Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 4315/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 171/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 05.12.2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Rücknahme von Bescheiden, mit denen die Anerkennung von Berufskrankheiten abgelehnt wurde.
Der am 1921 geborene Kläger ist Fotografenmeister und war nach Ausbildung und kurzzeitiger Beschäftigung als Angestellter von 1960 bis zur Geschäftsaufgabe am 13.07.1985 mit einem Fotogeschäft (Foto-Atelier mit Labor und Handlung) selbständig. Er zeigte der Beklagten am 13.06.1972 eine Berufskrankheit (BK) wegen einer allergischen Rhinitis an, die er auf seine Tätigkeit im Fotolabor zurückführte.
Mit Bescheid vom 07.11.1973 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung auf Grund des § 551 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm der Siebten Berufskrankheiten-Verordnung vom 20.06.1968 (7. BKVO) wegen einer in der Labor- und Dunkelkammer zugezogenen BK ab. Nach fachärztlicher Beurteilung seien die Krankheitserscheinungen des Klägers (vasomotorische Rhinitis und broncho-spastische Beschwerden ohne verbliebene Funktionsbeeinträchtigung des broncho-pulmonalen Organsystems) durch chemisch-irritative und physikalisch-irritative berufliche Einwirkungen innerhalb eines fotografischen Labors verursacht worden. Der Tatbestand der Berufsaufgabe auf Grund einer versicherten BK nach Nr. 41 der (richtig: Anlage 1 zur) 7. BKVO sei jedoch nicht erfüllt, weil der Kläger lediglich die Arbeiten im fotografischen Labor und in der Dunkelkammer nicht mehr selbst durchführe. Seine hiergegen beim Sozialgericht Freiburg erhobene Klage (S 12a U 2254/73) nahm der Kläger zurück.
Ein Antrag vom 29.06.1983 (Eingangsdatum) auf Rücknahme des Bescheides vom 07.11.1973 blieb erfolglos. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg führte zur Begründung seines die Berufung des Klägers zurückweisenden Urteils vom 12.06.1990 (L 2 U 1524/85) aus, der Bescheid vom 07.11.1973 sei durch Rücknahme der Klage bindend geworden. Auf die zum 01.01.1977 in Kraft getretene neue Fassung der 7. BKVO, wonach in den die frühere Nr. 41 ersetzenden Nrn. 4301 und 4302 die Anerkennung einer BK und Bewilligung einer Verletztenrente nicht mehr davon abhängig sei, ob der Erkrankte gezwungen gewesen sei, seine berufliche Beschäftigung überhaupt bzw. jegliche Erwerbstätigkeit aufzugeben, wie dies noch im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 07.11.1973 die Nr. 41 der Anlage 1 zur 7. BKVO bei einer Atemwegserkrankung verlangt habe, könne der Kläger sich nicht mit Erfolg berufen. Die erst mit dem 01.01.1981 in Kraft getretenen Vorschriften der §§ 44 ff Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) seien nicht rückwirkend auf bereits bestandskräftig gewordene Verwaltungsakte anwendbar, bei denen auch nach § 1744 RVO a.F. eine neue Prüfung unzulässig gewesen sei. Auch eine Neufeststellung nach § 622 oder § 627 RVO könne der Kläger nicht verlangen.
Auf einen Antrag des Klägers hin prüfte die Beklagte eine BK nach Nr. 4301 bzw. 4302 der Anlage 1 zur 7. BKVO in der seit dem 01.01.1977 geltenden Fassung und nach § 551 Abs. 2 RVO und lehnte die Anerkennung einer solchen BK mit Bescheid vom 12.07.1994 und Widerspruchsbescheid vom 11.01.1995 ab. Eine Allergie gegen Arbeitsstoffe, insbesondere gegen Formaldehyd, mit klinischer Relevanz auf die Schleimhäute und Atemwege im Hinblick auf eine BK Nr. 4301 sei beim Kläger bislang nicht nachgewiesen. Im Beschäftigungszeitraum sei auch keine qualitative und quantitative Einwirkung von chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Stoffen im Sinne der BK Nr. 4302 nachgewiesen. Zudem bestehe kein objektiver Zwang zur Unterlassung bestimmter Tätigkeiten. Seine hiergegen gerichtete Klage beim Sozialgericht Freiburg (S 11 U 147/95) nahm der Kläger zurück.
Mit Bescheid vom 14.05.2008 und Widerspruchsbescheid vom 30.07.2008 lehnte die Beklagte einen (erneuten) Antrag des Klägers vom 06.11.2007 auf Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 07.11.1973 gemäß §§ 622, 627 RVO a.F. und des bestandskräftigen Bescheides vom 12.07.1994 gemäß § 44 SGB X ab.
