L 3 R 1266/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 105 R 2491/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 1266/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 20. August 2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der der Klägerin gewährten Altersrente für Frauen unter Berücksichtigung eines besonderen Steigerungssatzes.

Die 1936 geborene Klägerin schloss im Beitrittsgebiet im Mai 1962 die Fachschule für Pharmazie L als Apothekenassistentin ab. Ihr wurde außerdem nach einem Zusatz-studium an der Ingenieurschule für Pharmazie L die Berechtigung verliehen, die Be-rufsbezeichnung Pharmazieingenieur zu führen. Sie war im Gesundheitswesen der DDR als Apothekenhelferin, Apothekenassistentin und Pharmazieingenieurin tätig. Zum 01. Januar 1974 trat sie der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) bei. Mit Bescheid vom 09. Februar 1996 gewährte die Beklagte ihr eine Altersrente für Frauen ab dem 01. Mai 1996, die auf der Grundlage von 37, 6896 Entgeltpunkten (EP) Ost und 2, 9163 weiteren EP berechnet und in Höhe von 1.452, 97 DM ausge-zahlt wurde. Mit Bescheid vom 16. Oktober 1996 wurde die Rente wegen einer geänderten Bewer-tung des Zusatzstudiums als beitragsgeminderte Zeit neu festgestellt. Die EP Ost er-höhten sich dadurch auf 37, 7822, die weiteren EP auf 2, 9318. Es ergab sich eine Nachzahlung von 27, 61 DM. Mit Bescheid vom 22. Februar 1999 erfolgte eine weite-re Neufeststellung, weil die Zeit des Zusatzstudiums nicht mehr als Anrechnungszeit zu berücksichtigen war. Die Höhe der der Rentenberechnung zugrunde gelegten EP änderte sich dadurch nicht. Eine Vergleichsberechnung nach den Regelungen des Art. 2 Rentenüberleitungsge-setzes (RÜG) unter Zugrundelegung eines 1,5fachen Steigerungssatzes ergab einen Monatsbetrag der Rente nach dem Übergangsrecht von 1.270,- DM. Die Beklagte lehnte deshalb mit Bescheid vom 11. März 1999 die Zahlung eines Renten- bzw. Ü-bergangszuschlags nach §§ 319 a, b Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ab.

Mit Schreiben vom 05. April 2001 beantragte die Klägerin erneut die Überprüfung ih-res Rentenbescheids. Die Rente sei unter Berücksichtigung eines Steigerungssatzes von 1,5 % neu zu berechnen. Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09. Dezember 2002, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 09. März 2007, ab, denn bei der Rentenberechnung nach den Vorschriften des SGB VI, wie sie hier zugrunde zu legen gewesen seien, komme es allein auf das tatsächlich erzielte Einkommen an, sofern hierfür Beiträge zur Sozialversicherung gezahlt worden seien. Lediglich im Rahmen des Vertrauens-schutzes sei der Steigerungssatz von 1,5 % für Beschäftigungszeiten in Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens der ehemaligen DDR nach dem für die ehemali-ge DDR geltenden Übergangsrecht bei einem Rentenbeginn bis zum 31. Dezember 1996 zu berücksichtigen (Art. 2 § 35 RÜG). Aus den Entscheidungen des Bundesso-zialgerichts (BSG) vom 10. November 1998 (B 4 RA 32/98 R und B 4 RA 33/98 R) ergebe sich keine andere Beurteilung, denn diese Entscheidungen hätten ausschließ-lich ehemalige Beschäftigte der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Post be-troffen. Eine andere Beurteilung ergebe sich schließlich nicht aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 28. April 1999 (1 BvR 1926/96, 485/97, 32/95 und 2105/95), in der sich das BVerfG umfassend zum Komplex der Renten-überleitung geäußert habe. Das BSG habe in seinen Urteilen vom 30. Januar 2003 (B 4 RA 16/02 R) und 06. März 2003 (B 4 RA 13/02 R) entschieden, dass es für die Berücksichtigung eines er-höhten Steigerungssatzes an einer gesetzlichen Grundlage mangele. Es habe darin keinen Verstoß gegen Art. 14 Grundgesetz (GG) gesehen. Die dagegen erhobenen Verfassungsbeschwerden (1 BvR 787/03 und 933/03) habe das BVerfG durch Be-schluss vom 18. Oktober 2005 nicht zur Entscheidung angenommen. Es habe die Nichtberücksichtigung des Steigerungssatzes für verfassungsgemäß gehalten.

Dagegen hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht Berlin erhoben. Sie begehre weiterhin die Anerkennung des Steigerungssatzes von 1,5 % und wolle damit gegen die Altersarmut kämpfen und nicht um soziale Gerechtigkeit.

Durch Gerichtsbescheid vom 20. August 2007 hat das Sozialgericht die Klage abge-wiesen. Es hat auf den weiteren Beschluss des BVerfG vom 30. August 2005 (1 BvR 616/99 und 1028/03) verwiesen, mit dem es Verfassungsbeschwerden in Parallelver-fahren nicht zur Entscheidung angenommen habe. Danach sei die Nichtberücksichti-gung eines besonderen Steigerungssatzes bei der Rentenberechnung auf der Grund-lage des SGB VI im Rahmen der Altersversorgung von Angehörigen des Gesund-heitswesens verfassungsgemäß, denn hierbei handele es sich um eine einer be-stimmten Berufsgruppe gewährte Sonderleistung, deren rentensteigernde Wirkung nicht mit einer eigenen Beitragsleistung der Betroffenen korrespondiere.

