Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 10 R 6010/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 996/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 29. Mai 2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Zulässigkeit der Klage.
Der 1941 geborene Kläger bezieht seit dem 01. April 2006 eine Regelaltersrente, die auf der Grundlage von 23,9892 persönlichen Entgeltpunkten in Höhe von 570,67 EUR monatlich gezahlt wird (Bescheid vom 22. März 2006). Es verblieb bei der Bewilligung ein Nachzahlbetrag von 570,67 EUR, der dem Kläger nicht ausgezahlt wurde. Die AOK B hatte bereits mit Schreiben vom 12. Juni 2001 die Prüfung angeregt, ob eine Aufrechnung oder Verrechnung der von dem Kläger geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge mit einer Leistung in Betracht komme. Die Beklagte merkte das Ersuchen vor und wandte sich unter dem 23. März 2006 an die AOK B mit der Frage, ob das Verrech-nungsersuchen noch bestehe. Dies bejahte die AOK mit Schreiben vom 29. März 2006 und gab an, der Kläger schulde Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Nebenforderungen für die Zeit vom 02. Dezember 1994 bis zum 17. März 1996 in Höhe von 17.633,85 EUR zuzüglich weiterer Säumniszuschläge in Höhe von 1 v. H. ab Juli 2003. Die Ansprüche seien nicht verjährt. Es werde gebeten zu prüfen, ob eine Aufrechnung/Verrechnung durchzuführen sei. Mit Schreiben vom 07. April 2006 hörte die Beklagte den Kläger zu der beabsichtigten Verrechnung der geschuldeten Gesamtsozialversicherungsbeiträge mit der laufenden Rente nach § 52 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) an. Es sei beabsichtigt, mo-natlich einen Betrag von 285,- EUR von der laufenden Rente und von der Nachzahlung einmalig einen Betrag von 285,- EUR einzubehalten. Für den Fall, dass der Kläger durch die beabsichtigte Verrechnung hilfebedürftig werde, sei dies durch eine Bedarfsbescheinigung des Sozialhilfeträgers nachzuweisen. Der Kläger reagierte auf dieses Schreiben nicht. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 16. Mai 2006 mit, dass gegen die Rente ab Juli 2006 monatlich 285,- EUR verrechnet würden. Weiterhin würden von der Nachzahlung einmalig 285,- EUR einbehalten. Dagegen legte der Kläger durch seine Bevollmächtigte per Fax Widerspruch ein und begründete diesen damit, die Verrechnung sei rechtswidrig, da sie gegen § 850 b i. V. m. § 850 c Zivilprozessordnung (ZPO) verstoße. Der monatliche Rentenzahlbetrag von 570,67 EUR liege unter der Mindestgrenze vom 930,- EUR gemäß § 850 c ZPO, so dass die Rente unpfändbar und eine Verrechnung nicht möglich sei. Außerdem erhalte er nach der Verrechnung nur noch 285,67 EUR und damit weniger als den Sozialhilfesatz. Dem Fax war eine formularmäßige Prozessvollmacht in Sachen "Deutsche Rentenversicherung Bund wegen Bescheid vom 16. Mai 2006", ausgestellt am 13. Juni 2006, beigefügt. Die Beklagte wies den Kläger zunächst darauf hin, dass die Tabelle zu § 850 c ZPO für die Verrechnung nicht maßgebend sei. Außerdem obliege es seit dem 01. Januar 2005 dem Leistungsberechtigten nachzuweisen, dass er durch die Verrechnung hilfe-bedürftig werde. Ein solcher Nachweis liege bisher nicht vor. Da der Kläger darauf nicht reagierte, wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 24. November 2006 zurück.