Die hiergegen am 26.08.2008 vom Kläger erhobene Klage hat das Sozialgericht Freiburg mit Gerichtsbescheid vom 05.12.2008 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch gegen die Beklagte, ihm unter Rücknahme der Bescheide vom 07.11.1973 und 12.07.1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.1995 und unter Anerkennung von Atemwegsbeschwerden und einer Allergie auf Formalin, Hydrochinon und Platinsalze als Berufskrankheiten dem Grunde nach Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Zur weiteren Begründung hat das Sozialgericht auf den Bescheid vom 14.05.2008 Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, der Kläger habe nichts vorgetragen, woraus sich ergebe, dass der Bescheid vom 12.07.1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.1995 auf einem fehlerhaftem Sachverhalt oder auf einer unrichtigen Rechtsanwendung beruhe. Diese Bescheide hätten sich ausschließlich mit der Entstehung einer BK nach Nr. 4301 oder 4302 oder nach § 551 Abs. 2 SGB VII für die Zeit nach dem 01.01.1977 befasst. Die vom Kläger geltend gemachte Allergie auf Formaldehyd sei aber bereits 1969 beK. t gewesen. Der Einwand des Klägers, eine Arbeitsplatzanalyse habe nicht stattgefunden, sei irrelevant, da die angefochtenen Bescheide maßgeblich auf die Nichterfüllung der medizinischen Voraussetzungen, den fehlenden objektiven Unterlassungszwang und die nicht hinreichend wahrscheinliche Kausalität gestützt worden seien. Hinsichtlich des Bescheides vom 07.11.1973 komme - wie bereits mit Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 12.06.1990 festgestellt - eine Aufhebung bzw. Überprüfung weder nach § 44 SGB X noch nach §§ 622, 627 RVO in Betracht.
Der Kläger hat am 12.01.2009 Berufung gegen den seinem Bevollmächtigten am 12.12.2008 zugestellten Gerichtsbescheid eingelegt. Sein Überprüfungsantrag sei gemäß § 44 SGB X zulässig und begründet, da die Beklagte sein Krankheitsbild nicht vollständig berücksichtigt und auch eine Arbeitsplatzanalyse bislang nicht durchgeführt habe. Er habe Anspruch auf Anerkennung seiner Atemwegsbeschwerden und seiner Allergien auf Formalin, Hydrochinon und Platinsalze als Berufskrankheit.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 05.12.2008 und den Bescheid vom 14.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Bescheide vom 07.11.1973 und vom 12.07.1994 zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist nicht begründet.
Zulässig ist vorliegend nur eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, nicht aber eine Feststellungsklage, auch wenn es dem Kläger letztendlich um die Anerkennung und Entschädigung seiner Gesundheitsstörungen als BK geht. Da die Beklagte mit den Bescheiden vom 07.11.1973 und vom 12.07.1994 jedwede Entschädigung abgelehnt hat, weil kein Versicherungsfall eingetreten sei, K. der Kläger zwar grundsätzlich sein Begehren auf Anerkennung eines Versicherungsfalles im Wege einer Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG verfolgen. Dem auf Entschädigung gerichteten Teil des gestellten Antrages kommt bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung zu (BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 45/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2). Eine Feststellungsklage ist indessen im Rahmen eines so genannten Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X nicht möglich. Denn dieses Verfahren hat das Ziel, den bestandskräftigen, einen Arbeitsunfall verneinenden Verwaltungsakt zu beseitigen, im Falle des entsprechenden Klageverfahrens, die Beklagte zur Rücknahme dieses Verwaltungsaktes zu verurteilen. Bevor der bestandskräftige Ablehnungsbescheid aber nicht beseitigt ist, steht dieser - eben wegen seiner Bestandskraft - einer gegenteiligen Feststellung durch das Gericht entgegen. Damit beschränkt sich das Klagebegehren vorliegend sachgerechterweise auf die Verurteilung der Beklagten zur Rücknahme der bestandskräftigen Ablehnungsbescheide (vgl. hierzu die ständige Rechtsprechung des Senats seit Urteil vom 27.04.2006, L 10 U 5290/03).
Der klageabweisende Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat zu Recht mit dem angefochtenen Bescheid vom 14.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2008 eine Rücknahme der Bescheide vom 07.11.1973 und vom 12.07.1994 abgelehnt.
Ein Anspruch des Klägers gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf Rücknahme des Bescheides vom 07.11.1973 bzw. des Bescheides vom 12.07.1994 besteht nicht. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.
§ 44 SGB X findet auf den vor seinem Inkrafttreten zum 01.01.1981 (Art. II § 40 Abs. 1 des Gesetzes vom 18.08.1980, BGBl. I, S. 1469) erlassenen Bescheid vom 07.11.1973 keine Anwendung. Nach der Übergangsvorschrift des Art. II § 40 Abs. 2 Satz 1, 2 des Gesetzes vom 18.08.1980 (a.a.O.) sind die §§ 44 bis 49 SGB X zwar (für die Zeit nach dem 31.12.1980) auch auf aufzuhebende Verwaltungsakte anzuwenden, die vor dem 01.01.1981 erlassen worden sind. Ausgenommen sind jedoch solche Verwaltungsakte in der Sozialversicherung - zu der die gesetzliche Unfallversicherung gemäß § 4 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) gehört -, die bereits bestandskräftig waren, und bei denen auch nach § 1744 der RVO in der vor dem 01.01.1981 geltenden Fassung (a.F.) eine neue Prüfung nicht vorgenommen werden konnte (Art. II § 40 Abs. 2 Satz 3 SGB X).
Die Voraussetzungen einer Überprüfung des bestandskräftigen Bescheids vom 07.11.1973 nach § 1744 RVO liegen nicht vor. Denn nach § 1744 RVO K. gegenüber einem bindenden Verwaltungsakt eines Versicherungsträgers eine neue Prüfung nur beantragt oder vorgenommen werden, wenn im Zusammenhang mit diesem Verwaltungsakt ein (rechtskräftiges) strafgerichtliches Urteil ergangen ist, wegen einer strafbaren Handlung ein gerichtliches Strafverfahren aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht eingeleitet oder durchgeführt worden ist oder nachträglich eine dem Kläger günstige Urkunde auftaucht. Keiner dieser Tatbestände ist ersichtlich oder wird vom Kläger behauptet.
