Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 3135/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 1036/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 19. Februar 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4302 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (Durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können).
Der 1940 geborene Kläger stammt aus dem ehemaligen Jugoslawien. Er kam 1971 in die Bundesrepublik, wo er ab März bei mehreren Arbeitgebern als Maschinenarbeiter/Maschinenschlosser, Metzgereiarbeiter/Ausfahrer, angelernter Mechaniker/Staplerfahrer, Lastwagenfahrer/Gerüstbauer, Bauhilfsarbeiter und zuletzt vom 19. November 1979 bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit am 16. Mai 1984 bei der Firma A. AG in Radolfzell als Halbzeugputzer/Kontrolleur/Staplerfahrer/Farbentaucher versicherungpflichtig beschäftigt war. Bis zum 31. März 1987 bezog er Krankengeld und Leistungen der Arbeitsverwaltung und sodann ab April 1987 Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz. Ein Antrag auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente vom 18. Juli 1986 wurde von der damaligen Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz mit Bescheid vom 1. Dezember 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 1987 abgelehnt. Das Klageverfahren (S 4 J 214/87) vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) und das Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 13 J 2329/91) blieben erfolglos. Ab 1. Juni 1994 bezog er auf Grund eines am 4. Mai 1994 eingetretenen Leistungsfalls Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und ab 1. Mai 2005 erhält er eine Altersrente.
Der Kläger machte bei der Beklagten seit 2005 mehrere Arbeitsunfälle geltend. Mit Schreiben vom 6. September 2005 teilte er u. a. mit, der letzte Arbeitsunfall habe 1984 bei der Firma A. stattgefunden. Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 26. April 2006 die Anerkennung eines Ereignisses bei der Firma A. aus dem Jahr 1984 als Arbeitsunfall abgelehnt hatte, machte der Kläger im Widerspruchsverfahren am 2./3. Mai 2006 geltend, beim Farbentauchen habe er wegen der stark ätzenden Farben oft keine Luft mehr bekommen. Dadurch sei seine Lunge kaputt gegangen.
Im Rahmen der nachfolgenden Ermittlungen befragte die Beklagte die Firma A., führte Ermittlungen am früheren Arbeitsplatz durch, zog die Rentenakten bei und holte Auskünfte der vom Kläger benannten Ärzte ein.
Die Firma A. teilte unter dem 21. September 2006 mit, der Kläger sei in der Abteilung Gießerei, Gusskontrolle als Farbentaucher beschäftigt gewesen. Bei den Ermittlungen vor Ort am 18. Oktober 2006 wurde festgestellt, dass der Kläger in der Abteilung Gusskontrolle als Kontrolleur, Staplerfahrer und Farbentaucher eingesetzt gewesen sei. Als Farbentaucher habe der Kläger die bis zu 80 kg wiegenden Gussteile an Gestelle der Fördereinrichtung gehängt, welche diese durch das Tauchbad, dann über die Abtropfstrecke, durch den Trockenofen und wieder zurück zur Abhängestation transportiert habe. Nach dem Durchlauf habe der Kläger die Gussteile wieder abgenommen. Als Farbe sei Freioplast-1K-Reaktionshaftgrund-blassgrün verwendet worden. Die Farbe sei lösungsmittelhaltig gewesen und nach der Gefahrstoffverordnung als "gesundheitsschädlich-Xn" gekennzeichnet (nicht als ätzend). Im September 1997 seien vom Messtechnischen Dienst der Berufsgenossenschaft Gefahrstoffmessungen an der Tauchanlage durchgeführt worden. Danach sei der Grenzwert dauerhaft sicher eingehalten worden. Damals sei noch die Farbe verwendet worden, die auch während der Beschäftigung des Klägers verwendet worden sei. Zu den Akten gelangte das Sicherheitsdatenblatt aus dem Jahr 1994 und der Bericht über die Gefahrstoffmessungen vom 7. Januar 1998.
Der Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. H. teilte unter Vorlage aller ihm verfügbaren Berichte, beginnend 1978 bis einschließlich des letzten Berichts vom 3. Juli 2006 mit, er behandele den Kläger seit 1981, zuvor sei die Behandlung durch seinen Praxisvorgänger Dr. F. erfolgt. Ausweislich seines Berichtes vom 30. Juli 1981 sei eine Bronchitisneigung seit Jahren bekannt gewesen. Der Kläger habe angegeben, bis vor 4 Wochen 60 Zigaretten täglich geraucht zu haben. Es habe sich seinerzeit um eine zeitweilig spastische Bronchitis nach langjährigem Nikotinabusus gehandelt. Unter dem 14. November 1985 berichtete Dr. H., vor dem Hintergrund einer bekannten chronischen, zeitweilig erheblich obstruktiven Bronchitis bei schwerem Nikotinabusus (bis 60 Zigaretten täglich) bestehe aktuell ein akuter bronchitischer Schub, angeblich habe der Kläger seit einem Monat das Rauchen aufgegeben. Im Bericht vom 16. August 1988 führte Dr. H. aus, bei der klinischen Untersuchung sei ein starker Zigarettenrauchgeruch aufgefallen. Bei der Bodyplethysmographie habe sich eine deutliche Obstruktion im Bereich der kleinen Atemwege (small airway disease) gezeigt, welche typisch für eine langjährige Zigarettenrauchbelastung sei. Im Bericht vom 8. Oktober 1990 schrieb Dr. H., es handele sich bekanntlich um eine chronische Bronchitis bei langjähriger und weiterhin anhaltender aktiver Zigarettenrauchbelastung. In den Berichten vom 21. Dezember 1993 und vom 28. November 1995 diagnostizierte Dr. H. eine chronische Bronchitis mit wechselnder Einschränkung der ventilatorischen Leistungsfähigkeit.
