S 6 KN 27/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Cottbus (BRB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 6 KN 27/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 R 1818/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 13. Oktober 2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Der 1952 geborene Kläger ist gelernter Zimmerer. Er war zuletzt abhängig beschäftigt als Gerüstbau-Obermonteur. Er beantragte am 20. Juni 2002 Rente wegen Erwerbsminderung und begründete dies mit einer Abnutzung der Hals- und Lendenwirbelsäule. Trotz einer Kur sei keine Besserung eingetreten. Die Beklagte zog das Gutachten des MDK vom 7. November 2002 und den Reha-Entlassungsbericht vom 4. Oktober 2002 bei. Sie veranlasste bei ihrem sozialmedizinischen Dienst das Gutachten vom 11. April 2003 von Dr. Z.

Mit Bescheid vom 12. Juni 2003 bewilligte die Beklagte Rente für Bergleute wegen teilweiser Erwerbsminderung nach Aufgabe der knappschaftlichen Beschäftigung. Mit Bescheid vom 13. Juni 2003 lehnte die Beklagte Rente wegen voller Erwerbsminderung ab. Es seien im Rahmen der ärztlichen Untersuchungen folgende Befunde erhoben worden: Lumboischialgie links bei NPP L3/4 und L5/S1 und Bandscheibenprotrusionen und degenerativen Veränderungen, Cervicobrachial-Syndrom links, Sensibilitätsstörungen beider Hände bei Sulcusulnaris-Syndrom beidseitig, rechts Zustand nach OP Mai 2000, arterieller Hypertonus, Adipositas. Der Kläger werde noch für fähig erachtet, eine Erwerbstätigkeit mit mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben. Dagegen wandte er sich mit seinem Widerspruch vom 8. Juli 2003. Diesen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2004 zurück, weil der Widerspruch nicht begründet worden sei und eine Überprüfung nach Aktenlage ergeben habe, dass der Bescheid nicht zu beanstanden sei.

Der Kläger hat sein Begehren mit seiner Klage weiter verfolgt. Das Sozialgericht hat die Befundberichte vom Facharzt für Orthopädie S und von der Hausärztin des Klägers, die Fachärztin für Allgemeinmedizin S, eingeholt und die Begutachtung durch den Orthopäden Dr. W und den Nervenarzt Dr. L veranlasst. Mit Urteil vom 13. Oktober 2005 wies das Sozialgericht die Klage zurück. Die Sachverständigen des Gerichts wie auch die im Verwaltungsverfahren tätigen Gutachter seien übereinstimmend zu der Auffassung gelangt, dass der Kläger noch vollschichtig tätig sein könne bei Ausübung körperlich leichter Arbeiten überwiegend im Sitzen. Damit lägen keine volle Erwerbsminderung und auch keine teilweise Erwerbsminderung vor. Bei einem vollschichtigen Leistungsvermögen stelle sich auch nicht die Frage der Berücksichtigung des Arbeitsmarktes. Zudem sei der Kläger in der Lage, Arbeitsplätze zu erreichen. Seine Berufung begründet der Kläger mit unvollständigen Ermittlungen des Sozialgerichts. Er hat das Gutachten vom 8. August 2005 des sozialmedizinischen Dienstes der Knappschaft, das auf Anforderung des Sozialgerichts Cottbus in einem Verfahren nach dem Recht der Schwerbehinderung angefertigt wurde, eingereicht. Der Gesundheitszustand habe sich deutlich verschlechtert. Für ihn sei nicht nachvollziehbar, weshalb er trotz erheblicher Herzrhythmusstörungen und Gicht neben den anderen Erkrankungen nach wie vor in der Lage sein soll, eine vollschichtige Tätigkeit auszuüben.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 13. Oktober 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger seit dem 13. November 2002 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat im vorbereitenden Verfahren die Befundberichte der Hausärztin des Klägers vom 27. April 2006 und 21. September 2007 sowie das internistische Gutachten durch Dr. G vom 4. Mai 2007 und das kardiologische Gutachten durch Dr. K- vom 27. Februar 2008 eingeholt.

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der mit der Klage angefochtene Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2004 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Die Rente wegen voller Erwerbsminderung nach §§ 43 Abs 2, 102 Abs 2 SGB VI setzt voraus, dass der Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein. Dabei kommt es nicht auf das konkrete Berufsleben des Betroffenen an, sondern darauf, ob überhaupt noch irgendeine Erwerbstätigkeit von wirtschaftlicher Relevanz ausgeübt werden kann. Anspruch auf eine solche Rente besteht auch dann, wenn das Restleistungsvermögen für Arbeiten von wirtschaftlichem Wert zwar mindestens drei Stunden, jedoch nicht mehr sechs Stunden arbeitstäglich erreicht und eine entsprechende Teilzeitbeschäftigung dem Versicherten nicht nachgewiesen werden kann (st Rspr des BSG).

Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers nicht erfüllt. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der Kläger noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Dabei geht der Senat davon aus, dass der Kläger mindestens sechs Stunden arbeitstäglich leichte und einfache Arbeiten überwiegend im Sitzen, ohne Zwangshaltungen, nicht auf Leitern/Gerüsten, nicht im Freien oder in Kälte und Nässe, ohne Zeitdruck, mit einfachen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit und Aufmerksamkeit und ohne Publikumsverkehr/häufiges Telefonieren und nicht in Wechsel- oder Nachtschicht verrichten kann. Derartige einfache und leichte Tätigkeiten (insbesondere einfache Bürotätigkeiten) kann der Kläger, ohne auf Kosten seiner Gesundheit zu arbeiten, noch täglich vollschichtig, jedenfalls mindestens sechs Stunden pro Werktag ausüben. Dies ergibt sich aus sämtlichen vom Sozialgericht und durch den Senat eingeholten Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen. Die Sachverständigen weichen hinsichtlich der Beurteilung des noch vorhandenen Restleistungsvermögens lediglich hinsichtlich der Fragen, inwieweit Wechselschicht und Tätigkeiten mit Publikumsverkehr möglich sind, voneinander ab. Insoweit unterstellt der Senat zugunsten des Klägers, dass dieser auch diesen Anforderungen nicht mehr gewachsen ist. Im Übrigen halten die Sachverständigen übereinstimmend vollschichtiges Arbeiten mit den bezeichneten Einschränkungen für medizinisch zumutbar. Auch der kardiologische Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass selbst die Störungen der Herztätigkeit bei entsprechender Behandlung eine vollschichtige leichte Tätigkeit ohne besonderen Stress nicht ausschließen. Die Sachverständigen, insbesondere der internistische Sachverständige des Senats, haben kritisch die bisherige Behandlung und die jeweiligen Vorgutachten gewürdigt und die Vorbefunde einbezogen. Zum Teil wurden auf veränderte/neue Befunde neue diagnostische Bewertungen vorgenommen. Dies spricht für eine besonders gründliche und umfassende Untersuchung und Begutachtung. Die einzelnen Gesundheitsstörungen wurden eingehend, differenzierend hinsichtlich der mit ihnen verbundenen Leistungseinschränkungen gewürdigt. Die Gutachten haben daher für den Senat eine besonders hohe Überzeugungskraft. Die behandelnden Ärzte haben von den Sachverständigen abweichende Leistungsbeurteilungen nicht vorgenommen. Soweit die Hausärztin darauf hinweist, dass der Allgemeinzustand des Klägers vom chronischen Schmerzsyndrom mit seinem Ursprung in den orthopädischen Erkrankungen geprägt sei, sind diese Aspekte bereits im sozialgerichtlichen Verfahren durch die orthopädische und nervenärztliche Begutachtung gewürdigt wurden. Die Hausärztin selbst nimmt jedoch eine von den gerichtlichen Sachverständigen des Sozialgerichts abweichende Beurteilung des Leistungsvermögens nicht vor. Dies gilt auch hinsichtlich der kardiologischen und weiteren internistischen Erkrankungen des Klägers. Der Senat hat unter diesen Umständen keinen Anlass zu Zweifeln an der Beurteilung des dem Kläger trotz seiner erheblichen Erkrankungen verbliebenen restlichen Leistungsvermögens durch die medizinischen Sachverständigen. Weitere Ermittlungen waren daher nicht veranlasst.

Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegen beim Kläger mit den benannten weiteren qualitativen Leistungs-einschränkungen nicht vor. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist im Falle einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung eine zumutbare Verweisungstätigkeit zu benennen (BSG, Großer Senat, Beschluss vom 19.12.1996, GS 2/95, JURIS-RdNr 37). Beispiele, welche Einschränkungen jedenfalls nicht zu einer konkreten Benennung veranlassen, hat der Große Senat des BSG aufgelistet: Ausschluss von Tätigkeiten, die überwiegendes Stehen oder ständiges Sitzen erfordern, in Nässe oder Kälte oder mit häufigem Bücken zu leisten sind, besondere Finger-fertigkeiten erfordern oder mit besonderen Unfallgefahren verbunden sind; Ausschluss von Arbeiten im Akkord, im Schichtdienst, an laufenden Maschinen; Ausschluss von Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an das Seh-, Hör- oder Konzentrationsvermögen stellen (BSG ebd). Die für den Kläger von den Sachverständigen festgestellten Einschränkungen sind davon sämtlich erfasst oder sind jedenfalls den genannten Einschränkungen vergleichbar, weil sie nicht ungewöhnlich oder spezifisch leistungsbehindernd sind. Die Wegefähigkeit des Klägers ist erhalten.

Insoweit, als für den Kläger nicht nachvollziehbar erscheint, dass er noch vollschichtig einsetzbar ist, ist darauf hinzuweisen, dass er für die Voraussetzungen der von ihm begehrten Rente beweisbelastet ist und er den Nachweis erbringen müsste, dass er nur noch weniger als drei Stunden pro Tag tätig werden kann. Die vorhandenen Beweise sprechen schon dagegen, dass sein Restleistungsvermögen weniger als sechs Stunden täglich umfassen würde. Ihm ist deshalb auch keine Teilzeittätigkeit nachzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt die Erfolglosigkeit der Rechtsverfolgung.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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