Dagegen hat die Bevollmächtigte des Klägers Anfechtungsklage bei dem Sozialgericht Berlin erhoben, ohne diese zu begründen. Sie hat außerdem die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt. Eine schriftliche Vollmacht des Klägers hat sie nicht vorgelegt. Auf die Aufforderung des Sozialgerichts vom 08. Januar 2007, eine schriftliche Voll-macht vorzulegen, hat die Bevollmächtigte ebenso wenig reagiert wie auf das gerichtliche Schreiben vom 15. März 2007, mit dem sie unter Fristsetzung binnen eines Monats nach Erhalt des Schreibens aufgefordert worden ist, eine Vollmacht nachzureichen. Sie ist darauf hingewiesen worden, dass eine vollmachtlose Klage als unzulässig abzuweisen sei und der Mangel in der Berufungsinstanz nicht geheilt werden könne. Außerdem hat das Sozialgericht die Bevollmächtigte zum Erlass eines Gerichts-bescheids angehört. Auch darauf ist keine Reaktion erfolgt.
Durch Gerichtsbescheid vom 29. Mai 2007 hat das Sozialgericht die Klage als unzulässig abgewiesen, da keine schriftliche Vollmacht zu den Akten gereicht worden sei. Mit Beschluss vom 29. Mai 2007 hat das Sozialgericht außerdem den Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt.
Dagegen hat die Bevollmächtigte Berufung eingelegt. Auf Aufforderung des Senats hat sie die Originalvollmacht vom 13. Juni 2006 aus dem Verwaltungsverfahren vorge-legt und die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt, die mit Beschluss vom 02. September 2009 abgelehnt worden ist. Nach Kenntnis des Beschlusses hat sie gel-tend gemacht, nach ihrer Aktenlage müsse der Klageschrift per Fax die Vollmacht vom 13. Juni 2006 beigefügt gewesen sein. Eine Vollmacht per Fax sei auch ausrei-chend. Zudem gelte der Grundsatz, dass Änderungen des Prozessrechts beim Fehlen von abweichenden Übergangsbestimmungen auch laufende Verfahren erfassten.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. Mai 2007 sowie den Bescheid vom 16. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. November 2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung durch Urteil entscheiden, denn für den ordnungsgemäß geladenen Kläger ist niemand erschienen. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig aber unbegründet. Das Sozial-gericht hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen, da die Bevollmächtigte des Klägers keine sie legitimierende Prozessvollmacht vorgelegt hat. Der per Fax erhobenen Klage waren nur der angefochtene Bescheid und der Widerspruchsbescheid bei-gefügt, jedoch keine Prozessvollmacht.
Gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) können sich die Beteiligten in jeder Lage des Verfahrens durch prozessfähige Bevollmächtigte vertreten lassen. Nach § 73 Abs. 2 Satz 1 SGG in der bis zum 31. Juli 2008 geltenden Fassung (a. F.) ist die Vollmacht schriftlich zu erteilen und zu den Akten bis zur Verkündung der Ent-scheidung einzureichen; sie kann auch zur Niederschrift des Gerichts erteilt werden. Die geänderte Rechtslage, wonach das Fehlen der Vollmacht nur noch dann von Amts wegen zu prüfen ist, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt (§ 73 Abs. 6 Satz 4 SGG in der ab dem 01. August 2008 geltenden Fassung), findet auf den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt keine Anwendung, denn die geän-derte Vorschrift ist gemäß Art. 20 Satz 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts-beratungsgesetzes vom 12. Dezember 2007 – ohne Rückwirkung – erst am 01. August 2008 und damit nach Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung in Kraft getreten.