Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 702/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 80/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Verpflichtung des Arbeitgebers nach § 28 a Abs. 1 Nr. 2 SGB IV, der Einzugsstelle bei Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäf-tigung eines Arbeitnehmers eine Meldung durch gesicherte und verschlüsselte Datenübertragung zu erstatten, ist ein „Schutzgesetz“ im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB, denn die Meldevorschriften wollen die gesetzlichen Krankenkassen auch gegen die Inanspruchnahme durch nicht mehr berechtigte Personen schützen.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. November 2005 aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.512,78 Euro nebst fünf Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. März 2004 zu zahlen. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt vom Beklagten Schadenersatz nebst Zinsen.
Frau S war bis zum 31. Dezember 2000 bei dem Beklagten sozialversicherungspflichtig beschäftigt und aufgrund dieser Beschäftigung bei der Klägerin krankenversichert. Erst am 11. Dezember 2001 meldete der Beklagte der Klägerin das Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung rückwirkend zum 31. Dezember 2000. Seit dem 1. Januar 2001 bezog S. laufend Sozialhilfe.
In Unkenntnis der Beendigung des Versicherungsverhältnisses zum 31. Dezember 2000 übernahm die Klägerin Kosten für im September 2001 bei S. eingegliederten Zahnersatz in Höhe von 6.870,41 DM (= 3.512,78 Euro).
Die Klägerin hielt sich wegen einer Erstattung der Kosten zunächst an S. und an das Sozialamt, hatte damit jedoch keinen Erfolg bzw. nahm davon Abstand, ihre Forderung gegen diese zu richten.
Mit Schreiben vom 7. Mai 2003 forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung von 3.565,82 Euro (3.512,78 Euro für Zahnersatz zuzüglich 53,04 Euro für eine Kniebandage) bis zum 12. Juni 2003 auf. Durch die verspätete Abmeldung sei ein Schaden in dieser Höhe entstanden, für den der Beklagte aufkommen müsse.
Nachdem der Beklagte hierauf nicht reagiert hatte, hat die Klägerin am 11. März 2004 Leistungsklage wegen der Zahlung von 3.512,78 Euro erhoben. Das Sozialgericht hat den Rechtsweg nicht als eröffnet angesehen und die Sache an die ordentliche Gerichtsbarkeit verwiesen. Der Senat hat auf die Beschwerde der Klägerin jedoch den Verweisungsbeschluss aufgehoben und den Sozialgerichtsweg als eröffnet angesehen.
Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin vorgebracht, ein Schadenersatzanspruch ergebe sich aus § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. §§ 28 a und 28 c Sozialgesetzbuch, Viertes Buch (SGB IV) sowie § 8 der Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung (DEÜV). § 28 a SGB IV und § 8 DEÜV seien im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB Schutzgesetze zugunsten des Versicherungsträgers. Die Pflicht zur Abmeldung des Versicherten innerhalb von sechs Wochen nach Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung solle den Versicherungsträger gerade in die Lage versetzen festzustellen, ob die Versicherung weiter bestehe oder nicht, um die unberechtigte Inanspruchnahme von Leistungen zu Lasten der Versichertengemeinschaft zu verhindern. Aufgrund der verspäteten Abmeldung der S. seien Leistungen ohne Verpflichtung erbracht worden. Der Schaden gehe kausal auf die verspätete Abmeldung zurück.
Mit Urteil vom 18. November 2005 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, eine öffentlich-rechtliche Anspruchsnorm sei nicht erkennbar und lasse sich insbesondere nicht den §§ 28 ff. SGB IV entnehmen. Ob die Klägerin einen Anspruch aus § 823 BGB habe, sei nicht zu beurteilen; die Kammer sei auf eine Prüfung öffentlich-rechtlicher Ansprüche beschränkt.
Gegen das ihr am 1. Februar 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. Februar 2006 Berufung eingelegt. Sie verfolgt ihr Begehren weiter und vertieft zur Begründung ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. November 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 3.512,78 Euro nebst fünf Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. März 2004 zu zahlen.
Der Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert. Nach Ermittlungen des Gerichts ist er unbekannten Aufenthalts. Die Terminsladung ist ihm öffentlich zugestellt worden.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Der Senat durfte in Abwesenheit des Beklagten verhandeln und entscheiden. Der Beklagte war ordnungsgemäß mit öffentlicher Zustellung geladen. Die Ladung enthielt den Hinweis darauf, dass auch bei Ausbleiben der Beteiligten verhandelt und entschieden werden darf (§ 126 Sozialgerichtsgesetz, SGG).
Nachdem der Senat in seinem Beschluss vom 12. Januar 2005 den Sozialgerichtsweg bejaht und das Sozialgericht daraufhin eine Sachentscheidung getroffen hat, ist der Rechtsweg nicht mehr in Frage zu stellen (§ 17 a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz, GVG).
Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 3.512,78 Euro nebst Zinsen.
Zu Recht führt die Klägerin als Anspruchsgrundlage für den Schadenersatzanspruch § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den sozialrechtlichen Spezialvorschriften über die Meldepflichten eines Arbeitgebers an.
Das Sozialgericht hätte die Prüfung von § 823 BGB nicht unterlassen dürfen. Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit nämlich unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Unberührt davon bleiben nur Art. 14 Abs. 3 Satz 4 Grundgesetz (GG, Enteignungsentschädigung) und Art. 34 Satz 3 GG (Amtshaftung); um solche Ansprüche geht es vorliegend jedoch nicht, denn es handelt sich um eine Schadensersatzklage einer gesetzlichen Krankenversicherung gegen einen Arbeitgeber und damit insbesondere nicht um eine Frage der Amtshaftung.
Die Voraussetzungen für eine Schadensersatzverpflichtung des Beklagten auf der Grundlage von § 823 Abs. 2 BGB sind erfüllt. Danach ist schadensersatzpflichtig derjenige, der gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Die Frage, ob einer Rechtsnorm Schutzgesetzcharakter zukommt, bestimmt sich nicht nach der Wirkung des Gesetzes, sondern danach, ob dessen Inhalt nach dem Willen des Gesetzgebers in Form eines bestimmten Gebotes oder Verbotes - zumindest neben anderen Zwecken - auch einem gezielten Individualzweck dient und gegen eine näher bestimmte Art der Schädigung eines im Gesetz festgelegten Rechtsgutes oder Individualinteresses gerichtet ist. Es genügt nicht, dass die Norm im allgemeineren Sinne Schutz und Förderung einzelner Bürger oder bestimmter Personenkreise bewirkt oder bezweckt. Vielmehr muss die Schaffung eines individuellen Schadensersatzanspruches erkennbar vom Gesetz erstrebt sein oder zumindest sinnvoll und im Rahmen des haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheinen (st. Rspr., vgl. nur Bundessozialgericht, Urteil vom 4. Mai 1994, 1 RS 2/92, BSGE 74, S. 139, zitiert nach juris, dort Rdnr. 30; Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Mai 1976, VI ZR 241/73, NJW 1976, S. 2129, zitiert nach juris, dort Rdnr. 13).
§ 28 a Abs. 1 Nr. 2 SGB IV erlegt dem Arbeitgeber die Verpflichtung auf, der Einzugsstelle bei Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung eines Arbeitnehmers eine Meldung durch gesicherte und verschlüsselte Datenübertragung zu erstatten. Nach § 28 c Nr. 1 SGB IV in Verbindung mit § 8 DEÜV ist das Ende einer versicherungspflichtigen Beschäftigung mit der nächsten folgenden Lohn- und Gehaltsabrechnung, spätestens innerhalb von sechs Wochen nach ihrem Ende, zu melden.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung, diese Verpflichtung des Arbeitgebers als "Schutzgesetz" im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB anzusehen, weil die Meldevorschriften die gesetzlichen Krankenkassen auch gegen die Inanspruchnahme durch nicht mehr berechtigte Personen schützen wollen (vgl. nur Bundesgerichtshof, a.a.O., Rdnr. 21 zur Vorgängervorschrift § 317 RVO; OLG Frankfurt, Urteil vom 21. September 1988, 17 U 188/87, zitiert nach juris, dort Rdnr. 26, ebenfalls zu § 317 RVO; LG Kiel, Urteil vom 5. Mai 1999, 17 O 203/98, Die Beiträge Beilage 2001, S. 334, zitiert nach juris; Sozialgericht Berlin, Gerichtsbescheid vom 22. September 2001, S 86 KR 314/99-82, unveröffentlicht). Zudem ist die Verletzung der Meldepflicht aus § 28 a Abs. 1 Nr. 2 SGB IV ordnungswidrig (§ 111 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV), was ein "wertvoller Hinweis" auf die Einordnung als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB sein kann (Bundessozialgericht, a.a.O., Rdnr. 32).
Die Eröffnung eines deliktischen Schadenersatzanspruchs gegen den Arbeitgeber erscheint im vorliegenden Zusammenhang auch sinnvoll und stimmig im "Gesamtsystem", denn häufig – wie auch im vorliegenden Fall – dürfte die Inanspruchnahme des seinen Obliegenheiten zuwider handelnden Arbeitgebers die einzige Möglichkeit für den Sozialleistungsträger sein, um sich schadlos zu halten. Die §§ 45 ff. SGB X sehen zwar die Rückabwicklung rechtswidrig erbrachter Leistungen gegenüber dem Leistungsempfänger vor, dies jedoch nur unter engen Voraussetzungen, zu denen etwa die Berücksichtigung von Vertrauensschutz gehört. Sofern schließlich – wie im Falle der S. – ein Ausgleichsanspruch der Krankenklasse gegenüber dem Träger der Sozialhilfe in Betracht kommt, bleibt § 105 Abs. 3 SGB X zu beachten, wonach eine Erstattungspflicht nur von dem Zeitpunkt an besteht, von dem an dem Träger der Sozialhilfe bekannt war, dass die Voraussetzungen für seine Leistungspflicht bestanden (hier: erst am 18. März 2002).
Gegen seine Meldepflicht hat der Beklagte schuldhaft (zumindest fahrlässig, § 276 BGB) verstoßen, indem er seine vormalige Arbeitnehmerin S. erst knapp ein Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Einzugsstelle abmeldete. Für die Klägerin hat sich dies in Höhe des mit der Klageforderung geltend gemachten Betrages vermögensschädigend ausgewirkt, weil sie die in Zusammenhang mit der Zahnersatzbehandlung der S. entstandenen Kosten übernahm, ohne hierzu verpflichtet zu sein.
Der Anspruch auf Prozesszinsen beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. hierzu Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 16. August 2006, L 1 R 41/06, Rdnr. 16 ff. sowie Bundessozialgericht, Urteil vom 28. September 2005, B 6 KA 71/04, Rdnr. 38 ff., zitiert jeweils nach juris) und besteht für die Zeit ab Rechtshängigkeit der Klage (11. März 2004).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Ein Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt vom Beklagten Schadenersatz nebst Zinsen.
Frau S war bis zum 31. Dezember 2000 bei dem Beklagten sozialversicherungspflichtig beschäftigt und aufgrund dieser Beschäftigung bei der Klägerin krankenversichert. Erst am 11. Dezember 2001 meldete der Beklagte der Klägerin das Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung rückwirkend zum 31. Dezember 2000. Seit dem 1. Januar 2001 bezog S. laufend Sozialhilfe.
In Unkenntnis der Beendigung des Versicherungsverhältnisses zum 31. Dezember 2000 übernahm die Klägerin Kosten für im September 2001 bei S. eingegliederten Zahnersatz in Höhe von 6.870,41 DM (= 3.512,78 Euro).
Die Klägerin hielt sich wegen einer Erstattung der Kosten zunächst an S. und an das Sozialamt, hatte damit jedoch keinen Erfolg bzw. nahm davon Abstand, ihre Forderung gegen diese zu richten.
Mit Schreiben vom 7. Mai 2003 forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung von 3.565,82 Euro (3.512,78 Euro für Zahnersatz zuzüglich 53,04 Euro für eine Kniebandage) bis zum 12. Juni 2003 auf. Durch die verspätete Abmeldung sei ein Schaden in dieser Höhe entstanden, für den der Beklagte aufkommen müsse.
Nachdem der Beklagte hierauf nicht reagiert hatte, hat die Klägerin am 11. März 2004 Leistungsklage wegen der Zahlung von 3.512,78 Euro erhoben. Das Sozialgericht hat den Rechtsweg nicht als eröffnet angesehen und die Sache an die ordentliche Gerichtsbarkeit verwiesen. Der Senat hat auf die Beschwerde der Klägerin jedoch den Verweisungsbeschluss aufgehoben und den Sozialgerichtsweg als eröffnet angesehen.
Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin vorgebracht, ein Schadenersatzanspruch ergebe sich aus § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. §§ 28 a und 28 c Sozialgesetzbuch, Viertes Buch (SGB IV) sowie § 8 der Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung (DEÜV). § 28 a SGB IV und § 8 DEÜV seien im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB Schutzgesetze zugunsten des Versicherungsträgers. Die Pflicht zur Abmeldung des Versicherten innerhalb von sechs Wochen nach Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung solle den Versicherungsträger gerade in die Lage versetzen festzustellen, ob die Versicherung weiter bestehe oder nicht, um die unberechtigte Inanspruchnahme von Leistungen zu Lasten der Versichertengemeinschaft zu verhindern. Aufgrund der verspäteten Abmeldung der S. seien Leistungen ohne Verpflichtung erbracht worden. Der Schaden gehe kausal auf die verspätete Abmeldung zurück.
Mit Urteil vom 18. November 2005 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, eine öffentlich-rechtliche Anspruchsnorm sei nicht erkennbar und lasse sich insbesondere nicht den §§ 28 ff. SGB IV entnehmen. Ob die Klägerin einen Anspruch aus § 823 BGB habe, sei nicht zu beurteilen; die Kammer sei auf eine Prüfung öffentlich-rechtlicher Ansprüche beschränkt.
Gegen das ihr am 1. Februar 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. Februar 2006 Berufung eingelegt. Sie verfolgt ihr Begehren weiter und vertieft zur Begründung ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. November 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 3.512,78 Euro nebst fünf Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. März 2004 zu zahlen.
Der Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert. Nach Ermittlungen des Gerichts ist er unbekannten Aufenthalts. Die Terminsladung ist ihm öffentlich zugestellt worden.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Der Senat durfte in Abwesenheit des Beklagten verhandeln und entscheiden. Der Beklagte war ordnungsgemäß mit öffentlicher Zustellung geladen. Die Ladung enthielt den Hinweis darauf, dass auch bei Ausbleiben der Beteiligten verhandelt und entschieden werden darf (§ 126 Sozialgerichtsgesetz, SGG).
Nachdem der Senat in seinem Beschluss vom 12. Januar 2005 den Sozialgerichtsweg bejaht und das Sozialgericht daraufhin eine Sachentscheidung getroffen hat, ist der Rechtsweg nicht mehr in Frage zu stellen (§ 17 a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz, GVG).
Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 3.512,78 Euro nebst Zinsen.
Zu Recht führt die Klägerin als Anspruchsgrundlage für den Schadenersatzanspruch § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den sozialrechtlichen Spezialvorschriften über die Meldepflichten eines Arbeitgebers an.
Das Sozialgericht hätte die Prüfung von § 823 BGB nicht unterlassen dürfen. Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit nämlich unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Unberührt davon bleiben nur Art. 14 Abs. 3 Satz 4 Grundgesetz (GG, Enteignungsentschädigung) und Art. 34 Satz 3 GG (Amtshaftung); um solche Ansprüche geht es vorliegend jedoch nicht, denn es handelt sich um eine Schadensersatzklage einer gesetzlichen Krankenversicherung gegen einen Arbeitgeber und damit insbesondere nicht um eine Frage der Amtshaftung.
Die Voraussetzungen für eine Schadensersatzverpflichtung des Beklagten auf der Grundlage von § 823 Abs. 2 BGB sind erfüllt. Danach ist schadensersatzpflichtig derjenige, der gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Die Frage, ob einer Rechtsnorm Schutzgesetzcharakter zukommt, bestimmt sich nicht nach der Wirkung des Gesetzes, sondern danach, ob dessen Inhalt nach dem Willen des Gesetzgebers in Form eines bestimmten Gebotes oder Verbotes - zumindest neben anderen Zwecken - auch einem gezielten Individualzweck dient und gegen eine näher bestimmte Art der Schädigung eines im Gesetz festgelegten Rechtsgutes oder Individualinteresses gerichtet ist. Es genügt nicht, dass die Norm im allgemeineren Sinne Schutz und Förderung einzelner Bürger oder bestimmter Personenkreise bewirkt oder bezweckt. Vielmehr muss die Schaffung eines individuellen Schadensersatzanspruches erkennbar vom Gesetz erstrebt sein oder zumindest sinnvoll und im Rahmen des haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheinen (st. Rspr., vgl. nur Bundessozialgericht, Urteil vom 4. Mai 1994, 1 RS 2/92, BSGE 74, S. 139, zitiert nach juris, dort Rdnr. 30; Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Mai 1976, VI ZR 241/73, NJW 1976, S. 2129, zitiert nach juris, dort Rdnr. 13).
§ 28 a Abs. 1 Nr. 2 SGB IV erlegt dem Arbeitgeber die Verpflichtung auf, der Einzugsstelle bei Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung eines Arbeitnehmers eine Meldung durch gesicherte und verschlüsselte Datenübertragung zu erstatten. Nach § 28 c Nr. 1 SGB IV in Verbindung mit § 8 DEÜV ist das Ende einer versicherungspflichtigen Beschäftigung mit der nächsten folgenden Lohn- und Gehaltsabrechnung, spätestens innerhalb von sechs Wochen nach ihrem Ende, zu melden.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung, diese Verpflichtung des Arbeitgebers als "Schutzgesetz" im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB anzusehen, weil die Meldevorschriften die gesetzlichen Krankenkassen auch gegen die Inanspruchnahme durch nicht mehr berechtigte Personen schützen wollen (vgl. nur Bundesgerichtshof, a.a.O., Rdnr. 21 zur Vorgängervorschrift § 317 RVO; OLG Frankfurt, Urteil vom 21. September 1988, 17 U 188/87, zitiert nach juris, dort Rdnr. 26, ebenfalls zu § 317 RVO; LG Kiel, Urteil vom 5. Mai 1999, 17 O 203/98, Die Beiträge Beilage 2001, S. 334, zitiert nach juris; Sozialgericht Berlin, Gerichtsbescheid vom 22. September 2001, S 86 KR 314/99-82, unveröffentlicht). Zudem ist die Verletzung der Meldepflicht aus § 28 a Abs. 1 Nr. 2 SGB IV ordnungswidrig (§ 111 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV), was ein "wertvoller Hinweis" auf die Einordnung als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB sein kann (Bundessozialgericht, a.a.O., Rdnr. 32).
Die Eröffnung eines deliktischen Schadenersatzanspruchs gegen den Arbeitgeber erscheint im vorliegenden Zusammenhang auch sinnvoll und stimmig im "Gesamtsystem", denn häufig – wie auch im vorliegenden Fall – dürfte die Inanspruchnahme des seinen Obliegenheiten zuwider handelnden Arbeitgebers die einzige Möglichkeit für den Sozialleistungsträger sein, um sich schadlos zu halten. Die §§ 45 ff. SGB X sehen zwar die Rückabwicklung rechtswidrig erbrachter Leistungen gegenüber dem Leistungsempfänger vor, dies jedoch nur unter engen Voraussetzungen, zu denen etwa die Berücksichtigung von Vertrauensschutz gehört. Sofern schließlich – wie im Falle der S. – ein Ausgleichsanspruch der Krankenklasse gegenüber dem Träger der Sozialhilfe in Betracht kommt, bleibt § 105 Abs. 3 SGB X zu beachten, wonach eine Erstattungspflicht nur von dem Zeitpunkt an besteht, von dem an dem Träger der Sozialhilfe bekannt war, dass die Voraussetzungen für seine Leistungspflicht bestanden (hier: erst am 18. März 2002).
Gegen seine Meldepflicht hat der Beklagte schuldhaft (zumindest fahrlässig, § 276 BGB) verstoßen, indem er seine vormalige Arbeitnehmerin S. erst knapp ein Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Einzugsstelle abmeldete. Für die Klägerin hat sich dies in Höhe des mit der Klageforderung geltend gemachten Betrages vermögensschädigend ausgewirkt, weil sie die in Zusammenhang mit der Zahnersatzbehandlung der S. entstandenen Kosten übernahm, ohne hierzu verpflichtet zu sein.
Der Anspruch auf Prozesszinsen beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. hierzu Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 16. August 2006, L 1 R 41/06, Rdnr. 16 ff. sowie Bundessozialgericht, Urteil vom 28. September 2005, B 6 KA 71/04, Rdnr. 38 ff., zitiert jeweils nach juris) und besteht für die Zeit ab Rechtshängigkeit der Klage (11. März 2004).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Ein Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
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