L 19 B 275/09 AS ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 31 AS 318/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 B 275/09 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 25.08.2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung der Rechtsanwältin B im Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Der Antragsteller begehrt die einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Übernahme von Einlagerungskosten nach Zwangsräumung einer Wohnung.

Der Antragsteller bewohnte in der Vergangenheit seit dem 01.10.2005 eine zum 01.07.2001 angemietete 5-Zimmer-Wohnung von 144 qm zu monatlichen Aufwendungen für Grundmiete, Betriebskosten und Nebenkostenabschlag von 926,80 Euro.

Zum Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) bewohnte der Antragsteller diese Wohnung zusammen mit einer später am 01.12.2007 ausgezogenen Partnerin.

Die Antragsgegnerin sah den Antragsteller und seine Partnerin als Bedarfsgemeinschaft an und bewilligte mit Bescheid vom 16.03.2007 Leistungen ab dem 22.12.2007 in Berücksichtigung der vollen Unterkunftskosten unter Anrechnung von Einkünften der Partnerin. Mit Schreiben vom 16.03.2007 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur Senkung der Unterkunftskosten auf. Unterkunftskosten in Höhe von monatlich 343,80 Euro seien angemessen. Die tatsächlich anfallenden Unterkunftskosten würden nur für 6 Monate getragen.

Die Antragsgegnerin übernahm die tatsächlichen Unterkunftskosten für 6 Monate und bewilligte für Zeiten danach Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung der von ihr als angemessen angesehenen Unterkunftskosten für 2 Bewohner in Höhe von 340,80 Euro.

Nach dem Auszug der Partnerin bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen nach dem SGB II als Einzelperson und forderte ihn mit Schreiben vom 11.12.2007 auf, die tatsächlich anfallenden Unterkunftskosten von 926,80 Euro auf die für eine Einzelperson als angemessen anzusehenden Unterkunftskosten von 257,85 Euro abzusenken.

Ab dem 01.07.2008 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen nach dem SGB II nur unter Ansatz der von ihr für eine Einzelperson als angemessen angesehen Unterkunftskosten von insgesamt 349,85 Euro (Grundmiete 177,30 Euro, Heizkosten 92,00 Euro, Nebenkostenvorauszahlung 80,55 Euro).

Für die angekündigte Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit wurde dem Antragsteller ab Februar 2008 Einstiegsgeld bewilligt, ein Antrag auf Fortzahlung des Einstiegsgeldes über Januar 2009 hinaus dagegen abgelehnt (Bescheid vom 18.02.2009, Widerspruchsbescheid vom 08.06.2009).

Zwei Eilanträge auf Übernahme der Mietschulden, die zwischenzeitlich zu fristloser Kündigung und Erhebung der Räumungsklage durch den Vermieter geführt hatten, blieben erfolglos (Beschluss des LSG NRW vom 27.04.2009 - L 12 B 20/09 AS ER -, Beschluss des SG Duisburg vom 24.08.2009 - S 31 AS 293/09 -). Mit Urteil vom 17.06.2009 wurde der Antragsteller zur Räumung seiner Wohnung verurteilt, die Räumung wurde am 26. und 27.08.2009 durchgeführt.

Am 21.08.2009 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin Leistungen für die Einlagerung seines Hausrats in Höhe von 3.456,95 Euro sowie beim Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zur Übernahme dieser Kosten zu verpflichten. Mit Beschluss vom 25.08.2009, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt.

Der Antragsteller hat hiergegen am 07.09.2009 Beschwerde eingelegt. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller das Ziel, die Antragsgegnerin zur einstweiligen Übernahme der Einlagerungskosten für die Aufbewahrung des Gutes aus der geräumten Wohnung in einer Halle zu verpflichten. Hierzu legt er eine am 26.08.2009 geschlossene Vereinbarung über die Nutzung einer Schlossereihalle zur Einlagerung von Möbeln und sonstigen Gegenständen für die Dauer von 2 Monaten gegen Zahlung einer monatlichen Vergütung von 250,00 Euro vor. Die am 31.08.2009 beantragte Übernahme der Einlagerungskosten von monatlich 250,00 Euro hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 07.09.2009 abgelehnt. Gegen den Bescheid vom 07.09.2009 ist nach Aktenlage ein Widerspruch (bislang) nicht eingelegt worden.

Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Bedenken bestehen bereits gegen die Zulässigkeit der Beschwerde.

Für den Erlass der begehrten einstweiligen Regelungsanordnung im Sinne von § 86 b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) fehlte es bereits an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Widerspruchsfrist gegen den Ablehnungsbescheid vom 07.09.2009 zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats bereits abgelaufen ist und der Antragsteller keinen Widerspruch eingelegt hat. Mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Ablehnungsbescheides wird dieser für die Beteiligten hinsichtlich seines Regelungsgehaltes bindend (Bestandskraft, § 39 SGB X). Kann jedoch ein Anspruch auf die monatlichen Einlagerungskosten von 250,00 Euro im Hauptsacheverfahren nicht durchgesetzt werden, besteht auch kein Rechtschutzbedürfnis, die Antragsgegnerin durch das Gericht zur Übernahme der im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu erlangenden Leistungen zu verpflichten.

Bedenken gegen die Statthaftigkeit der Beschwerde bestehen zudem. Die vorgelegte Vereinbarung über die vorübergehende Nutzung der Halle zu Einlagerungszwecken vom 26.08.2009 wurde hinsichtlich einer Nutzungsdauer von 2 Monaten getroffen. Hiernach geht es dem Antragsteller mit seiner Beschwerde um 500,00 Euro. Wäre dies der Fall, wäre die Beschwerde nicht statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstands nicht den Betrag von 750,00 Euro übersteigt. Nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in der ab dem 01.04.2008 geltenden Fassung (BGBL I 417) ist die Beschwerde im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Eine Berufung ist nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG in der Fassung des genannten Gesetzes aber nur zulässig, wenn die Klage eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft und der Wert des Beschwerdegegenstandes den Betrag von 750,00 Euro übersteigt.

Nimmt man zugunsten des Antragstellers an, dass der Ablehnungsbescheid vom 07.09.2009 nicht bestandskräftig geworden ist und es um Einlagerungskosten für mehr als 3 Monate geht, ist die Beschwerde jedenfalls unbegründet. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Übernahme von Einlagerungskosten. Der Erlass der insoweit begehrten Regelungsanordnung setzt nach § 86 b Abs. 2 SGG i.V.m. § 920 der Zivilprozessordnung (ZPO) die Glaubhaftmachung sowohl eines Anordnungsgrundes im Sinne einer Eilbedürftigkeit der gerichtlichen Regelung als auch eines Anordnungsanspruches im Sinne eines im Hauptsacheverfahren durchsetzbaren Anspruches auf die begehrte Leistung voraus. Ein Anordnungsanspruch ist zur Überzeugung des Senats aber nicht glaubhaft gemacht. Nach der auch vom Senat zugrundegelegten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt eine Verpflichtung der Antragsgegnerin weder hinsichtlich der Gewährung weitere Unterkunftskosten nach § 22 SGB II für die Unterbringung privaten Gutes noch hinsichtlich der Erbringung von Eingliederungsleistungen nach §§ 16 f. SGB II für die Lagerung berufsbezogenen Gutes in Betracht.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 16.04.2008 - B 4 AS 1/08 R -) kann zwar grundsätzlich ein Anspruch auf unterkunftsbezogene Leistungen nach § 22 SGB II für die Anmietung zusätzlichen Lagerraumes bestehen, wenn der Wohnraum so klein ist, dass er zur angemessenen Unterbringung von persönlichen Gegenständen des Hilfebedürftigen erforderlich ist. Die Gewährung von Grundsicherungsleistungen für die Anmietung von Lagerraum setzt allerdings voraus, dass die Unterkunftskosten unter Einschluss der Kosten für die Anmietung dieses Lagerraumes angemessen sind.