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist die Klage als un-zulässig zu verwerfen, wenn der für den Kläger im Rechtsstreit auftretende anwaltli-che Prozessbevollmächtigte bis zur jeweiligen gerichtlichen Entscheidung keine schriftliche Prozessvollmacht zu den Gerichtsakten eingereicht hat. "Akten" im Sinne dieser Vorschrift sind die Gerichtsakten; denn sie regelt die Prozessvertretung vor Ge-richt und spricht von der Verkündung einer Entscheidung, womit die nächstfolgende Gerichtsentscheidung gemeint ist (so BSG in SozR 3-1500 § 73 Nr. 9 m. w. N.). Mit Rücksicht auf die Regelung des § 73 Abs. 2 Satz 1 SGG a. F. bestehen keine rechtli-chen Bedenken dagegen, dass ein Richter nach Klageerhebung oder später auf einer zu den Gerichtsakten bis zur Verkündung der instanzabschließenden Entscheidung einzureichenden schriftlichen Prozessvollmacht für das sozialgerichtliche Verfahren besteht und diese vom Bevollmächtigten fordert (BSG in SozR 3-1500 § 73 Nr. 9; Be-schluss des BSG vom 16. Mai 2003 - B 13 RJ 83/02 B -). Entspricht das Vorgehen ei-nes Bevollmächtigten im Rechtsstreit nicht den vorgenannten gesetzlichen Anforde-rungen und reicht dieser eine Klageschrift ohne schriftliche Prozessvollmacht ein, ist die Klage unzulässig. Das Vorhandensein der Prozessvollmacht und die daran ange-knüpfte Zulässigkeit der Klage sind im sozialgerichtlichen Verfahren grundsätzlich von Amts wegen zu prüfen (so Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bun-des in SozR 1500 § 73 Nr. 4). Ist keine Prozessvollmacht zu den Gerichtsakten gelangt, bedarf es allerdings, damit das Gericht die Klage ohne Prüfung in der Sache als unzulässig abweisen kann, re-gelmäßig einer vorherigen schriftlichen richterlichen Aufforderung an den Bevollmäch-tigten, in einer bestimmten Frist die fehlende Vollmachtsurkunde nachzureichen, ver-bunden mit dem Hinweis, dass die Klage anderenfalls als unzulässig abgewiesen werden kann. Spätestens nach Erhalt dieses richterlichen Schreibens, das eine Anhö-rungs- und Warnfunktion hat, muss sich dem Prozessbevollmächtigten aufdrängen, dass das Fehlen der Prozessvollmacht, zu dessen Behebung er im Einzelfall aufge-fordert worden ist, auch in einem möglicherweise nachfolgenden Rechtsmittelverfah-ren grundsätzlich nicht mehr geheilt werden kann. Allerdings kann nach der Recht-sprechung des BSG ausnahmsweise eine Heilungsmöglichkeit im nachfolgenden Rechtsmittelverfahren dann angenommen werden, wenn die Vollmachtsurkunde schon vor Erlass der Entscheidung ausgestellt und in der Vorinstanz keine Frist für die Einreichung der Vollmacht gesetzt oder trotz Fehlens der Vollmacht in der Sache ent-schieden wurde (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes in SozR 1500 § 73 Nr. 4 und BSG in SozR 1500 § 73 Nr. 2). Außerdem reicht eine Vollmacht, die im Verwaltungsverfahren erteilt ist, dann aus, wenn sie zweifelsfrei deutlich macht, dass sie auch im anschließenden Rechtsstreit gelten soll (BSG in SozR 3-1500 § 73 Nr. 2). Allein das Vorhandensein einer Vollmacht in den beigezogenen Verwaltungs-akten, die auch zur Einlegung von Rechtsmitteln ermächtigt, genügt jedoch nicht (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Auflage, 2005, § 73 Randnummer 13 a m. w. N.). Vielmehr muss sich der Bevollmächtigte im Klage-verfahren auf die im Verwaltungsverfahren vorliegende Vollmacht auch ausdrücklich berufen. Nach der - fortentwickelten - Rechtsprechung des BSG (BSG in SozR 3-1500 § 73 Nr. 9) kann nach dem auf das Erfordernis der Einreichung zu den Gerichtsakten abstel-lenden Wortlaut des § 73 Abs. 2 Satz 1 SGG a. F. nur derjenige für das Verwaltungs-verfahren Bevollmächtigte als zugleich im Klageverfahren bevollmächtigt angesehen werden, der im Sozialgerichtsverfahren selbst eine Verklammerung zwischen Verwal-tungs- und Gerichtsakten herstellt, indem er sich - zur Einreichung einer Prozessvoll-macht richterlich aufgefordert - gegenüber dem Gericht auch ausdrücklich darauf be-ruft und aufzeigt, dass die in den Verwaltungsakten befindliche Vollmacht die Vertre-tung im Gerichtsverfahren mit abdeckt. Nur wenn diese Vollmacht ihrem Inhalt nach zweifelsfrei das nachfolgende gerichtliche Verfahren mit umfasst, ist den Anforderun-gen des § 73 Abs. 2 SGG a. F. Genüge getan.
