L 4 R 4414/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 2664/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 4414/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 19. April 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob dem Kläger ab 01. November 2003 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zusteht.

Der am 1960 geborene Kläger ist verheiratet und Vater zweier 1985 und 1987 geborener Kinder. Er durchlief vom 01. August 1976 bis 31. Juli 1979 eine Lehre im Fleischer-Handwerk (Gesellenprüfungszeugnis vom 11. Juli 1979) und arbeitete seinen Angaben zufolge danach bis zum 03. Juni 1980 als Metzgergeselle in einer Großschlachterei. Anschließend war er als Glaszuschneider und Glasbrecher (Juni 1980 bis Juni 1981), als Helfer und Dreher in einer Gießerei (Juni 1981 bis Juli 1989), als Stanzer (August 1989 bis September 1991), als Verkäufer bei der Firma Eismann (Oktober 1991) und zuletzt vom 10. Oktober 1991 bis zum 30. September 2001 (Werksschließung) als Verpacker und Verlader bei der Firma G. Möbel in E. beschäftigt. Wegen eines Bandscheibenvorfalls war der Kläger seit 27. Februar 2001 arbeitsunfähig krank und bezog nach Ende der Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers seit 10. April bis 15. August 2001 Krankengeld. Nach akutstationären Krankenhausbehandlungen fand vom 16. August bis 13. September 2001 auf Kosten der Beklagten eine stationäre Anschlussheilbehandlung in der S. R.-klinik (Abteilung Orthopädie) in B. S.-M. statt, aus der der Kläger als weiterhin arbeitsunfähig entlassen wurde (Entlassungsbericht des Ärztlichen Direktors Privatdozent Dr. R. vom 14. September 2001). Nach dem Bezug von Übergangsgeld während der stationären Heilbehandlung bezog der Kläger vom 14. September 2001 bis 31. August 2002 erneut Krankengeld. Danach war er bei der Arbeitsverwaltung arbeitslos gemeldet und bezog vom 22. August 2002 bis 16. August 2003 Arbeitslosengeld und anschließend bis 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe. Seit 26. Januar 2002 besteht beim Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 (Bescheid des Versorgungsamts H. vom 22. August 2002).

Am 24. Juni 2002 beantragte der Kläger erstmals Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten, und zwar wegen Bandscheibenvorfall und Borreliose. Dazu hatte er eine Bescheinigung des behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin Dr. G. vom 17. Juni 2002 vorgelegt, in dem folgende Diagnosen genannt waren: Chronisches Schmerzsyndrom bei depressiver Persönlichkeit, lumbosakraler Bandscheibenvorfall links, S1-Radikulopathien links, Zustand nach Borreliose, Struma nodosa, Gastropathia nervosa, rezidivierende Gelenkschwellungen und Hypertonie. Die Beklagte erhob danach Gutachten auf nervenärztlichem (Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapeutische Medizin und Psychoanalyse M. vom 13. Oktober 2002), orthopädischem (Facharzt für Orthopädie Dr. Re. vom 17. Oktober 2002) und auf internistischem Fachgebiet (Dr. Dr., Ärztin für Innere Medizin, Sozialmedizin, vom 22. Oktober 2002). Mit Bescheid vom 30. Oktober 2002 lehnte die Beklagte eine Rentengewährung ab. Zwar sei nach den ärztlichen Untersuchungsergebnissen die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch Krankheiten oder Behinderungen beeinträchtigt (chronisch rezidivierendes Wirbelsäulen-Syndrom bei Bandscheibenvorfall LWK5/6, Übergewichtigkeit, arterielle Hypertonie, wechselnde Arthralgien, abgelaufener Morbus Scheuermann, beginnende degenerative Aufbraucherscheinungen im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule). Mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könnten jedoch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden. Der dagegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (vom Kläger nicht angegriffener Widerspruchsbescheid vom 06. Mai 2003).