Eine Überprüfung des Bescheides vom 07.11.1973 zum Zwecke der Neufeststellung kommt auch nicht über § 622 Abs. 1 RVO a.F. (Neufeststellung bei wesentlicher Änderung der Verhältnisse) oder § 627 RVO a.F. (Neufeststellung bei zu Unrecht erfolgter Ablehnung) in Betracht. Denn diese Vorschriften wurden mit Wirkung ab dem 01.01.1981 gestrichen (Art. II § 4 Nr. 1 des Gesetzes vom 18.08.1980, a.a.O.). An ihre Stelle sind zum selben Zeitpunkt die §§ 44 ff. SGB X mit der oben ausführlich dargestellten Übergangsregelung des Art. II § 40 des Gesetzes vom 18.08.1980 getreten.
Im Ergebnis ist somit - mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 1744 RVO a.F. - eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des bestandskräftigen Bescheides vom 07.11.1973 nicht möglich.
Demgegenüber ist § 44 SGB X auf den Bescheid vom 12.07.1994 zwar anwendbar, seine Voraussetzungen sind aber nicht erfüllt, weil die obstruktive Atemwegserkrankung des Klägers nicht als BK nach Nr. 4301 - durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können - oder Nr. 4302 - durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können - der Anlage 1 zur BKVO in der im Zeitpunkt dieses Bescheides geltenden Fassung (vom 22.03.1988, BGBl. I, S. 400) festzustellen war.
Mit der Änderungsverordnung vom 08.12.1976 (BGBl. I, S. 3329) ist die BK der Nr. 41 der Anlage 1 zur 7. BKVO vom 20. Juni 1968 - Bronchialasthma, das zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung oder jeder Erwerbstätigkeit gezwungen hat - durch die Nrn. 4301 und 4302 in ihren Tatbestandsmerkmalen neu gefasst und in ihren materiell-rechtlichen Inhalt insoweit geändert worden, als - anders als bisher (als weiteres Tatbestandsmerkmal musste ein Zwang zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung oder jeglicher Erwerbstätigkeit bestehen) - die Krankheit zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben musste, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein konnten. Mit der Neufassung ist jedoch nicht neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung getragen worden. Vielmehr hat der Verordnungsgeber die Tatbestandsvoraussetzungen in einem anderen, nicht medizinisch-wissenschaftlichen Bereich geändert und eine weitere Gruppe von in Folge beruflicher Einwirkungen erkrankten Versicherten in den Kreis der gegen Arbeitsunfälle Geschützten einbezogen. Es handelt sich um eine echte Neuregelung und nicht etwa um eine Klarstellung eines bestehenden Rechtssatzes (BSG, Urteil vom 22.11.1979, 8a RU 66/79 in SozR 5670 Anl. 1 Nr. 4302 Nr. 1.).
Diese, ab 01.01.1977 geltende Neuregelung ist auf zu diesem Zeitpunkt bereits bestehende Erkrankungen nicht anzuwenden. Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen werden Tatbestände, die nach neuem Recht anspruchsbegründend sind, aber bereits vor Inkrafttreten des neuen Rechts abgeschlossen waren, von der Rechtsänderung nicht erfasst, wenn nicht das neue Recht selbst ausdrücklich oder dem Sinne nach seinen Geltungsbereich auf diese Sachverhalte erstreckt (BSG, Urteil vom 26.07.1979, 8a RU 62/78). Die Änderungsverordnung vom 08.12.1976 regelt jedoch nicht die rückwirkende Anwendung auf vor ihrem Inkrafttreten eingetretene Versicherungsfälle (BSG, Urteil vom 14.07.1978, 8 RU 22/78). Deshalb sind die ab 01.01.1977 geltenden Regelungen auf zu diesem Zeitpunkt bereits bestehende Erkrankungen nicht anzuwenden (BSG, a.a.O.). Nichts anderes gilt für die Änderung der BK Nr. 4301 der Anlage 1 zur 7. BKVO in der Fassung der Änderung der BKVO vom 22.03.1988 (a.a.O.), mit der nach dem Wort "Atemwegserkrankungen" der Klammerzusatz "(einschließlich Rhinopathie)" eingefügt wurde. Denn Art. 3 Nr. 2 dieser am 01.04.1988 in Kraft getretenen (Nr. 1 der genannten Vorschrift) Verordnung sah eine rückwirkende Anwendung unter weiteren Kautelen nur für Versicherungsfälle nach dem 31.12.1976 vor.
Weil somit der Neufassung der Nrn. 4301 und 4302 der Anlage 1 zur 7. BKVO anspruchsbegründende und nicht nur klarstellende Wirkung zukam, rechtfertigt es der so auf einen weiteren Personenkreis erstreckte Unfallversicherungsschutz mangels einer entsprechenden gesetzlichen Regelung nicht, die neue Vorschrift rückwirkend auf "alte Versicherungsfälle" anzuwenden (BSG, Urteil vom 22.11.1979, a.a.O.). Von der Nr. 41 der Anlage 1 zur 7. BKVO vom 20. Juni 1968 erfasste Erkrankungen wurden somit von den Nrn. 4301 und 4302 der Anlage 1 zur 7. BKVO ebenso wenig erfasst wie sonstige schon vor dem 01.01.1977 bestehende Erkrankungen.