Unter Beachtung der obigen Ausführungen ist die Klage nicht zulässig gewesen, denn die Vertreterin des Klägers hat keine schriftliche Prozessvollmacht bis zur Entschei-dung durch das Sozialgericht zu den Akten gereicht. Sie ist nicht nur unter dem 08. Januar 2007 mit der Eingangsbestätigung der Klage zur Vorlage einer schriftlichen Vollmacht binnen drei Wochen aufgefordert worden, sondern auch mit dem gerichtli-chen Schreiben vom 15. März 2007. In diesem Schreiben ist die Rechtslage unter Be-zugnahme auf eine Entscheidung des BSG deutlich dargelegt worden. Das Schreiben enthielt auch den nicht misszuverstehenden Hinweis auf die fehlende Zulässigkeit der Klage sowie die fehlende Heilungsmöglichkeit im Berufungsverfahren. Gleichwohl hat die Bevollmächtigte nicht reagiert. Es kann dahin stehen, ob die im Verwaltungsverfahren eingereichte Vollmacht die Vertretung im Gerichtsverfahren mit abdeckt, denn jedenfalls hat sich die Bevollmäch-tigte - zur Einreichung einer Prozessvollmacht aufgefordert - nicht ausdrücklich auf diese berufen.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Zulässigkeit der Klage.
Der 1941 geborene Kläger bezieht seit dem 01. April 2006 eine Regelaltersrente, die auf der Grundlage von 23,9892 persönlichen Entgeltpunkten in Höhe von 570,67 EUR monatlich gezahlt wird (Bescheid vom 22. März 2006). Es verblieb bei der Bewilligung ein Nachzahlbetrag von 570,67 EUR, der dem Kläger nicht ausgezahlt wurde. Die AOK B hatte bereits mit Schreiben vom 12. Juni 2001 die Prüfung angeregt, ob eine Aufrechnung oder Verrechnung der von dem Kläger geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge mit einer Leistung in Betracht komme. Die Beklagte merkte das Ersuchen vor und wandte sich unter dem 23. März 2006 an die AOK B mit der Frage, ob das Verrech-nungsersuchen noch bestehe. Dies bejahte die AOK mit Schreiben vom 29. März 2006 und gab an, der Kläger schulde Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Nebenforderungen für die Zeit vom 02. Dezember 1994 bis zum 17. März 1996 in Höhe von 17.633,85 EUR zuzüglich weiterer Säumniszuschläge in Höhe von 1 v. H. ab Juli 2003. Die Ansprüche seien nicht verjährt. Es werde gebeten zu prüfen, ob eine Aufrechnung/Verrechnung durchzuführen sei. Mit Schreiben vom 07. April 2006 hörte die Beklagte den Kläger zu der beabsichtigten Verrechnung der geschuldeten Gesamtsozialversicherungsbeiträge mit der laufenden Rente nach § 52 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) an. Es sei beabsichtigt, mo-natlich einen Betrag von 285,- EUR von der laufenden Rente und von der Nachzahlung einmalig einen Betrag von 285,- EUR einzubehalten. Für den Fall, dass der Kläger durch die beabsichtigte Verrechnung hilfebedürftig werde, sei dies durch eine Bedarfsbescheinigung des Sozialhilfeträgers nachzuweisen. Der Kläger reagierte auf dieses Schreiben nicht. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 16. Mai 2006 mit, dass gegen die Rente ab Juli 2006 monatlich 285,- EUR verrechnet würden. Weiterhin würden von der Nachzahlung einmalig 285,- EUR einbehalten. Dagegen legte der Kläger durch seine Bevollmächtigte per Fax Widerspruch ein und begründete diesen damit, die Verrechnung sei rechtswidrig, da sie gegen § 850 b i. V. m. § 850 c Zivilprozessordnung (ZPO) verstoße. Der monatliche Rentenzahlbetrag von 570,67 EUR liege unter der Mindestgrenze vom 930,- EUR gemäß § 850 c ZPO, so dass die Rente unpfändbar und eine Verrechnung nicht möglich sei. Außerdem erhalte er nach der Verrechnung nur noch 285,67 EUR und damit weniger als den Sozialhilfesatz. Dem Fax war eine formularmäßige Prozessvollmacht in Sachen "Deutsche Rentenversicherung Bund wegen Bescheid vom 16. Mai 2006", ausgestellt am 13. Juni 2006, beigefügt. Die Beklagte wies den Kläger zunächst darauf hin, dass die Tabelle zu § 850 c ZPO für die Verrechnung nicht maßgebend sei. Außerdem obliege es seit dem 01. Januar 2005 dem Leistungsberechtigten nachzuweisen, dass er durch die Verrechnung hilfe-bedürftig werde. Ein solcher Nachweis liege bisher nicht vor. Da der Kläger darauf nicht reagierte, wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 24. November 2006 zurück.
Dagegen hat die Bevollmächtigte des Klägers Anfechtungsklage bei dem Sozialgericht Berlin erhoben, ohne diese zu begründen. Sie hat außerdem die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt. Eine schriftliche Vollmacht des Klägers hat sie nicht vorgelegt. Auf die Aufforderung des Sozialgerichts vom 08. Januar 2007, eine schriftliche Voll-macht vorzulegen, hat die Bevollmächtigte ebenso wenig reagiert wie auf das gerichtliche Schreiben vom 15. März 2007, mit dem sie unter Fristsetzung binnen eines Monats nach Erhalt des Schreibens aufgefordert worden ist, eine Vollmacht nachzureichen. Sie ist darauf hingewiesen worden, dass eine vollmachtlose Klage als unzulässig abzuweisen sei und der Mangel in der Berufungsinstanz nicht geheilt werden könne. Außerdem hat das Sozialgericht die Bevollmächtigte zum Erlass eines Gerichts-bescheids angehört. Auch darauf ist keine Reaktion erfolgt.
Durch Gerichtsbescheid vom 29. Mai 2007 hat das Sozialgericht die Klage als unzulässig abgewiesen, da keine schriftliche Vollmacht zu den Akten gereicht worden sei. Mit Beschluss vom 29. Mai 2007 hat das Sozialgericht außerdem den Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt.
Dagegen hat die Bevollmächtigte Berufung eingelegt. Auf Aufforderung des Senats hat sie die Originalvollmacht vom 13. Juni 2006 aus dem Verwaltungsverfahren vorge-legt und die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt, die mit Beschluss vom 02. September 2009 abgelehnt worden ist. Nach Kenntnis des Beschlusses hat sie gel-tend gemacht, nach ihrer Aktenlage müsse der Klageschrift per Fax die Vollmacht vom 13. Juni 2006 beigefügt gewesen sein. Eine Vollmacht per Fax sei auch ausrei-chend. Zudem gelte der Grundsatz, dass Änderungen des Prozessrechts beim Fehlen von abweichenden Übergangsbestimmungen auch laufende Verfahren erfassten.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. Mai 2007 sowie den Bescheid vom 16. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. November 2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung durch Urteil entscheiden, denn für den ordnungsgemäß geladenen Kläger ist niemand erschienen. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig aber unbegründet. Das Sozial-gericht hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen, da die Bevollmächtigte des Klägers keine sie legitimierende Prozessvollmacht vorgelegt hat. Der per Fax erhobenen Klage waren nur der angefochtene Bescheid und der Widerspruchsbescheid bei-gefügt, jedoch keine Prozessvollmacht.
Gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) können sich die Beteiligten in jeder Lage des Verfahrens durch prozessfähige Bevollmächtigte vertreten lassen. Nach § 73 Abs. 2 Satz 1 SGG in der bis zum 31. Juli 2008 geltenden Fassung (a. F.) ist die Vollmacht schriftlich zu erteilen und zu den Akten bis zur Verkündung der Ent-scheidung einzureichen; sie kann auch zur Niederschrift des Gerichts erteilt werden. Die geänderte Rechtslage, wonach das Fehlen der Vollmacht nur noch dann von Amts wegen zu prüfen ist, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt (§ 73 Abs. 6 Satz 4 SGG in der ab dem 01. August 2008 geltenden Fassung), findet auf den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt keine Anwendung, denn die geän-derte Vorschrift ist gemäß Art. 20 Satz 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts-beratungsgesetzes vom 12. Dezember 2007 – ohne Rückwirkung – erst am 01. August 2008 und damit nach Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung in Kraft getreten.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist die Klage als un-zulässig zu verwerfen, wenn der für den Kläger im Rechtsstreit auftretende anwaltli-che Prozessbevollmächtigte bis zur jeweiligen gerichtlichen Entscheidung keine schriftliche Prozessvollmacht zu den Gerichtsakten eingereicht hat. "Akten" im Sinne dieser Vorschrift sind die Gerichtsakten; denn sie regelt die Prozessvertretung vor Ge-richt und spricht von der Verkündung einer Entscheidung, womit die nächstfolgende Gerichtsentscheidung gemeint ist (so BSG in SozR 3-1500 § 73 Nr. 9 m. w. N.). Mit Rücksicht auf die Regelung des § 73 Abs. 2 Satz 1 SGG a. F. bestehen keine rechtli-chen Bedenken dagegen, dass ein Richter nach Klageerhebung oder später auf einer zu den Gerichtsakten bis zur Verkündung der instanzabschließenden Entscheidung einzureichenden schriftlichen Prozessvollmacht für das sozialgerichtliche Verfahren besteht und diese vom Bevollmächtigten fordert (BSG in SozR 3-1500 § 73 Nr. 9; Be-schluss des BSG vom 16. Mai 2003 - B 13 RJ 83/02 B -). Entspricht das Vorgehen ei-nes Bevollmächtigten im Rechtsstreit nicht den vorgenannten gesetzlichen Anforde-rungen und reicht dieser eine Klageschrift ohne schriftliche Prozessvollmacht ein, ist die Klage unzulässig. Das Vorhandensein der Prozessvollmacht und die daran ange-knüpfte Zulässigkeit der Klage sind im sozialgerichtlichen Verfahren grundsätzlich von Amts wegen zu prüfen (so Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bun-des in SozR 1500 § 73 Nr. 4). Ist keine Prozessvollmacht zu den Gerichtsakten gelangt, bedarf es allerdings, damit das Gericht die Klage ohne Prüfung in der Sache als unzulässig abweisen kann, re-gelmäßig einer vorherigen schriftlichen richterlichen Aufforderung an den Bevollmäch-tigten, in einer bestimmten Frist die fehlende Vollmachtsurkunde nachzureichen, ver-bunden mit dem Hinweis, dass die Klage anderenfalls als unzulässig abgewiesen werden kann. Spätestens nach Erhalt dieses richterlichen Schreibens, das eine Anhö-rungs- und Warnfunktion hat, muss sich dem Prozessbevollmächtigten aufdrängen, dass das Fehlen der Prozessvollmacht, zu dessen Behebung er im Einzelfall aufge-fordert worden ist, auch in