Am 06. November 2003 (Eingang bei der Beklagten am 11. November 2003) beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut Rente wegen Erwerbsminderung. Dazu wurde die Bescheinigung des Facharztes für Orthopädie Dr. K. vom 16. Oktober 2003 eingereicht, in der als Diagnose degeneratives Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom bei Bandscheibenvorfall L 5/6 genannt wurde. Die Beschwerden hätten sich verschlimmert; es liege eine Lumboischialgie links mit Hypästhesie des linken Beines vor. Der Kläger klage jetzt auch über Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule. Seine körperliche Belastbarkeit sei erheblich herabgesetzt. Die Beklagte veranlasste die Untersuchung des Klägers durch Dr. Dr., die am 20. Januar 2004 durchgeführt wurde. Bei der Untersuchung lagen weitere Arztbriefe vor, darunter auch der Arztbrief des Arztes für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. Gi. vom 22. Dezember 2003, der darin dem Hausarzt über Behandlungen des Klägers am 28. November und 16. Dezember 2003 berichtet hatte. Dr. Dr. stellte im Gutachten vom 21. Januar 2004 folgende Diagnosen: Chronisch rezidivierendes Wirbelsäulensyndrom bei Bandscheibenvorfall LWK 5/6 links, somatoforme Schmerzstörung, Übergewicht, arterielle Hypertonie, wechselnde Arthralgien, beginnende degenerative Aufbraucherscheinungen im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule bei abgelaufenem Morbus Scheuermann, leichte Panikstörung, Meralgia paraesthetica. Sie führte aus, im Vergleich zu den Vorgutachten lasse sich keine wesentliche Änderung feststellen. Es bestehe weiterhin ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten unter Berücksichtigung bestimmter qualitativer Einschränkungen. Mit Bescheid vom 28. Januar 2004 lehnte daraufhin die Beklagte eine Rentengewährung ab, da der Kläger aufgrund der nach den ärztlichen Untersuchungsergebnissen festgestellten Krankheiten und Behinderungen noch in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten zu können. Dagegen legte der Kläger am 23. Februar 2004 Widerspruch ein. Aus dem vorgelegten, von ihm veranlassten nervenärztlichen Gutachten des Dr. Gi. vom 01. April 2004 ergebe sich, dass er (der Kläger) in seiner Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben gegenwärtig so weit eingeschränkt sei, dass er keine Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert mehr erbringen könne. In dem Gutachten nannte Dr. Gi. folgende Diagnosen: Mangelhafte Bewältigung eines körperlichen Leidens bei Vermutung einer schweren reaktiven depressiven Anpassungsstörung mit Somatisierung bei Anmutung einer schizoid-zwanghaften Verarbeitung eines depressiven Grundkonfliktes bei asthenischer Wesensart mit dysthymen Anteilen, wobei eine schwere neurotische Fehlentwicklung den Hintergrund eines Schmerzsyndroms komplettiere, das durch chronisch rezidivierende Lumboischialgien und eine Borreliose Stadium III ergänzt werde. Dr. Gi. nahm an, der Kläger sei in seiner Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben gegenwärtig so weit eingeschränkt, dass er keine Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert mehr erbringen könne. Er (der Kläger) habe zwar nicht alle Möglichkeiten der Wiederherstellung im eigentlichen therapeutischen und rehabilitativen Sinne genutzt und sicher nicht ausreichend seine Mitwirkungspflicht erfüllt. Trotzdem solle man ihm eine Zeitrente für mindestens zwei Jahre, nach seiner (des Arztes) Auffassung jedoch über fünf Jahre zugestehen. Danach solle erneut ein fachkompetenter Sachverständiger zur Frage der Leistungsfähigkeit Stellung nehmen. Im Widerspruchsverfahren erhob die Beklagte das weitere nervenärztliche Gutachten des Facharztes M. vom 28. Juni 2004. Bei der Untersuchung am 21. Juni 2004 lagen Arztbriefe und Atteste vor. Der Sachverständige stellte als Diagnosen auf seinem Fachgebiet eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine Meralgia paraesthetica und noch leichte vegetative Symptome, die jedoch nicht mehr die diagnostischen Kriterien einer Panikstörung erfüllten, fest. Hinweise auf eine Nervenwurzelkompression sowie auf eine Neuroborreliose verneinte er. Ein irreversibler Dauerzustand einer psychischen Störung sei zu verneinen. Insoweit lasse sich eine schwere depressive Störung im Gegensatz zur diagnostischen Aussage des Dr. Gi. nicht feststellen. Die Interpretation des Dr. Gi., dass eine Entschädigung und Berentung zur Beschwerdebesserung führen werde, widerspreche jeglicher ihm bekannten psychiatrischen Literatur. Körperlich leichte und mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts ohne besonders hohe psychische Stressbelastung (Zeitdruck) seien dem Kläger weiterhin zumutbar. Nach Einholung einer abschließenden Stellungnahme der Dr. Dr. vom 05. Mai/02. Juli 2004 wurde der Widerspruch des Klägers wegen der Rentenablehnung mit Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsausschusses vom 25. August 2004 zurückgewiesen. Der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein.

Mit Bescheid vom 07. Juli 2003 hatte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Aussicht gestellt. Den erneuten Antrag des Klägers auf medizinische Rehabilitationsleistungen hatte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 22. April 2004 abgelehnt, wogegen der Kläger am 28. April 2004 zur Fristwahrung Widerspruch eingelegt hatte.

Am 01. September 2004 erhob der Kläger wegen der Rentenablehnung Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Er benannte die ihn behandelnden Ärzte und trug vor, seine Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben sei nachweislich so weit eingeschränkt, dass er keine Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert mehr erbringen könne. Aufgrund des Gutachtens des Dr. Gi. vom 01. April 2004 stehe fest, dass ihm mindestens für zwei Jahre eine Zeitrente zuzugestehen sei, wobei Dr. Gi. sogar für einen Zeitraum von fünf Jahren eintrete. Bereits ohne Belastung leide er (der Kläger) ständig unter starken Schmerzen im gesamten Rücken, die aus einem Bandscheibenvorfall und einer Nervenentzündung in Verbindung mit einer Borreliose resultierten. Die Stärke der Schmerzen wechsle, sie verbänden sich jedoch auch mit Schlafstörungen, Abgeschlagenheit und Mattigkeit. Die Rückenschmerzen strahlten über die Hüfte bis in die Beine und Zehen aus und führten zu Missempfindungen, Blockierungen und auch Schonhaltungen. Die belastungsunabhängigen Beschwerden in der Wirbelsäule hielten den ganzen Tag über an. Trotz vielfältiger Arztbesuche seit 2002 sei er nie mehr ohne Schmerzen. Diese Schmerzen seien auch einer Behandlung nicht zugänglich. Er sei noch nicht einmal mehr in der Lage, einfache und leichte Hausarbeiten zu verrichten. Aufgrund der körperlichen Einschränkungen und der schwerwiegenden Lebensgeschichte habe sich darüber hinaus ein extrem psychosomatisches Leiden entwickelt; die Ich- und Selbstverwurzelung sei bei ihm erheblichst beeinträchtigt, wie Dr. Gi. festgestellt habe. Im Hinblick auf die Beurteilung des Gutachters M. erscheine es arbeitstechnisch als fraglich, welche mittelschweren Arbeiten ohne besonders hohe psychische Stressbelastung (Zeitdruck) bei der heutigen Konstellation am Arbeitsmarkt überhaupt in Frage kämen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass er als schwerbehinderter Mensch anerkannt sei. Es müsse auch ein orthopädisches Gutachten zur Bestätigung seiner Erwerbsminderung eingeholt werden. Der Kläger reichte verschiedene medizinische Unterlagen ein: Befundbericht des Dr. So., Facharzt für Anästhesiologie, Spezielle Schmerztherapie, Naturheilverfahren, vom 25. Juni 2002, sozialmedizinisches Gutachten des Dr. Obermann vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg vom 09. Juli 2002, Attest der Fachärzte für Orthopädie Dres. Hi. und K. vom 27. August 2002 sowie deren Arztbrief vom 25. August 2005, nervenärztliches Gutachten des Dr. Gi. vom 01. April 2004, Laborbericht der Fachärzte für Labormedizin Dres. Bl., Be., Hi., La. und Wo. vom 31. August 2005 und Arztbrief des Prof. Dr. Z., Ärztlicher Direktor der Sektion Nephrologie der Medizinischen Universitätsklinik H., vom 19. September 2005.

Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage der Stellungnahme des Dr. Gir., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Spezielle Schmerztherapie, Rehabilitationswesen - Sozialmedizin -, vom 08. Februar 2006 entgegen.

Das SG erhob schriftliche Auskünfte als sachverständige Zeugen bei den behandelnden Ärzten. Dr. So. (Auskunft vom 23. November 2004), der auch Arztbriefe einreichte, berichtete über ambulante schmerztherapeutische Behandlung vom 12. März 2002 bis 02. Oktober 2003; deren therapeutisches Ziel bei ausgeprägtem algogenen Psychosyndrom mit anhaltender somatoformer Schmerzstörung sei es gewesen, eine Verschlechterung zu verhindern; eine Progredienz habe nicht stattgefunden. Dr. Gi. (Auskunft vom 26. November 2004) führte aus, der Kläger sei erstmals am 28. November 2003 in seine Praxis gekommen. Er (Dr. Gi.) habe den Kläger neurologisch und psychiatrisch untersucht und ihm tiefenpsychologische Exploration zur Abklärung der lebensgeschichtlichen und persönlichkeitsspezifischen Hintergründe angeboten, die der Kläger wahrgenommen habe. Im Laufe der Behandlungen habe sich der Patient vertrauensvoll öffnen können. Seit etwa zwei Monaten habe mit dem Kläger im Sinne einer tiefenpsychologischen Aufarbeitung eine Therapie begonnen. Nach Kenntnis der Lebens- und Krankheitsgeschichte des Klägers und der sich jetzt eindeutig entfaltenden Darstellung der psychodynamischen Hintergründe und Kenntnis der innerseelischen Störungen der Regulationsmechanismen des Klägers sei eine vorübergehende Berentung nicht zu umgehen; um die mangelnde Ich-Reife und Selbstverwurzelung nachzuholen, sei eine Behandlung über mindestens zwei Jahre erforderlich. Dr. G. (Auskunft vom 29. November 2004), der ebenfalls Arztbriefe vorlegte, vertrat die Ansicht, dass der Kläger aufgrund seines chronischen Schmerzsyndroms, seiner multiplen Körperstörung und seiner depressiven Erkrankung nur weniger als drei Stunden täglich am Arbeitsmarkt einsetzbar sei. Dr. K., der mit seiner Auskunft vom 10. Dezember 2004 auch noch Arztbriefe vorlegte, vertrat die Ansicht, dass der Kläger aus orthopädischer Sicht in der Lage sei, einer vollschichtigen leichten Arbeit nachzugehen. In neurologisch-psychiatrischem Bereich bestehe jedoch eine erhebliche Beeinträchtigung. Prof. Dr. Z. (Auskunft vom 14. November 2005) berichtete über Untersuchungen des Klägers in der Nierenambulanz 1995 und 2005. Nach den Befunden des Jahres 2005 habe keine Proteinurie und Hämaturie mehr vorgelegen. Die aus den im September 2005 zuletzt angegebenen Beschwerden resultierende objektive Leistungseinschränkung müsse noch weiter quantifiziert werden (Ergometrie, orthopädische Untersuchung und auch eine psychologische Untersuchung unter Belastungssituation). Die Arbeitsfähigkeit sei von Seiten der Nierenfunktion einseitig nicht beurteilbar.

