Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 34 KR 338/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 60/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. März 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte die Kosten für die Behandlung der Klägerin mit dem Fertigarzneimittel Concerta 36 zu tragen bzw zu erstatten hat.
Die 1971 geborene Klägerin leidet seit Jahren an einer schweren Narkolepsie mit mehrmals täglich auftretenden imperativen Schlafattacken und kataplektischen Anfällen. Die Behandlung dieser Krankheit erfolgt seit April 2004 durch eine Kombination der Fertigarzneimittel (siehe § 4 Absatz (Abs) 1 Arzneimittelgesetz (AMG)) Ritalin und Concerta (36 mg Retardtabletten).
Das retardiert wirkende Fertigarzneimittel Concerta 36 enthält den Wirkstoff (siehe § 4 Abs 19 AMG) Methylphenidathydrochlorid (ASK-Nr 06085-0) - entsprechend Methylphenidat (ASK-Nr 06084-5) - und ist nach dem AMG zugelassen für die Behandlung von Kindern ()6 Jahre) und Jugendlichen mit Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) (vergleiche (vgl) die vom Sozialgericht Düsseldorf (SG) eingeholte Auskunft des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 14.09.2005; siehe auch Rote Liste 71 414). Methylphenidat ist ein Betäubungsmittel im Sinne des § 1 Abs 1 des Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz (BtMG), siehe Anlage III (zu § 1 Abs 1) zum BtMG). Wirkstoff des nicht retardierten Fertigarzneimittels Ritalin ist ebenfalls Methylphenidat. Ritalin ist außer zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit ADHS auch zur Behandlung von Narkolepsie bei Erwachsenen zugelassen, Ritalin LA, mit einer lang anhaltenden Freisetzung desselben Wirkstoffs, dagegen nicht.
Am 22.04.2004 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, bei der sie krankenversichert ist, die Übernahme der Kosten für das Medikament Concerta 36. Zur Begründung ihres Antrags legte sie ein Attest der Fachärztin für Neurologie Dr. X vom 15.06.2004 vor, wonach bei der Klägerin die Tagesschläfrigkeit durch die Behandlung mit Vigil und später Ritalin nur unwesentlich habe beeinflusst werden können; bei einer Tablette Concerta pro Tag sei die Klägerin nahezu beschwerdefrei.
Die Beklagte holte ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein. Unter dem 19.07.2004 kam dessen Gutachter X1 zu dem Ergebnis, dass eine Kostenübernahme nicht empfohlen werden könne. Die Zulassung von Concerta in Frankreich zur Behandlung der Narkolepsie beruhe auf einer unzureichenden Datenlage; es existierten lediglich unkontrollierte Fallserien mit 200 Patienten, die zudem nicht mit dem retardierten Methylphenidat durchgeführt worden seien. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27.07.2004 eine Kostenerstattung ab. Concerta sei für die Behandlung von Narkolepsie nicht zugelassen und die vom Bundessozialgericht (BSG) aufgestellten Voraussetzungen für eine zulassungsüber-schreitende Anwendung ("Off-Label-Use") seien nicht erfüllt.
Die Klägerin widersprach und wies darauf hin, dass der medizinisch wirksame Bestandteil von Concerta Methylphenidat sei und dass dieser Wirkstoff für die Narkolepsie zugelassen sei, nämlich beim Arzneimittel Ritalin. Die Darreichungsform - ob direkt oder retardiert - dürfe für die Zulassung nicht weiter ausschlaggebend sein.
Die Beklagte wies den Widerspruch nach Einholung eines weiteren Gutachtens des MDK vom 08.10.2004 mit Bescheid vom 10.11.2004 als unbegründet zurück.
Mit ihrer am 06.12.2004 zum Sozialgericht - SG - erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat geltend gemacht: Narkolepsie und das Symptom Tagesschläfrigkeit seien bei ihr sehr stark ausgeprägt. Eine Leistungspflicht der Beklagten für das Medikament Concerta im Off-Label-Use sei nach der Rechtsprechung des BSG gegeben. Denn sie leide an einer schwerwiegenden, ihre Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden Erkrankung und die für die Behandlung der Narkolepsie zugelassenen Medikamente zeigten bei ihr keine Wirkung. Dagegen sei die zuverlässige Wirkung von Concerta bei der Narkolepsie nachgewiesen. Insofern sei entscheidend der Wirkungsnachweis des medizinischen Bestandteils von Concerta, nämlich Methylphenidat. Für den Wirkstoff Methylphenidat lägen wissenschaftliche Nachweise mit einer hohen Evidenzstufe vor. Zwar gebe es insoweit keine Studie der Phase III, Methylphenidat werde jedoch von der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und den Europäischen Leitlinien als Mittel der ersten Wahl empfohlen.
Die Beklagte hat dem - gestützt auf ein weiteres Gutachten des MDK vom 10.06.2005 - entgegen gehalten, die Narkolepsie beeinträchtige die Klägerin in ihrer Lebensqualität nicht schwerwiegend. Außerdem könne aufgrund der bestehenden Datenlage nicht von einer Wirksamkeit von Concerta hinsichtlich der Narkolepsie ausgegangen werden. In diesem Zusammenhang komme es nicht auf die Datenlage hinsichtlich eines Wirkstoffes sondern auf die Datenlage hinsichtlich eines konkreten Medikamentes an. Das SG hat eine Auskunft des BfArM vom 14.09.2005 sowie einen Befund- und Behandlungsbericht der Frau Dr. X vom Januar 2006 eingeholt. Frau Dr. X hat unter anderem (ua) ausgeführt: Aufgrund von Überforderung habe sich eine schwere Depression mit Antriebsschwäche, Lust- und Interesselosigkeit, Konzentrationsminderung, Ängsten und sozialem Rückzug entwickelt. Auch die Kombination von Ritalin und Vigil habe das klinische Bild nicht verändert. Im April 2004 sei die medikamentöse Umstellung auf Concerta 36 erfolgt, gegeben in Kombination mit Ritalin. Unter dieser Medikation sei es zu einer deutlichen Besserung des klinischen Bildes bezüglich Vigilanz und Leistungsfähigkeit und damit auch der Lebensqualität gekommen. Die Belastbarkeit bei Arbeit sei wieder größer geworden. Wissenschaftliche Veröffentlichungen bezüglich der Wirkungsweise von Concerta seien ihr nicht bekannt. Es lägen jedoch sehr positive Erfahrungsberichte betroffener Patienten vor.