Der Kläger litt aber bereits vor dem 01.01.1977 an der von ihm als Berufskrankheit bezeichneten Atemwegserkrankung. Dies ergibt sich zunächst aus der ärztlichen Anzeige über eine Berufskrankheit des damals behandelnden Arztes Dr. R. vom 13.05.1972, in der eine Rhinitis allergica, das Synonym für die in der BK Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKVO aufgeführten Rhinopathie, angegeben ist. Diese Erkrankung einschließlich broncho-spastischer Beschwerden bestätigte sich im Rahmen der nachfolgenden Sachaufklärung der Beklagten (internistisches Gutachten des Dr. K. , Chefarzt der Klinik für Berufskrankheiten R. vom 03.09.1973). Auf Grund ihrer Ermittlungen ging die Beklagte im Bescheid vom 07.11.1973 auch davon aus, dass beim Kläger broncho-spastische Beschwerden durch chemisch-irritative und physikalisch-irritative berufliche Einwirkungen innerhalb eines fotografischen Labors bestanden. Anderes behauptet auch der Kläger nicht. Er hat im Berufungsverfahren nochmals vorgetragen, bereits im Juni 1972 wegen bestehender Atemwegsbeschwerden die Anerkennung einer Berufskrankheit bei der Beklagten beantragt zu haben. Nichts anderes gilt für die vom Kläger als Grund einer BK behaupteten Allergien. Wie dem von ihm in Kopie vorgelegten Allergiepass (Bl. 26 der Senatsakte) zu entnehmen ist, lagen diese Allergien (gegen Platintetrachlorid, Hydrochinon und Formaldehyd) bereits 1972 vor.
Schließlich war auch die Ablehnung der Feststellung einer BK nach § 551 Abs. 2 RVO hinsichtlich Formaldehyd bzw. Formalin im Bescheid vom 12.07.1994 nicht rechtswidrig. Nach dieser Vorschrift (zur vergleichbaren aktuellen Rechtslage vgl. § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch) sollten die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt waren. Eine Krankheit konnte nach § 551 Abs. 2 RVO nur dann wie eine Berufskrankheit entschädigt werden, wenn "neue Erkenntnisse" erst nach dem Erlass der letzten BKVO bekanntgeworden waren oder sich erst nach diesem Zeitpunkt zur Berufskrankheitsreife verdichtet hatten (vgl. hierzu umfassend BSG, Urteil vom 04.06.2002, B 2 U 20/01 R ). Die Erkrankung der Atemwege des Klägers, sofern auf die genannte Allergie zurückzuführen, hätte also wie eine Berufskrankheit entschädigt werden müssen, wenn im Zeitpunkt seiner Erkrankung neue Erkenntnisse in diesem Sinne bereits bestanden, die den Verordnungsgeber veranlassten, diese Krankheit später, nämlich in der Neufassung der BKVO vom 08.12.1976, als Berufskrankheit zu bezeichnen. Wie dargelegt, ist dies nicht der Fall. Denn die Erkrankung des Klägers war im Zeitpunkt ihres Auftretens in der BK Nr. 41 der Anlage 1 zur 7. BKVO als BK bereits erfasst, die spätere Herabsetzung der Anforderungen an den Aufgabezwang erfolgte nicht auf Grund nur medizinischer Erkenntnisse (BSG, Urteil vom 22.11.1979, a.a.O.). Soweit der Kläger in seiner Berufung eine Hauterkrankung auf Grund der erwähnten Allergie behauptet, gilt nichts anderes. Hauterkrankungen waren von der 7. BKVO unter Nr. 46, ab dem 01.01.1977 unter Nr. 5101 der Anlage 1 erfasst. Soweit die Beklagte die Allergie gegen Formaldehyd bzw. Formalin als solche, also unabhängig von möglichen Krankheitserscheinungen, als "Wie-BK" im Bescheid vom 12.07.1994 ablehnte, weil keine neuen Erkenntnisse über eine erhöhte Gefährdung bestimmter Personengruppen durch ihre Arbeit vorlägen, ist nicht erkennbar, warum dies unrichtig gewesen sein soll. Der Senat hatte schon im Urteil vom 10.08.1989, L 10 U 2493/87, in diesem Sinn entschieden. Auch in der Folgezeit wurde keine derartige BK in die Berufskrankheitenliste aufgenommen. Auch der Kläger trägt insoweit nichts vor. Es bedarf daher keiner weiteren Überlegungen zu der Frage, inwieweit die durch entsprechende Testungen gesicherte Diagnose einer Allergie als solche zur Prüfung einer "Wie-BK" zwingt, auch wenn deren übliche Erscheinungen von einer Listen-BK erfasst sind (z.B. Hauterkrankung: BK 5101) oder gar keine Erscheinungen vorliegen.
Die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 41 der Anlage 1 zur 7. BKVO scheiterte somit vor dem 01.01.1977 - so die Auffassung der Beklagten im Bescheid vom 07.11.1973 - am Tatbestandsmerkmal der Berufsaufgabe, weil der Kläger nur die schädigenden Labortätigkeiten unterlassen, nicht aber seinen Beruf als Fotograf oder jede Erwerbstätigkeit aufgegeben hatte. Die vollständige Tätigkeitsaufgabe im Jahre 1985 konnte hieran nichts mehr ändern. Denn zu diesem Zeitpunkt galt die BK Nr. 41 der Anlage 1 zur 7. BKVO nicht mehr. Auf die Herabsetzung der Anforderungen an den Aufgabezwang (statt jeglicher Berufstätigkeit nur Aufgabe der schädigenden Tätigkeit) K. das Begehren des Klägers wegen der dargestellten Regelungen zum zeitlichen Geltungsbereich der ab dem 01.01.1977 geltenden Vorschriften der 7. BKVO nicht gestützt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Rücknahme von Bescheiden, mit denen die Anerkennung von Berufskrankheiten abgelehnt wurde.