Ferner erhob das SG von Amts wegen das nervenärztliche Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. vom 30. Mai 2005 (Untersuchung vom 13. April 2005). Die Sachverständige stellte folgende Diagnosen: Protrusio L5/S1 mit diskretem Kontakt der S1-Wurzel links (ohne neurologische Ausfälle), periphere Facialisparese rechts mit geringer Restsymptomatik, chronisch somatoforme Schmerzstörung, Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion (aktuell mittelschwer) bei einfach strukturierter Persönlichkeit. Möglich seien leichte, in Spitzen mittelschwere körperliche Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis zehn, in Spitzen bis 15 kg, im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen ohne Tätigkeiten in Zwangshaltung, ohne ständige Überkopfarbeiten, ohne häufiges Bücken, Treppensteigen oder Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten. Ebenfalls seien nicht möglich Akkord-, Fließband- und Nachtschichtarbeit sowie Arbeiten unter ungünstigen klimatischen Verhältnissen sowie Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an Konzentration, Merkfähigkeit, Anpassungs- und Umstellungsvermögen stellten sowie unter besonderem Zeitdruck durchgeführt werden müssten oder die Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge erforderten. Unter den genannten Einschränkungen könnten Tätigkeiten noch vollschichtig (acht Stunden täglich) ausgeübt werden. Aus neurologischer Sicht erfolge eine optimale Therapie bei chronischer Schmerzsymptomatik nicht. Die Einschätzung, dass der Kläger in seinem psycho-physischen Kontext und innerpsychischen Erleben ausgelaugt und ausgebrannt sei und Ruhe sowie Entspannung zu einer Wiederherstellung der eingeschränkten Leistungsfähigkeit führen könne, sei nicht nachvollziehbar. Zu einer analytischen oder tiefenpsychologisch orientierten aufdeckenden Therapie sei der Kläger aufgrund seiner intellektuellen Fähigkeiten und seiner Persönlichkeitsstruktur nur bedingt fähig. Eine solche Therapie werde auch nicht durchgeführt. Die Wiedereingliederung in eine Arbeit mit wenig körperlicher Anstrengung würde dem Kläger die Möglichkeit eröffnen, neue Perspektiven zu haben und sich durch diese Arbeit psychisch und sozial als fähig und wertvoll zu definieren. Bei einer Fixierung auf das Erreichen einer Rente sei der Erfolg einer Psychotherapie bekannterweise gleich null. Psychotherapeutisch könne dem Kläger höchstens nahegelegt werden, dass die Ablehnung seines Rentenantrags eher eine Bestätigung seiner bestehenden Ressourcen und Fähigkeiten als eine böswillige weitere Entwertung sei. Eine Aktivierung seiner Lebensgestaltung würde auch zu einer Besserung seines körperlichen Befindens führen.

Dieses Gutachten hat der Kläger für nicht überzeugend angesehen. Es enthalte Unrichtigkeiten und Lücken, die ergänzungsbedürftig seien. Seine darin festgestellte Lebensgeschichte sei unvollständig. Zu vom Prozessbevollmächtigten des Klägers im Schriftsatz vom 22. Juli 2005 gestellten Fragen äußerte sich die Sachverständige in der ergänzenden Stellungnahme vom 14. Oktober 2005, in der sie bei ihrer bisherigen Auffassung blieb.

Mit Urteil vom 19. April 2006, wobei der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung an diesem Tag bei der Beklagten nochmals die Gewährung von medizinischer Rehabilitation oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beantragt hatte, wies das SG die Klage auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ab. Zur Feststellung der Gesundheitsstörungen und zur Beurteilung des Leistungsvermögens im Sinne der Rentenversicherung sei die Kammer aufgrund des Sachverständigengutachtens der Dr. E. gelangt. Die Einschätzung des Dr. Gi., dass eine Beschwerdebesserung durch eine während einer Zeitrente stattfindende Therapie zu erreichen sei, sei für die Kammer nicht überzeugend. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Empfangsbekenntnis vom 04. Mai 2006 zugestellt.

Dagegen hat der Kläger am 17. Mai 2006 mit Fernkopie Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt, die zunächst unter dem Aktenzeichen L 4 R 2564/06 geführt wurde. Im Hinblick auf die Bewilligung einer stationären Rehabilitation ist mit Beschluss vom 29. Juni 2006 auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten das Ruhen des Berufungsverfahrens angeordnet worden.

Mit Bescheid vom 09. November 2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger erneut Leistungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Ferner half die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08. März 2007 dem Widerspruch des Klägers gegen die Ablehnung einer stationären medizinischen Rehabilitationsleistung ab. Vom 13. Juni bis 04. Juli 2007 wurde die bewilligte stationäre Rehabilitationsbehandlung in der Rehaklinik S. (Fachklinik für Konservative Orthopädie und Innere Medizin) in D. durchgeführt. Im Entlassungsbericht des Oberarztes Dr. Ri. vom 04. Juli 2007 wurden folgende Diagnosen genannt: Chronisches Schmerzsyndrom unklarer Genese, chronisches Lendenwirbelsäulensyndrom mit bekannten linksseitigen Lumboischialgien und chronischen sensiblen Defiziten L5 links, chronisches Halswirbelsäulensyndrom, Gonalgien beidseits bei beginnender medialer Gonarthrose links, arterieller Hypertonus. Bei noch nicht ausreichend stabilisierten Befunden insbesondere hinsichtlich der psychischen Problematik erfolgte die Entlassung als zunächst arbeitsunfähig; von den derzeit fassbaren orthopädischen und internistischen Befunden sowie nach Durchsicht der umfangreichen internistischen/rheuma-tologischen/immunologischen Voruntersuchung sei der Kläger jedoch durchaus einsetzbar für leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig, wechselrhythmisch, rückengerecht und rumpfkontrolliert. Hinsichtlich der Kniegelenksproblematik seien möglichst keine Tätigkeiten in tiefer Hocke, in ausschließlich kniender Position, auf unebenem Gelände oder auf Leitern und Gerüsten auszuüben. Eine psychologische/psychiatrische und auch eine rheumatologische Leistungsbeurteilung des Klägers wurde als wünschenswert bezeichnet. Nach Abschluss dieses Reha-Verfahrens hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 06. September 2007 das Berufungsverfahren wieder angerufen.

Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor, das Rehabilitationsverfahren sei nur bedingt erfolgreich gewesen. In der Rehaklinik sei man davon ausgegangen, dass eine psychologisch/psychiatrische oder rheumatologische Leistungsbeurteilung der Annahme einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit entgegenstehen könne. Es sei auch die Empfehlung gegeben worden, eine Psychotherapie anzutreten. Er (der Kläger) habe zwischenzeitlich eine Behandlung über 100 Sitzungen bei Dr. Gi. durchgeführt. Dieser Behandlungsaufwand bestätige die krankheitsbedingten Ursachen. Dr. Gi. und auch Dr. Sa., Facharzt für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren, Psychotherapie, bestätigten eine erhebliche Krankheitsbeeinträchtigung im psychiatrisch-neurologischen Bereich. Es komme auch hinzu, dass Facharzt für Innere Medizin Endokrinologie - Dr. v. Bl. aufgrund der durchgeführten Tests die Diagnose einer Borreliose gestellt habe. Ihm (dem Kläger) könne nicht unterstellt werden, dass er arbeitsunwillig sei. Bis zum Jahre 2001 habe er hart gearbeitet. Schon damals hätten Kreuz- und Gelenkschmerzen bestanden. Ständige nächtliche Unruhe, Gelenk- und Kreuzschmerzen, Übelkeit, geschwollene Füße, Konzentrationsmangel und psychische Beeinträchtigungen belegten, dass er erwerbsgemindert sei. Seit Jahren fahre er kein Auto mehr; er fühle sich unsicher und komme sich vor, als sei er ein Experimentierfeld der Medizin. Die rentenberechtigende Leistungsminderung werde auch durch das auf seinen Antrag nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erstattete Sachverständigengutachten des Facharztes für Psychiatrie/Psychotherapie und Oberarztes am Klinikum am W. W. (Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie) Ro. vom 17. Februar 2009 bestätigt. Der Sachverständige Ro. habe wissenschaftlich untermauert festgestellt, dass seine (des Klägers) Schilderungen glaubwürdig und konsistent seien. Es hätten sich keine Hinweise auf Simulation oder Aggravation ergeben. Bei den psychologischen Tests hätten sich ähnliche Ergebnisse gezeigt. Insoweit habe der Sachverständige be¬stätigt, dass er (der Kläger) nicht arbeitsfähig, jedenfalls weniger als drei Stunden täglich, sei. Diese Beurteilung werde auch durch die Aussagen der Dres. Gi. und Sa. bestätigt. Das Klinikum am W. sei wegen seiner Seriosität bekannt. Die Einwendungen, die die Beklagte gegen das Gutachten des Sachverständigen Ro. durch Bezugnahme auf die vorgelegten Stellungnahmen der MUDr. Ho., Ärztin für Psychiatrie - Sozialmedizin - vom 09. März und 15. Juni 2009 erhebe, seien nicht geeignet, das Sachverständigengutachten und die Ausführungen der Dres. Gi. und Sa. zu entkräften, zumal die von der Beklagten herangezogene Ärztin ihn nicht untersucht habe. Der Kläger hat die auf S. 2 des Schriftsatzes seines Prozessbevollmächtigten aufgelisteten ärztlichen Berichte, Gutachten und Atteste eingereicht (vgl. Bl. 9 und 16 bis 38 der LSG-Akte L 4 R 4414/07). Ferner hat er vorgelegt: Attest des Dr. Sa. vom 14. November 2007, dessen Schreiben vom 06. Dezember 2007 (mit beigefügter "Spezieller Information für Hypnosetherapie-Interessierte" vom 22. April 2004), vom 04. Juli 2008 sowie vom 31. März und 09. Juni 2009, Schreiben des Dr. Gi. vom 13./14. Januar 2008 sowie dessen Schreiben und Befundbericht vom 09. Juni 2009.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 19. April 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. August 2004 zu verurteilen, ihm ab 01. November 2003 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren, weiter hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Berufung unter Bezugnahme auf den Reha-Entlassungsbericht vom 04. Juli 2007 sowie die vorgelegten Stellungnahmen des Medizinaldirektors Le., Internist/Sozial-medizin, vom 03. September 2007, des Dr. Gir. vom 09. April 2008 und (zu dem Gutachten des Sachverständigen Ro. und dessen ergänzender Stellungnahme) der MU Dr. Ho. vom 09. März sowie vom 15. Juni 2009 (unter Beifügung einer Veröffentlichung des Prof. Dr. Stevens zu "Objektivität in der psychiatrischen und psychosomatischen Begutachtung") entgegengetreten. Die Beklagte hat auch die Versicherungsverläufe des Klägers vom 02. Juni 2006 und 17. Juni 2009 eingereicht.