Mit Urteil vom 16.03.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Gewährung des Medikamentes Concerta gemäß § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und 3, § 31 Abs 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zu. Damit bestehe auch kein Anspruch auf Erstattung der Kosten des bisher selbst beschafften Medikamentes gemäß § 13 Abs 3 SGB V. Da das Fertigarzneimittel Concerta arzneimittelrechtlich nicht für das Indikationsgebiet der Narkolepsie zugelassen sei, könne die Klägerin die Gewährung dieses Medikamentes nicht nach den Grundsätzen des sogenannten Off-Label-Use beanspruchen. Denn es bestehe aufgrund der Datenlage nicht die begründete Aussicht, dass mit Concerta ein Behandlungserfolg erzielt werden könne. Dies sei jedoch ua eine Voraussetzung dafür, dass ein Versicherter die Verordnung eines Medikamentes in einem nicht von der Zulassung umfassten Anwendungsgebiet beanspruchen kann (Hinweis auf Urteil des BSG vom 26.09.2006 - B 1 KR 14/06 R - Cabaseril). Von einer hinreichenden Erfolgsaussicht könne nur dann ausgegangen werden, wenn Forschungsergebnisse vorlägen, die erwarten ließen, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Da keine Erweiterung der Zulassung von Concerta beantragt worden sei, setze dies voraus, dass außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht worden sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen machen und aufgrund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne steht. Die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Behandlungserfolg, die für eine zulassungsüberschreitende Pharmakotherapie auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung nachgewiesen sein müsse, sei während und außerhalb eines arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens regelmäßig gleich. Erforderlich sei, dass alle drei Phasen der klinischen Prüfung durchlaufen seien. Dabei diene die Phase-lll-Studie dem eigentlichen Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit und der Unbedenklichkeit der neuen Substanz, der Bestätigung des in der Phase-ll-Studie gefundenen Hinweises. Obwohl sich die Phasen der klinischen Prüfung überschneiden könnten, müssten stets alle drei Phasen durchlaufen werden. Hinsichtlich des Wirkstoffes Methylphenidat gebe es jedoch keine Phase-lll-Studie. Die Narkolepsie trete als Krankheit auch nicht so selten auf, dass ihre systematische Forschung praktisch ausgeschlossen und es deshalb gar nicht möglich wäre, überhaupt eine Phase-III-Studie durchzuführen. Gegen das am 03.04.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26.04.2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus: Sie habe im Jahre 2006 bei einer Rehabilitationsmaßnahme das Medikament Xyrem ausprobiert, dieses habe aber keinen dauerhaften Erfolg gebracht. Ihre Auffassung, dass die Datenlage für den Wirsamkeitsnachweis für das Medikament Concerta ausreiche und die Beklagte die Kosten für ihre Behandlung zu tragen habe, stützt sie ua auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 (1 BvR 34/98). Diese Entscheidung sei in der Rechtsprechung des BSG nicht voll umgesetzt worden. Die Anforderungen, die das BSG an die so genannte Datenlage stelle, seien überspannt und daher willkürlich. Wenn, wie hier, für Concerta keine Phase-III-Studien vorliegen, namentlich, weil der Hersteller kein Interesse an einem Zulassungsverfahren des Medikaments für ihre Erkrankung habe, müsse geprüft werden, welche anderen Studien vorliegen, und ob diese Aussagen über Erfolg und Sicherheit des betreffenden Medikamentes enthalten. Das Medikament Concerta sei aber pharmakologisch mit dem für die Behandlung von Narkolepsie zugelassenen Medikament Ritalin zu vergleichen, weil es den gleichen Wirkstoff enthalte. Deshalb sei die Datenlage von Ritalin auch für die Wirksamkeit von Concerta aussagekräftig. Im Übrigen sei auch der jüngsten Rechtsprechung des BSG nicht zu entnehmen, dass für die Zulässigkeit des Off-Label-Use notwendig Studien der Phase III vorliegen müssten. Entscheidend und ausreichend sei, dass die Wirkungen des Wirkstoffes Methylphenidat überzeugend belegt seien. Hierzu legt die Klägerin verschiedene medizinische Veröffentlichungen vor.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.09.2006 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheides vom 27.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2004 festzustellen, dass der Klägerin das Arzneimittel "Concerta 36" als Sachleistung zur Behandlung der bei ihr bestehenden Narkolepsie zusteht und ihr darüber hinaus für die Zeit vom 27.07.2004 bis zum 22.12.2005 1.067,42 Euro zu erstatten sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für zutreffend. Phase-III-Studien für die Anwendung des Medikaments Concerta bei Narkolepesie lägen nicht vor. Diese seien aber nach der Rechtsprechung des BSG erforderlich. Die Beklagte bezieht sich unter anderem auf weitere Gutachten des MDK vom 20.06. und 08.08.2008.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen. Wegen der Beschränkung des Streitgegenstandes wird auf die Niederschrift vom 08.10.2009 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Sachleistungsanspruch auf (zukünftige) Versorgung mit Concerta 36 und Erstattung der ihr durch die Selbstbeschaffung dieses Medikaments entstandenen Kosten durch die Beklagte.
Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese gemäß § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 SGB V von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Weil dieser Kostenerstattungsanspruch nicht weiter reicht als ein entsprechender Sachleistungsanspruch der Versicherten gegen ihre Krankenkasse, setzt er im Regelfall voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung (st Rspr), vgl zB BSGE 93,236; BSG, Urteil vom 26.09.2006 -B 1 KR 14/06 R-; Urteil vom 28.02.2008 -B 1 KR 15/07 R-; Urteil vom 05.05.2009 -B 1 KR 15/08 R-). Daran fehlt es für das Arzneimittel Concerta 36 mangels arzneimittelrechtlicher Zulassung zur Behandlung von Narkolepsie. Auch ein Ausnahmefall, in dem sich der Sachleistungsanspruch auf Fertigarzneimittel im Bereich des so genannten Off-Label-Use erstreckt, liegt nicht vor.
Versicherte haben gemäß § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst gemäß § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V auch die Versorgung mit Arzneimitteln. Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs 1 Satz 1, § 12 Abs 1 SGB V) nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 u 3, § 31 Abs 1 S. 1 SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche (§ 21 Abs 1 AMG) arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (st Rspr, grundlegend BSGE 89,184 ff; BSG, Urteil vom 26.09.2006 -B 1 KR 14/06 R-; Urteil vom 28.2.2008 -B 1 KR 15/07 R-).
