L 7 AS 78/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KG 16/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 78/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 14.07.2008 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Kinderzuschlag.

Der 1961 geborene Kläger beantragte im November 2006 bei der Beklagten die Bewilligung von Kinderzuschlag für seine beiden, 1987 und 1991 geborenen Kinder K und K1. Nach einer Bescheinigung der T e.V. vom 03.11.2006 erzielte der Kläger von August bis Oktober 2006 monatlich ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 130,- EUR. Am 22.02.2007 teilte die T e.V. mit, dass der Kläger monatlich 125,- EUR Taschengeld erhalte und weitere Barzahlungen durch den Verein nicht getätigt werden. Aus der im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Lohnabrechnung für September 2009 ergibt sich ein Gehalt in Höhe von 165,51 EUR brutto und 132,03 EUR netto. Am 23.02.2007 erläuterte der Kläger gegenüber der Beklagten, dass er bei der Selbsthilfegruppe beschäftigt sei, dort mit seinen Kindern freie Unterkunft und das Mittagessen sowie das Taschengeld erhalte.

Mit Bescheid vom 27.02.2007 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers unter Hinweis darauf, dass die Mindesteinkommensgrenze nicht erreicht sei, ab. Ergänzend wies die Beklagte darauf hin, dass nach den eingereichten Unterlagen ggf. ein Anspruch auf Grundsicherung bestehen könnte. Falls der Kläger diese Leistung in Anspruch nehmen wolle, müsse er innerhalb eines Monats nach Erhalt des Bescheides beim zuständigen Träger unter Vorlage des Bescheides vom 27.02.2007 einen Antrag stellen. Mit seinem Widerspruch wandte sich der Kläger gegen die in der Entscheidung zum Ausdruck kommende "grobe Unbilligkeit" und "Diskriminierung" der von ihm gewählten Lebensform in einer Selbsthilfegruppe.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.03.2007 zurück. Dem Anspruch auf Kinderzuschlag stehe entgegen, dass der Kläger nicht über Einkommen im Sinn des § 11 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) verfüge, das seine eigene Hilfebedürftigkeit ausschließe. Der Kläger erhalte monatlich das Taschengeld und das kostenlose Mittagessen. Damit sei den 125,- EUR nach der Sachbezugsverordnung monatlich 79,20 EUR bzw. 80,- EUR hinzuzufügen. Das monatliche Einkommen liege unterhalb der Regelleistung (345,- EUR) zuzüglich des Mehrbedarfs für Alleinerziehende in Höhe von 41,- EUR.

Der Kläger stellte am 10.05.2007 einen Antrag auf Neubescheidung. Diesen hat die Beklagte nicht beschieden.

Der Kläger hat am 05.04.2007 Klage bei dem Sozialgericht (SG) Köln erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, die Beklagte hätte die Unterkunft, die der Verein zur Verfügung stellt, als Einkommen berücksichtigen müssen. Er erhalte auch vom Verein Unterhalt für seine (weiteren) Kinder. Da dieses direkt an die Mütter der Kinder K S und T T gezahlt werde, habe er es nicht als Einkommen aufgefasst.

Zu dem vom SG anberaumten Erörterungstermin ist der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass keine Kosten der Unterkunft anzusetzten seien, da der Kläger mietfrei wohne. Da der Kläger keine weiteren Angaben mache, könne nicht beurteilt werden, ob Zahlungen an die Mütter der Kinder durch die Selbsthilfevereinigung erfolgen und diese ggf. als Einkommen des Klägers anzusehen seien.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14.07.2008 abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt:

Ein Anspruch auf Kinderzuschlag bestehe nicht, da der Kläger nicht über Einkommen verfüge, das eine Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II ausschließe. Der Kläger erhalte ein Taschengeld in Höhe von 125,- EUR. Der Regelsatz nach dem SGB II von 345,- EUR werde nicht erreicht. Auch unter Berücksichtigung der kostenlosen Verpflegung mittags (ca. 80,- EUR) verbliebe noch ein Leistungsanspruch nach dem SGB II.