Zur Begründung der dagegen eingelegten Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, sie habe 44 Jahre im Apothekerwesen gearbeitet. Sie habe ihre persönliche Kraft in die Arbeit in der Stadtbezirksdepotapotheke, den zusätzlichen Bereitschafts-, Sonn- und Feiertagsdienst eingebracht. Das stets niedrige Gehalt habe durch Gesetz durch einen Steigerungssatz von 1,5 % aufgewertet bzw. ihre geleistete Arbeit am Men-schen habe dadurch anerkannt werden sollen. Einfaches Recht könne jederzeit vom Deutschen Bundestag mit einfacher Mehrheit geändert werden. Deshalb nehme sie die bisherige Entscheidung nicht hin und beantrage, auf eine Rechtsänderung hinzu-wirken und den Ausgang des bei dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängigen Verfahrens abzuwarten.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 20. August 2007 und den Bescheid vom 09. Dezember 2002 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 09. März 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihre Altersrente für Frauen unter Berücksichtigung eines Steigerungssatzes von 1,5 % neu zu berechnen und den Bescheid vom 22. Februar 1999 zurückzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genom-men.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung durch Urteil entschei-den, denn die ordnungsgemäß geladene Klägerin ist mit der Ladung auf diese Mög-lichkeit hingewiesen worden.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig aber unbe-gründet. Sie hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheids vom 22. Februar 1999 und Neuberechnung ihrer Altersrente für Frauen unter Berücksichtigung eines Steigerungssatzes von 1,5 %.

Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein rechtswid-riger Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist. Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor, denn die Beklagte hat die Altersrente der Klägerin zuletzt mit Bescheid vom 22. Februar 1999 zutreffend nach den Vor-schriften des SGB VI berechnet. Danach bestimmt sich die Höhe des monatlichen Werts des Rechts auf Altersrente ausschließlich nach der so genannten Rentenformel (§§ 254b, 64 SGB VI). Nach ihr berechnen sich Renten auf Grund von rentenrechtli-chen Zeiten, die im Beitrittsgebiet zurückgelegt worden sind, indem die unter Berück-sichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen EP Ost (§ 254 d SGB VI), der Rentenartfaktor (§ 67 SGB VI) und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Ren-tenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Die EP Ost werden ermittelt, indem der tatsächlich erzielte und mit den Werten der Anlage 10 zum SGB VI vervielfältigte Ver-dienst (§ 256 a Abs. 2 und 3 SGB VI) durch das Durchschnittsentgelt nach Anlage 1 zum SGB VI geteilt wird (§ 256 a Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Berücksichtigungsfähig sind Verdienste bis zur Höhe der im Bundesgebiet geltenden Beitragsbemessungsgrenzen (§ 260 Satz 2 SGB VI). Eine Rechtsgrundlage für die Berücksichtigung eines besonderen Steigerungssatzes gibt es, wie die Klägerin bereits mehrfach belehrt worden ist, nach den hier maßgebli-chen, am 01. Januar 1992 in Kraft getretenen Vorschriften des SGB VI nicht. Denn mit Ablauf des 31. Dezember 1991 sind die bis dahin nur nach Maßgabe des Einigungs-vertrags (EV) inhaltlich noch weiter anzuwendenden rentenrechtlichen Vorschriften der DDR (Art. 9 Abs. 2 und 4 EV i. V. m. Anlage 2 Kap. VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 6 bis 8) außer Kraft getreten und gemäß Art. 8 EV durch die Überleitung der Vor-schriften des SGB VI auf das Beitrittsgebiet ersetzt worden. Die Klägerin kann sich deshalb nicht auf § 47 der Rentenverordnung der DDR vom 23. November 1979 stüt-zen, wonach die Rente für die Beschäftigten im Gesundheitswesen der DDR, wie es die Klägerin war, unter Berücksichtigung eines besonderen Steigerungssatzes von 1,5 % zu berechnen sind. Diese Regelung findet für die Versicherten im Beitrittsgebiet bei einem Rentenbeginn nach dem 31. Dezember 1991 keine Anwendung mehr. Le-diglich für den Fall einer Vergleichsberechnung bei rentennahen Jahrgängen wird die Vorschrift über Art. 2 § 35 RÜG herangezogen. Eine solche Berechnung ist bei der Klägerin durchgeführt worden, hat aber trotz der Berücksichtigung des besonderen Steigerungssatzes eine niedrigere Rente als nach dem SGB VI erbracht, weshalb die Zahlung eines Zuschlags nach §§ 319 a, b SGB VI mit Bescheid vom 11. März 1999 bindend abgelehnt worden ist. Dass der bundesdeutsche Gesetzgeber diese Besonderheit des DDR-Rentenrechts nicht übernommen hat, sondern im SGB VI in § 256 SGB VI geregelt hat, dass der Rentenberechnung ausschließlich die versicherten Arbeitsentgelte zugrunde zu legen sind, hat das BVerfG in seinen bereits zitierten Nichtannahmebeschlüssen vom 18. Oktober und 30. August 2005 nicht für verfassungswidrig gehalten. Der Senat war nicht gehalten abzuwarten, ob etwaige Gesetzesinitiativen zu einer für die Klägerin günstigeren Rechtslage führen könnten. Letztlich ist das bei dem Europä-ischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig gewesene Beschwerdeverfahren Nr. 4998/04 mittlerweile abgeschlossen. Der Gerichthof hat die Beschwerde für unzuläs-sig erklärt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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