Nach § 21 Abs 1 AMG dürfen Fertigarzneimittel, die Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs 1 oder Abs 2 Nr 1 AMG sind, in der Bundesrepublik Deutschland nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder wenn für sie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften oder der Rat der Europäischen Union eine Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Art 3 Abs 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr 726/2004 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 31.03.2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer europäischen Arzneimittel-Agentur erteilt hat. Da sich die Zulassung auf das Fertigarzneimittel (§ 4 Abs 1 AMG) einschließlich ua der Darreichungsform und des Anwendungsgebiets bezieht (siehe § 25 Abs 1, § 22 Abs 1 Nr 4 und Nr 6 AMG) ist die Auffassung der Klägerin, es müsse allein auf den Wirkstoff (siehe § 4 Abs 19 AMG) abgestellt werden und die Darreichungsform dürfe keine Rolle spielen, mit dem Arzneimittelrecht nicht vereinbar (zum Neuzulassungserfordernis bei Änderung der Darreichungsform siehe § 29 Abs 3 Nr 2 AMG, bei Erweiterung des Anwendungsgebiets siehe § 29 Abs 3 Nr 3). Schließlich will die Klägerin auch nicht mit irgendeinem Arzneimittel mit dem Wirkstoff Methylphenidat versorgt werden, sondern konkret mit dem retardierten Concerta 36.
Eine arzneimittelrechtliche Zulassung im vorbezeichneten Sinne besteht somit nur, wenn das Fertigarzneimittel die Zulassung gerade für dasjenige Indikationsgebiet besitzt, in dem es im konkreten Fall eingesetzt werden soll (siehe § 22 AMG; vgl zB BSG, Urteil vom 19.03.2002 -B 1 KR 37/00 R- BSGE 89,184 ff; BSG, Urteil vom 26.09.2006 -B 1 KR 14/06 R-). Für die Behandlung von Narkolepsie fehlt dem Fertigarzneimittel Concerta 36 aber die Zulassung in Deutschland oder eine europaweite Zulassung. Die nach dem AMG in Deutschland erteilte Zulassung ist auf die Behandlung von Kindern () 6 Jahre) u. Jugendlichen mit ADHS begrenzt (vgl die Auskunft BfArM vom 14.09.2005; siehe auch Rote Liste 71 414). Soweit, wie im Gutachten des MDK vom 19.07.2004 ausgeführt ist, in Frankreich eine Zulassung von Concerta für die Behandlung von Narkolepsie erteilt ist, entfaltet diese nicht zugleich auch entsprechende Rechtswirkungen in Deutschland. Weder das deutsche Recht noch das Europarecht sehen eine solche Erweiterung der Rechtswirkungen der nur von nationalen Behörden erteilten Zulassungen ohne ein entsprechendes vom Hersteller eingeleitetes sowie positiv beschiedenes Antragsverfahren vor (st Rspr, vgl zB BSG, Urteil vom 27.03.2007 -B 1 KR 30/06 R- Urteilssammlung der Krankenversicherung (USK) 2007,36 mit weiteren Nachweisen (mwN); LSG NRW, Urteil vom 03.04.2008 -L 5 KR 115/07-).
Eine zulassungsüberschreitende Anwendung auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ("Off-Label-Use") scheidet ebenfalls aus. Ein Off-Label-Use kommt nur in Betracht (vgl zB BSG, Urteil vom 28.02.2008 -B 1 KR 15/07 R- mwN; Senat, Urteil vom 26.03.2009 -L 16 KR 162/08-; zuletzt ausführlich Kretschmer, Der Medizinische Sachverständige (MED SACH) 2009, 54), wenn es
1.um die Behandlung einer schwer wiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, und wenn
2.keine andere Therapie verfügbar ist und wenn
3.aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann.
Ob es sich bei der Narkolepsie der Klägerin um eine schwerwiegende Erkrankung im Sinne der Rechtsprechung des BSG handelt, kann der Senat dahingestellt sein lassen (zur Bewertung der Narkolepsie nach den Anhaltspunkten 2008 für die ärztliche Gutachtertätigeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX), siehe dort unter 26.3). Er weist insoweit darauf hin, dass die an das Bestehen einer schwerwiegenden Erkrankung für einen Off-Label-Use zu stellenden Anforderungen erheblich sind. Nicht jede Art von Erkrankung kann einen Anspruch auf eine Behandlung mit dazu nicht zugelassen Arzneimitteln begründen, sondern nur eine solche, die sich durch ihre Schwere oder Seltenheit vom Durchschnitt der Erkrankung abhebt. Auch ein Off-Label-Use bedeutet nämlich, Arzneimittel für bestimmte Indikationen ohne die arzneimittelrechtlich vorgesehene Kontrolle der Sicherheit und Qualität einzusetzen, die in erster Linie Patienten von inakzeptabel unkalkulierbaren Risiken für die Gesundheit schützen soll. Ausnahmen können schon insoweit nur in engen Grenzen aufgrund einer Güterabwägung anerkannt werden, die der Gefahr einer krankenversicherungsrechtlichen Umgehung arzneimittelrechtlicher Zulassungserfordernis entgegen wirkt, die Anforderung des Rechts der GKV an Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels beachtet und den Funktionsdefiziten des Arzneimittelrechts in Fällen eines unabweisbaren anders nicht zu befriedigenden Bedarfs Rechnung trägt (vgl BSG, Urteil vom 28.02.2008 -B 1 KR 15/07 R-).
Offen lassen kann der Senat ferner, ob bei der Klägerin Behandlungsalternativen (zB durch Xyrem (Wirkstoff Natriumoxybat), Vigil (Wirkstoff Modafinil) oder Ritalin) nicht gegeben sind, denn die letzte Voraussetzung jedenfalls, die hinreichende Erfolgsaussicht der Behandlung, ist hier nicht erfüllt.
Hinreichende Erfolgsaussicht einer Behandlung der Narkolepsie durch Concerta lässt sich hier nicht schon durch die positven Erfahrungen der Klägerin oder anderer Patienten mit diesem Arzneimittel oder Empfehlungen der Fachgesellschaften begründen. Von hinreichender Erfolgsaussicht ist nach der Rechtsprechung des BSG zum Off-Label-Use vielmehr nur dann auszugehen, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das konkrete Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Dies ist der Fall, wenn entweder die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt worden ist und Ergebnis einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht worden sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht werden, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbar Aussagen zulassen und aufgrund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht (vgl BSGE 89,184,192; BSG, Urteil vom 28.02.2008 -B 1 KR 15/07 R-). Hieran fehlt es gegenwärtig für die Behandlung von Narkolepsie mit Concerta 36.
