L 19 AS 25/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 43 (28) AS 56/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 25/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.04.2009 wird zurückgewiesen. Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin ab dem 01.01.2005 im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosenhilfe Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Im September 2005 beantragte die Klägerin unter Vorlage eines Attests ihres behandelnden Arztes Dr. I, der bei normaler Schilddrüsen- und Bauchspeichelfunktion und psychosomatisch bedingten Diarrhoen das Erfordernis einer kohlehydratreichen Ernährung bescheinigte, die Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwendige Ernährung. Aufgrund einer Stellungnahme der Stadtärztin Dr. T, die infolge einer kohlehydratreichen Ernährungen einen finanziellen Mehraufwand als nicht zwingend erforderlich ansah, lehnte die Beklagte den Antrag ab (Bescheid vom 12.12.2005, Widerspruchsbescheid vom 18.01.2006).

Die Klägerin hat am 13.02.2006 vor dem Sozialgericht (SG) Klage erhoben. Sie hat geltend gemacht, infolge ihrer psychischen Erkrankung sowie psychosomatischer Einflüsse sei ihr Verdauungsapparat stark angegriffen. Sie sei stark untergewichtig und leide unter stetiger Unterzuckerung. Diesen Beschwerden könne nur durch Zufuhr von hochwertiger kohlehydratreicher Kost entgegengewirkt werden. Es könne sein, dass ein an Seele und Leib gesunder Mensch durch Umstellung seiner Ernährung die Kosten neutral halten könne. In ihrem Krankheitsfall sei dies jedoch nicht so.

Das SG hat Berichte der die Klägerin behandelnden Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie T1 und des Dr. I eingeholt. Wegen deren Angaben wird auf die Berichte vom 11.09. und 27.10.2008 verwiesen. Des Weiteren hat das SG den Chefarzt der medizinischen Klinik des Evangelischen Krankenhauses C N mit einem Gutachten beauftragt. Dieser ist in seinem am 21.01.2009 erstellten Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, ein Diabetes mellitus sei bei der Klägerin auszuschließen, hingegen bestehe der Verdacht auf ein Insulinom (hormon-/insulinproduzierender Tumor der Bauchspeicheldrüse), die Beschwerden könnten aber auch psychischer Natur sein. Ein Mehrbedarf wegen kostenaufwendiger Ernährung ergäbe sich aber auch bei Annahme eines Insulinoms nicht, weil die von der Klägerin geschilderten Heißhungerattacken durch Einnahme von Zuckermitteln ausgeglichen werden könnten.

Mit Urteil vom 16.04.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihr am 27.04.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18.05.2009 Berufung eingelegt. Sie begründet diese mit einer krankheitsbedingten Notwendigkeit der Anpassung ihrer Ernährung, die zu erheblichen Mehrkosten führe. Dem Gutachter Dr. H wirft sie vor, nicht über die erforderliche Fachkenntnis zu verfügen, was sich daran zeige, dass jeder Arzt wissen müsse, dass eine zusätzliche Zuckergabe einen weiteren Insulinausstoß bewirke, was zu einer erneuten Heißhungerattacke führe. Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des SG Düsseldorf vom 16.04.2009 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.12.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2006 zu verurteilen, Leistungen für ernährungsbedingten Mehrbedarf zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil und die Ausführungen des Sachverständigen für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II.

Da die Berufsrichter des Senats übereinstimmend der Auffassung sind, dass die zulässige Berufung unbegründet ist, machen sie nach entsprechendem Hinweis an die Beteiligten von der Möglichkeit Gebrauch, diese im Beschlussverfahren (§ 153 SGG) zurückzuweisen.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Klägerin zusätzlich zu den bewilligten Regelleistungen und Kosten der Unterkunft kein - hier allein streitiger - Mehrbedarf zusteht.

Nach § 21 Abs. 5 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwendigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Nach den Feststellungen der gehörten Ärzte ist auszuschließen, dass die Klägerin an Diabetes mellitus leidet, der allerdings nach den heute gültigen und als Orientierungshilfe für die Anerkennung eines Mehrbedarfs dienenden (vgl. BSG Urt. v. 27.02.2008 - B 14/7b AS 64/06 R = SozR 4 - 4200 § 21 Nr. 2 Rn. 28) Empfehlungen des Deutschen Vereins für die Gewährung von Krankenhauszulagen in der Sozialhilfe (3., völlig neu bearbeitete Fassung, 2008) ohnehin keinen ernährungsbedingten Mehrbedarf begründet.