Der am 1921 geborene Kläger ist Fotografenmeister und war nach Ausbildung und kurzzeitiger Beschäftigung als Angestellter von 1960 bis zur Geschäftsaufgabe am 13.07.1985 mit einem Fotogeschäft (Foto-Atelier mit Labor und Handlung) selbständig. Er zeigte der Beklagten am 13.06.1972 eine Berufskrankheit (BK) wegen einer allergischen Rhinitis an, die er auf seine Tätigkeit im Fotolabor zurückführte.
Mit Bescheid vom 07.11.1973 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung auf Grund des § 551 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm der Siebten Berufskrankheiten-Verordnung vom 20.06.1968 (7. BKVO) wegen einer in der Labor- und Dunkelkammer zugezogenen BK ab. Nach fachärztlicher Beurteilung seien die Krankheitserscheinungen des Klägers (vasomotorische Rhinitis und broncho-spastische Beschwerden ohne verbliebene Funktionsbeeinträchtigung des broncho-pulmonalen Organsystems) durch chemisch-irritative und physikalisch-irritative berufliche Einwirkungen innerhalb eines fotografischen Labors verursacht worden. Der Tatbestand der Berufsaufgabe auf Grund einer versicherten BK nach Nr. 41 der (richtig: Anlage 1 zur) 7. BKVO sei jedoch nicht erfüllt, weil der Kläger lediglich die Arbeiten im fotografischen Labor und in der Dunkelkammer nicht mehr selbst durchführe. Seine hiergegen beim Sozialgericht Freiburg erhobene Klage (S 12a U 2254/73) nahm der Kläger zurück.
Ein Antrag vom 29.06.1983 (Eingangsdatum) auf Rücknahme des Bescheides vom 07.11.1973 blieb erfolglos. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg führte zur Begründung seines die Berufung des Klägers zurückweisenden Urteils vom 12.06.1990 (L 2 U 1524/85) aus, der Bescheid vom 07.11.1973 sei durch Rücknahme der Klage bindend geworden. Auf die zum 01.01.1977 in Kraft getretene neue Fassung der 7. BKVO, wonach in den die frühere Nr. 41 ersetzenden Nrn. 4301 und 4302 die Anerkennung einer BK und Bewilligung einer Verletztenrente nicht mehr davon abhängig sei, ob der Erkrankte gezwungen gewesen sei, seine berufliche Beschäftigung überhaupt bzw. jegliche Erwerbstätigkeit aufzugeben, wie dies noch im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 07.11.1973 die Nr. 41 der Anlage 1 zur 7. BKVO bei einer Atemwegserkrankung verlangt habe, könne der Kläger sich nicht mit Erfolg berufen. Die erst mit dem 01.01.1981 in Kraft getretenen Vorschriften der §§ 44 ff Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) seien nicht rückwirkend auf bereits bestandskräftig gewordene Verwaltungsakte anwendbar, bei denen auch nach § 1744 RVO a.F. eine neue Prüfung unzulässig gewesen sei. Auch eine Neufeststellung nach § 622 oder § 627 RVO könne der Kläger nicht verlangen.
Auf einen Antrag des Klägers hin prüfte die Beklagte eine BK nach Nr. 4301 bzw. 4302 der Anlage 1 zur 7. BKVO in der seit dem 01.01.1977 geltenden Fassung und nach § 551 Abs. 2 RVO und lehnte die Anerkennung einer solchen BK mit Bescheid vom 12.07.1994 und Widerspruchsbescheid vom 11.01.1995 ab. Eine Allergie gegen Arbeitsstoffe, insbesondere gegen Formaldehyd, mit klinischer Relevanz auf die Schleimhäute und Atemwege im Hinblick auf eine BK Nr. 4301 sei beim Kläger bislang nicht nachgewiesen. Im Beschäftigungszeitraum sei auch keine qualitative und quantitative Einwirkung von chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Stoffen im Sinne der BK Nr. 4302 nachgewiesen. Zudem bestehe kein objektiver Zwang zur Unterlassung bestimmter Tätigkeiten. Seine hiergegen gerichtete Klage beim Sozialgericht Freiburg (S 11 U 147/95) nahm der Kläger zurück.
Mit Bescheid vom 14.05.2008 und Widerspruchsbescheid vom 30.07.2008 lehnte die Beklagte einen (erneuten) Antrag des Klägers vom 06.11.2007 auf Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 07.11.1973 gemäß §§ 622, 627 RVO a.F. und des bestandskräftigen Bescheides vom 12.07.1994 gemäß § 44 SGB X ab.