Wie das BSG betont, entspricht die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Behandlungserfolg, die für eine Zulassung überschreitende Pharmakotherapie auf Kosten der GKV nachgewiesen sein muss, derjenigen für die Zulassungsreife des Arzneimittels im betroffenen Indikationsbereich. Sie ist während und außerhalb eines arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens regelmäßig gleich, denn der Schutzbedarf der Patienten, der dem gesamten Arzneimittelrecht zu Grunde liegt und in das Leistungsrecht der GKV einstrahlt, unterscheidet sich in beiden Situationen nicht (BSG, Urteil vom 28.02.2008 -B 1 KR 15/07 R-).
Auch wenn, wie hier, gegenwärtig kein Zulassungsverfahren für Concerta 36 für die Behandlung von Narkolepsie betrieben wird, sind somit gleichwohl Anforderungen an die Erkenntnisse über Qualität (§ 4 Abs 15 AMG) und indikationsbezogene Wirksamkeit zu stellen, die denen des Zulassungsverfahrens nach dem AMG entsprechen müssen. Für die Zulassung muss das Arzneimittel nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft und die angegebene therapeutische Wirksamkeit nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse vom Antragsteller zureichend begründet sein (vgl §§ 22, 25 AMG). Die Wirksamkeit des Arzneimittels für die beanspruchte Indikation ist durch die klinische Prüfung und das nach § 24 Abs 1 Nr 3 AMG vorzulegende klinische Gutachten zu belegen. Die näheren Einzelheiten zur Planung und Durchführung von klinischen Prüfungen regelt die Verordnung über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung klinischer Prüfungen mit Arzneimitteln zur Anwendung am Menschen vom 09.08.2004 (Bundesgesetzblatt (BGBl) I 2004, Seite 2081). Die klinische Prüfung wird allgemein in verschiedene Phasen untergliedert. In der Phase I, die sich an den tierexperimentellen Teil anschließt, erfolgt eine Verträglichkeitsprüfung an circa 10 bis 50 gesunden Probanden. Hierbei wird gleichzeitig die Pharmakokinetik und -dynamik geprüft. In der Phase II wird die pharmakologische Wirkung in einer kontrollierten Studie von bis zu 200 Probanden geprüft. Hieran schließt sich die Phase III an, in welcher in einer erweiterten klinischen Untersuchung das Arzneimittel an einer großen Zahl von Patienten geprüft wird. Die klinischen Prüfungen der Phasen I bis III werden in der Regel als Blindprüfungen bzw Doppelblindversuche durchgeführt (vgl zum Vorstehenden Lehmann, Arzneimittelgesetz, Kommentar, 3. Aufl 2008, Vor §§ 40-42 Rz 4).
Eine diesen Anforderungen entsprechende wissenschaftliche Erkenntnislage zur Anwendung von Concerta 36 bei Narkolepsie besteht gegenwärtig nicht. Unstreitig liegen insbesondere zu der hier streitigen Anwendung von Concerta 36 bei Narkolepsie keine der Phase III entsprechenden klinischen Untersuchungen vor, auf die es jedoch entgegen der Ansicht der Klägerin auch außerhalb des Zulassungsverfahrens ankommt (siehe oben). Das Fehlen von Phase-III-Studien würde ferner in einem Zulassungsverfahren in Deutschland trotz der Zulassung des Medikaments in Frankreich durchschlagen (vgl § 22 Abs 6 in Verbindung mit (iVm) Abs 2 AMG; siehe Gutachten des MDK vom 19.07.2004).
Der Hinweis der Klägerin auf die Erkenntnislage bezüglich des zugelassenen Fertigarzneimittels Ritalin verfängt trotz des identischen Wirkstoffes beider Fertigarzneimittel nicht. Auch § 22 Abs 3 AMG führt insoweit nicht entscheidend weiter, denn diese Vorschrift mindert nicht die inhaltlichen Anforderungen an eine Wirksamkeitsbegründung bei einem sog "well established use", sondern erleichtert deren formale Voraussetzungen (vgl VG Köln, Urteil vom 23.07.2008 -7 K 5765/05- mwN). Die von der Klägerin geforderte Übertragung der Erkenntnisse über das unretardierte Ritalin auf das retardiert wirkende Concerta 36 ist aber wissenschaftlich unhaltbar, wie das Gutachten des MDK vom 08.08.2008 hervorhebt. Der Senat kann insoweit zur Veranschaulichung ergänzend daran erinnern, dass zwar das der Klägerin ua verordnete Ritalin außer für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit ADHS auch für die Behandlung von Narkolepsie bei Erwachsenen zugelassen ist, Ritalin LA, mit einer lang anhaltenden Freisetzung des selben Wirkstoffs, dagegen nicht.
Durch Krankenversicherungsrecht oder Verfassungsrecht bedingte Nachweiserleichterungen stehen der Klägerin nicht zur Seite.
Es handelt sich bei der Narkolepsie nicht um einen so genannten Seltenheitsfall einer Krankheit, die weltweit nur extrem selten auftritt, die deshalb im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden kann und bei der somit für den Wirksamkeitsnachweis positive Forschungsergebnisse beziehungsweise einem bestimmten Standard entsprechende wissenschaftliche Fachveröffentlichungen nicht verlangt werden können (vgl dazu BSGE 93, 236). Das ergibt sich zur Überzeugung des Senats bereits daraus, dass mit Ritalin und Vigil für die Behandlung der Narkolepsie Fertigarzneimittel existieren, die das Zulassungsverfahren durchlaufen haben. Im übrigen leben nach dem von der Klägerin überreichten Ausdruck des Beitrags von Prof.G.Mayer vom 14.11.2005 in Deutschland ca 40.000 Menschen mit Narkolepsie.
Schließlich reduzieren sich hier die Anforderungen an einen zulässigen Off-Label-Use auch nicht unter Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG vom 06.12.2005 -1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25; siehe dazu auch Kretschmer aaO Seite 56; Wenner, GesundheitsRecht 2009,169,177 f). Nach dieser sog "Nikolaus-Entscheidung" des BVerfG reicht bei einer "lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit" ohne konventionelle Behandlungsmöglichkeit für die Leistungspflicht der Krankenkasse ein Behandlungserfolg mit unkonventionellen Methoden bereits aus, wenn "ernsthafte Hinweise auf einen nicht ganz entfernt liegenden Erfolg der Heilung oder auch nur eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf" im konkreten Einzelfall bestehen. Unter den konkreten Umständen des Falles muss bereits drohen, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird; entsprechendes kann für den drohenden Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktionen gelten (vgl BSG, Urteil vom 28.02.2008 -B 1 KR 15/07 R-). Die Narkolepsie ist jedoch evident kein solchen Krankheiten entsprechendes oder vergleichbares Leiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte die Kosten für die Behandlung der Klägerin mit dem Fertigarzneimittel Concerta 36 zu tragen bzw zu erstatten hat.