Der Berichterstatter des Senats hat auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG das Sachverständigengutachten des Facharztes für Psychiatrie/Psychotherapie Ro. vom 17. Februar 2009 (Untersuchung am 04. Februar 2009) und dessen am 25. Mai 2009 eingegangene ergänzende Stellungnahme eingeholt. Der Sachverständige Ro. hat mit dem Sachverständigengutachten auch noch weitere Unterlagen vorgelegt (Bl. 128 bis 135 der LSG-Akte). Er hat beim Kläger auf dem Fachgebiet der Psychiatrie und Psychotherapie folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: Anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F 45.4 ICD 10), mittelgradige depressive Episode (F 32.1 ICD 10), selbstunsichere Persönlichkeitsstörung (F 60.6 ICD 10). Die somatoforme Schmerzstörung bestehe seit Februar 2001. Die depressive Symptomatik habe sich seit dem Jahr 2003 langsam entwickelt und wohl auch verstärkt. Aufgrund der etwas divergierenden Befundberichte könne der Zeitpunkt, an dem die depressive Symptomatik so ausgeprägt gewesen sei wie gegenwärtig, nur geschätzt werden. Anhand des psychischen Befundes im Sachverständigengutachten der Dr. E. sei vom Zeitpunkt Ende 2005 auszugehen. Der Kläger sei nur noch in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem Umfang von weniger als drei Stunden täglich auszuführen. Dies gründe sich auf das somatoforme Schmerzbild. Die Schmerzen hätten zu deutlichen Funktionsbeeinträchtigungen auch im Alltagsleben des Klägers geführt. Es sei zu schon chronifizierten Vermeidungsreaktionen wie sozialer Rückzug, Sich-ins-Bett-Legen sowie Dissoziation gekommen. Insbesondere die ein- bis mehrstündigen dissoziativen Zustände mit Einschränkung der inneren und äußeren Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigten deutlich seine Leistungsfähigkeit. Er habe sich nicht nur von unangenehmen Tätigkeiten wie beruflicher Tätigkeit und Haushaltstätigkeiten, sondern auch von Tätigkeiten, die für ihn vorher angenehm gewesen seien, wie Hobbys oder die Zucht und Haltung eigener Haustiere, zurückgezogen. Dieser Rückzug sei auch im Rahmen der Depression geschehen, die u.a. durch eine mangelnde Fähigkeit, auf Ereignisse und Aktivitäten emotional zu reagieren, auf die möglicherweise früher reagiert worden sei, sowie einen Interesse- und Freudenverlust an Aktivitäten, die normalerweise angenehm gewesen seien, gekennzeichnet sei. Es bestehe auch eine Antriebsstörung, die sich auch im Alltag abbilde, sowie eine erhebliche Konzentrationsstörung. Zusätzliche Einflussfaktoren seien die depressive, launisch zurückgezogene Affektlage, Ermüdbarkeit, Insuffizienzgefühle sowie eine leichte psychomotorische Hemmung. Aufgrund der Schmerzen sowie des eingeschränkten Antriebs- und Konzentrationsvermögen sei das Durchhaltevermögen bei beruflichen Tätigkeiten deutlich eingeschränkt. Die Schilderungen des Klägers seien glaubwürdig und konsistent; es habe sich kein Hinweis auf Simulation oder Aggravation gefunden. Bei der psychologischen Testung hätten sich ähnliche Ergebnisse ergeben. Die psychopharmakologische Behandlung sowie die bisherige ambulante psychotherapeutische und psychiatrische Behandlung sowie die Rehabilitationsbehandlungen seien ohne Effekt geblieben. Es wäre noch eine Intensivbehandlung in einer auf somatoforme Schmerzstörung spezialisierten Akutklinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder für Psychiatrie und Psychotherapie möglich und anzuraten; allerdings sei die Prognose eher als ungünstig anzusehen.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten (Rentenakte und Rehabilitationsakte) sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach den §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und auch sonst zulässig, jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 28. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. August 2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Ihm steht, wie auch das SG zutreffend entschieden hat, weder ab 01. November 2003 (Rentenantrag vom 06. November 2003) noch ab einem späteren Zeitpunkt, etwa aufgrund eines vom Sachverständigen Ro. angenommenen - nach der Begutachtung durch Dr. E. (Untersuchung am 13. April 2005, Sachverständigengutachten vom 30. Mai 2005) eingetretenen - Leistungsfalls "Ende 2005", Rente wegen voller oder wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) zu.

1. Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

2. Nach diesen Kriterien ist der Kläger nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert. Er ist vielmehr noch in der Lage, ohne Gefährdung seiner Gesundheit leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts, auf den er aufgrund der seit Juni 1980 ausgeübten verschiedenen Tätigkeiten als allenfalls einfach Angelernter, nachdem er sich von seinem erlernten Beruf des Fleischerhandwerks nicht gesundheitsbedingt gelöst hatte, verwiesen werden kann, sechs Stunden und mehr arbeitstäglich auszuüben.

a) Der Kläger leidet, wie der Senat dem urkundenbeweislich verwerteten Gutachten der Dr. Dr. vom 21. Januar 2004 entnimmt, an einem chronisch rezidivierenden Wirbelsäulensyndrom bei Bandscheibenvorfall LWK 5/6 links, an Übergewicht, an arterieller Hypertonie, an wechselnden Arthralgien, an beginnenden degenerativen Aufbraucherscheinungen im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule bei abgelaufenem Morbus Scheuermann und an Meralgia paraesthetica. Diese Gesundheitsstörungen schränken die Leistungsfähigkeit des Klägers für leichte Tätigkeiten nicht zeitlich ein; insoweit schließt sich der Senat auch der Leistungsbeurteilung der Dr. Dr. an. Auf internistischem und orthopädischem Fachgebiet ergeben sich auch aus den Auskünften des Dr. G. vom 29. November 2004 und des Dr. K. vom 10. Dezember 2004 keine weiteren Gesundheitsstörungen, die die zeitliche Leistungsfähigkeit des Klägers funktionell einschränken könnten. Soweit Dr. G. eine zeitliche Einschränkung auf weniger als drei Stunden täglich auch mit Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet begründen will, berücksichtigt der Senat, dass der behandelnde Facharzt Dr. K. den Kläger noch in der Lage gesehen hat, vollschichtig einer leichten Arbeit nachzugehen, und zwar ohne Heben und Tragen von Lasten über fünf kg, ohne ständiges Sitzen und Stehen, ohne Zwangshaltungen, ohne Überkopfarbeiten und ohne Arbeiten in Zugluft und Nässe. Dieses Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden pro Tag wird auch durch die Beurteilung im Entlassungsbericht des Dr. Ri. vom 04. Juli 2007 bestätigt. Eine zeitliche Leistungseinschränkung folgt auch nicht aus der von Dr. v. Bl. und anderen Ärzten genannten Diagnose einer Borreliose.