Die hiergegen am 26.08.2008 vom Kläger erhobene Klage hat das Sozialgericht Freiburg mit Gerichtsbescheid vom 05.12.2008 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch gegen die Beklagte, ihm unter Rücknahme der Bescheide vom 07.11.1973 und 12.07.1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.1995 und unter Anerkennung von Atemwegsbeschwerden und einer Allergie auf Formalin, Hydrochinon und Platinsalze als Berufskrankheiten dem Grunde nach Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Zur weiteren Begründung hat das Sozialgericht auf den Bescheid vom 14.05.2008 Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, der Kläger habe nichts vorgetragen, woraus sich ergebe, dass der Bescheid vom 12.07.1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.1995 auf einem fehlerhaftem Sachverhalt oder auf einer unrichtigen Rechtsanwendung beruhe. Diese Bescheide hätten sich ausschließlich mit der Entstehung einer BK nach Nr. 4301 oder 4302 oder nach § 551 Abs. 2 SGB VII für die Zeit nach dem 01.01.1977 befasst. Die vom Kläger geltend gemachte Allergie auf Formaldehyd sei aber bereits 1969 beK. t gewesen. Der Einwand des Klägers, eine Arbeitsplatzanalyse habe nicht stattgefunden, sei irrelevant, da die angefochtenen Bescheide maßgeblich auf die Nichterfüllung der medizinischen Voraussetzungen, den fehlenden objektiven Unterlassungszwang und die nicht hinreichend wahrscheinliche Kausalität gestützt worden seien. Hinsichtlich des Bescheides vom 07.11.1973 komme - wie bereits mit Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 12.06.1990 festgestellt - eine Aufhebung bzw. Überprüfung weder nach § 44 SGB X noch nach §§ 622, 627 RVO in Betracht.
Der Kläger hat am 12.01.2009 Berufung gegen den seinem Bevollmächtigten am 12.12.2008 zugestellten Gerichtsbescheid eingelegt. Sein Überprüfungsantrag sei gemäß § 44 SGB X zulässig und begründet, da die Beklagte sein Krankheitsbild nicht vollständig berücksichtigt und auch eine Arbeitsplatzanalyse bislang nicht durchgeführt habe. Er habe Anspruch auf Anerkennung seiner Atemwegsbeschwerden und seiner Allergien auf Formalin, Hydrochinon und Platinsalze als Berufskrankheit.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 05.12.2008 und den Bescheid vom 14.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Bescheide vom 07.11.1973 und vom 12.07.1994 zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist nicht begründet.
Zulässig ist vorliegend nur eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, nicht aber eine Feststellungsklage, auch wenn es dem Kläger letztendlich um die Anerkennung und Entschädigung seiner Gesundheitsstörungen als BK geht. Da die Beklagte mit den Bescheiden vom 07.11.1973 und vom 12.07.1994 jedwede Entschädigung abgelehnt hat, weil kein Versicherungsfall eingetreten sei, K. der Kläger zwar grundsätzlich sein Begehren auf Anerkennung eines Versicherungsfalles im Wege einer Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG verfolgen. Dem auf Entschädigung gerichteten Teil des gestellten Antrages kommt bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung zu (BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 45/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2). Eine Feststellungsklage ist indessen im Rahmen eines so genannten Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X nicht möglich. Denn dieses Verfahren hat das Ziel, den bestandskräftigen, einen Arbeitsunfall verneinenden Verwaltungsakt zu beseitigen, im Falle des entsprechenden Klageverfahrens, die Beklagte zur Rücknahme dieses Verwaltungsaktes zu verurteilen. Bevor der bestandskräftige Ablehnungsbescheid aber nicht beseitigt ist, steht dieser - eben wegen seiner Bestandskraft - einer gegenteiligen Feststellung durch das Gericht entgegen. Damit beschränkt sich das Klagebegehren vorliegend sachgerechterweise auf die Verurteilung der Beklagten zur Rücknahme der bestandskräftigen Ablehnungsbescheide (vgl. hierzu die ständige Rechtsprechung des Senats seit Urteil vom 27.04.2006, L 10 U 5290/03).
Der klageabweisende Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat zu Recht mit dem angefochtenen Bescheid vom 14.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2008 eine Rücknahme der Bescheide vom 07.11.1973 und vom 12.07.1994 abgelehnt.
Ein Anspruch des Klägers gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf Rücknahme des Bescheides vom 07.11.1973 bzw. des Bescheides vom 12.07.1994 besteht nicht. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.
§ 44 SGB X findet auf den vor seinem Inkrafttreten zum 01.01.1981 (Art. II § 40 Abs. 1 des Gesetzes vom 18.08.1980, BGBl. I, S. 1469) erlassenen Bescheid vom 07.11.1973 keine Anwendung. Nach der Übergangsvorschrift des Art. II § 40 Abs. 2 Satz 1, 2 des Gesetzes vom 18.08.1980 (a.a.O.) sind die §§ 44 bis 49 SGB X zwar (für die Zeit nach dem 31.12.1980) auch auf aufzuhebende Verwaltungsakte anzuwenden, die vor dem 01.01.1981 erlassen worden sind. Ausgenommen sind jedoch solche Verwaltungsakte in der Sozialversicherung - zu der die gesetzliche Unfallversicherung gemäß § 4 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) gehört -, die bereits bestandskräftig waren, und bei denen auch nach § 1744 der RVO in der vor dem 01.01.1981 geltenden Fassung (a.F.) eine neue Prüfung nicht vorgenommen werden konnte (Art. II § 40 Abs. 2 Satz 3 SGB X).
Die Voraussetzungen einer Überprüfung des bestandskräftigen Bescheids vom 07.11.1973 nach § 1744 RVO liegen nicht vor. Denn nach § 1744 RVO K. gegenüber einem bindenden Verwaltungsakt eines Versicherungsträgers eine neue Prüfung nur beantragt oder vorgenommen werden, wenn im Zusammenhang mit diesem Verwaltungsakt ein (rechtskräftiges) strafgerichtliches Urteil ergangen ist, wegen einer strafbaren Handlung ein gerichtliches Strafverfahren aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht eingeleitet oder durchgeführt worden ist oder nachträglich eine dem Kläger günstige Urkunde auftaucht. Keiner dieser Tatbestände ist ersichtlich oder wird vom Kläger behauptet.