Die 1971 geborene Klägerin leidet seit Jahren an einer schweren Narkolepsie mit mehrmals täglich auftretenden imperativen Schlafattacken und kataplektischen Anfällen. Die Behandlung dieser Krankheit erfolgt seit April 2004 durch eine Kombination der Fertigarzneimittel (siehe § 4 Absatz (Abs) 1 Arzneimittelgesetz (AMG)) Ritalin und Concerta (36 mg Retardtabletten).
Das retardiert wirkende Fertigarzneimittel Concerta 36 enthält den Wirkstoff (siehe § 4 Abs 19 AMG) Methylphenidathydrochlorid (ASK-Nr 06085-0) - entsprechend Methylphenidat (ASK-Nr 06084-5) - und ist nach dem AMG zugelassen für die Behandlung von Kindern ()6 Jahre) und Jugendlichen mit Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) (vergleiche (vgl) die vom Sozialgericht Düsseldorf (SG) eingeholte Auskunft des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 14.09.2005; siehe auch Rote Liste 71 414). Methylphenidat ist ein Betäubungsmittel im Sinne des § 1 Abs 1 des Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz (BtMG), siehe Anlage III (zu § 1 Abs 1) zum BtMG). Wirkstoff des nicht retardierten Fertigarzneimittels Ritalin ist ebenfalls Methylphenidat. Ritalin ist außer zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit ADHS auch zur Behandlung von Narkolepsie bei Erwachsenen zugelassen, Ritalin LA, mit einer lang anhaltenden Freisetzung desselben Wirkstoffs, dagegen nicht.
Am 22.04.2004 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, bei der sie krankenversichert ist, die Übernahme der Kosten für das Medikament Concerta 36. Zur Begründung ihres Antrags legte sie ein Attest der Fachärztin für Neurologie Dr. X vom 15.06.2004 vor, wonach bei der Klägerin die Tagesschläfrigkeit durch die Behandlung mit Vigil und später Ritalin nur unwesentlich habe beeinflusst werden können; bei einer Tablette Concerta pro Tag sei die Klägerin nahezu beschwerdefrei.
Die Beklagte holte ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein. Unter dem 19.07.2004 kam dessen Gutachter X1 zu dem Ergebnis, dass eine Kostenübernahme nicht empfohlen werden könne. Die Zulassung von Concerta in Frankreich zur Behandlung der Narkolepsie beruhe auf einer unzureichenden Datenlage; es existierten lediglich unkontrollierte Fallserien mit 200 Patienten, die zudem nicht mit dem retardierten Methylphenidat durchgeführt worden seien. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27.07.2004 eine Kostenerstattung ab. Concerta sei für die Behandlung von Narkolepsie nicht zugelassen und die vom Bundessozialgericht (BSG) aufgestellten Voraussetzungen für eine zulassungsüber-schreitende Anwendung ("Off-Label-Use") seien nicht erfüllt.
Die Klägerin widersprach und wies darauf hin, dass der medizinisch wirksame Bestandteil von Concerta Methylphenidat sei und dass dieser Wirkstoff für die Narkolepsie zugelassen sei, nämlich beim Arzneimittel Ritalin. Die Darreichungsform - ob direkt oder retardiert - dürfe für die Zulassung nicht weiter ausschlaggebend sein.
Die Beklagte wies den Widerspruch nach Einholung eines weiteren Gutachtens des MDK vom 08.10.2004 mit Bescheid vom 10.11.2004 als unbegründet zurück.
Mit ihrer am 06.12.2004 zum Sozialgericht - SG - erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat geltend gemacht: Narkolepsie und das Symptom Tagesschläfrigkeit seien bei ihr sehr stark ausgeprägt. Eine Leistungspflicht der Beklagten für das Medikament Concerta im Off-Label-Use sei nach der Rechtsprechung des BSG gegeben. Denn sie leide an einer schwerwiegenden, ihre Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden Erkrankung und die für die Behandlung der Narkolepsie zugelassenen Medikamente zeigten bei ihr keine Wirkung. Dagegen sei die zuverlässige Wirkung von Concerta bei der Narkolepsie nachgewiesen. Insofern sei entscheidend der Wirkungsnachweis des medizinischen Bestandteils von Concerta, nämlich Methylphenidat. Für den Wirkstoff Methylphenidat lägen wissenschaftliche Nachweise mit einer hohen Evidenzstufe vor. Zwar gebe es insoweit keine Studie der Phase III, Methylphenidat werde jedoch von der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und den Europäischen Leitlinien als Mittel der ersten Wahl empfohlen.
Die Beklagte hat dem - gestützt auf ein weiteres Gutachten des MDK vom 10.06.2005 - entgegen gehalten, die Narkolepsie beeinträchtige die Klägerin in ihrer Lebensqualität nicht schwerwiegend. Außerdem könne aufgrund der bestehenden Datenlage nicht von einer Wirksamkeit von Concerta hinsichtlich der Narkolepsie ausgegangen werden. In diesem Zusammenhang komme es nicht auf die Datenlage hinsichtlich eines Wirkstoffes sondern auf die Datenlage hinsichtlich eines konkreten Medikamentes an. Das SG hat eine Auskunft des BfArM vom 14.09.2005 sowie einen Befund- und Behandlungsbericht der Frau Dr. X vom Januar 2006 eingeholt. Frau Dr. X hat unter anderem (ua) ausgeführt: Aufgrund von Überforderung habe sich eine schwere Depression mit Antriebsschwäche, Lust- und Interesselosigkeit, Konzentrationsminderung, Ängsten und sozialem Rückzug entwickelt. Auch die Kombination von Ritalin und Vigil habe das klinische Bild nicht verändert. Im April 2004 sei die medikamentöse Umstellung auf Concerta 36 erfolgt, gegeben in Kombination mit Ritalin. Unter dieser Medikation sei es zu einer deutlichen Besserung des klinischen Bildes bezüglich Vigilanz und Leistungsfähigkeit und damit auch der Lebensqualität gekommen. Die Belastbarkeit bei Arbeit sei wieder größer geworden. Wissenschaftliche Veröffentlichungen bezüglich der Wirkungsweise von Concerta seien ihr nicht bekannt. Es lägen jedoch sehr positive Erfahrungsberichte betroffener Patienten vor.