b) Eine zeitliche Leistungseinschränkung ergibt sich auch nicht auf Grund von Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet und den daraus resultierenden Funktionseinschränkungen. Auf diesem Fachgebiet besteht beim Kläger, wie der Senat dem Sachverständigengutachten der Dr. E. vom 30. Mai 2005 entnimmt, auf neurologischem Fachgebiet eine periphere Facialisparese rechts mit geringer Restsymptomatik. Hinsichtlich der Protusio L 5/S 1 mit diskretem Kontakt der S 1-Wurzel links ergaben sich keine neurologischen Ausfälle. Ferner liegt auf psychiatrischem Gebiet eine chronische somatoforme Schmerzstörung und eine Anpassungsstörung bei längerer depressiver Reaktion (aktuell mittelschwer bei einfach strukturierter Persönlichkeit) vor. Deswegen sind zwar Funktionen wie das Konzentrationsvermögen, die Merkfähigkeit sowie Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit eingeschränkt. Mithin sind Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an Konzentration und Merkfähigkeit sowie Anpassungs- und Umstellungsvermögen stellen, unter erheblichem Zeitdruck durchzuführen sind und die Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge erfordern, nicht mehr möglich. Der Senat folgt jedoch der Leistungsbeurteilung der Dr. E., die - in Übereinstimmung mit der Beurteilung im Gutachten des Facharztes M. vom 28. Juni 2004 - noch leichte körperliche Tätigkeiten unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen für mindestens sechs Stunden pro Tag für möglich hält. Dabei hat Dr. E. auch einerseits darauf hingewiesen, dass eine optimale Therapie der chronischen Schmerzsymptomatik nicht erfolgt. Dr. So. hatte in seiner Auskunft vom 23. November 2004 eine Schmerztherapie lediglich vom 12. März 2002 bis 02. Oktober 2003 angegeben. Auch fand, wie Dr. E. hervorgehoben hat, andererseits eine analytische oder tiefenpsychologisch orientierte aufdeckende Therapie nicht statt. Der Kläger selbst hatte bei der Untersuchung durch Dr. E. eine Gruppentherapie in einer inhomogenen Gruppe angegeben. Überzeugend hat die Sachverständige dargelegt, dass beim Kläger die Wiedereingliederung in eine Arbeit mit wenig körperlicher Anstrengung die Möglichkeit eröffnen könnte, neue Perspektiven zu haben und sich durch diese Arbeit psychisch und sozial als fähig und wertvoll zu definieren. Eine Aktivierung seiner Lebensgestaltung würde auch zu einer Besserung des körperlichen Befindens führen. Dass dazu, wie Dr. Gi. im vom Kläger veranlassten Gutachten vom 01. April 2004 sowie auch in seiner Auskunft vom 26. November 2004, in der über Kontakte mit dem Kläger seit 28. November 2003 berichtet wird, angenommen hat, eine zeitweilige Rentengewährung sei notwendig, um notwendige Behandlungen unter Befreiung vom Druck, arbeiten gehen zu müssen, zu ermöglichen, d.h. dies ohne finanzielle Einbußen tun zu können, rechtfertigt, wie die Sachverständige Dr. E. - in Übereinstimmung mit dem Gutachter M. - dargelegt hat, die Bejahung einer zeitlichen Leistungseinschränkung und damit die Rentengewährung nicht. Insoweit hatte Dr. Gi. in dem Gutachten vom 01. April 2004 nachdrücklich darauf hingewiesen, dass der Kläger nicht alle Möglichkeiten der Wiederherstellung im eigentlichen therapeutischen Sinne (ambulante psychotherapeutische Begleitung und eine auf ihn speziell zugeschnittene ambulante Schmerztherapie) genutzt hatte.