Eine Überprüfung des Bescheides vom 07.11.1973 zum Zwecke der Neufeststellung kommt auch nicht über § 622 Abs. 1 RVO a.F. (Neufeststellung bei wesentlicher Änderung der Verhältnisse) oder § 627 RVO a.F. (Neufeststellung bei zu Unrecht erfolgter Ablehnung) in Betracht. Denn diese Vorschriften wurden mit Wirkung ab dem 01.01.1981 gestrichen (Art. II § 4 Nr. 1 des Gesetzes vom 18.08.1980, a.a.O.). An ihre Stelle sind zum selben Zeitpunkt die §§ 44 ff. SGB X mit der oben ausführlich dargestellten Übergangsregelung des Art. II § 40 des Gesetzes vom 18.08.1980 getreten.
Im Ergebnis ist somit - mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 1744 RVO a.F. - eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des bestandskräftigen Bescheides vom 07.11.1973 nicht möglich.
Demgegenüber ist § 44 SGB X auf den Bescheid vom 12.07.1994 zwar anwendbar, seine Voraussetzungen sind aber nicht erfüllt, weil die obstruktive Atemwegserkrankung des Klägers nicht als BK nach Nr. 4301 - durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können - oder Nr. 4302 - durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können - der Anlage 1 zur BKVO in der im Zeitpunkt dieses Bescheides geltenden Fassung (vom 22.03.1988, BGBl. I, S. 400) festzustellen war.
Mit der Änderungsverordnung vom 08.12.1976 (BGBl. I, S. 3329) ist die BK der Nr. 41 der Anlage 1 zur 7. BKVO vom 20. Juni 1968 - Bronchialasthma, das zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung oder jeder Erwerbstätigkeit gezwungen hat - durch die Nrn. 4301 und 4302 in ihren Tatbestandsmerkmalen neu gefasst und in ihren materiell-rechtlichen Inhalt insoweit geändert worden, als - anders als bisher (als weiteres Tatbestandsmerkmal musste ein Zwang zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung oder jeglicher Erwerbstätigkeit bestehen) - die Krankheit zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben musste, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein konnten. Mit der Neufassung ist jedoch nicht neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung getragen worden. Vielmehr hat der Verordnungsgeber die Tatbestandsvoraussetzungen in einem anderen, nicht medizinisch-wissenschaftlichen Bereich geändert und eine weitere Gruppe von in Folge beruflicher Einwirkungen erkrankten Versicherten in den Kreis der gegen Arbeitsunfälle Geschützten einbezogen. Es handelt sich um eine echte Neuregelung und nicht etwa um eine Klarstellung eines bestehenden Rechtssatzes (BSG, Urteil vom 22.11.1979, 8a RU 66/79 in SozR 5670 Anl. 1 Nr. 4302 Nr. 1.).
Diese, ab 01.01.1977 geltende Neuregelung ist auf zu diesem Zeitpunkt bereits bestehende Erkrankungen nicht anzuwenden. Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen werden Tatbestände, die nach neuem Recht anspruchsbegründend sind, aber bereits vor Inkrafttreten des neuen Rechts abgeschlossen waren, von der Rechtsänderung nicht erfasst, wenn nicht das neue Recht selbst ausdrücklich oder dem Sinne nach seinen Geltungsbereich auf diese Sachverhalte erstreckt (BSG, Urteil vom 26.07.1979, 8a RU 62/78). Die Änderungsverordnung vom 08.12.1976 regelt jedoch nicht die rückwirkende Anwendung auf vor ihrem Inkrafttreten eingetretene Versicherungsfälle (BSG, Urteil vom 14.07.1978, 8 RU 22/78). Deshalb sind die ab 01.01.1977 geltenden Regelungen auf zu diesem Zeitpunkt bereits bestehende Erkrankungen nicht anzuwenden (BSG, a.a.O.). Nichts anderes gilt für die Änderung der BK Nr. 4301 der Anlage 1 zur 7. BKVO in der Fassung der Änderung der BKVO vom 22.03.1988 (a.a.O.), mit der nach dem Wort "Atemwegserkrankungen" der Klammerzusatz "(einschließlich Rhinopathie)" eingefügt wurde. Denn Art. 3 Nr. 2 dieser am 01.04.1988 in Kraft getretenen (Nr. 1 der genannten Vorschrift) Verordnung sah eine rückwirkende Anwendung unter weiteren Kautelen nur für Versicherungsfälle nach dem 31.12.1976 vor.
Weil somit der Neufassung der Nrn. 4301 und 4302 der Anlage 1 zur 7. BKVO anspruchsbegründende und nicht nur klarstellende Wirkung zukam, rechtfertigt es der so auf einen weiteren Personenkreis erstreckte Unfallversicherungsschutz mangels einer entsprechenden gesetzlichen Regelung nicht, die neue Vorschrift rückwirkend auf "alte Versicherungsfälle" anzuwenden (BSG, Urteil vom 22.11.1979, a.a.O.). Von der Nr. 41 der Anlage 1 zur 7. BKVO vom 20. Juni 1968 erfasste Erkrankungen wurden somit von den Nrn. 4301 und 4302 der Anlage 1 zur 7. BKVO ebenso wenig erfasst wie sonstige schon vor dem 01.01.1977 bestehende Erkrankungen.
Der Kläger litt aber bereits vor dem 01.01.1977 an der von ihm als Berufskrankheit bezeichneten Atemwegserkrankung. Dies ergibt sich zunächst aus der ärztlichen Anzeige über eine Berufskrankheit des damals behandelnden Arztes Dr. R. vom 13.05.1972, in der eine Rhinitis allergica, das Synonym für die in der BK Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKVO aufgeführten Rhinopathie, angegeben ist. Diese Erkrankung einschließlich broncho-spastischer Beschwerden bestätigte sich im Rahmen der nachfolgenden Sachaufklärung der Beklagten (internistisches Gutachten des Dr. K. , Chefarzt der Klinik für Berufskrankheiten R. vom 03.09.1973). Auf Grund ihrer Ermittlungen ging die Beklagte im Bescheid vom 07.11.1973 auch davon aus, dass beim Kläger broncho-spastische Beschwerden durch chemisch-irritative und physikalisch-irritative berufliche Einwirkungen innerhalb eines fotografischen Labors bestanden. Anderes behauptet auch der Kläger nicht. Er hat im Berufungsverfahren nochmals vorgetragen, bereits im Juni 1972 wegen bestehender Atemwegsbeschwerden die Anerkennung einer Berufskrankheit bei der Beklagten beantragt zu haben. Nichts anderes gilt für die vom Kläger als Grund einer BK behaupteten Allergien. Wie dem von ihm in Kopie vorgelegten Allergiepass (Bl. 26 der Senatsakte) zu entnehmen ist, lagen diese Allergien (gegen Platintetrachlorid, Hydrochinon und Formaldehyd) bereits 1972 vor.
Schließlich war auch die Ablehnung der Feststellung einer BK nach § 551 Abs. 2 RVO hinsichtlich Formaldehyd bzw. Formalin im Bescheid vom 12.07.1994 nicht rechtswidrig. Nach dieser Vorschrift (zur vergleichbaren aktuellen Rechtslage vgl. § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch) sollten die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt waren. Eine Krankheit konnte nach § 551 Abs. 2 RVO nur dann wie eine Berufskrankheit entschädigt werden, wenn "neue Erkenntnisse" erst nach dem Erlass der letzten BKVO bekanntgeworden waren oder sich erst nach diesem Zeitpunkt zur Berufskrankheitsreife verdichtet hatten (vgl. hierzu umfassend BSG, Urteil vom 04.06.2002, B 2 U 20/01 R ). Die Erkrankung der Atemwege des Klägers, sofern auf die genannte Allergie zurückzuführen, hätte also wie eine Berufskrankheit entschädigt werden müssen, wenn im Zeitpunkt seiner Erkrankung neue Erkenntnisse in diesem Sinne bereits bestanden, die den Verordnungsgeber veranlassten, diese Krankheit später, nämlich in der Neufassung der BKVO vom 08.12.1976, als Berufskrankheit zu bezeichnen. Wie dargelegt, ist dies nicht der Fall. Denn die Erkrankung des Klägers war im Zeitpunkt ihres Auftretens in der BK Nr. 41 der Anlage 1 zur 7. BKVO als BK bereits erfasst, die spätere Herabsetzung der Anforderungen an den Aufgabezwang erfolgte nicht auf Grund nur medizinischer Erkenntnisse (BSG, Urteil vom 22.11.1979, a.a.O.). Soweit der Kläger in seiner Berufung eine Hauterkrankung auf Grund der erwähnten Allergie behauptet, gilt nichts anderes. Hauterkrankungen waren von der 7. BKVO unter Nr. 46, ab dem 01.01.1977 unter Nr. 5101 der Anlage 1 erfasst. Soweit die Beklagte die Allergie gegen Formaldehyd bzw. Formalin als solche, also unabhängig von möglichen Krankheitserscheinungen, als "Wie-BK" im Bescheid vom 12.07.1994 ablehnte, weil keine neuen Erkenntnisse über eine erhöhte Gefährdung bestimmter Personengruppen durch ihre Arbeit vorlägen, ist nicht erkennbar, warum dies unrichtig gewesen sein soll. Der Senat hatte schon im Urteil vom 10.08.1989, L 10 U 2493/87, in diesem Sinn entschieden. Auch in der Folgezeit wurde keine derartige BK in die Berufskrankheitenliste aufgenommen. Auch der Kläger trägt insoweit nichts vor. Es bedarf daher keiner weiteren Überlegungen zu der Frage, inwieweit die durch entsprechende Testungen gesicherte Diagnose einer Allergie als solche zur Prüfung einer "Wie-BK" zwingt, auch wenn deren übliche Erscheinungen von einer Listen-BK erfasst sind (z.B. Hauterkrankung: BK 5101) oder gar keine Erscheinungen vorliegen.
Die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 41 der Anlage 1 zur 7. BKVO scheiterte somit vor dem 01.01.1977 - so die Auffassung der Beklagten im Bescheid vom 07.11.1973 - am Tatbestandsmerkmal der Berufsaufgabe, weil der Kläger nur die schädigenden Labortätigkeiten unterlassen, nicht aber seinen Beruf als Fotograf oder jede Erwerbstätigkeit aufgegeben hatte. Die vollständige Tätigkeitsaufgabe im Jahre 1985 konnte hieran nichts mehr ändern. Denn zu diesem Zeitpunkt galt die BK Nr. 41 der Anlage 1 zur 7. BKVO nicht mehr. Auf die Herabsetzung der Anforderungen an den Aufgabezwang (statt jeglicher Berufstätigkeit nur Aufgabe der schädigenden Tätigkeit) K. das Begehren des Klägers wegen der dargestellten Regelungen zum zeitlichen Geltungsbereich der ab dem 01.01.1977 geltenden Vorschriften der 7. BKVO nicht gestützt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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