einem möglicherweise nachfolgenden Rechtsmittelverfah-ren grundsätzlich nicht mehr geheilt werden kann. Allerdings kann nach der Recht-sprechung des BSG ausnahmsweise eine Heilungsmöglichkeit im nachfolgenden Rechtsmittelverfahren dann angenommen werden, wenn die Vollmachtsurkunde schon vor Erlass der Entscheidung ausgestellt und in der Vorinstanz keine Frist für die Einreichung der Vollmacht gesetzt oder trotz Fehlens der Vollmacht in der Sache ent-schieden wurde (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes in SozR 1500 § 73 Nr. 4 und BSG in SozR 1500 § 73 Nr. 2). Außerdem reicht eine Vollmacht, die im Verwaltungsverfahren erteilt ist, dann aus, wenn sie zweifelsfrei deutlich macht, dass sie auch im anschließenden Rechtsstreit gelten soll (BSG in SozR 3-1500 § 73 Nr. 2). Allein das Vorhandensein einer Vollmacht in den beigezogenen Verwaltungs-akten, die auch zur Einlegung von Rechtsmitteln ermächtigt, genügt jedoch nicht (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Auflage, 2005, § 73 Randnummer 13 a m. w. N.). Vielmehr muss sich der Bevollmächtigte im Klage-verfahren auf die im Verwaltungsverfahren vorliegende Vollmacht auch ausdrücklich berufen. Nach der - fortentwickelten - Rechtsprechung des BSG (BSG in SozR 3-1500 § 73 Nr. 9) kann nach dem auf das Erfordernis der Einreichung zu den Gerichtsakten abstel-lenden Wortlaut des § 73 Abs. 2 Satz 1 SGG a. F. nur derjenige für das Verwaltungs-verfahren Bevollmächtigte als zugleich im Klageverfahren bevollmächtigt angesehen werden, der im Sozialgerichtsverfahren selbst eine Verklammerung zwischen Verwal-tungs- und Gerichtsakten herstellt, indem er sich - zur Einreichung einer Prozessvoll-macht richterlich aufgefordert - gegenüber dem Gericht auch ausdrücklich darauf be-ruft und aufzeigt, dass die in den Verwaltungsakten befindliche Vollmacht die Vertre-tung im Gerichtsverfahren mit abdeckt. Nur wenn diese Vollmacht ihrem Inhalt nach zweifelsfrei das nachfolgende gerichtliche Verfahren mit umfasst, ist den Anforderun-gen des § 73 Abs. 2 SGG a. F. Genüge getan.
Unter Beachtung der obigen Ausführungen ist die Klage nicht zulässig gewesen, denn die Vertreterin des Klägers hat keine schriftliche Prozessvollmacht bis zur Entschei-dung durch das Sozialgericht zu den Akten gereicht. Sie ist nicht nur unter dem 08. Januar 2007 mit der Eingangsbestätigung der Klage zur Vorlage einer schriftlichen Vollmacht binnen drei Wochen aufgefordert worden, sondern auch mit dem gerichtli-chen Schreiben vom 15. März 2007. In diesem Schreiben ist die Rechtslage unter Be-zugnahme auf eine Entscheidung des BSG deutlich dargelegt worden. Das Schreiben enthielt auch den nicht misszuverstehenden Hinweis auf die fehlende Zulässigkeit der Klage sowie die fehlende Heilungsmöglichkeit im Berufungsverfahren. Gleichwohl hat die Bevollmächtigte nicht reagiert. Es kann dahin stehen, ob die im Verwaltungsverfahren eingereichte Vollmacht die Vertretung im Gerichtsverfahren mit abdeckt, denn jedenfalls hat sich die Bevollmäch-tigte - zur Einreichung einer Prozessvollmacht aufgefordert - nicht ausdrücklich auf diese berufen.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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