Zu den Akten gelangte das vom Sozialgericht Konstanz (SG) im Verfahren S 2 Vs 833/87 eingeholte Gutachten von Dr. N., Chefarzt am Zentrum für Atemwegserkrankungen der Fachklinik Wangen vom 5. Mai 1988. Diesem gegenüber gab der Kläger an, er habe bis zu einer im Jahr 1986 durchgeführten Kur etwa 20 Zigaretten am Tag geraucht, seither rauche er nicht mehr. Die Lungenfunktionsprüfung ergab ein mäßiges Emphysem ohne nennenswerte Obstruktion. Im Metacholin-Test ergaben sich keine Hinweise für eine bronchiale Hyperreagibilität.
Nachdem der staatliche Gewerbearzt Dr. S. am 22.März 2007 eine BK gemäß Nr. 4302 der Anlage zur BKV nicht zur Anerkennung vorschlug, da ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Tätigkeit und Erkrankung nicht wahrscheinlich gemacht werden könne, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Mai 2007 die Anerkennung einer BK nach Nr. 4302 ab. Ansprüche auf Leistungen bestünden nicht. Den Widerspruch des Klägers, mit welchem er geltend machte, er habe nie in seinem Leben eine Zigarette geraucht, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2007 zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 15. November 2007 Klage zum SG, mit der er sein Begehren weiter verfolgte. Er legte den Bericht über eine stationäre Behandlung im Zentrum für Innere Medizin des Klinikums Konstanz wegen infektexazerbierter COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) vom 30. Januar 2008 vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 19. Februar 2008 wies das SG die Klage ab. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die 3. März 2008 eingelegte Berufung des Klägers (L 9 U 1036/08), zu deren Begründung er erneut geltend macht, er habe nie geraucht. Seine Lunge sei durch die Gifte am Arbeitsplatz und nicht durch Zigaretten, die er nie geraucht habe, ruiniert worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 19. Februar 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Vorliegen einer Berufskrankheit nach der Nr. 4302 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und ihm gesetzliche Leistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Beim Senat ist auch das Berufungsverfahren des Klägers gegen die Beklagte mit dem Aktenzeichen L 9 U 1607/08 anhängig, mit welchem der Kläger eine Augenverletzung aus dem Jahr 1984 als Arbeitsunfall geltend macht. In den Verwaltungsakten der Beklagten zu diesem Verfahren ist ein Arztbrief von Dr. H. vom 24. Juli 1984 an den Internisten Dr. Kersting enthalten, in welchem Dr. H. ausführt, bei der klinischen Untersuchung am 10. Juli 1984 sei der physikalische Herz- und Lungenbefund regelrecht gewesen. Die Spirometrie vom 10. Juli 1984 habe eine geringfügig restriktive Ventilationsstörung bei sonst altersentsprechenden Ventilationsgrößen ergeben. Der Atemwiderstand habe im Normbereich gelegen. Beim Kläger habe sich derzeit seitens der Atemwege kein krankhafter Befund ergeben, er habe dem Kläger noch einmal dringend zur Nikotinkarenz geraten.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des SG, die Senatsakten und die Vorakte L 13 J 2329/91 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist nach den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist jedoch nicht begründet.
Soweit der Kläger die Feststellung einer BK begehrt, ist dieses Begehren grundsätzlich zulässig. Da die Beklagte jedwede Entschädigung hinsichtlich einer BK nach Nr. 4302 der Anlage zur BKV ablehnt, weil eine solche BK nicht vorliege, kann der Kläger eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG erheben. Dies hat er im Klageverfahren auch getan und dies verfolgt er bei sinnentsprechender Auslegung seines Vorbringens (BSG, Urteil vom 07. September 2004, B 2 U 45/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2 und BSG 2 U 29/06 R vom 30. Oktober 2007) im Berufungsverfahren weiter. Dem auf Entschädigung ("gesetzliche Leistungen zu gewähren") gerichteten Teil des Berufungsantrages kommt indes bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung zu (BSG a.a.O.). Die Beklagte hat insofern auch keine konkrete Prüfung hinsichtlich konkreter Leistungen, die bei Anerkennung einer geltend gemachten BK nach den Vorschriften Dritten Kapitels, §§ 26 ff des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) zu gewähren wären, vorgenommen, sodass ein entsprechendes Begehren bezüglich solcher "Leistungen" auch bei Vorliegen einer BK unzulässig ist.
Für die Anerkennung einer Erkrankung als BK nach Nr. 4302 der Anlage zur BKV müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Der Versicherte muss auf Grund seiner versicherten Tätigkeit chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Stoffen ausgesetzt gewesen sein, er muss an einer obstruktiven Atemwegserkrankung leiden und diese Erkrankung muss durch die versicherten Einwirkungen verursacht worden sein sowie den Versicherten zum Unterlassen aller gefährdenden Tätigkeiten gezwungen haben. Die Krankheit "obstruktive Atemwegserkrankung" ist ein Sammelbegriff für verschiedene akute und chronische Krankheiten des bronchopulmonalen Systems, die mit obstruktiven Ventilationsstörungen einhergehen. Fehlt es an der Obstruktion, liegen die Voraussetzungen nicht vor, weil der Verordnungsgeber mit dieser BK nur Erkrankungen mit einem bestimmten Schweregrad erfassen wollte, wie sich aus ihrer ursprünglichen Bezeichnung "Bronchialasthma" (vgl. die Nr. 41 der Sechsten BKVO vom 28. April 1961) und der weiteren Voraussetzung des Unterlassungszwangs ergibt. Die unspezifische bronchiale Hyperirritabilität bzw. Hyperreagibilität, die eine Variante der normalen Eigenschaft der Bronchialschleimhaut sind und eine Übersteigerung der Auslösbarkeit des Bronchialsystems darstellen, können die Lunge ebenfalls beeinträchtigen. Sie sind kein selbstständiges Krankheitsbild und fallen unter die Diagnose obstruktive Atemwegserkrankungen (vgl. BSG, Urteil vom 21. März 2006 - B 2 U 24/04 R - SozR 4-1300 § 84 Nr 1 mwN).
Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und Erkrankungen im Berufskrankheitenrecht gilt, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung, die das Bundessozialgericht in der Entscheidung vom 6. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R (SozR 4-2700 § 8 Nr 17 = BSGE 96, 196-209) zusammengefasst dargestellt hat. Die Theorie der wesentlichen Bedingung hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der Ursache eines Erfolges jedes Ereignis ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der Bedingungstheorie werden im Sozialrecht als rechtserheblich aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens und Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen der erstbehandelnden Ärzte sowie der gesamten Krankengeschichte. Trotz dieser Ausrichtung am individuellen Versicherten ist der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs im Einzelfall der wissenschaftliche Erkenntnisstand über die Ursachenzusammenhänge zwischen Ereignissen und Gesundheitsschäden zu Grunde zu legen. Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang nach der Theorie der wesentlichen Bedingung positiv festgestellt werden muss und hierfür hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt, nicht jedoch die bloße Möglichkeit.
Abweichend von einem Arbeitsunfall als einem zeitlich begrenzten Ereignis, das oftmals relativ eindeutig die allein wesentliche Ursache für einen als Unfallfolge geltend gemachten Gesundheitsschaden ist, ist die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs bei BKen in der Regel schwieriger. Denn angesichts der multifaktoriellen Entstehung vieler Erkrankungen, der Länge der zu berücksichtigenden Zeiträume und des Fehlens eines typischerweise durch berufliche Einwirkungen verursachten Krankheitsbildes bei vielen BKen, stellt sich letztlich oft nur die Frage nach einer wesentlichen Mitverursachung der Erkrankung durch die versicherten Einwirkungen (BSG Urteil vom 27. Juni 2007 - B 2 U 7/05 R - UV-Recht Aktuell 2006, 510-515; Juris).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann nicht festgestellt werden, dass beim Kläger eine BK Nr. 4302 der Anlage zur BKV vorliegt.
Der Senat stellt auf der Grundlage der Ermittlungen der Beklagten fest, dass der Kläger während seiner Tätigkeit als Farbentaucher in der Abteilung Gießerei, Gusskontrolle gegenüber der lösungsmittelhaltigen Farbe Freioplast-1K-Reaktionshaftgrund-blassgrün ausgesetzt war. Nach dem Sicherheitsdatenblatt vom 11. November 1994 enthält die Farbe als gefährliche Inhaltsstoffe Butanol, Xylol, Ethylbenzol und Phenol. Daher ist sie nach der Gefahrstoffverordnung als gesundheitsschädlich, jedoch nicht als ätzend gekennzeichnet. Zweifel bestehen schon daran, ob der Kläger während seiner Tätigkeit als Farbentaucher bei der Firma A. in hinreichendem Maße diesen Stoffen ausgesetzt war, nachdem die Gefahrstoffmessungen an der Tauchanlage im Jahre 1994, als noch die Farbe verwendet wurde, die auch während der Beschäftigung des Klägers verwendet worden war, ergeben haben, dass bei sämtlichen Stoffen der Grenzwert dauerhaft sicher eingehalten worden war. Aber selbst wenn man eine ausreichende Exposition gegenüber chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Stoffen unterstellt, ist festzustellen, dass der Kläger im Jahre 1984, dem Zeitpunkt der Beendigung seiner beruflichen Tätigkeit, weder an einer obstruktiven Atemwegserkrankung litt, noch dass er hierdurch zum Unterlassen der gefährdenden Tätigkeit bei der Firma A. gezwungen worden war. Zwar war der Kläger nach den Unterlagen der AOK Konstanz im Jahr 1984 vom 2. April bis 1. Mai von Dr. H. wegen eines akuten Schubs einer schweren chronischen Bronchitis arbeitsunfähig geschrieben worden. Dem Arztbrief von Dr. H. vom 24. Juli 1984 an den Internisten Dr. Kersting ist aber zu entnehmen, dass beim Kläger am 10. Juli 1984 seitens der Atemwege kein krankhafter Befund mehr vorlag. Auch im Mai 1988 konnte Dr. N., Chefarzt am Zentrum für Atemwegserkrankungen der Fachklinik Wangen, beim Kläger keine obstruktive Atemwegserkrankung feststellen. Die Lungenfunktionsprüfung ergab ein mäßiges Emphysem ohne nennenswerte Obstruktion. Im Metacholin-Test ergaben sich keine Hinweise für eine bronchiale Hyperreagibilität.
Soweit beim Kläger immer wieder bronchitische Schübe - wie im April 1984 - auftraten und auftreten, sind diese nach der vom behandelnden Lungenfacharzt Dr. H. vorgelegten Dokumentation auf den langjährigen Nikotinabusus zurückzuführen. Bereits am 30. Juli 1981 berichtete Dr. H., der die Behandlung des Klägers von seinem Praxisvorgänger Dr. F. zu diesem Zeitpunkt übernommen hatte, dass beim Kläger eine Bronchitisneigung seit Jahren bekannt sei, wobei der Kläger damals eingeräumt hatte, bis vor 4 Wochen ca. 60 Zigaretten täglich geraucht zu haben. Folgerichtig sah Dr. H. im Bericht vom 30. Juli 1981 die zeitweilig spastische Bronchitis des Klägers als Folge des zu diesem Zeitpunkt schon langjährigen Nikotinabusus. Auch im Bericht vom 14. November 1985 während der Behandlung eines akuten bronchitischen Schubes verwies Dr. H. auf den schweren Nikotinabusus (bis 60 Zigaretten täglich), wobei der Kläger zu diesem Zeitpunkt angab, er habe das Rauchen seit einem Monat (also seit Oktober 1985) aufgegeben.
Wenn der Kläger nun behauptet, er habe nie auch nur eine Zigarette geraucht, übersieht er, dass in den genannten Berichten von Dr. H. der von ihm selbst angegebene Zigarettenkonsum fortdauernd erwähnt wird und er den Zigarettenkonsum, wenn auch in geringerem Umfang (20 statt 60 Zigaretten täglich bis 1986), auch gegenüber Dr. N. eingeräumt hatte. Dass der Kläger auch nach der Untersuchung durch Dr. N. wieder geraucht hat, ergibt sich aus dem Bericht von Dr. H. vom 16. August 1988, dem bei der klinischen Untersuchung des Klägers ein starker Zigarettenrauchgeruch aufgefallen war und der bei der Bodyplethysmographie eine deutliche Obstruktion im Bereich der kleinen Atemwege (small airway disease) fand, welche typisch für eine langjährige Zigarettenrauchbelastung ist. Der Kläger übersieht auch, dass in den medizinischen Feststellungen im ersten Rentenverfahren, welches letztlich im Klageverfahren (S 4 J 214/87) vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) und im Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 13 J 2329/91) erfolglos blieb, immer wieder davon die Rede war, dass auf internistischem Gebiet eine chronische Bronchitis vorliegt, die auf jahrelangen Zigarettenübergebrauch zurückgeführt wurde. So stellte Dr. St. im Rentengutachten vom 14. Oktober 1986 eine chronische Bronchitis bei Nikotinabusus ohne relevante Ventilationsstörung fest. Dies entnimmt der Senat dem Urteil des SG vom 17. Mai 1991 im Verfahren S 4 J 214/87.
Angesichts dieser Unterlagen sah der Senat auch keine Veranlassung, weitere Ermittlungen zum Vorliegen einer BK nach Nr. 4302 der Anlage zur BKV durchzuführen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4302 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (Durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können).
Der 1940 geborene Kläger stammt aus dem ehemaligen Jugoslawien. Er kam 1971 in die Bundesrepublik, wo er ab März bei mehreren Arbeitgebern als Maschinenarbeiter/Maschinenschlosser, Metzgereiarbeiter/Ausfahrer, angelernter Mechaniker/Staplerfahrer, Lastwagenfahrer/Gerüstbauer, Bauhilfsarbeiter und zuletzt vom 19. November 1979 bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit am 16. Mai 1984 bei der Firma A. AG in Radolfzell als Halbzeugputzer/Kontrolleur/Staplerfahrer/Farbentaucher versicherungpflichtig beschäftigt war. Bis zum 31. März 1987 bezog er Krankengeld und Leistungen der Arbeitsverwaltung und sodann ab April 1987 Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz. Ein Antrag auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente vom 18. Juli 1986 wurde von der damaligen Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz mit Bescheid vom 1. Dezember 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 1987 abgelehnt. Das Klageverfahren (S 4 J 214/87) vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) und das Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 13 J 2329/91) blieben erfolglos. Ab 1. Juni 1994 bezog er auf Grund eines am 4. Mai 1994 eingetretenen Leistungsfalls Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und ab 1. Mai 2005 erhält er eine Altersrente.
Der Kläger machte bei der Beklagten seit 2005 mehrere Arbeitsunfälle geltend. Mit Schreiben vom 6. September 2005 teilte er u. a. mit, der letzte Arbeitsunfall habe 1984 bei der Firma A. stattgefunden. Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 26. April 2006 die Anerkennung eines Ereignisses bei der Firma A. aus dem Jahr 1984 als Arbeitsunfall abgelehnt hatte, machte der Kläger im Widerspruchsverfahren am 2./3. Mai 2006 geltend, beim Farbentauchen habe er wegen der stark ätzenden Farben oft keine Luft mehr bekommen. Dadurch sei seine Lunge kaputt gegangen.
Im Rahmen der nachfolgenden Ermittlungen befragte die Beklagte die Firma A., führte Ermittlungen am früheren Arbeitsplatz durch, zog die Rentenakten bei und holte Auskünfte der vom Kläger benannten Ärzte ein.
Die Firma A. teilte unter dem 21. September 2006 mit, der Kläger sei in der Abteilung Gießerei, Gusskontrolle als Farbentaucher beschäftigt gewesen. Bei den Ermittlungen vor Ort am 18. Oktober 2006 wurde festgestellt, dass der Kläger in der Abteilung Gusskontrolle als Kontrolleur, Staplerfahrer und Farbentaucher eingesetzt gewesen sei. Als Farbentaucher habe der Kläger die bis zu 80 kg wiegenden Gussteile an Gestelle der Fördereinrichtung gehängt, welche diese durch das Tauchbad, dann über die Abtropfstrecke, durch den Trockenofen und wieder zurück zur Abhängestation transportiert habe. Nach dem Durchlauf habe der Kläger die Gussteile wieder abgenommen. Als Farbe sei Freioplast-1K-Reaktionshaftgrund-blassgrün verwendet worden. Die Farbe sei lösungsmittelhaltig gewesen und nach der Gefahrstoffverordnung als "gesundheitsschädlich-Xn" gekennzeichnet (nicht als ätzend). Im September 1997 seien vom Messtechnischen Dienst der Berufsgenossenschaft Gefahrstoffmessungen an der Tauchanlage durchgeführt worden. Danach sei der Grenzwert dauerhaft sicher eingehalten worden. Damals sei noch die Farbe verwendet worden, die auch während der Beschäftigung des Klägers verwendet worden sei. Zu den Akten gelangte das Sicherheitsdatenblatt aus dem Jahr 1994 und der Bericht über die Gefahrstoffmessungen vom 7. Januar 1998.
Der Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. H. teilte unter Vorlage aller ihm verfügbaren Berichte, beginnend 1978 bis einschließlich des letzten Berichts vom 3. Juli 2006 mit, er behandele den Kläger seit 1981, zuvor sei die Behandlung durch seinen Praxisvorgänger Dr. F. erfolgt. Ausweislich seines Berichtes vom 30. Juli 1981 sei eine Bronchitisneigung seit Jahren bekannt gewesen. Der Kläger habe angegeben, bis vor 4 Wochen 60 Zigaretten täglich geraucht zu haben. Es habe sich seinerzeit um eine zeitweilig spastische Bronchitis nach langjährigem Nikotinabusus gehandelt. Unter dem 14. November 1985 berichtete Dr. H., vor dem Hintergrund einer bekannten chronischen, zeitweilig erheblich obstruktiven Bronchitis bei schwerem Nikotinabusus (bis 60 Zigaretten täglich) bestehe aktuell ein akuter bronchitischer Schub, angeblich habe der Kläger seit einem Monat das Rauchen aufgegeben. Im Bericht vom 16. August 1988 führte Dr. H. aus, bei der klinischen Untersuchung sei ein starker Zigarettenrauchgeruch aufgefallen. Bei der Bodyplethysmographie habe sich eine deutliche Obstruktion im Bereich der kleinen Atemwege (small airway disease) gezeigt, welche typisch für eine langjährige Zigarettenrauchbelastung sei. Im Bericht vom 8. Oktober 1990 schrieb Dr. H., es handele sich bekanntlich um eine chronische Bronchitis bei langjähriger und weiterhin anhaltender aktiver Zigarettenrauchbelastung. In den Berichten vom 21. Dezember 1993 und vom 28. November 1995 diagnostizierte Dr. H. eine chronische Bronchitis mit wechselnder Einschränkung der ventilatorischen Leistungsfähigkeit.
Zu den Akten gelangte das vom Sozialgericht Konstanz (SG) im Verfahren S 2 Vs 833/87 eingeholte Gutachten von Dr. N., Chefarzt am Zentrum für Atemwegserkrankungen der Fachklinik Wangen vom 5. Mai 1988. Diesem gegenüber gab der Kläger an, er habe bis zu einer im Jahr 1986 durchgeführten Kur etwa 20 Zigaretten am Tag geraucht, seither rauche er nicht mehr. Die Lungenfunktionsprüfung ergab ein mäßiges Emphysem ohne nennenswerte Obstruktion. Im Metacholin-Test ergaben sich keine Hinweise für eine bronchiale Hyperreagibilität.
Nachdem der staatliche Gewerbearzt Dr. S. am 22.März 2007 eine BK gemäß Nr. 4302 der Anlage zur BKV nicht zur Anerkennung vorschlug, da ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Tätigkeit und Erkrankung nicht wahrscheinlich gemacht werden könne, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Mai 2007 die Anerkennung einer BK nach Nr. 4302 ab. Ansprüche auf Leistungen bestünden nicht. Den Widerspruch des Klägers, mit welchem er geltend machte, er habe nie in seinem Leben eine Zigarette geraucht, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2007 zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 15. November 2007 Klage zum SG, mit der er sein Begehren weiter verfolgte. Er legte den Bericht über eine stationäre Behandlung im Zentrum für Innere Medizin des Klinikums Konstanz wegen infektexazerbierter COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) vom 30. Januar 2008 vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 19. Februar 2008 wies das SG die Klage ab. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die 3. März 2008 eingelegte Berufung des Klägers (L 9 U 1036/08), zu deren Begründung er erneut geltend macht, er habe nie geraucht. Seine Lunge sei durch die Gifte am Arbeitsplatz und nicht durch Zigaretten, die er nie geraucht habe, ruiniert worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 19. Februar 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Vorliegen einer Berufskrankheit nach der Nr. 4302 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und ihm gesetzliche Leistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Beim Senat ist auch das Berufungsverfahren des Klägers gegen die Beklagte mit dem Aktenzeichen L 9 U 1607/08 anhängig, mit welchem der Kläger eine Augenverletzung aus dem Jahr 1984 als Arbeitsunfall geltend macht. In den Verwaltungsakten der Beklagten zu diesem Verfahren ist ein Arztbrief von Dr. H. vom 24. Juli 1984 an den Internisten Dr. Kersting enthalten, in welchem Dr. H. ausführt, bei der klinischen Untersuchung am 10. Juli 1984 sei der physikalische Herz- und Lungenbefund regelrecht gewesen. Die Spirometrie vom 10. Juli 1984 habe eine geringfügig restriktive Ventilationsstörung bei sonst altersentsprechenden Ventilationsgrößen ergeben. Der Atemwiderstand habe im Normbereich gelegen. Beim Kläger habe sich derzeit seitens der Atemwege kein krankhafter Befund ergeben, er habe dem Kläger noch einmal dringend zur Nikotinkarenz geraten.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des SG, die Senatsakten und die Vorakte L 13 J 2329/91 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist nach den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist jedoch nicht begründet.
Soweit der Kläger die Feststellung einer BK begehrt, ist dieses Begehren grundsätzlich zulässig. Da die Beklagte jedwede Entschädigung hinsichtlich einer BK nach Nr. 4302 der Anlage zur BKV ablehnt, weil eine solche BK nicht vorliege, kann der Kläger eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG erheben. Dies hat er im Klageverfahren auch getan und dies verfolgt er bei sinnentsprechender Auslegung seines Vorbringens (BSG, Urteil vom 07. September 2004, B 2 U 45/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2 und BSG 2 U 29/06 R vom 30. Oktober 2007) im Berufungsverfahren weiter. Dem auf Entschädigung ("gesetzliche Leistungen zu gewähren") gerichteten Teil des Berufungsantrages kommt indes bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung zu (BSG a.a.O.). Die Beklagte hat insofern auch keine konkrete Prüfung hinsichtlich konkreter Leistungen, die bei Anerkennung einer geltend gemachten BK nach den Vorschriften Dritten Kapitels, §§ 26 ff des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) zu gewähren wären, vorgenommen, sodass ein entsprechendes Begehren bezüglich solcher "Leistungen" auch bei Vorliegen einer BK unzulässig ist.
Für die Anerkennung einer Erkrankung als BK nach Nr. 4302 der Anlage zur BKV müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Der Versicherte muss auf Grund seiner versicherten Tätigkeit chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Stoffen ausgesetzt gewesen sein, er muss an einer obstruktiven Atemwegserkrankung leiden und diese Erkrankung muss durch die versicherten Einwirkungen verursacht worden sein sowie den Versicherten zum Unterlassen aller gefährdenden Tätigkeiten gezwungen haben. Die Krankheit "obstruktive Atemwegserkrankung" ist ein Sammelbegriff für verschiedene akute und chronische Krankheiten des bronchopulmonalen Systems, die mit obstruktiven Ventilationsstörungen einhergehen. Fehlt es an der Obstruktion, liegen die Voraussetzungen nicht vor, weil der Verordnungsgeber mit dieser BK nur Erkrankungen mit einem bestimmten Schweregrad erfassen wollte, wie sich aus ihrer ursprünglichen Bezeichnung "Bronchialasthma" (vgl. die Nr. 41 der Sechsten BKVO vom 28. April 1961) und der weiteren Voraussetzung des Unterlassungszwangs ergibt. Die unspezifische bronchiale Hyperirritabilität bzw. Hyperreagibilität, die eine Variante der normalen Eigenschaft der Bronchialschleimhaut sind und eine Übersteigerung der Auslösbarkeit des Bronchialsystems darstellen, können die Lunge ebenfalls beeinträchtigen. Sie sind kein selbstständiges Krankheitsbild und fallen unter die Diagnose obstruktive Atemwegserkrankungen (vgl. BSG, Urteil vom 21. März 2006 - B 2 U 24/04 R - SozR 4-1300 § 84 Nr 1 mwN).
Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und Erkrankungen im Berufskrankheitenrecht gilt, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung, die das Bundessozialgericht in der Entscheidung vom 6. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R (SozR 4-2700 § 8 Nr 17 = BSGE 96, 196-209) zusammengefasst dargestellt hat. Die Theorie der wesentlichen Bedingung hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der Ursache eines Erfolges jedes Ereignis ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der Bedingungstheorie werden im Sozialrecht als rechtserheblich aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens und Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen der erstbehandelnden Ärzte sowie der gesamten Krankengeschichte. Trotz dieser Ausrichtung am individuellen Versicherten ist der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs im Einzelfall der wissenschaftliche Erkenntnisstand über die Ursachenzusammenhänge zwischen Ereignissen und Gesundheitsschäden zu Grunde zu legen. Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang nach der Theorie der wesentlichen Bedingung positiv festgestellt werden muss und hierfür hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt, nicht jedoch die bloße Möglichkeit.
Abweichend von einem Arbeitsunfall als einem zeitlich begrenzten Ereignis, das oftmals relativ eindeutig die allein wesentliche Ursache für einen als Unfallfolge geltend gemachten Gesundheitsschaden ist, ist die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs bei BKen in der Regel schwieriger. Denn angesichts der multifaktoriellen Entstehung vieler Erkrankungen, der Länge der zu berücksichtigenden Zeiträume und des Fehlens eines typischerweise durch berufliche Einwirkungen verursachten Krankheitsbildes bei vielen BKen, stellt sich letztlich oft nur die Frage nach einer wesentlichen Mitverursachung der Erkrankung durch die versicherten Einwirkungen (BSG Urteil vom 27. Juni 2007 - B 2 U 7/05 R - UV-Recht Aktuell 2006, 510-515; Juris).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann nicht festgestellt werden, dass beim Kläger eine BK Nr. 4302 der Anlage zur BKV vorliegt.
Der Senat stellt auf der Grundlage der Ermittlungen der Beklagten fest, dass der Kläger während seiner Tätigkeit als Farbentaucher in der Abteilung Gießerei, Gusskontrolle gegenüber der lösungsmittelhaltigen Farbe Freioplast-1K-Reaktionshaftgrund-blassgrün ausgesetzt war. Nach dem Sicherheitsdatenblatt vom 11. November 1994 enthält die Farbe als gefährliche Inhaltsstoffe Butanol, Xylol, Ethylbenzol und Phenol. Daher ist sie nach der Gefahrstoffverordnung als gesundheitsschädlich, jedoch nicht als ätzend gekennzeichnet. Zweifel bestehen schon daran, ob der Kläger während seiner Tätigkeit als Farbentaucher bei der Firma A. in hinreichendem Maße diesen Stoffen ausgesetzt war, nachdem die Gefahrstoffmessungen an der Tauchanlage im Jahre 1994, als noch die Farbe verwendet wurde, die auch während der Beschäftigung des Klägers verwendet worden war, ergeben haben, dass bei sämtlichen Stoffen der Grenzwert dauerhaft sicher eingehalten worden war. Aber selbst wenn man eine ausreichende Exposition gegenüber chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Stoffen unterstellt, ist festzustellen, dass der Kläger im Jahre 1984, dem Zeitpunkt der Beendigung seiner beruflichen Tätigkeit, weder an einer obstruktiven Atemwegserkrankung litt, noch dass er hierdurch zum Unterlassen der gefährdenden Tätigkeit bei der Firma A. gezwungen worden war. Zwar war der Kläger nach den Unterlagen der AOK Konstanz im Jahr 1984 vom 2. April bis 1. Mai von Dr. H. wegen eines akuten Schubs einer schweren chronischen Bronchitis arbeitsunfähig geschrieben worden. Dem Arztbrief von Dr. H. vom 24. Juli 1984 an den Internisten Dr. Kersting ist aber zu entnehmen, dass beim Kläger am 10. Juli 1984 seitens der Atemwege kein krankhafter Befund mehr vorlag. Auch im Mai 1988 konnte Dr. N., Chefarzt am Zentrum für Atemwegserkrankungen der Fachklinik Wangen, beim Kläger keine obstruktive Atemwegserkrankung feststellen. Die Lungenfunktionsprüfung ergab ein mäßiges Emphysem ohne nennenswerte Obstruktion. Im Metacholin-Test ergaben sich keine Hinweise für eine bronchiale Hyperreagibilität.
Soweit beim Kläger immer wieder bronchitische Schübe - wie im April 1984 - auftraten und auftreten, sind diese nach der vom behandelnden Lungenfacharzt Dr. H. vorgelegten Dokumentation auf den langjährigen Nikotinabusus zurückzuführen. Bereits am 30. Juli 1981 berichtete Dr. H., der die Behandlung des Klägers von seinem Praxisvorgänger Dr. F. zu diesem Zeitpunkt übernommen hatte, dass beim Kläger eine Bronchitisneigung seit Jahren bekannt sei, wobei der Kläger damals eingeräumt hatte, bis vor 4 Wochen ca. 60 Zigaretten täglich geraucht zu haben. Folgerichtig sah Dr. H. im Bericht vom 30. Juli 1981 die zeitweilig spastische Bronchitis des Klägers als Folge des zu diesem Zeitpunkt schon langjährigen Nikotinabusus. Auch im Bericht vom 14. November 1985 während der Behandlung eines akuten bronchitischen Schubes verwies Dr. H. auf den schweren Nikotinabusus (bis 60 Zigaretten täglich), wobei der Kläger zu diesem Zeitpunkt angab, er habe das Rauchen seit einem Monat (also seit Oktober 1985) aufgegeben.
Wenn der Kläger nun behauptet, er habe nie auch nur eine Zigarette geraucht, übersieht er, dass in den genannten Berichten von Dr. H. der von ihm selbst angegebene Zigarettenkonsum fortdauernd erwähnt wird und er den Zigarettenkonsum, wenn auch in geringerem Umfang (20 statt 60 Zigaretten täglich bis 1986), auch gegenüber Dr. N. eingeräumt hatte. Dass der Kläger auch nach der Untersuchung durch Dr. N. wieder geraucht hat, ergibt sich aus dem Bericht von Dr. H. vom 16. August 1988, dem bei der klinischen Untersuchung des Klägers ein starker Zigarettenrauchgeruch aufgefallen war und der bei der Bodyplethysmographie eine deutliche Obstruktion im Bereich der kleinen Atemwege (small airway disease) fand, welche typisch für eine langjährige Zigarettenrauchbelastung ist. Der Kläger übersieht auch, dass in den medizinischen Feststellungen im ersten Rentenverfahren, welches letztlich im Klageverfahren (S 4 J 214/87) vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) und im Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 13 J 2329/91) erfolglos blieb, immer wieder davon die Rede war, dass auf internistischem Gebiet eine chronische Bronchitis vorliegt, die auf jahrelangen Zigarettenübergebrauch zurückgeführt wurde. So stellte Dr. St. im Rentengutachten vom 14. Oktober 1986 eine chronische Bronchitis bei Nikotinabusus ohne relevante Ventilationsstörung fest. Dies entnimmt der Senat dem Urteil des SG vom 17. Mai 1991 im Verfahren S 4 J 214/87.
Angesichts dieser Unterlagen sah der Senat auch keine Veranlassung, weitere Ermittlungen zum Vorliegen einer BK nach Nr. 4302 der Anlage zur BKV durchzuführen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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