Soweit der Sachverständige PD Dr. H den Verdacht auf ein Insulinom diagnostiziert hat, ist auszuschließen, dass aufgrund einer solchen Erkrankung ein Mehrbedarf für Ernährung begründet ist. Der Sachverständige hat dies ausdrücklich verneint. Zum Ausgleich der "Heißhungerattacken", die von der Klägerin beschrieben werden, hat er die Einnahme von Zuckermitteln als ausreichend angesehen. Dass solche mit dem im Regelsatz (§ 20 Abs. 2 SGB II) enthaltenen Anteil für die Ernährung in ausreichendem Maße beschafft werden können, steht aber außer Zweifel. Soweit die Klägerin dem Sachverständigen entgegenhält, die Gabe von Zucker bedinge wiederum den Ausstoß von Insulin und sei daher kontraindiziert, übersieht sie zum einen, dass nicht feststeht, ob die Attacken auf einen erhöhten Ausstoß von Insulin zurückzuführen sind. Zum anderen ist nicht ersichtlich, warum die möglicherweise durch den Ausstoß von Insulin hervorgerufene Hypoglycämie (Unterzuckerung) nicht durch Einnahme von zuckerhaltigen Stoffen im Fall eines Unterzuckerungszustands ausgeglichen werden können soll. Der Senat hat insoweit keinen Anlass, an den Darstellungen des Sachverständigen zu zweifeln.

Auch der behandelnde Arzt, dessen Empfehlungen in dieselbe Richtung gehen, weil er eine kohlehydratreiche Ernährung für indiziert hält, hat nicht bescheinigen wollen, dass hierdurch der Klägerin Mehrkosten entstehen. Er hat zwar des Weiteren gegenüber dem SG bescheinigt, dass er den Verzicht auf Monosaccharide (z. B. Haus- und Traubenzucker) empfehle. Da er jedoch weder eine Diagnose gestellt hat, die diese Empfehlung als zwingend erscheinen lässt, noch eine entsprechende Ernährungsweise als unverzichtbar beschrieben hat und auch der Sachverständige hierfür keine Notwendigkeit gesehen hat, besteht für den Senat kein Anlass der Frage weiter nachzugehen, ob eine Ernährung unter Meidung von Monosacchariden besondere Kosten verursacht.

Der Sachverständige hat ferner nachvollziehbar ausgeführt, dass die von der Klägerin beschriebenen Symptome auch allein Folge ihrer psychischen Erkrankung (insbesondere Panikstörung) sein können. In diesem Fall ist erst recht nicht erkennbar, warum die Klägerin auf eine besondere, kostenaufwendige Ernährung angewiesen sein soll. Zwar behauptet sie dies. Warum im Fall einer psychischen Ursache eine solche Notwendigkeit bestehen soll, ist jedoch nicht nachvollziehbar und findet in den Darlegungen der gehörten Ärtzte keine Bestätigung. Insbesondere hat der Sachverständige keinerlei Erfordernis für eine solche Ernährungsbesonderheit gesehen. Daher fehlt eine objektivierbare Grundlage, die einen ernährungsbedingten Mehrbedarf auslösen könnte.

Der Senat sieht auch keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen, insbesondere zur Anhörung weiterer Sachverständiger, da er den Sachverhalt als hinreichend geklärt ansieht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die von der Klägerin behauptete - allerdings nicht belegte - Erhöhung des Grads ihrer Behinderung. Dieser ist ohne Aussagekraft für die hier allein streitige Frage der Ernährungserfordernisse. Dass im Zusammenhang mit der Feststellung des Grads der Behinderung andere ernährungsrelevante Erkrankungen als vom Sachverständigen berücksichtigt, festgestellt worden sind, behauptet auch die Klägerin nicht und ist nach den Ausführungen des Sachverständigen auszuschließen.

Über den der Klägerin neben den vollen Kosten der Unterkunft gewährten Regelleistungen in gesetzlicher Höhe (§ 20 Abs. 2 S. 1 SGB II) stehen ihr daher keine weiteren Leistungen zu, da sich Anhalte für sonstige Mehrbedarfe nicht ergeben, so dass die Berufung mit der auf § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückzuweisen ist.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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