Gegen den dem Kläger am 22.07.2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 15.08.2007 Berufung eingelegt. Der Kläger ist der Ansicht, dass er den Kinderzuschlag beanspruchen könne. Der Verein stelle auf dem Betriebsgelände die Wohnung sicher und zudem erhalte er für seine Arbeit ein Taschengeld. Seine Kleidung stamme aus Entrümpelungen. Er selbst und die anderen Mitglieder des Vereins seien in der Lage, mit geringeren Beträgen als dem Regelsatz auszukommen. Daher sei er nicht auf einen Anspruch auf Grundsicherung zu verweisen, sondern müsse an der hier begehrten Leistung teilhaben können. Es stelle eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung dar, dass die von ihm gewählte Lebensform bei der gesetzlichen Ausgestaltung des Kinderzuschlages keine Berücksichtigung gefunden habe.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 14.07.2008 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 27.02.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2007 zu verurteilen, ihm für seine beiden Kinder Kinderzuschlag zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den Akteninhalt sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Kinderzuschlag erhalten nach § 6a Abs. 1 BKGG Personen für in ihrem Haushalt lebende Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, wenn u.a. sie mit Ausnahme des Wohngeldes über Einkommen oder Vermögen im Sinne der §§ 11, 12 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) mindestens in Höhe des nach Absatz 4 S. 1 für sie maßgebenden Betrages und höchstens in Höhe der Summe aus diesem Betrag und dem Gesamtkindergeldzuschlag nach Abs. 2 verfügen.

Der Kläger verfügt nicht über Einkommen nach § 11 SGB II mindestens in Höhe des nach § 6a Abs. 4 S. 1 BKGG für ihn maßgebenden Betrages (§ 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG). Der maßgebende Betrag bestimmt sich nach § 6a Abs. 4 S. 1 BKGG (idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006 - BGBl I S 1706) aus dem Alg II nach § 19 S. 1 Nr. 1 SGB II ohne Berücksichtigung der Kinder. Daraus folgt, dass bei dem Anspruchsteller die Mindesteinkommensgrenze erreicht sein muss, d.h. die Einkünfte des Anspruchstellers müssen seinen Bedarf nach den Maßstäben des SGB II decken. Daran fehlt es. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung, die sich der Senat nach Prüfung zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG)

Die Verneinung des Anspruchs auf Kinderzuschlag für den Kläger stellt keine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) dar. Nach dieser Norm ist der Gesetzgeber gehalten, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln (BVerfGE 98, 365, 385). Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem einem Personenkreis eine Begünstigung gewährt wird, einem anderen die Begünstigung aber vorenthalten bleibt (BVerfGE 105, 73, 110, 133). Aus dem allgemeinem Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht finden lässt. Weiterhin ist der allgemeine Gleichheitssatz verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (BVerfGE a.a.O.; 107, 27, 46). Bei der Prüfung, ob eine Regelung, die allein eine Begünstigung gewährt, den begünstigten vom nicht begünstigten Personenkreis im Einklang mit dem allgemeinen Gleichheitssatz abgrenzt, ist aber nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner hierbei grundsätzlich weiten Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfGE 23, 258, 264; 52, 277, 280; 112, 164, 175).

Soweit der Kläger geltend macht, dass er als Mitglied einer Gruppe seinen Bedarf unabhängig von Grundsicherungsleistungen und zudem mit einem geringeren Betrag als dem Regelsatz decke, gleichheitswidrig vom Bezug des Kinderzuschlages ausgeschlossen werde, liegt kein Verstoß gegen Art. 3 GG vor. Denn grundsätzlich könnnen alle Personen, die die Mindesteinkommensgrenze nicht erreichen, keinen Kinderzuschlag erhalten, sondern werden auf die Leistung nach dem SGB II verwiesen. Damit werden beide Gruppen gleich behandelt. Soweit der Kläger sich gegen die im Gesetz verankerte Gleichbehandlung wendet und eine abweichende, anspruchsbejahende Behandlung seines Falles fordert, ist unter Beachtung auf die oben dargestellten Grundsätze darauf hinzuweisen, dass dem Gesetzgeber ein weites gesetzgeberisches Ermessen eingeräumt ist, so dass seine typisierende Regelung des Kinderzuschlages keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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