Zwar hat der Sachverständige Ro. in seinem Gutachten vom 19. Februar 2009 als Diagnose neben der "anhaltenden somatoformen Schmerzstörung" nun eine "mittelgradige depressive Episode" (weil, bezogen auf die Diagnosestellung durch Dr. E., die depressive Symptomatik am 04. Februar 2009 mehr als zwei Jahre gedauert habe) diagnostiziert, ferner eine selbstunsichere Persönlichkeitsstörung. Die von ihm hierzu angegebene ICD-Diagnose F 60.6 bedeutet nach ICD-10-GM2007 (S. 197) eine ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung. Dies ist eine Persönlichkeitsstörung, die durch Gefühle von Anpassung und Besorgtheit, Unsicherheit und Minderwertigkeit gekennzeichnet ist. Es besteht eine andauernde Sehnsucht nach Zuneigung und Akzeptiertwerden, eine Überempfindlichkeit gegenüber Zurückweisung und Kritik mit eingeschränkter Beziehungsfähigkeit. Die betreffende Person neigt zu Überbetonung potentieller Gefahren und Risiken allgemeiner Situationen bis zur Vermeidung bestimmter Aktivitäten. Es überzeugt den Senat jedoch nicht, dass der Sachverständige Ro., ausgehend von "einem Zeitpunkt Ende 2005", nun auch bei leichten Tätigkeiten ohne Akkordarbeit, ohne Arbeit unter erheblichem Zeitdruck, ohne Fließbandarbeit, ohne Nachtschichtarbeit, ohne Arbeit unter ungünstigen klimatischen Verhältnissen, ohne Arbeit mit Verantwortung, ohne Arbeit mit Kundenkontakten, ohne Arbeit, die höhere Anforderungen an Konzentration und Merkfähigkeit stellt, ohne Arbeit mit Anpassungs- und Umstellungsvermögen und ohne Arbeit, die eine höhere intellektuelle Befähigung erforderlich macht sowie die Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge erfordert, nur noch ein weniger als drei Stunden täglich bestehendes Leistungsvermögen bejaht. Im Hinblick auf die auch schon von der Sachverständigen Dr. E. berücksichtigten Einschränkungen der Konzentration, der Merkfähigkeit sowie des Anpassungs- und Umstellungsvermögens ist es für den Senat nicht nachvollziehbar, wenn der Sachverständige Ro., der von leicht- bis mittelgradigen Konzentrationsstörungen, leichtgradigen Merkfähigkeitstörungen und leichtgradigen Gedächtnisstörungen als Funktionsstörungen ausgeht, diese zeitliche Leistungseinschränkung auf unter drei Stunden annimmt, unabhängig davon, dass er im Hinblick auf den Rey-Memory-Test Hinweise auf Simulation oder Aggravation verneint. Dabei berücksichtigt der Senat auch, dass der Sachverständige Ro. darauf hinweist, dass sowohl eine somatoforme Schmerzstörung als auch eine mittelgradige depressive Episode prinzipiell durch psychotherapeutische und psychopharmakologische Maßnahmen behandelbar sind. Insoweit hält er eine Intensivbehandlung in einer auf somatoforme Schmerzstörung spezialisierten Akutklinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder Psychiatrie und Psychotherapie für möglich und rät diese an. Aus hypothetischen früheren Traumatisierungen lässt sich dagegen eine zeitliche Leistungseinschränkung nicht herleiten, wie auch der Sachverständige Ro. ausgeführt hat. Er hat dargelegt, dass sich in den Stellungnahmen des Dr. Gi. zwar eine Vielzahl gut begründbarer tiefenpsychologischer Thesen finde, die von hohem Einfühlungsvermögen zeugten; eine Verknüpfung der Gedankengänge mit der aktuellen Leistungsfähigkeit sei jedoch nicht möglich.

Damit vermag der Senat auch nicht den Beurteilungen des Dr. Gi. und des Dr. Sa. zu folgen. Für die Bejahung einer zeitlichen Leistungseinschränkung mit der Folge der Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung mindestens auf Zeit ist daher auch nicht entscheidend, dass beim Kläger nach den Angaben des Dr. Gi. bis Oktober 2007 ambulante Psychotherapie durchgeführt wurde, während der sich der Kläger der mühseligen Aufarbeitung seiner schweren körperlichen und psychischen Störung und damit mit ganzer Kraft, Zeit und Engagement der Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit gewidmet habe, und nach dem Schreiben des Dr. Gi. vom 09. Juni 2009 mit Befundbericht vom selben Tag auch danach Behandlungen im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung und der sozialmedizinischen Betreuung durchgeführt wurden, die aus der Sicht des Dr. Gi. noch keinen Erfolg erbracht haben. Auch auf die Behandlungen durch Dr. Sa. (vgl. Schreiben vom 06. Dezember 2007 und 09. Juni 2009), wobei Hypnosesitzungen und stützende Gespräche durchgeführt wurden, kommt es nicht an. Der Senat stellt nämlich auch in Rechnung, dass Dr. Sa. im Schreiben vom 04. Juli 2008 darauf hingewiesen hat, eine Berentung des Klägers könne eine weitere Chronifizierung und Verschlimmerung jedenfalls abmildern. Auch soweit im Befundbericht des Dr. Gi. vom 09. Juni 2009 wiedergegeben ist, dass (bezogen auf den 12. März 2009) der Kläger sehr zufrieden gewesen sei, weil er fest überzeugt gewesen sei, dass das Gutachten des Sachverständigen Ro. positiv ausgefallen sei und er (der Kläger) endlich erreichen werde, was er seit Jahren anstrenge, nämlich die vorzeitige Berentung, und dass (bezogen auf den 09. Juni 2009) der Kläger ebenfalls einen zufriedenen Eindruck gemacht habe, weil es offensichtlich so aussehe, als ob jetzt tatsächlich seinem Ansinnen auf Gewährung von Rente stattgegeben werde, ist ein gezieltes Rentenbegehren des Klägers nicht auszuschließen. Dass bei einer mindestens sechsstündigen täglichen leichten Tätigkeit betriebsunübliche Pausen einzuhalten wären, ist ebenfalls nicht nachgewiesen.

Die Erhebung eines weiteren Sachverständigengutachtens war danach nicht geboten.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved