S 43 AS 3745/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
43
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 43 AS 3745/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 20 B 48/08 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 29. November 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Nach § 73 a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe -PKH-, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind im vorliegenden Rechtsstreit für das erstinstanzliche Verfahren nicht erfüllt. Deshalb ist dem Beschwerdeführer dafür nachträglich Prozesskostenhilfe nicht zu gewähren.

Nach der Niederschrift vom 29. November 2007 hat die Vorsitzende zum Schluss der mündlichen Verhandlung das Urteil in der Hauptsache verkündet. Am selben Tag erging der Beschluss im PKH- Verfahren, mit dem unter Bezugnahme auf das das ergangene Urteil die Bewilligung von PKH abgelehnt worden ist.

Für das erstinstanzliche Verfahren ist Prozesskostenhilfe nicht zu gewähren. Die Auslegung des § 114 ZPO ergibt, dass Prozesskostenhilfe nur für die Zukunft bewilligt werden kann. Der Wortlaut des § 114 ZPO setzt nämlich voraus, dass "die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet". Sowohl die Worte "beabsichtigte Rechtsverfolgung" als auch die Worte "Aussicht auf Erfolg" nehmen Bezug auf ein künftiges prozessuales Geschehen. Daraus ist zu folgern, dass die Prozesskostenhilfe eine zukünftige Prozessführung erst ermöglichen soll; aus dem Wortlaut des Gesetzes lässt sich folglich nicht herleiten, dass auch eine bereits abgeschlossene Prozessführung über die Prozesskostenhilfe finanziert werden kann.

Auch die Gesetzessystematik lässt nur diese Auslegung zu. Nach § 121 Abs.1 und 2 ZPO ist Folge einer bewilligten Prozesskostenhilfe, dass der Partei ein Rechtsanwalt beigeordnet wird. Eine solche Beiordnung kann aber nur Sinn ergeben, wenn die Prozessführung noch in der Zukunft liegt. Ist das Hauptsacheverfahren bereits erledigt, ist eine nachträgliche Beiordnung nach § 121 Abs. 1 und 2 ZPO nicht mehr möglich.

Auch über Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe besteht - soweit ersichtlich - Einigkeit, dass dadurch die Prozessführung erst ermöglicht werden, nicht aber ein bereits geführter Prozess nachträglich für die Partei oder ihren Anwalt wirtschaftlich abgesichert werden soll (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 20. Auflage, § 114, Rdnr. 13 und § 119 Rdnr. 43 ff.). Im Übrigen zeigt § 127 Abs.1 Satz 1 ZPO, wonach Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ohne mündliche Verhandlung ergehen, dass der Gesetzgeber in diesem Bereich eine schnelle Entscheidung erwartet, die regelmäßig noch vor der Entscheidung zur Hauptsache zu ergehen hat.

Wortlaut, Gesetzessystematik und Sinn und Zweck des § 114 ZPO lassen somit (grundsätzlich) nur die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Wirkung für die Zukunft zu. Dennoch sind zahlreiche Fallkonstellationen denkbar, bei denen sich das Hauptsacheverfahren bereits durch eine gerichtliche Entscheidung oder auf sonstige Art erledigt hat, das PKH-Nebenverfahren aber noch anhängig ist. Für diese Fälle kann der dargestellte Zweck der Bewilligung von Prozesskostenhilfe, eine beabsichtigte Rechtsverfolgung (oder Rechtsverteidigung) finanziell erst zu ermöglichen nicht mehr verwirklicht werden. So verhält es sich auch im vorliegenden Fall. Das erstinstanzliche Verfahren ist bereits durch Urteil erledigt. Nachträglich kann der Beschwerdeführer daher seine Rechte, nicht mehr vor dem Sozialgericht Berlin verfolgen.

Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, wonach es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung und nicht auf die Zeitpunkte der Antragstellung oder der Entscheidungsreife ankommt (vgl. Beschluss L 20 AS 978/09 B PKH; ebenso 6. Senat des ThürLSG, Beschluss vom 8. Mai 2000, Az.: L 6 B 3/00 SF).

Liegt - wie im vorliegenden Verfahren - ein erstinstanzliches Urteil vor und wird erst danach über den PKH-Antrag entschieden, können die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung daher nach Auffassung des Senats vom selben Gericht im Rahmen des PKH-Verfahrens nicht anders beurteilt werden als im Urteil (a.A. Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 114 Rdnr. 83): Hat der Antragsteller in erster Instanz obsiegt, sind bei einer späteren PKH-Entscheidung daher die Erfolgsaussichten zu bejahen; hat er im Hauptverfahren verloren, ist auch die Prozesskostenhilfe zu versagen. Solchermaßen kongruente Entscheidungen dürften regelmäßig auch für die Betroffenen nachvollziehbar sein.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Der vorliegende Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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