79 erlitten habe. Er beantragte einen einmaligen Zuschlag in Höhe dieses Verlustes.

Mit Bescheid vom 22. Februar 2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Bedarfsge-meinschaft der Kläger erhalte Leistungen nach dem SGB II in Höhe von EUR 1.467,44. Ein-kommen aus selbständiger Tätigkeit werde nicht angerechnet; allein das Kindergeld werde auf der Einkommensseite berücksichtigt. Verlustbeträge aus der Selbständigkeit könnten nicht nach dem SGB II ersetzt werden.

Den Widerspruch der Kläger vom 27. Februar 2006 wies die Beklagte mit Widerspruchs-bescheid vom 1. August 2006 zurück. Es fehle an einer Rechtsgrundlage für den begehr-ten Zuschlag.

Die dagegen am 24. August 2006 erhobene Klage hat das Sozialgericht Hamburg mit Urteil vom 24. November 2006 abgewiesen. Insbesondere könne der entstandene Verlust nicht mit den Einkünften aus dem Kindergeld verrechnet werden, weil diese Einkom-mensarten in keinem Bezug zueinander stünden.

Gegen das am 30. November 2006 zugestellte Urteil haben die Kläger am 27. Dezember 2006 Berufung eingelegt. Sie machen geltend, dass sie im Monat Februar 2006 infolge des Verlustes weniger als den Minimalbedarf zur Verfügung gehabt hätten.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 24. November 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Februar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. August 2006 zu verurteilen, ihnen für den Monat Februar 2006 eine zusätzliche Leistung in Höhe von 612,79 Euro als einmalige Hilfe im Notstand zu gewähren und die Nachzahlung zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Gericht hat am 16. Juli 2009 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sit-zungsprotokoll wird verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwal-tungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 22. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. August 2006 ist rechtmäßig. Durch diesen hat die Beklagte den Antrag des Klägers vom 2. Februar 2006 auf einen Zuschlag in Höhe des entstandenen Verlustes abgelehnt. Das berührt zwar in der Sache auch den Bewilligungsbescheid vom 22. November 2005 für den Leistungszeitraum vom 1. Dezember 2005 bis 31. Mai 2006, ist aber ein selbständiges Verwaltungsverfahren und betrifft vor allem einen abgrenzbaren und eigenständig tenorierten Gegenstand (vgl. BSG, Urt. v. 23.11.2006, B 11b AS 9/06 R, SozR 4-4300 § 428 Nr. 3). Der verlangte Zuschlag stellt nach der konkreten Bescheidung ein einzelnes, prozessual selbständiges Berechnungselement dar (vgl. BSG, Urt. v. 19.9.2008, B 14/7b AS 10/07 R, juris).

Die Kläger haben keinen Anspruch darauf, dass der im Januar 2006 entstandene Verlust-betrag nach dem SGB II aufgefangen wird. Zunächst kann der Verlust nicht im Rahmen der Einkommensberechnung nach § 11 SGB II als "negatives Einkommen" Berücksichti-gung finden. Als Einkommen der Bedarfsgemeinschaft wird lediglich das Kindergeld ange-rechnet. Davon kann der Verlustbetrag aber nicht abgezogen werden. Nach § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II können nur die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben vom Einkommen abgesetzt werden. Das ist nach allgemein anerkannter Auffassung so zu verstehen, dass notwendige Ausgaben für jede festgestellte Einkom-mensart gesondert abzusetzen sind und – anders als im Steuerrecht – gerade kein Ver-lustausgleich zwischen verschiedenen Einkommensarten stattfindet (Bayerisches LSG, Beschl. v. 14.6.2005, L 11 B 218/05 AS; Sächsisches LSG, Beschl. v. 10.1.2006, L 3 B 233/05 AS-ER; Hessisches LSG, Beschl. v. 24.4.2007, L 9 AS 284/06 ER; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 6.3.2008, L 28 AS 1276/07; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 19.3.2008, L 20 B 223/07 ER; alle juris). Das folgt aus dem Begriff "verbunden" im Wort-laut des § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II und ist schon deswegen gerechtfertigt, weil Tätigkeiten, die im Ergebnis zu Verlusten führen, nicht durch andere Einkommensarten auszugleichen, sondern einzustellen sind, um die Sozialleistungsträger nicht zu belasten. Dem Kläger zu 1. hätte nach § 2a Abs. 2 Alg II-VO (in der ab dem 1.10.2005 geltenden Fassung) allein die Möglichkeit offen gestanden, den entstandenen Verlust mit späteren Gewinnen derselben Einkommensart zu verrechnen. Darum aber geht es ihm ersichtlich nicht.

Das SGB II bietet auch keine andere Anspruchsgrundlage für das Verlangen der Kläger. Sie erhalten die Regelleistungen und die Kosten der Unterkunft. Eine Bedarfserhöhung über die Regelleistung hinaus aufgrund des eingetretenen Verlustes sieht das Gesetz – zu Recht – nicht vor; das würde im Ergebnis der Allgemeinheit den Verlust auferlegen. Weitere Ansprüche räumt das SGB II in § 21 – Mehrbedarfe – und § 23 Abs. 3 – einmalige Leistungen – ein. Das passt ersichtlich nicht. Ein allein in Betracht kommender darle-hensweiser Ausgleich des Verlustbetrages nach § 23 Abs. 1 SGB II, den die Kläger im Berufungsverfahren offenbar geltend machen wollen, setzt einen nach den Umständen unabweisbaren Bedarf voraus. Das scheitert bereits daran, dass sich der Kläger zu 1. nach seinen Bekundungen in der mündlichen Verhandlung die Mittel, die er im Januar 2006 im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit benötigt hatte, von Freunden und von der Bank geliehen hatte. Es konnte also nur noch um die Tilgung dieser Schulden gehen; das aber ist kein unabweisbarer Bedarf im Sinne des § 23 Abs. 1 SGB II. Der entstandene Verlustbetrag fehlte im Februar 2006 mithin zwar rechnerisch, nicht aber tatsächlich. Die Kläger erhielten vielmehr im Februar die mit Bescheid vom 22. November 2005 bewilligten Leistungen und konnten darüber verfügen. Die Schulden tilgte der Kläger zu 1. aus den später erzielten Gewinnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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