Mit Urteil vom 16.03.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Gewährung des Medikamentes Concerta gemäß § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und 3, § 31 Abs 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zu. Damit bestehe auch kein Anspruch auf Erstattung der Kosten des bisher selbst beschafften Medikamentes gemäß § 13 Abs 3 SGB V. Da das Fertigarzneimittel Concerta arzneimittelrechtlich nicht für das Indikationsgebiet der Narkolepsie zugelassen sei, könne die Klägerin die Gewährung dieses Medikamentes nicht nach den Grundsätzen des sogenannten Off-Label-Use beanspruchen. Denn es bestehe aufgrund der Datenlage nicht die begründete Aussicht, dass mit Concerta ein Behandlungserfolg erzielt werden könne. Dies sei jedoch ua eine Voraussetzung dafür, dass ein Versicherter die Verordnung eines Medikamentes in einem nicht von der Zulassung umfassten Anwendungsgebiet beanspruchen kann (Hinweis auf Urteil des BSG vom 26.09.2006 - B 1 KR 14/06 R - Cabaseril). Von einer hinreichenden Erfolgsaussicht könne nur dann ausgegangen werden, wenn Forschungsergebnisse vorlägen, die erwarten ließen, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Da keine Erweiterung der Zulassung von Concerta beantragt worden sei, setze dies voraus, dass außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht worden sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen machen und aufgrund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne steht. Die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Behandlungserfolg, die für eine zulassungsüberschreitende Pharmakotherapie auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung nachgewiesen sein müsse, sei während und außerhalb eines arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens regelmäßig gleich. Erforderlich sei, dass alle drei Phasen der klinischen Prüfung durchlaufen seien. Dabei diene die Phase-lll-Studie dem eigentlichen Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit und der Unbedenklichkeit der neuen Substanz, der Bestätigung des in der Phase-ll-Studie gefundenen Hinweises. Obwohl sich die Phasen der klinischen Prüfung überschneiden könnten, müssten stets alle drei Phasen durchlaufen werden. Hinsichtlich des Wirkstoffes Methylphenidat gebe es jedoch keine Phase-lll-Studie. Die Narkolepsie trete als Krankheit auch nicht so selten auf, dass ihre systematische Forschung praktisch ausgeschlossen und es deshalb gar nicht möglich wäre, überhaupt eine Phase-III-Studie durchzuführen. Gegen das am 03.04.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26.04.2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus: Sie habe im Jahre 2006 bei einer Rehabilitationsmaßnahme das Medikament Xyrem ausprobiert, dieses habe aber keinen dauerhaften Erfolg gebracht. Ihre Auffassung, dass die Datenlage für den Wirsamkeitsnachweis für das Medikament Concerta ausreiche und die Beklagte die Kosten für ihre Behandlung zu tragen habe, stützt sie ua auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 (1 BvR 34/98). Diese Entscheidung sei in der Rechtsprechung des BSG nicht voll umgesetzt worden. Die Anforderungen, die das BSG an die so genannte Datenlage stelle, seien überspannt und daher willkürlich. Wenn, wie hier, für Concerta keine Phase-III-Studien vorliegen, namentlich, weil der Hersteller kein Interesse an einem Zulassungsverfahren des Medikaments für ihre Erkrankung habe, müsse geprüft werden, welche anderen Studien vorliegen, und ob diese Aussagen über Erfolg und Sicherheit des betreffenden Medikamentes enthalten. Das Medikament Concerta sei aber pharmakologisch mit dem für die Behandlung von Narkolepsie zugelassenen Medikament Ritalin zu vergleichen, weil es den gleichen Wirkstoff enthalte. Deshalb sei die Datenlage von Ritalin auch für die Wirksamkeit von Concerta aussagekräftig. Im Übrigen sei auch der jüngsten Rechtsprechung des BSG nicht zu entnehmen, dass für die Zulässigkeit des Off-Label-Use notwendig Studien der Phase III vorliegen müssten. Entscheidend und ausreichend sei, dass die Wirkungen des Wirkstoffes Methylphenidat überzeugend belegt seien. Hierzu legt die Klägerin verschiedene medizinische Veröffentlichungen vor.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.09.2006 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheides vom 27.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2004 festzustellen, dass der Klägerin das Arzneimittel "Concerta 36" als Sachleistung zur Behandlung der bei ihr bestehenden Narkolepsie zusteht und ihr darüber hinaus für die Zeit vom 27.07.2004 bis zum 22.12.2005 1.067,42 Euro zu erstatten sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für zutreffend. Phase-III-Studien für die Anwendung des Medikaments Concerta bei Narkolepesie lägen nicht vor. Diese seien aber nach der Rechtsprechung des BSG erforderlich. Die Beklagte bezieht sich unter anderem auf weitere Gutachten des MDK vom 20.06. und 08.08.2008.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen. Wegen der Beschränkung des Streitgegenstandes wird auf die Niederschrift vom 08.10.2009 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Sachleistungsanspruch auf (zukünftige) Versorgung mit Concerta 36 und Erstattung der ihr durch die Selbstbeschaffung dieses Medikaments entstandenen Kosten durch die Beklagte.
Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese gemäß § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 SGB V von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Weil dieser Kostenerstattungsanspruch nicht weiter reicht als ein entsprechender Sachleistungsanspruch der Versicherten gegen ihre Krankenkasse, setzt er im Regelfall voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung (st Rspr), vgl zB BSGE 93,236; BSG, Urteil vom 26.09.2006 -B 1 KR 14/06 R-; Urteil vom 28.02.2008 -B 1 KR 15/07 R-; Urteil vom 05.05.2009 -B 1 KR 15/08 R-). Daran fehlt es für das Arzneimittel Concerta 36 mangels arzneimittelrechtlicher Zulassung zur Behandlung von Narkolepsie. Auch ein Ausnahmefall, in dem sich der Sachleistungsanspruch auf Fertigarzneimittel im Bereich des so genannten Off-Label-Use erstreckt, liegt nicht vor.
Versicherte haben gemäß § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst gemäß § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V auch die Versorgung mit Arzneimitteln. Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs 1 Satz 1, § 12 Abs 1 SGB V) nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 u 3, § 31 Abs 1 S. 1 SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche (§ 21 Abs 1 AMG) arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (st Rspr, grundlegend BSGE 89,184 ff; BSG, Urteil vom 26.09.2006 -B 1 KR 14/06 R-; Urteil vom 28.2.2008 -B 1 KR 15/07 R-).
Nach § 21 Abs 1 AMG dürfen Fertigarzneimittel, die Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs 1 oder Abs 2 Nr 1 AMG sind, in der Bundesrepublik Deutschland nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder wenn für sie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften oder der Rat der Europäischen Union eine Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Art 3 Abs 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr 726/2004 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 31.03.2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer europäischen Arzneimittel-Agentur erteilt hat. Da sich die Zulassung auf das Fertigarzneimittel (§ 4 Abs 1 AMG) einschließlich ua der Darreichungsform und des Anwendungsgebiets bezieht (siehe § 25 Abs 1, § 22 Abs 1 Nr 4 und Nr 6 AMG) ist die Auffassung der Klägerin, es müsse allein auf den Wirkstoff (siehe § 4 Abs 19 AMG) abgestellt werden und die Darreichungsform dürfe keine Rolle spielen, mit dem Arzneimittelrecht nicht vereinbar (zum Neuzulassungserfordernis bei Änderung der Darreichungsform siehe § 29 Abs 3 Nr 2 AMG, bei Erweiterung des Anwendungsgebiets siehe § 29 Abs 3 Nr 3). Schließlich will die Klägerin auch nicht mit irgendeinem Arzneimittel mit dem Wirkstoff Methylphenidat versorgt werden, sondern konkret mit dem retardierten Concerta 36.
Eine arzneimittelrechtliche Zulassung im vorbezeichneten Sinne besteht somit nur, wenn das Fertigarzneimittel die Zulassung gerade für dasjenige Indikationsgebiet besitzt, in dem es im konkreten Fall eingesetzt werden soll (siehe § 22 AMG; vgl zB BSG, Urteil vom 19.03.2002 -B 1 KR 37/00 R- BSGE 89,184 ff; BSG, Urteil vom 26.09.2006 -B 1 KR 14/06 R-). Für die Behandlung von Narkolepsie fehlt dem Fertigarzneimittel Concerta 36 aber die Zulassung in Deutschland oder eine europaweite Zulassung. Die nach dem AMG in Deutschland erteilte Zulassung ist auf die Behandlung von Kindern () 6 Jahre) u. Jugendlichen mit ADHS begrenzt (vgl die Auskunft BfArM vom 14.09.2005; siehe auch Rote Liste 71 414). Soweit, wie im Gutachten des MDK vom 19.07.2004 ausgeführt ist, in Frankreich eine Zulassung von Concerta für die Behandlung von Narkolepsie erteilt ist, entfaltet diese nicht zugleich auch entsprechende Rechtswirkungen in Deutschland. Weder das deutsche Recht noch das Europarecht sehen eine solche Erweiterung der Rechtswirkungen der nur von nationalen Behörden erteilten Zulassungen ohne ein entsprechendes vom Hersteller eingeleitetes sowie positiv beschiedenes Antragsverfahren vor (st Rspr, vgl zB BSG, Urteil vom 27.03.2007 -B 1 KR 30/06 R- Urteilssammlung der Krankenversicherung (USK) 2007,36 mit weiteren Nachweisen (mwN); LSG NRW, Urteil vom 03.04.2008 -L 5 KR 115/07-).
Eine zulassungsüberschreitende Anwendung auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ("Off-Label-Use") scheidet ebenfalls aus. Ein Off-Label-Use kommt nur in Betracht (vgl zB BSG, Urteil vom 28.02.2008 -B 1 KR 15/07 R- mwN; Senat, Urteil vom 26.03.2009 -L 16 KR 162/08-; zuletzt ausführlich Kretschmer, Der Medizinische Sachverständige (MED SACH) 2009, 54), wenn es
1.um die Behandlung einer schwer wiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, und wenn
2.keine andere Therapie verfügbar ist und wenn
3.aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann.
Ob es sich bei der Narkolepsie der Klägerin um eine schwerwiegende Erkrankung im Sinne der Rechtsprechung des BSG handelt, kann der Senat dahingestellt sein lassen (zur Bewertung der Narkolepsie nach den Anhaltspunkten 2008 für die ärztliche Gutachtertätigeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX), siehe dort unter 26.3). Er weist insoweit darauf hin, dass die an das Bestehen einer schwerwiegenden Erkrankung für einen Off-Label-Use zu stellenden Anforderungen erheblich sind. Nicht jede Art von Erkrankung kann einen Anspruch auf eine Behandlung mit dazu nicht zugelassen Arzneimitteln begründen, sondern nur eine solche, die sich durch ihre Schwere oder Seltenheit vom Durchschnitt der Erkrankung abhebt. Auch ein Off-Label-Use bedeutet nämlich, Arzneimittel für bestimmte Indikationen ohne die arzneimittelrechtlich vorgesehene Kontrolle der Sicherheit und Qualität einzusetzen, die in erster Linie Patienten von inakzeptabel unkalkulierbaren Risiken für die Gesundheit schützen soll. Ausnahmen können schon insoweit nur in engen Grenzen aufgrund einer Güterabwägung anerkannt werden, die der Gefahr einer krankenversicherungsrechtlichen Umgehung arzneimittelrechtlicher Zulassungserfordernis entgegen wirkt, die Anforderung des Rechts der GKV an Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels beachtet und den Funktionsdefiziten des Arzneimittelrechts in Fällen eines unabweisbaren anders nicht zu befriedigenden Bedarfs Rechnung trägt (vgl BSG, Urteil vom 28.02.2008 -B 1 KR 15/07 R-).
Offen lassen kann der Senat ferner, ob bei der Klägerin Behandlungsalternativen (zB durch Xyrem (Wirkstoff Natriumoxybat), Vigil (Wirkstoff Modafinil) oder Ritalin) nicht gegeben sind, denn die letzte Voraussetzung jedenfalls, die hinreichende Erfolgsaussicht der Behandlung, ist hier nicht erfüllt.
Hinreichende Erfolgsaussicht einer Behandlung der Narkolepsie durch Concerta lässt sich hier nicht schon durch die positven Erfahrungen der Klägerin oder anderer Patienten mit diesem Arzneimittel oder Empfehlungen der Fachgesellschaften begründen. Von hinreichender Erfolgsaussicht ist nach der Rechtsprechung des BSG zum Off-Label-Use vielmehr nur dann auszugehen, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das konkrete Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Dies ist der Fall, wenn entweder die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt worden ist und Ergebnis einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht worden sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht werden, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbar Aussagen zulassen und aufgrund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht (vgl BSGE 89,184,192; BSG, Urteil vom 28.02.2008 -B 1 KR 15/07 R-). Hieran fehlt es gegenwärtig für die Behandlung von Narkolepsie mit Concerta 36.
Wie das BSG betont, entspricht die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Behandlungserfolg, die für eine Zulassung überschreitende Pharmakotherapie auf Kosten der GKV nachgewiesen sein muss, derjenigen für die Zulassungsreife des Arzneimittels im betroffenen Indikationsbereich. Sie ist während und außerhalb eines arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens regelmäßig gleich, denn der Schutzbedarf der Patienten, der dem gesamten Arzneimittelrecht zu Grunde liegt und in das Leistungsrecht der GKV einstrahlt, unterscheidet sich in beiden Situationen nicht (BSG, Urteil vom 28.02.2008 -B 1 KR 15/07 R-).
Auch wenn, wie hier, gegenwärtig kein Zulassungsverfahren für Concerta 36 für die Behandlung von Narkolepsie betrieben wird, sind somit gleichwohl Anforderungen an die Erkenntnisse über Qualität (§ 4 Abs 15 AMG) und indikationsbezogene Wirksamkeit zu stellen, die denen des Zulassungsverfahrens nach dem AMG entsprechen müssen. Für die Zulassung muss das Arzneimittel nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft und die angegebene therapeutische Wirksamkeit nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse vom Antragsteller zureichend begründet sein (vgl §§ 22, 25 AMG). Die Wirksamkeit des Arzneimittels für die beanspruchte Indikation ist durch die klinische Prüfung und das nach § 24 Abs 1 Nr 3 AMG vorzulegende klinische Gutachten zu belegen. Die näheren Einzelheiten zur Planung und Durchführung von klinischen Prüfungen regelt die Verordnung über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung klinischer Prüfungen mit Arzneimitteln zur Anwendung am Menschen vom 09.08.2004 (Bundesgesetzblatt (BGBl) I 2004, Seite 2081). Die klinische Prüfung wird allgemein in verschiedene Phasen untergliedert. In der Phase I, die sich an den tierexperimentellen Teil anschließt, erfolgt eine Verträglichkeitsprüfung an circa 10 bis 50 gesunden Probanden. Hierbei wird gleichzeitig die Pharmakokinetik und -dynamik geprüft. In der Phase II wird die pharmakologische Wirkung in einer kontrollierten Studie von bis zu 200 Probanden geprüft. Hieran schließt sich die Phase III an, in welcher in einer erweiterten klinischen Untersuchung das Arzneimittel an einer großen Zahl von Patienten geprüft wird. Die klinischen Prüfungen der Phasen I bis III werden in der Regel als Blindprüfungen bzw Doppelblindversuche durchgeführt (vgl zum Vorstehenden Lehmann, Arzneimittelgesetz, Kommentar, 3. Aufl 2008, Vor §§ 40-42 Rz 4).
Eine diesen Anforderungen entsprechende wissenschaftliche Erkenntnislage zur Anwendung von Concerta 36 bei Narkolepsie besteht gegenwärtig nicht. Unstreitig liegen insbesondere zu der hier streitigen Anwendung von Concerta 36 bei Narkolepsie keine der Phase III entsprechenden klinischen Untersuchungen vor, auf die es jedoch entgegen der Ansicht der Klägerin auch außerhalb des Zulassungsverfahrens ankommt (siehe oben). Das Fehlen von Phase-III-Studien würde ferner in einem Zulassungsverfahren in Deutschland trotz der Zulassung des Medikaments in Frankreich durchschlagen (vgl § 22 Abs 6 in Verbindung mit (iVm) Abs 2 AMG; siehe Gutachten des MDK vom 19.07.2004).
Der Hinweis der Klägerin auf die Erkenntnislage bezüglich des zugelassenen Fertigarzneimittels Ritalin verfängt trotz des identischen Wirkstoffes beider Fertigarzneimittel nicht. Auch § 22 Abs 3 AMG führt insoweit nicht entscheidend weiter, denn diese Vorschrift mindert nicht die inhaltlichen Anforderungen an eine Wirksamkeitsbegründung bei einem sog "well established use", sondern erleichtert deren formale Voraussetzungen (vgl VG Köln, Urteil vom 23.07.2008 -7 K 5765/05- mwN). Die von der Klägerin geforderte Übertragung der Erkenntnisse über das unretardierte Ritalin auf das retardiert wirkende Concerta 36 ist aber wissenschaftlich unhaltbar, wie das Gutachten des MDK vom 08.08.2008 hervorhebt. Der Senat kann insoweit zur Veranschaulichung ergänzend daran erinnern, dass zwar das der Klägerin ua verordnete Ritalin außer für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit ADHS auch für die Behandlung von Narkolepsie bei Erwachsenen zugelassen ist, Ritalin LA, mit einer lang anhaltenden Freisetzung des selben Wirkstoffs, dagegen nicht.
Durch Krankenversicherungsrecht oder Verfassungsrecht bedingte Nachweiserleichterungen stehen der Klägerin nicht zur Seite.
Es handelt sich bei der Narkolepsie nicht um einen so genannten Seltenheitsfall einer Krankheit, die weltweit nur extrem selten auftritt, die deshalb im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden kann und bei der somit für den Wirksamkeitsnachweis positive Forschungsergebnisse beziehungsweise einem bestimmten Standard entsprechende wissenschaftliche Fachveröffentlichungen nicht verlangt werden können (vgl dazu BSGE 93, 236). Das ergibt sich zur Überzeugung des Senats bereits daraus, dass mit Ritalin und Vigil für die Behandlung der Narkolepsie Fertigarzneimittel existieren, die das Zulassungsverfahren durchlaufen haben. Im übrigen leben nach dem von der Klägerin überreichten Ausdruck des Beitrags von Prof.G.Mayer vom 14.11.2005 in Deutschland ca 40.000 Menschen mit Narkolepsie.
Schließlich reduzieren sich hier die Anforderungen an einen zulässigen Off-Label-Use auch nicht unter Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG vom 06.12.2005 -1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25; siehe dazu auch Kretschmer aaO Seite 56; Wenner, GesundheitsRecht 2009,169,177 f). Nach dieser sog "Nikolaus-Entscheidung" des BVerfG reicht bei einer "lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit" ohne konventionelle Behandlungsmöglichkeit für die Leistungspflicht der Krankenkasse ein Behandlungserfolg mit unkonventionellen Methoden bereits aus, wenn "ernsthafte Hinweise auf einen nicht ganz entfernt liegenden Erfolg der Heilung oder auch nur eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf" im konkreten Einzelfall bestehen. Unter den konkreten Umständen des Falles muss bereits drohen, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird; entsprechendes kann für den drohenden Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktionen gelten (vgl BSG, Urteil vom 28.02.2008 -B 1 KR 15/07 R-). Die Narkolepsie ist jedoch evident kein solchen Krankheiten entsprechendes oder vergleichbares Leiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
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Aus
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