L 9 U 3836/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 3976/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 3836/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Mai 2007, berichtigt durch Beschluss vom 23. November 2007, aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 19.2.1997.

Der 1947 geborene griechische Kläger war als Fertigrichter bei der M.-B. AG in S. beschäftigt, als er am 19.2.1997 bei seiner versicherten Tätigkeit einen Unfall erlitt. Er schob mit einem Kollegen einen Skid (Autotransporter) zum Heber. Als der Kollege den Skid losließ, schob der Kläger diesen gegen einen Hallenpfeiler, wodurch der Skid zurückprallte und zu einer schweren Quetschung des rechten UnterSch.els des Klägers führte. Vom 19.2. bis 26.3.1997 wurde der Kläger in der unfallchirurgischen Abteilung des Städtischen Krankenhauses S. stationär behandelt. Wegen eines aufgetretenen Compartmentsyndroms wurde beim Kläger noch am Unfalltag eine operative Spaltung des Tibialis anterior sowie der Peronaeusloge durchgeführt. Wegen Schmerzen im Bereich der mittleren Wunde wurde der Kläger vom 10.6. bis 20.6.1997 erN.t im Städtischen Krankenhaus S. stationär behandelt und eine Wundrevision sowie eine Probeentnahme vom Muskel vorgenommen. Vor Entlassung aus der stationären Behandlung waren die Wundverhältnisse reizlos und der Kläger hatte noch geringe Wundschmerzen (Zwischenbericht von Dr. K., Chefarzt der unfallchirurgischen Abteilung des Städtischen Krankenhaus S., vom 26.6.1997). Arbeitsfähigkeit trat ab 07.07.1997 wieder ein.

Nach einem Urlaub in Griechenland und anschließend zweiwöchiger Tätigkeit in seinem Beruf stellte sich der Kläger am 1.9.1997 aus eigener Veranlassung zu einer Nachuntersuchung bei Dr. K. vor, wobei er über Schmerzen im Bereich des rechten UnterSch.els klagte. Bei der klinischen Untersuchung fand Dr. K. eine reizlose Narbe nach vorausgegangener Fascienspaltung, die lediglich im distalen Drittel leicht druckschmerzhaft war. Entzündungszeichen waren nicht vorhanden (Zwischenbericht von Dr. K. vom 3.9.1997).

Vom 27.11. bis 15.12.2000 bescheinigten die Ärzte Drs. G. eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers wegen Kreuzschmerz und Radikulopathie und überwiesen den Kläger an die Orthopädin Dr. B ... Diese führte im Arztbrief vom 12.12.2000 aus, seit ca. drei Monaten leide der Kläger unter einem Hals-Schulter-Arm-Syndrom rechts mehr als links sowie unter einer chronischen Lumbalgie (bei Zustand nach Betriebsunfall mit Verletzung des rechten UnterSch.els und chronischen Schmerzen im rechten Bein). Sie diagnostizierte ein HWS-Schulter-Arm-Syndrom rechts mehr als links sowie eine chronische Lumbalgie bei Lendenskoliose und lumbosakralem Übergangswirbel und stellte eine längs verlaufende Narbe am rechten UnterSch.el, Zustand nach Betriebsunfall, fest. Sie empfahl zunächst eine Untersuchung in der unfallchirurgischen Abteilung des Städtischen Krankenhauses S. zur Kontrolle des Befundes am rechten Bein und danach Krankengymnastik und/oder Physiotherapie zur Besserung der Schulter Armbeschwerden und der Lumbalgie.

Am 12.12.2000 stellte sich der Kläger bei Dr. K. zu einer Nachuntersuchung vor. Dieser fand beim Kläger eine reizlose breite Operationsnarbe nach Fascienspaltung am rechten UnterSch.el. Ferner stellte er fest, dass das proximale und linke Narbendrittel nicht druckschmerzhaft waren, während sich im distalen Narbenbereich ein deutlicher Druckschmerz ohne Entzündungszeichen fand. Eine Sensibilitätsstörung gab der Kläger nicht an, dagegen Beschwerden/Schmerzen im Bereich der rechten Körperhälfte (rechter Arm, rechter OberSch.el sowie rechter UnterSch.el). Dr. K. empfahl zunächst eine N.rologische Untersuchung und gegebenenfalls eine nochmalige Revision der UnterSch.elnarbe im distalen Drittel (Zwischenbericht von Dr. K. vom 13.12.2000). Nachdem die N.rologische Untersuchung den klinischen Verdacht einer Narbenkompression des Nervus peroN.s superficialis nach früherer Compartmentspaltung bestätigt hatte, wurde während des stationären Aufenthaltes des Klägers vom 18.12.2000 bis 10.1.2001 im Städtischen Krankenhaus S. am 19.12.2000 eine Narbenrevision mit N.rolyse des Nervus peroN.s superficialis und seine subfasziale Verlagerung durchgeführt. Der postoperative Verlauf war bis auf eine kleine Nahtdeheszens komplikationslos (Zwischenbericht von Dr. K. vom 3.1.2001). Nachdem der Kläger postoperativ persistierende Schmerzen angab und zunehmend aggressiv war, veranlasste Dr. K. eine psychiatrische Untersuchung des Klägers durch Dr. L., die am 21.12.2001 beim Kläger eine somatoforme Schmerzstörung (F 45.4) diagnostizierte (Zwischenbericht von Dr. K. vom 15.1.2001 mit Konsiliarbericht von Dr. L.) und ein Heilverfahren empfahl. Vom 11.1. bis 2.2.2001 wurde der Kläger wegen einer Wundheilungsstörung nach Wundrevision erN.t im Städtischen Krankenhaus S. stationär behandelt (Zwischenbericht von Dr. K. vom 15.2.2001).

Vom 22.2. bis 27.3.2001 befand sich der Kläger zu einem Heilverfahren in der Schlossklinik Bad Buchau. Die dortigen Ärzte diagnostizierten im Entlassungsbericht vom 18.4.2001 beim Kläger eine depressive Störung sowie einen Zustand nach Compartmentspaltung am rechten UnterSch.el im Februar 1997 mit mehrfacher Wundrevision. Bei der Aufnahme berichtete der Kläger über Schmerzen im Bereich des ganzen Körpers. Am 10.4.2001 wurde der Kläger in der N.rochirurgischen Klinik des Katharinenhospital Stuttgart untersucht. Der ärztliche Direktor Dr. H. beschrieb im Arztbrief vom 12.4.2001 eine anhaltende Wundheilungsstörung mit einer Wunde von ca. 2 cm Länge im Bereich des unteren Narbenpols, sah keine Behandlungsmöglichkeit aus N.rochirurgischer Sicht und empfahl eine weitere intensive Schmerzbehandlung und Vorstellung in einer Schmerzklinik.

Privatdozent Dr. N. von der Neurologischen Abteilung des Städtischen Krankenhauses S. führte im Arztbrief vom 23.4.2001 aus, die elektromyo- und Neurografische Untersuchung habe keinen Hinweis für eine umschriebene höhergradige Nervenschädigung des Nervus tibialis und peroneus rechts ergeben. Der Befund sei zum Beispiel vereinbar mit einer möglicherweise beginnenden Polyneuropathie oder mit einem Reizzustand nach Compartmentspaltung.

In einem weiteren Zwischenbericht vom 30.4.2001 teilte Dr. K. mit, dass die Wunde des Klägers bei der letzten Untersuchung am 26.4.2001 trocken und reizlos und die Schmerzen unter regelmäßiger Gabe von Aponal und Tramal erträglich gewesen seien, was auch zu der Besserung der depressiven Grundstimmung geführt habe.

Die Ärztin Dr. Sch. von der Gemeinschaftspraxis für Anästhesie und Spezielle Schmerztherapie gab im Arztbrief vom 21.5.2001 an, sie habe bei der Untersuchung eine Ulzeration im Narbenbereich gefunden, die von einer trockenen Kruste bedeckt gewesen sei. In diesem Bereich seien die Hauptschmerzen angegeben worden. Soweit eruierbar handle es sich um einen neuropathischen Schmerz.

Die Ärzte der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen stellten bei der Untersuchung vom 22.5.2001 eine reizfreie Wunde im Bereich des lateralen Unterschenkels rechts sowie eine leichte Schwellung ohne Entzündungszeichen im Bereich der distalen Narbe mit lokalem Druckschmerz fest.

Unter dem 5.6.2001 berichtete Dr. K. der Beklagten, dass bei der klinischen Untersuchung vom 1.6.2001 die Revisionswunde nach durchgeführter Neurolyse am rechten Unterschenkel verheilt und reizlos sei. Der Kläger gebe noch peripher ausstrahlende Schmerzen bei Betastung der distalen Operationsnarbe an.

Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Böblingen, die Zeit vom 18.9.1984 bis 17.4.2001 betreffend, bei und holte ein neurologisches Gutachten ein.

Prof. Dr. Dr. Sch., Ärztlicher Direktor der Kliniken Schmieder, und Dr. van Sch., Arzt für Neurologie und Spezielle Schmerztherapie, stellten im Gutachten vom 6.8.2001 beim Kläger ein chronisch-neurogenes Schmerzsyndrom bei Teilläsion des rechten Nervus peroneus sowie eine mittelschwere bis schwere reaktive depressive Episode fest. Diese Gesundheitsstörungen seien mit Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 19.2.1997 zurückzuführen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage derzeit 60 vH. Sie könne noch nicht auf Dauer festgestellt werden; eine erneute gutachterliche Feststellung werde in einem Jahr empfohlen. Unfallunabhängig bestehe eine leichte, distal symmetrische sensible Polyneuropathie.

Vom 23.1.2002 bis 13.3.2002 befand sich der Kläger zu einem Heilverfahren in der Schmerzklinik am Arkauwald. Die dortigen Ärzte führten im Entlassungsbericht vom 28.3.2002 aus, trotz vielfältiger Behandlungsmaßnahmen sei es letztendlich zu keiner durchgreifenden Besserung der eingangs und auch während des stationären Aufenthaltes sehr ausführlich und emotional gefärbt geklagten Beschwerdesymptomatik gekommen. Als Diagnose nannten sie ein neuropathisches Schmerzsyndrom des Nervus peroneus communis rechts, eine mittelgradige depressive Episode sowie einen Verdacht auf eine somatoforme Schmerzstörung, Chronifizierungsgrad III.

Die Beklagte, die dem Kläger vom 18.12.2000 bis 16.6.2002 Verletztengeld gewährt hatte, ließ den Kläger auf unfallchirurgischem sowie neurologisch- psychiatrischem Gebiet gutachterlich untersuchen.

Dr. K. stellte im Gutachten vom 18.9.2002 als Unfallfolgen eine völlig reizlose Narbe an der Außenseite des rechten Unterschenkels, einen Nervenschmerz im Narbenverlauf mit dadurch bedingter Gefühlsstörung fest und schätzte die MdE auf unfallchirurgischem Gebiet auf weniger als 10 vH.

Prof. Dr. S., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, nannte im Gutachten vom 19.11.2002 unter Mitberücksichtigung des fachpsychologischen Gutachtens des Diplom-Psychologen N. vom 15.11.2002 als Unfallfolgen eine Teilschädigung des Nervus peroneus superficialis rechts mit durch Druck hervorgerufene elektrisierende Missempfindungen im Bereich des rechten Fußes. Die unfallbedingte MdE schätzte er ab 17.6.2002 mit 10 vH ein. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 16.4.2003 legte Prof. Dr. S. dar, dass sich weder Hinweise für eine vorübergehende, richtunggebende oder anhaltende Verschlimmerung einer unfallunabhängig vorbestehenden Polyneuropathie durch das Unfallereignis vom 19.2.1997 noch für die Verschlimmerung einer depressiven Störung im Dezember 2002 ergäben.

Der Kläger legte einen Arztbrief der Ärztin für Psychiatrie Dr. L. vom 11.10.2003 vor. Die Beklagte holte eine beratungsärztliche Stellungnahme bei Dr. U., Leitende Nervenärztin der Psychosomatischen Fachklinik Bad Dürkheim, ein. Diese schloss sich in ihrer Stellungnahme vom 1.12.2003 der Beurteilung von Prof. Dr. Dr. Sch. an, während sie die Beurteilung von Prof. Dr. S. nicht für nachvollziehbar hielt. Ferner zog die Beklagte Unterlagen über Arbeitsunfälle des Klägers vom 20.10.1993 und 18.1.1994 bei. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Blatt 232 bis 287 der Beklagtenakten verwiesen.

Mit Bescheid vom 27.1.2005 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen des Unfalls vom 19.2.1997 ab und führte aus, Leistungen seien über den 16.6.2002 hinaus nicht zu gewähren. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen sei nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit erwiesen, dass beim Kläger als zusätzliche Unfallfolgen ein chronisch-neurogenes Schmerzsyndrom sowie eine reaktiv depressive Störung vorlägen. Deswegen könne der Einschätzung von Prof. Dr. Sch. und Dr. van Sch. unter Berücksichtigung der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Bewertungsgrundsätze und Kausalitätskriterien nicht gefolgt werden. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8.6.2005 zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 1.7.2005 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart, mit der er die Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 60 vH begehrte.

Das SG hörte die behandelnden Ärzte des Kläger schriftlich als sachverständige Zeugen und holte Gutachten ein.

Dr. L. verwies unter dem 10.9.2005 auf ihren Befundbericht vom 19.2.2004, dem SG übersandt in einem Rechtsstreit des Klägers wegen Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft, und teilte mit, dass der Kläger zwischenzeitlich nicht mehr in ihrer Praxis gewesen sei. Die Schmerztherapeutin Dr. Sch. gab am 8.9.2005 an, dass sie den Kläger seit 15.1.2001 behandele und nannte die von ihr gestellten Diagnosen. Der Orthopäde Dr. F. berichtete ebenfalls am 8.9.2005 über die Behandlungen des Klägers vom 14.3.2002 bis 11.9.2003. Der Neurologe und Psychiater Dr. K. verwies am 26.9.2005 ebenfalls auf seine Angaben im Rechtsstreit wegen Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft vom 9.3.2004 und erklärte, er habe den Kläger zwischenzeitlich nur einmal im Rahmen des kassenärztlichen Notdienstes gesehen, sodass er keine neuen Angaben machen könne.

Prof. Dr. Sch., Ärztlicher Direktor der neurologischen Klinik des Klinikums Ludwigsburg, gelangte in dem zusammen Oberarzt Dr. B. erstatteten Gutachten vom 20.4.2006 zum Ergebnis, beim Kläger liege ein chronisch-neuropathisches Schmerzsyndrom nach Quetschverletzung des rechten UnterSch.els und Revision des Ramus superficialis des Nervus peroneus rechts vor, das mit einer MdE um 30 vH ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit einzuschätzen sei. Depressive Symptome seien bei ihrer Untersuchung nicht erkennbar gewesen. Sie empfahlen eine psychiatrische Begutachtung.

Dr. K., Oberarzt der Abteilung für Psychosomatische Medizin am Robert Bosch-Krankenhaus Stuttgart, diagnostizierte beim Kläger im Gutachten vom 28.11.2006 ein chronisches Schmerzsyndrom mit überwiegend neuropathischem Charakter nach Teilläsion des Nervus peroN.s rechts sowie eine chronifizierte reaktive mittel- bis schwergradig ausgeprägte Depression mit Anteilen einer posttraumatischen Belastungsstörung. Die dadurch bedingte MdE schätzte er ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit auf 50 vH.

Mit Urteil vom 21.5.2007 hat das SG den Bescheid vom 27.1.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 8.6.2005 aufgehoben und festgestellt, dass das chronisch-neuropathische Schmerzsyndrom bei Zustand nach Teilläsion des Ramus superficialis und des Nervus peroN.s Folge des Versicherungsfalls vom 9.2.1997 ist. Ferner hat es die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE um 30 % ab dem 17.6.2002 auf Dauer zu gewähren. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das SG stütze seine Überzeugung auf die neurologischen Gutachten von Prof. Dr. Sch. und Dr. van Sch. sowie von Prof. Dr. Sch. und das psychosomatische Gutachten von Dr. K ... Danach sei das chronisch-neuropathische Schmerzsyndrom als Unfallfolge anzuerkennen. Dieses bedinge nach Überzeugung des SG eine MdE um 30 %. Die Depression des Klägers sei dagegen nicht wesentlich durch das Unfallereignis verursacht worden. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen. Gegen das ihr am 23.7.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 6.8.2007 und gegen das ihm am 17.7.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.8.2007 Berufung eingelegt.

Mit Beschluss vom 23.11.2007 hat das SG eine Tatbestandsberichtigung (Antrag des Klägers) vorgenommen.

Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte vor, es sei nicht nachgewiesen, dass beim Kläger ein Schmerzsyndrom vorliege, das eine MdE um 30 vH rechtfertige. Auf Grund der von Prof. Dr. Sch. durchgeführten Elektroneurographie und Elektromyographie lasse sich lediglich eine geringfügige Schädigung des Nervus peroneus nachweisen, die keineswegs mit dem vom Kläger geschilderten Beschwerdebild in Einklang zu bringen sei. Gegen das Vorliegen eines chronischen Schmerzsyndroms spreche ferner die Tatsache, dass die ebenfalls von Prof. Dr. Sch. durchgeführte Neurographie des Nervus peroneus und des Nervus suralis rechts sowie die Elektromyographie des Kennmuskels des Nervus peroneus rechts normale Befunde ergeben habe. Prof. Dr. Sch. gebe ferner in seinem Gutachten an, dass wegen der vom Kläger demonstrierten Schonhaltung des rechten Beines keine genaue Überprüfung von motorischen Störungen in diesem Bereich habe durchführt werden können und stütze sich somit bei den von ihm angenommenen funktionellen Einschränkungen im Bereich des rechten Beines allein auf die seiner Meinung nach glaubhaften Schilderungen des Klägers und nicht auf objektivierbare Befunde. Im Widerspruch zu dieser Ansicht stehe allerdings die von ihm selbst beschriebene Tendenz des Klägers, seine Beschwerden zu verdeutlichen. Gegen das Vorliegen eines derartigen, allein auf den Angaben des Klägers beruhenden chronischen Schmerzsyndroms sprächen somit die fehlenden, hierzu passenden objektivierbaren klinischen Befunde sowie die Tatsache, dass ärztlicherseits mehrfach eine seitengleiche kräftige Beinmuskulatur, eine seitengleiche Fußsohlenbeschwielung und Schuhsohlenabnutzung dokumentiert worden seien.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Mai 2007, geändert durch den Beschluss vom 23. November 2007, aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Mai 2007, geändert durch den Beschluss vom 23. November 2007, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach einer MdE um 50 vH zu gewähren sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er erwidert, er habe Anspruch auf eine Verletztenrente nach einer MdE um 50 vH, da zusätzlich die durch das Unfallereignis hervorgerufene Depression zu berücksichtigen sei. Im Gegensatz zum SG habe Dr. K. einen Kausalzusammenhang zwischen Unfall und Depression bejaht. Bis 1997 habe er sich nie in neurologischer, psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung befunden. Lediglich 1993 habe eine leichte depressive Auslenkung auf Grund von Kopfschmerzen nach einer Gehirnerschütterung bestanden.

Der Senat hat Auskünfte bei der AOK Stuttgart-Böblingen eingeholt, die Akten der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg sowie des Landratsamts Böblingen beigezogen und Prof. Dr. Dr. W. mit der Erstattung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens beauftragt.

Die AOK hat unter dem 26.3.2008 mitgeteilt, dass der Kläger im Zeitraum vom 7.7.1997 bis 17.12.2000 in der Zeit vom 8.2. bis 03.03. 2000 wegen eines akuten Infekts der oberen Atemwege und vom 27.11. bis 15.12.2000 wegen eines Kreuzschmerzes und einer Radikulopathie arbeitsunfähig gewesen sei.

Prof. Dr. Dr. W., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Ärztlicher Direktor der Klinik für Neurologie am Bezirkskrankenhaus Günzburg, hat nach Beiziehung weiterer Unterlagen (Arztbriefe von Dr. K. vom 1.8.2000, 3.3.2003 und 4.3.2008, Dr. B. vom 12.12.2000, Dr. N. vom 23.4.2001, des Radiologen Dr. K. vom 29.11.2007, des H-Arztberichts von Dr. F. vom 19.8.2008 sowie der Zwischenberichte von Dr. K. vom 4.4., 26.5. und 3.9.1997 und 13.12.2000) in dem nach Aktenlage erstatteten Gutachten vom 2.9.2008 ausgeführt, bei der letzten Untersuchung nach dem Arbeitsunfall vom 19.2.1997 im Krankenhaus S. im September 1997 seien keinerlei neurologische Ausfälle beschrieben worden. Klinisch habe sich eine reizlose Narbe gezeigt, die lediglich im distalen Drittel noch leicht druckschmerzhaft gewesen sei. Danach fänden sich über drei Jahre hinweg keinerlei ärztliche Untersuchungsbefunde oder Arbeitsunfähigkeitszeiten. Auch nach Anschreiben der betreuenden Ärzte hätten sich keine Hinweise auf relevante Probleme am rechten Bein ergeben. Der zeitnächste Arztbericht stamme von einer nervenärztlichen Untersuchung durch Dr. K. vom August 2000. Hieraus ergebe sich, dass der Kläger über immer wieder auftretende Hinterkopfschmerzen sowie Schwindelzustände geklagt habe, die "nach einer schweren Schädelverletzungen mit sechswöchiger Krankheitsbehandlung" aufgetreten seien, was in keinster Weise der Aktenlage entspreche. Auf Grund dieser Schmerzen nehme er fast täglich Kopfschmerztabletten ein und berichte über Schlafstörungen. Der neurologische Befund, einschließlich des Befundes an den Beinen, werde als völlig unauffällig beschrieben. Angaben über Schmerzen an den Beinen fänden sich in diesem Bericht an keiner Stelle. Angaben zu einem Schmerzsyndrom im Bereich des rechten Beines fänden sich erstmals Monate später anlässlich einer Untersuchung durch die Orthopädin B. vom 12.12.2000. Zu diesem Zeitpunkt habe jedoch ein seit etwa drei Monaten bestehendes HWS-Schulter-Arm-Syndrom im Vordergrund gestanden. Erst nach der Neurolyse vom 19.12.2000 sei eine psychiatrische Abklärung erfolgt, die eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung ergeben habe. Die vier elektrophysiologischen Untersuchungen von April 2001, August 2001, November 2002 und April 2006 ergäben keinen sicheren Beleg für eine relevante Schädigung des Nervus peroneus profundus und/oder des Nervus peroneus superficialis. Allenfalls könne eine diskrete neuropathische Schädigung des rechten Beines mit entsprechend geringgradigem neuropathischem Schmerzsyndrom anerkannt werden, zumal durchgehend in allen Befunden autonome Störungen (Störungen der Schweißsekretion, Verfärbung des Beines, Temperaturunterschiede) verneint würden. Prof. Dr. Dr. W. ist zum Ergebnis gelangt, dass eine leichte Schädigung des Ramus profundus des Nervus peroN.s mit leichtgradigem chronisch-neuropathischem Schmerzsyndrom Folge des Arbeitsunfalls vom 19.2.1997 sei. Weitere Gesundheitsstörungen, insbesondere auch psychischer Art bzw. im Sinne eines außergewöhnlichen Schmerzsyndroms, vermöge er nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit, sei es unmittelbar oder mittelbar, auf den Unfall zurückzuführen. Die MdE für die Unfallfolgen schätze er mit 10 vH ein.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats und die beigezogenen Akten der Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg und des Landratsamts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen des Klägers und der Beklagten sind form- und fristgemäß eingelegt. Berufungsausschlussgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet; die Berufung des Klägers ist dagegen nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 19.2.1997.

Voraussetzung für die Anerkennung bzw. Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls, der hier vorliegt, und auch ihrer Berücksichtigung bei der Gewährung von Leistungen, insbesondere auch der Bemessung der MdE bzw. der Verletztenrente ist u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einem Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) und dem Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen Einwirkung und dem Gesundheitserstschaden sowie dem Gesundheitserstschaden und fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt im Bereich in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich- philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden. Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn (vgl. hierzu das grundlegende Urteil des BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17= BSGE 96, 196-209).

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.

Renten werden von dem Tage an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII).

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Ausgehend hiervon hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente, da die Folgen des Arbeitsunfalls vom 19.2.1997 keine MdE um mindestens 20 vH ab 17.6.2002 bedingen.

Der Arbeitsunfall vom 19.2.1997 hat beim Kläger zu einer oberflächlichen Quetsch-Rißwunde an der Vorderseite des rechten Unterschenkels geführt. Wegen eines Compartmentsyndroms, d. h. einer ausgeprägten Schwellung in den vom festen Bindegewebe umgebenen Muskellogen am rechten Unterschenkel, erfolgte noch am Unfalltag eine Spaltung sowohl der Muskelloge des M. tibialis anterior als auch der Peronealmuskeln. Wegen Schmerzen im Bereich der mittleren Wunde bzw. Narbenproblemen erfolgte im Juni 1997 eine Wundrevision bzw. Probeentnahme von Muskeln. Vor der Entlassung am 20.6.1997 waren die Wundverhältnisse reizlos, und der Kläger hatte nur noch geringe Wundschmerzen, was der Senat auf Grund des Zwischenberichts von Dr. K. vom 26.6.1997 feststellt. Arbeitsfähigkeit trat beim Kläger am 7.7.1997 wieder ein. Bei einer Nachuntersuchung vom 1.9.1997 lag eine reizlose Narbe vor; im distalen Drittel gab der Kläger eine leichte Druckschmerzhaftigkeit an, wie sich für den Senat aus dem Zwischenbericht von Dr. K. vom 3.9.1997 ergibt. Auch der Hausarzt des Klägers Dr. G. fand am 10.3.1998 am rechten Unterschenkel einen reizlosen Befund ohne Entzündungszeichen, wobei der Kläger Schmerzen im Bereich des rechten Unterschenkels angab. Da Dr. G. davon ausging, dass auch statische Beschwerden bei Senk-/Spreizfuß dafür eine Rolle spielten, verordnete er erneut Einlagen. Eine Überweisung zum Orthopäden bzw. Unfallchirurgen erfolgte nicht. Dies entnimmt der Senat den Angaben von Dr. G. gegenüber dem Versorgungsamt im Befundbericht vom 7.5.1998. Auch der Kläger selbst stellte sich nicht bei Dr. K. vor.

Bis zum Dezember 2000 gibt es keinerlei Hinweise auf nennenswerte Beschwerden am rechten Bein. Bei der neurologischen Untersuchung durch den Neurologen und Psychiater Dr. K. klagte der Kläger über Hinterkopfschmerzen, Schwindelzustände und Schlafstörungen, nicht aber über Beschwerden am rechten Bein, wie der Senat dem Arztbrief von Dr. K. vom 1.8.2000 entnimmt. Auch war der neurologische Befund an den Beinen völlig unauffällig.

Erstmals im Arztbrief der Orthopädin Dr. B. vom 12.12.2000 finden sich Angaben zu chronischen Schmerzen im rechten Bein, wobei jedoch die seit drei Monaten bestehenden Hals-Schulter-Arm-Beschwerden, rechts mehr als links, im Vordergrund standen. Auf Grund der vom Kläger erwähnten Beschwerden am rechten Bein veranlasste Dr. B. eine Überweisung des Klägers an das Krankenhaus S., wo am 19.12.2000 eine Narbenrevision und eine Neurolyse des Nervus peroneus superficialis durchgeführt wurde. Nach der Neurolyse veranlasste das Krankenhaus - wegen zunehmender Aggressivität des Klägers - eine psychiatrische Untersuchung des Klägers durch die Psychiaterin Dr. L., die bereits am 21.12.2000 beim Kläger eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (somatisch und psychisch) diagnostizierte.

Unter Berücksichtigung des oben geschilderten Krankheitsverlaufs und der oben genannten Kausalitätskriterien gelangt der Senat auf Grund des Gutachtens von Professor Dr. Dr. W. zur Überzeugung, dass der Unfall vom 19.2.1997 zu einer leichten Schädigung des Nervus peronues profundus und lediglich zu einem geringfügigen Schmerzsyndrom beim Kläger geführt hat, die nicht mit einer höheren MdE als 10 vH zu bewerten sind.

Auf Grund der vier elektrophysiologischen Untersuchungen von April 2001, August 2001, November 2002 und April 2006 ist nicht nachgewiesen, dass eine relevante Schädigung des Nervus peroneus profundus und/oder Nervus peroneus superficialis vorliegt. Eine allenfalls vorliegende leichte Schädigung des Nervus peroneus profundus führt zu keiner höheren MdE als 10 vH. Eine relevante Nervenläsion ist durch die vorliegenden elektrophysiologischen Befunde nicht dokumentiert, und es sind keine Gesichtspunkte für die Diagnose eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms vorhanden, die eine Einschätzung als außergewöhnlicher Schmerz rechtfertigen würden, wie Prof. Dr. Dr. W. - unter Berücksichtigung sämtlicher ärztlicher Unterlagen- für den Senat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt hat.