Diese Voraussetzung ist beim Antragsteller ganz offensichtlich nicht gegeben, da die Antragsgegnerin für seine aktuelle Unterbringung in einem Hotel zu täglich anfallenden Kosten von 30,00 Euro monatliche Leistungen nach § 22 SGB II in Höhe von rund 900,00 Euro erbringt. Diese Aufwendungen überschreiten das Dreifache der von der Antragsgegnerin in der Absenkungsaufforderung vom 11.12.2007 als für einen Alleinstehenden angemessen angesehenen Unterkunftskosten von 257,85 Euro. Angesichts dieser Diskrepanz und des dem Senat aus zahlreichen Verfahren geläufigen Umstandes, dass Wohnraum im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin preiswert angemietet werden kann, ist eine Feststellung zur exakten Höhe der als angemessen anzusehenden Unterkunftskosten im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzverfahrens entbehrlich. Jedenfalls überschreiten die aktuell von der Antragsgegnerin für den Antragsteller aufgewendeten Unterkunftskosten deutlich das angemessene Maß und lassen daher keinen Spielraum für die Gewährung weiterer Leistungen zwecks Anmietung von Lagerraum zur Einlagerung persönlicher Gegenstände.

Als Anspruchsgrundlage für eine vollständige oder anteilige Übernahme der Kosten beruflich genutzten Raumes, etwa für die hier vom Antragsteller behauptete Einlagerung beruflich benötigter Gegenstände und Möbel, kommt § 16 Abs. 2 S. 1 SGB II in Betracht. Hiernach "können" über die in § 16 Abs. 1 SGB II genannten Leistungen hinausgehend weitere Leistungen erbracht werden, die für die Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben erforderlich sind. Hierzu gehören nicht nur die in § 16 Abs. 2 S. 1 SGB II aufgeführten Leistungen. § 16 Abs. 2 S. 1 SGB II enthält vielmehr eine Generalklausel für ergänzende Eingliederungsleistungen aller Art (Urteil des BSG vom 23.11.2006 - B 11 b AS 3/05 R - mwN).

Ein Anspruch des Antragstellers auf Verpflichtungen der Antragsgegnerin zur einstweiligen Erbringung von Leistungen nach § 16 Abs. 2 S. 1 SGB II besteht jedoch nicht. Die Erbringung von Leistungen hiernach steht grundsätzlich im Ermessen der Verwaltung, was bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift "können" abgeleitet werden kann und im Übrigen soweit ersichtlich einheitlicher Auffassung entspricht (vgl. Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage § 16 Rn. 61; BSG, a.a.O.; Beschluss des Senats vom 22.04.2009 - L 19 B 49/09 AS ER -).

Die einstweilige Verpflichtung des Leistungsträgers kommt in diesen Fällen nur in Betracht, wenn entweder das Ermessen in der Weise geschrumpft ist, dass allein die Leistungsgewährung rechtmäßig sein kann (Ermessensreduzierung auf Null), oder die nachzuholende Ermessensentscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zugunsten des Antragsstellers ausgeht oder ohne die begehrte Regelungsanordnung Rechtschutz nicht erreichbar und dies für den Antragsteller unzumutbar ist (Beschlüsse des Senats von 31.10.2008 - L 19 B 187/08 AS ER -, vom 22.04.2009 - L 19 B 49/09 AS ER -, vom 28.09.2009 - L 19 B 266/09 AS ER -).

Von einer solchen Ermessensreduzierung auf Null ist nach dem aktenkundigen Sachverhalt keinesfalls auszugehen. Nennenswerte Nachweise einer beruflichen Tätigkeit des Antragstellers in der Zeit seines Leistungsbezuges seit Dezember 2006 und insbesondere ab dem Beginn der Förderung durch Gewährung von Einstiegsgeld im Februar 2008 existieren nicht. Angaben zu derzeit oder in näherer Zukunft ins Auge gefassten konkreten beruflichen Aktivitäten hat der Antragsteller nicht gemacht. Ebenso fehlt es an der plausiblen Darlegung, welchem beruflichen Zweck die eingelagerten Gegenstände, insbesondere der erhebliche Fachbücherbestand sowie die Kellerwerkstatt in näherer Zukunft zu dienen bestimmt sind.

Hiernach scheidet zur Überzeugung des Senats eine Ermessensreduzierung auf Null aus und ist nach Vorstehendem nicht glaubhaft gemacht, dass eine Ermessensentscheidung zugunsten des Antragstellers ausgehen wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf eine entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Prozesskostenhilfe steht dem Antragsteller nach §§ 73 a SGG, 114 f ZPO nicht zu, weil es der beabsichtigten Rechtsverfolgung aus den dargelegten Gründen an hinreichender Erfolgsaussicht mangelt (§ 114 ZPO).

Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG endgültig.
Rechtskraft
Aus
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