Ferner ist auch nicht feststellbar, dass der Unfall zu einer Depression bzw. zu einer anhaltenden depressiven Anpassungsstörung beim Kläger geführt hat. Voraussetzung hierfür wäre, dass entweder die traumatische Schädigung am rechten Bein so gravierend wäre, dass diese einen anhaltenden Reiz für die Aufrechterhaltung einer psychoreaktiven Symptomatik darstellen würde und/oder die Verletzung und deren Folgen im Lebensablauf des Klägers so unersetzlich waren, dass ihr eine wesentliche Rolle in der Gesamtsymptomatik zukommt. Die traumatische Schädigung des rechten Beines, die zu einer MdE um 10 vH führt, war nicht so gravierend, dass sie als ursächlich für eine depressive Entwicklung angesehen werden könnte. Darüber hinaus hinderte sie den Kläger nicht, ab 7.7.1997 wieder seinen bisher ausgeübten Beruf aufzunehmen. Ferner ist auch nicht mit Wahrscheinlichkeit feststellbar, dass die Verletzung und ihre Folgen im Lebensablauf des Klägers so unersetzlich waren, dass ihnen eine wesentliche Rolle bei der Ausbildung der Gesamtsymptomatik zugekommen wäre. Zwar waren im Herbst 1997 noch gewisse Restbeschwerden auf Grund des Unfalls vorhanden. Der Kläger war jedoch auf Grund der Unfallfolgen nicht gehindert, bis November/Dezember 2000 seinen bisherigen Beruf auszuüben. Irgendwelche Hinweise auf nennenswerte Beschwerden seitens des rechten Beines gab es von Juli 1997 bis Dezember 2000 nicht. In jenem Zeitraum war der Kläger lediglich vom 8.2. bis 3.3. 2000 wegen eines akuten Infekts der oberen Atemwege und vom 27.11. bis 15.12.2000 wegen eines Kreuzschmerzes und einer Radikulopathie (Wurzelreizsyndrom), und nicht wegen Beschwerden am rechten Bein arbeitsunfähig. Bei der Untersuchung durch die Orthopädin Dr. B. stand ein seit ca. drei Monaten bestehendes Hals-Schulter-Arm-Syndrom rechts mehr als links im Vordergrund. Außerdem wird eine chronische Lumbalgie genannt, wobei der Zustand nach Betriebsunfall mit Verletzung des rechten Unterschenkels und chronischen Schmerzen im rechten Bein lediglich erwähnt wird, wie sich aus dem Arztbrief von Dr. B. vom 12.12.2000 ergibt. Darüber hinaus ist dem Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Dr. K. vom 1.8.2000 zu entnehmen, dass beim Kläger Hinterkopfschmerzen, Schwindelzustände und Schlafstörungen bei täglichem Schmerzmittelkonsum vorlagen, und nicht Beschwerden am rechten Bein. Angesichts dessen hält der Senat die Beurteilung von Professor Dr. Dr. W. für überzeugend, dass sich die Schmerzsymptomatik bereits zu diesem Zeitpunkt weitgehend verselbstständigt hatte.

Hierfür spricht auch, dass der Kläger bei der Untersuchung durch Dr. K. am 12.12.2000 (vor der Neurolyse) über Beschwerden im Bereich der gesamten rechten Körperhälfte klagte. Dies wird ferner bestätigt durch die Beurteilung von Dr. L., die schon am 21.12.2000, also 3 Tage nach der erneuten Neurolyse, eine somatoforme Schmerzstörung beim Kläger diagnostiziert hatte. Durch den erneuten operativen Eingriff von Dezember 2000 ist es zu keinen bleibenden Schäden und keiner Verschlechterung der Unfallfolgen bekommen, so dass auch nicht feststellbar ist, dass es durch den erneuten Eingriff zu einer Verschlechterung der - unfallunabhängigen - psychischen Problematik des Klägers gekommen ist. Bei der Aufnahme in der Schlossklinik Bad Buchau am 22.2.2001 hat der Kläger ebenfalls über Schmerzen im Bereich des ganzen Körpers geklagt. Den Gutachten von Prof. Dr. Dr. Sch. und Dr. von Sch., Prof. Dr. Sch. und Dr. K. vermag sich der Senat dagegen nicht anzuschließen, zumal sie sich nicht damit auseinandergesetzt haben, dass der Kläger im Zeitraum von Juli bzw. September 1997 bis Dezember 2000 über keine nennenswerten Beschwerden im Bereich des rechten Beines geklagt hat und sie auch nicht berücksichtigt haben, dass beim Kläger im August 2000 andere Beschwerden (Hinterkopfschmerzen, Schwindel, Schlafstörungen) und auch im Dezember 2000 andere Beschwerden (Hals-Schulter-Arm-Beschwerden, Schmerzen der gesamten rechten Körperseite) im Vordergrund standen.

Da die Unfallfolgen ab 17.6.2002 keine MdE um mindestens 20 vH bedingen und ein Stützerententatbestand nicht vorliegt, hat der Kläger keinen Anspruch auf Verletztenrente wegen der Folgen des Unfalls vom 19.2.1997.

Da die Beklagte sonach zu Recht die Gewährung von Verletztenrente abgelehnt hat, war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufzuheben.

Die Berufung des Klägers war dagegen zurückzuweisen, da er keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente und erst recht keinen Anspruch auf Verletztenrente nach einer MdE um 50 vH hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved