Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 1980/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 202/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 28 g Satz 3 SGB IV ist im Rahmen von § 255, § 256 SGB V nicht analog anzuwenden. Dies verletzt den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Januar 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine von der Beklagten vorgenommene Beitragsabführung in Höhe von insgesamt 5.033, 33 EUR.
Die im September 1935 geborene Klägerin ist versicherungspflichtiges Mitglied der Beigeladenen und bezieht neben einer Alters- und einer Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (beides zumindest seit Januar 1999) seit dem Tod ihres Ehemannes im Jahre 1984 - zunächst von der M B AG, seit Januar 2000 infolge eines Betriebsübergangs von der Beklagten - eine Hinterbliebenenrente aus der betrieblichen Altersversorgung. Im Laufe des Jahres 2003 teilte die Beigeladene der Klägerin und der Beklagten mit, dass auf diese Versorgungsbezüge bislang keine Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung entrichtet worden seien und dass sie die noch nicht verjährten Beiträge, d.h. seit dem 1. Januar 1999, nunmehr nachfordere. Nachdem die Beigeladene diese rückständigen Beiträge zunächst von der Klägerin eingefordert hatten (Bescheide vom 11. Dezember 2003 und 13. Januar 2004), hob sie diese Bescheide auf den Widerspruch der Klägerin auf und teilte ihr mit, die aus den Versorgungsbezügen zu zahlenden Krankenversicherungsbeiträge habe die Zahlstelle der Versorgungsbezüge abzuführen (Bescheide vom 8. und 14. April 2004). Bereits mit Schreiben vom 09. Januar 2004 hatte die Beklagte der Klägerin mitgeteilt, dass sie rückständige Beiträge mit den laufenden Bezügen der Klägerin verrechnen werde. Von Dezember 2004 bis einschließlich Juni 2005 verrechnete die Beklagte die von ihr im Zeitraum von Dezember 1999 bis März 2002 nicht abgeführten rückständigen Beiträge in Höhe von insgesamt 5.033,33 EUR.
Mit ihrer am 26. August 2005 erhobenen Klage vertritt die Klägerin die Auffassung, § 28 g Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) sei bei der Auslegung von § 256 Sozialgesetzbuch Fünf¬tes Buch (SGB V) ergänzend heranzuziehen. Der in § 28 g SGB IV enthaltene Schutzgedanke zugunsten des Beschäftigten müsse auch im Rahmen von § 256 SGB V zur Anwendung kommen, da diese Vorschrift einen entsprechenden Schutz nicht vorsehe und anderenfalls Rentner bei Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen entgegen Artikel 3 Grundgesetz (GG) schlechter gestellt seien als Beschäftigte.
Die Beklagte hat den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit bezweifelt. Auch sei sie nicht die richtige Anspruchsgegnerin, da die Erstattung überzahlter Beiträge nach § 256 Abs. 2 Satz 4 SGB V Aufgabe der zuständigen Krankenkasse sei. Im Übrigen sei der Einbehalt der Beiträge zu Recht erfolgt.
Mit von den Beteiligten nicht angegriffenem Beschluss vom 08. Dezember 2005 hat das Sozialgericht den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für zulässig erklärt und mit Urteil vom 16. Januar 2007 sodann die Klage abgewiesen. Zur Begründung des Urteils hat es ausgeführt, der von der Klägerin erhobene Anspruch scheitere zwar nicht an der Passivlegitimation der Beklagten. Der Anspruch sei jedoch infolge Aufrechnung untergegangen. Dem Anspruch der Beklagten auf Abzug der Beiträge aus § 256 Abs. 2 Satz 1 SGB V i.V.m. § 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V habe § 28 g Satz 3 SGB IV nicht entgegengestanden, da diese Regelung weder unmittelbar noch analog – letzteres mangels einer planwidrigen Regelungslücke – anwendbar sei. Auch eine Ungleichbehandlung nach Artikel 3 Abs. 1 GG liege nicht vor.
Gegen dieses ihr am 24. Januar 2007 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 23. Februar 2007, mit der sie im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt. Ergänzend bringt sie vor, dass die Beiträge nicht von der Beklagten hätten eingezogen werden dürfen, da die Beigeladene keinen Beitragsbescheid gegenüber der Klägerin erlassen und kein Verwaltungsverfahren durchgeführt habe. Trotz Kenntnis bzw. Kennenmüssens der Beitragspflicht sei die Beklagte zwei Jahre lang untätig geblieben und habe die ausstehenden Beiträge nicht eingezogen. Es sei unverhältnismäßig, dass Betriebsrentner trotz Verschuldens des Arbeitgebers unter der Armutsgrenze leben müssten. Die Klägerin habe auf eine korrekte Abwicklung durch die Beklagte vertraut und daher keine Vorkehrungen und Maßnahmen getroffen, um den Nachteil, der durch die verspätete Durchsetzung des Rechts entstanden sei, auszugleichen. Sie habe keine Rücklage für eine 4jährige Beitragsnachzahlung gebildet. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 12. September 2006 (Az.: 3 AZR 806/05), auf das die Beigeladene hingewiesen habe, überzeuge nicht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Januar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.033,33 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. Februar 2004 zu zahlen.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Diese beiden Beteiligten halten die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beigeladenen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch besteht nicht.
1. Die Klägerin begehrt im Ergebnis die nicht auf Grund der Verrechnung mit rückständigen Beitragsansprüchen geschmälerte Zahlung ihrer Hinterbliebenenrente aus der betrieblichen Altersversorgung ihres verstorbenen Ehemannes. Als Anspruchsgrundlage kommt daher nur die ihren Ehemann betreffende Versorgungszusage i.V.m. § 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) in Betracht, wobei der konkrete Rechtsgrund der Versorgungszusage (individual- oder kollektivrechtliche Versorgungsvereinbarung, betriebliche Übung, Gleichbehandlungsgrundsatz) offen bleiben kann, da der Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Hinterbliebenenrente - auch der Höhe nach - unstreitig ist.
a. Die Klägerin hat jedoch zu dulden, dass die Beklagte nach § 256 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V rückständige Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung aus der von ihr geleisteten betrieblichen Altersversorgung einbehalten hat, denn dieser Einbehalt erfolgte zu Recht.
§ 256 SGB V enthält in seinen ersten beiden Absätzen folgende Regelungen:
"(1) Für Versicherungspflichtige, die eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, haben die Zahlstellen der Versorgungsbezüge die Beiträge aus Versorgungsbezügen einzubehalten und an die zuständige Krankenkasse zu zahlen. Die zu zahlenden Beiträge werden fällig mit der Auszahlung der Versorgungsbezüge, von denen sie einzubehalten sind. Die Zahlstellen haben der Krankenkasse die einbehaltenen Beiträge nachzuweisen. Bezieht das Mitglied Versorgungsbezüge von mehreren Zahlstellen und übersteigen die Versorgungsbezüge zusammen mit dem Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung die Beitragsbemessungsgrenze, verteilt die Krankenkasse auf Antrag des Mitglieds oder einer der Zahlstellen die Beiträge. (2) § 255 Abs. 2 Satz 1 und 2 gilt entsprechend. Die Krankenkasse zieht die Beiträge aus nachgezahlten Versorgungsbezügen ein. Dies gilt nicht für Beiträge aus Nachzahlungen aufgrund von Anpassungen der Versorgungsbezüge an die wirtschaftliche Entwicklung. Die Erstattung von Beiträgen obliegt der zuständigen Krankenkasse. Die Krankenkassen können mit den Zahlstellen der Versorgungsbezüge Abweichendes vereinbaren."
§ 255 Absätze 1 und 2 SGB V (in der bis zum 30. September 2005 geltenden, hier maßgeblichen Fassung) lauten:
"(1) Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente zu tragen haben, sind von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und zusammen mit den von den Trägern der Rentenversicherung zu tragenden Beiträgen an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte für die Krankenkassen mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkassen zu zahlen. Bei einer Änderung in der Höhe der Beiträge nach Satz 1 ist die Erteilung eines besonderen Bescheides durch den Träger der Rentenversicherung nicht erforderlich. (2) Ist bei der Zahlung der Rente die Einbehaltung von Beiträgen nach Absatz 1 unterblieben, sind die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten; § 51 Abs. 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Wird die Rente nicht mehr gezahlt, obliegt der Einzug von rückständigen Beiträgen der zuständigen Krankenkasse. Der Träger der Rentenversicherung haftet mit dem von ihm zu tragenden Anteil an den Aufwendungen für die Krankenversicherung."
Die Voraussetzungen für einen Einbehalt rückständiger Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung nach diesen Vorschriften liegen im Falle der Klägerin vor. Zwischen Dezember 1999 und Juni 2005 war sie versicherungspflichtig und bezog aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Rente. Darüber hinaus führte die Beklagte aus den für die Zeit vom 01. Dezember 1999 bis zum 31. März 2002 gezahlten Versorgungsleistungen keine Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung ab, obwohl es sich hierbei um beitragspflichtige Einnahmen der Klägerin (§ 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V) handelte.
b. Für den Bereich der Pflegeversicherung gilt gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 und § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB IX dasselbe.
2. Die von der Klägerin gegen den Einbehalt vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.
a. § 28 g Satz 3 SGB IV ist nicht analog anzuwenden.
Nach § 28 g Sätze 1 bis 3 SGB IV (in der bis zum 31. Dezember 2005 geltenden, hier maßgeblichen Fassung) hat der Arbeitgeber gegen den Beschäftigten einen Anspruch auf den von diesem zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Dieser Anspruch kann nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden. Ein unterbliebener Abzug darf nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden, danach nur dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist.
aa. Zwar sehen § 255 und § 256 SGB V einen parallelen Schutz für Renten- und Versorgungsbezieher nicht vorsehen. Diese Vorschriften beinhalten jedoch durch den Verweis auf § 51 Abs. 2 SGB I - diese Norm verbietet eine Aufrechnung, die zur Sozialhilfebedürftigkeit führen würde - ein anderes Schutzkonzept für die betroffenen Beitragspflichtigen. Der Gesetzgeber hat also die Gefahr einer unzumutbaren Belastung der Renten- und Versorgungsbezieher durch den nachträglichen Einbehalt von Beiträgen erkannt. Damit aber fehlt es an einer Regelungslücke als elementarer Voraussetzung jeder analogen Rechtsanwendung.
bb. § 255 und § 256 SGB V sind nicht verfassungswidrig.
Der Senat unterstellt zugunsten der Klägerin, sie habe im Zusammenhag mit ihrem Anspruch aus der betrieblichen Altersversorgung immer korrekte Angaben gegenüber der Beklagten gemacht, sodass nur ein Verschulden der Beklagten ursächlich für die unterbliebene Beitragszahlung sein könnte und ein nachträglicher Beitragsabzug - wäre die Klägerin Beschäftigte und nicht Betriebsrentnerin gewesen - nicht möglich gewesen wäre. Diese Ungleichbehandlung verstößt allerdings nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, unter stetiger Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfGE 98, 365 m.w.N.). Dabei genügt im Regelungsbereich des Besoldungs- und Versorgungsrechts ein sachlicher Grund für eine gesetzliche Differenzierung; der Gesetzgeber muss nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste aller möglichen Lösungen wählen (BVerfGE 81, 108; 84, 348). Gleiches gilt bei der Beurteilung der hier streitbefangenen Regelungen.
Einer Überprüfung anhand dieser Maßstäbe hält die Ungleichbehandlung zwischen Betriebsrentnern und Beschäftigten beim Beitragsabzug stand.
Abzustellen ist hierbei nicht allein darauf, wie ein Abzug den einzelnen Einkommensberechtigten - Beschäftigte oder Betriebsrentner - trifft. Maßgeblich ist vielmehr das gesamte Regelungsumfeld. Die Begrenzung der Abzugsmöglichkeit für den vom Beschäftigten zu tragenden Anteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag führt dazu, dass der Arbeitgeber das Risiko trägt, wenn er fehlerhaft Beschäftigte als nicht sozialversicherungspflichtig behandelt, obwohl sie tatsächlich der Sozialversicherungspflicht unterfallen. Es ist dem Arbeitgeber nicht möglich, das Risiko, ob ein bestimmtes Rechtsverhältnis ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ist oder nicht, teilweise auf den Beschäftigten abzuwälzen. Dadurch entsteht ein verstärktes Eigeninteresse des Arbeitgebers daran, von vornherein eine korrekte Abwicklung zu wählen. Eine vergleichbare Interessenlage gibt es gegenüber den Betriebsrentnern nicht.
Zudem soll das im Interesse des Beschäftigten geschaffene Sozialversicherungssystem nicht mit der unerwünschten und den Gesetzeszweck beeinträchtigenden Begleiterscheinung drückender Beitragslast und der Beitragsverschuldung des Beschäftigten sowie der sich daraus ergebenden Klage-, Vollstreckungs- und sonstigen Druckmöglichkeiten des Arbeitgebers verbunden sein. Im Interesse beider Vertragsparteien, die im laufenden Beschäftigungsverhältnis in vielfältiger Weise, u.a. auch durch die persönliche Anwesenheit des Beschäftigten im Betrieb, miteinander verbunden sind, soll das Beschäftigungsverhältnis möglichst von derartigen Konflikten freigehalten werden. Auch insofern entspricht die Interessenlage hinsichtlich der Berechtigten aus der betrieblichen Altersversorgung nicht der im laufenden Beschäftigungsverhältnis.
b. Die Beitragsansprüche der Krankenkasse sind auch nicht verwirkt.
Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist zwar als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch im öffentlichen Recht allgemein anerkannt (BVerfG, DÖV 1972, 312; BSGE 7, 199, 200; 34, 211; 35, 91, 94; 41, 275, 278). Danach stellt es eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn ein Recht in Widerspruch zu eigenem früheren Verhalten geltend gemacht wird, weil der Berechtigte während einer längeren Zeitspanne dem Verpflichteten gegenüber untätig gewesen ist und besondere Umstände hinzugetreten sind, aufgrund deren sein Verhalten als Verstoß gegen Treu und Glauben empfunden wird (BSGE 34, 211; 35, 91, 94).
Aus dem Zeitraum von zwei Jahren kann die Klägerin den Einwand der Verwirkung keinesfalls herleiten. Nach der Rechtsprechung des BSG wird regelmäßig eine Zeitspanne der Untätigkeit von vier Jahren als unterste Grenze angesehen, um Verwirkung annehmen zu können. Im Übrigen genügt für die Wirksamkeit des Verwirkungseinwandes die Berufung auf bloßen Zeitablauf nicht. Es müssen noch weitere Umstände hinzutreten, die nach den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen, und aufgrund derer der Schuldner vertrauen durfte, dass der andere sein Recht nicht mehr gegen ihn ausüben werde (BSGE 45, 38 m.w.N.).
Außer dem Zeitablauf sind hier jedoch keine Umstände ersichtlich, welche die Rückforderung als mit der Wahrung von Treu und Glauben nicht vereinbar erscheinen lassen. Allein aufgrund der Untätigkeit der Beklagten durfte die Klägerin nicht darauf vertrauen, sie werde nicht mehr in Anspruch genommen. Zwar mag im Einzelfall auch ein Unterlassen einen Vertrauensschutz begründen, dann jedoch nur unter der Voraussetzung, dass das Nichtstun des Gläubigers nach den Umständen als bewusst und planmäßig betrachtet werden muss (BSG a.a.O.) Solche Umstände sind weder von der Klägerseite dargetan noch anderweitig ersichtlich. Vielmehr liegen Umstände, aus denen die Klägerin hätte schließen können, die Beklagte wolle die Beiträge insgesamt weder durch Beitragsabzug noch in sonstiger Weise geltend machen, ebenfalls nicht vor. Auch aus der bloßen Untätigkeit der Krankenkasse konnte die Klägerin nicht folgern, diese wolle ihre Rechte aus den im Interesse der Solidargemeinschaft bestehenden gesetzlichen Beitragspflichten nicht mehr wahrnehmen.
c. Der Einbehalt von (laufenden oder rückständigen) Beiträgen setzt auch keinen Verwaltungsakt der Krankenkasse gegenüber dem Bezieher der Versorgungsleistung voraus.
Für diese Annahme der Klägerseite (ebenso wohl auch, allerdings ohne jegliche Begründung Landessozialgericht - LSG - Baden-Württemberg, Urteil vom 26. März 2004, Az.: L 4 KR 4285/02, veröffentlicht in Juris, unter Bezugnahme auf das dortige vorinstanzliche Urteil) finden sich im Gesetz keine Anhaltspunkte. Zwar hat nach § 202 Satz 4 SGB V (in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden, hier maßgeblichen Fassung - alte Fassung (aF) -) die Krankenkasse der Zahlstelle der Versorgungsbezüge und dem Bezieher von Versorgungsbezügen unverzüglich die Beitragspflicht des Versorgungsempfängers, deren Umfang und den Beitragssatz aus Versorgungsbezügen mitzuteilen. Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ("mitzuteilen") ergibt sich im Umkehrschluss, dass eine Pflicht der Krankenkasse, eine Regelung im Sinne eines Verwaltungsaktes (§ 31 SGB X) zu treffen, gerade nicht besteht. Im vorliegenden Fall kann jedoch offen bleiben, ob die Beigeladene durch ihre Schreiben bzw. Bescheide vom 11. Dezember 2003, 8. April 2004 und 14. April 2004 an die Klägerin bzw. die Beklagte - rechtzeitig - ihrer Mitteilungspflicht aus § 202 Satz 4 SGB V aF nachkam, denn weder Beitragspflicht noch Beitragshöhe sind zwischen den Beteiligten im Streit.
Der zur Untermauerung ihrer Rechtsauffassung gedachte Hinweis der Klägerseite auf die Entscheidung des BSG vom 22. Mai 1984, Az.: 12 RK 30/84 (BSGE 58, 150) geht fehl. In diesem Urteil entschied das BSG lediglich, dass die Klage eines Versicherten gegen seine Krankenkasse auf Feststellung niedrigerer als der von seinem Lohn einbehaltenen Beiträge unzulässig ist, solange der Versicherte kein diesbezügliches Verwaltungsverfahren angestrengt hat. Diese Entscheidung lässt keine Rückschlüsse auf das hiesige Verfahren zu, da sie sich sowohl hinsichtlich der Hauptbeteiligten (Krankenkasse als Beklagte) als auch bezüglich der Klageart vom Fall der Klägerin unterscheidet. Unabhängig hiervon - und dies gilt auch für den Einwand der Klägerin, nur im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens könne sie ihre Beitragspflicht überprüfen lassen - hat die Beigeladene mit ihrem von der Klägerin offensichtlich nicht angegriffenen Bescheid vom 14. April 2004 festgestellt, dass aus den Versorgungsbezügen Beiträge zur Krankenversicherung zu zahlen sind.
3. Die Höhe der Abzüge ist nicht zu beanstanden. Dass die Beitragspflicht im geltend gemachten Umfange besteht, hat die Klägerin nicht angegriffen. Insofern sind keine Einwände ersichtlich. Anstelle der von Klägerseite ins Feld geführten, jedoch nicht näher definierten und rechtlich unerheblichen "Armutsgrenze" ist wegen der Verweisung gem. § 256 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 255 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz SGB V nur § 51 Abs. 2 SGB I einschlägig. Nach dieser Vorschrift (in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung) kann die Aufrechnung von Beitragsforderungen bis zur Hälfte laufender Geldleistungen erfolgen, soweit der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig i.S.d. Vorschriften des Sozialhilferechts über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitssuchende wird. Die Klägerin hat keine einer Nachprüfung zugänglichen Tatsachen vorgetragen, die auf eine Hilfebedürftigkeit in diesem Sinne schließen ließen. Dies fällt umso mehr in Gewicht, als nach § 51 Abs. 2 SGB I in der seit dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung der Leistungsberechtigte die Hilfebedürftigkeit nachzuweisen hat. Im übrigen dürfte in Anbetracht des Umstands, dass nach den Feststellungen der Beigeladenen die Klägerin in der Zeit zwischen dem 1. Januar 1999 und dem 31. Dezember 2003 Einkünfte aus Rente und betrieblicher Altersversorgung bezog, die in der Summe die Beitragsbemessungsgrenze übersteigen, die Annahme von Sozialhilfebedürftigkeit fern liegen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine von der Beklagten vorgenommene Beitragsabführung in Höhe von insgesamt 5.033, 33 EUR.
Die im September 1935 geborene Klägerin ist versicherungspflichtiges Mitglied der Beigeladenen und bezieht neben einer Alters- und einer Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (beides zumindest seit Januar 1999) seit dem Tod ihres Ehemannes im Jahre 1984 - zunächst von der M B AG, seit Januar 2000 infolge eines Betriebsübergangs von der Beklagten - eine Hinterbliebenenrente aus der betrieblichen Altersversorgung. Im Laufe des Jahres 2003 teilte die Beigeladene der Klägerin und der Beklagten mit, dass auf diese Versorgungsbezüge bislang keine Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung entrichtet worden seien und dass sie die noch nicht verjährten Beiträge, d.h. seit dem 1. Januar 1999, nunmehr nachfordere. Nachdem die Beigeladene diese rückständigen Beiträge zunächst von der Klägerin eingefordert hatten (Bescheide vom 11. Dezember 2003 und 13. Januar 2004), hob sie diese Bescheide auf den Widerspruch der Klägerin auf und teilte ihr mit, die aus den Versorgungsbezügen zu zahlenden Krankenversicherungsbeiträge habe die Zahlstelle der Versorgungsbezüge abzuführen (Bescheide vom 8. und 14. April 2004). Bereits mit Schreiben vom 09. Januar 2004 hatte die Beklagte der Klägerin mitgeteilt, dass sie rückständige Beiträge mit den laufenden Bezügen der Klägerin verrechnen werde. Von Dezember 2004 bis einschließlich Juni 2005 verrechnete die Beklagte die von ihr im Zeitraum von Dezember 1999 bis März 2002 nicht abgeführten rückständigen Beiträge in Höhe von insgesamt 5.033,33 EUR.
Mit ihrer am 26. August 2005 erhobenen Klage vertritt die Klägerin die Auffassung, § 28 g Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) sei bei der Auslegung von § 256 Sozialgesetzbuch Fünf¬tes Buch (SGB V) ergänzend heranzuziehen. Der in § 28 g SGB IV enthaltene Schutzgedanke zugunsten des Beschäftigten müsse auch im Rahmen von § 256 SGB V zur Anwendung kommen, da diese Vorschrift einen entsprechenden Schutz nicht vorsehe und anderenfalls Rentner bei Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen entgegen Artikel 3 Grundgesetz (GG) schlechter gestellt seien als Beschäftigte.
Die Beklagte hat den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit bezweifelt. Auch sei sie nicht die richtige Anspruchsgegnerin, da die Erstattung überzahlter Beiträge nach § 256 Abs. 2 Satz 4 SGB V Aufgabe der zuständigen Krankenkasse sei. Im Übrigen sei der Einbehalt der Beiträge zu Recht erfolgt.
Mit von den Beteiligten nicht angegriffenem Beschluss vom 08. Dezember 2005 hat das Sozialgericht den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für zulässig erklärt und mit Urteil vom 16. Januar 2007 sodann die Klage abgewiesen. Zur Begründung des Urteils hat es ausgeführt, der von der Klägerin erhobene Anspruch scheitere zwar nicht an der Passivlegitimation der Beklagten. Der Anspruch sei jedoch infolge Aufrechnung untergegangen. Dem Anspruch der Beklagten auf Abzug der Beiträge aus § 256 Abs. 2 Satz 1 SGB V i.V.m. § 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V habe § 28 g Satz 3 SGB IV nicht entgegengestanden, da diese Regelung weder unmittelbar noch analog – letzteres mangels einer planwidrigen Regelungslücke – anwendbar sei. Auch eine Ungleichbehandlung nach Artikel 3 Abs. 1 GG liege nicht vor.
Gegen dieses ihr am 24. Januar 2007 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 23. Februar 2007, mit der sie im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt. Ergänzend bringt sie vor, dass die Beiträge nicht von der Beklagten hätten eingezogen werden dürfen, da die Beigeladene keinen Beitragsbescheid gegenüber der Klägerin erlassen und kein Verwaltungsverfahren durchgeführt habe. Trotz Kenntnis bzw. Kennenmüssens der Beitragspflicht sei die Beklagte zwei Jahre lang untätig geblieben und habe die ausstehenden Beiträge nicht eingezogen. Es sei unverhältnismäßig, dass Betriebsrentner trotz Verschuldens des Arbeitgebers unter der Armutsgrenze leben müssten. Die Klägerin habe auf eine korrekte Abwicklung durch die Beklagte vertraut und daher keine Vorkehrungen und Maßnahmen getroffen, um den Nachteil, der durch die verspätete Durchsetzung des Rechts entstanden sei, auszugleichen. Sie habe keine Rücklage für eine 4jährige Beitragsnachzahlung gebildet. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 12. September 2006 (Az.: 3 AZR 806/05), auf das die Beigeladene hingewiesen habe, überzeuge nicht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Januar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.033,33 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. Februar 2004 zu zahlen.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Diese beiden Beteiligten halten die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beigeladenen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch besteht nicht.
1. Die Klägerin begehrt im Ergebnis die nicht auf Grund der Verrechnung mit rückständigen Beitragsansprüchen geschmälerte Zahlung ihrer Hinterbliebenenrente aus der betrieblichen Altersversorgung ihres verstorbenen Ehemannes. Als Anspruchsgrundlage kommt daher nur die ihren Ehemann betreffende Versorgungszusage i.V.m. § 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) in Betracht, wobei der konkrete Rechtsgrund der Versorgungszusage (individual- oder kollektivrechtliche Versorgungsvereinbarung, betriebliche Übung, Gleichbehandlungsgrundsatz) offen bleiben kann, da der Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Hinterbliebenenrente - auch der Höhe nach - unstreitig ist.
a. Die Klägerin hat jedoch zu dulden, dass die Beklagte nach § 256 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V rückständige Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung aus der von ihr geleisteten betrieblichen Altersversorgung einbehalten hat, denn dieser Einbehalt erfolgte zu Recht.
§ 256 SGB V enthält in seinen ersten beiden Absätzen folgende Regelungen:
"(1) Für Versicherungspflichtige, die eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, haben die Zahlstellen der Versorgungsbezüge die Beiträge aus Versorgungsbezügen einzubehalten und an die zuständige Krankenkasse zu zahlen. Die zu zahlenden Beiträge werden fällig mit der Auszahlung der Versorgungsbezüge, von denen sie einzubehalten sind. Die Zahlstellen haben der Krankenkasse die einbehaltenen Beiträge nachzuweisen. Bezieht das Mitglied Versorgungsbezüge von mehreren Zahlstellen und übersteigen die Versorgungsbezüge zusammen mit dem Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung die Beitragsbemessungsgrenze, verteilt die Krankenkasse auf Antrag des Mitglieds oder einer der Zahlstellen die Beiträge. (2) § 255 Abs. 2 Satz 1 und 2 gilt entsprechend. Die Krankenkasse zieht die Beiträge aus nachgezahlten Versorgungsbezügen ein. Dies gilt nicht für Beiträge aus Nachzahlungen aufgrund von Anpassungen der Versorgungsbezüge an die wirtschaftliche Entwicklung. Die Erstattung von Beiträgen obliegt der zuständigen Krankenkasse. Die Krankenkassen können mit den Zahlstellen der Versorgungsbezüge Abweichendes vereinbaren."
§ 255 Absätze 1 und 2 SGB V (in der bis zum 30. September 2005 geltenden, hier maßgeblichen Fassung) lauten:
"(1) Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente zu tragen haben, sind von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und zusammen mit den von den Trägern der Rentenversicherung zu tragenden Beiträgen an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte für die Krankenkassen mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkassen zu zahlen. Bei einer Änderung in der Höhe der Beiträge nach Satz 1 ist die Erteilung eines besonderen Bescheides durch den Träger der Rentenversicherung nicht erforderlich. (2) Ist bei der Zahlung der Rente die Einbehaltung von Beiträgen nach Absatz 1 unterblieben, sind die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten; § 51 Abs. 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Wird die Rente nicht mehr gezahlt, obliegt der Einzug von rückständigen Beiträgen der zuständigen Krankenkasse. Der Träger der Rentenversicherung haftet mit dem von ihm zu tragenden Anteil an den Aufwendungen für die Krankenversicherung."
Die Voraussetzungen für einen Einbehalt rückständiger Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung nach diesen Vorschriften liegen im Falle der Klägerin vor. Zwischen Dezember 1999 und Juni 2005 war sie versicherungspflichtig und bezog aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Rente. Darüber hinaus führte die Beklagte aus den für die Zeit vom 01. Dezember 1999 bis zum 31. März 2002 gezahlten Versorgungsleistungen keine Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung ab, obwohl es sich hierbei um beitragspflichtige Einnahmen der Klägerin (§ 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V) handelte.
b. Für den Bereich der Pflegeversicherung gilt gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 und § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB IX dasselbe.
2. Die von der Klägerin gegen den Einbehalt vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.
a. § 28 g Satz 3 SGB IV ist nicht analog anzuwenden.
Nach § 28 g Sätze 1 bis 3 SGB IV (in der bis zum 31. Dezember 2005 geltenden, hier maßgeblichen Fassung) hat der Arbeitgeber gegen den Beschäftigten einen Anspruch auf den von diesem zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Dieser Anspruch kann nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden. Ein unterbliebener Abzug darf nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden, danach nur dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist.
aa. Zwar sehen § 255 und § 256 SGB V einen parallelen Schutz für Renten- und Versorgungsbezieher nicht vorsehen. Diese Vorschriften beinhalten jedoch durch den Verweis auf § 51 Abs. 2 SGB I - diese Norm verbietet eine Aufrechnung, die zur Sozialhilfebedürftigkeit führen würde - ein anderes Schutzkonzept für die betroffenen Beitragspflichtigen. Der Gesetzgeber hat also die Gefahr einer unzumutbaren Belastung der Renten- und Versorgungsbezieher durch den nachträglichen Einbehalt von Beiträgen erkannt. Damit aber fehlt es an einer Regelungslücke als elementarer Voraussetzung jeder analogen Rechtsanwendung.
bb. § 255 und § 256 SGB V sind nicht verfassungswidrig.
Der Senat unterstellt zugunsten der Klägerin, sie habe im Zusammenhag mit ihrem Anspruch aus der betrieblichen Altersversorgung immer korrekte Angaben gegenüber der Beklagten gemacht, sodass nur ein Verschulden der Beklagten ursächlich für die unterbliebene Beitragszahlung sein könnte und ein nachträglicher Beitragsabzug - wäre die Klägerin Beschäftigte und nicht Betriebsrentnerin gewesen - nicht möglich gewesen wäre. Diese Ungleichbehandlung verstößt allerdings nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, unter stetiger Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfGE 98, 365 m.w.N.). Dabei genügt im Regelungsbereich des Besoldungs- und Versorgungsrechts ein sachlicher Grund für eine gesetzliche Differenzierung; der Gesetzgeber muss nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste aller möglichen Lösungen wählen (BVerfGE 81, 108; 84, 348). Gleiches gilt bei der Beurteilung der hier streitbefangenen Regelungen.
Einer Überprüfung anhand dieser Maßstäbe hält die Ungleichbehandlung zwischen Betriebsrentnern und Beschäftigten beim Beitragsabzug stand.
Abzustellen ist hierbei nicht allein darauf, wie ein Abzug den einzelnen Einkommensberechtigten - Beschäftigte oder Betriebsrentner - trifft. Maßgeblich ist vielmehr das gesamte Regelungsumfeld. Die Begrenzung der Abzugsmöglichkeit für den vom Beschäftigten zu tragenden Anteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag führt dazu, dass der Arbeitgeber das Risiko trägt, wenn er fehlerhaft Beschäftigte als nicht sozialversicherungspflichtig behandelt, obwohl sie tatsächlich der Sozialversicherungspflicht unterfallen. Es ist dem Arbeitgeber nicht möglich, das Risiko, ob ein bestimmtes Rechtsverhältnis ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ist oder nicht, teilweise auf den Beschäftigten abzuwälzen. Dadurch entsteht ein verstärktes Eigeninteresse des Arbeitgebers daran, von vornherein eine korrekte Abwicklung zu wählen. Eine vergleichbare Interessenlage gibt es gegenüber den Betriebsrentnern nicht.
Zudem soll das im Interesse des Beschäftigten geschaffene Sozialversicherungssystem nicht mit der unerwünschten und den Gesetzeszweck beeinträchtigenden Begleiterscheinung drückender Beitragslast und der Beitragsverschuldung des Beschäftigten sowie der sich daraus ergebenden Klage-, Vollstreckungs- und sonstigen Druckmöglichkeiten des Arbeitgebers verbunden sein. Im Interesse beider Vertragsparteien, die im laufenden Beschäftigungsverhältnis in vielfältiger Weise, u.a. auch durch die persönliche Anwesenheit des Beschäftigten im Betrieb, miteinander verbunden sind, soll das Beschäftigungsverhältnis möglichst von derartigen Konflikten freigehalten werden. Auch insofern entspricht die Interessenlage hinsichtlich der Berechtigten aus der betrieblichen Altersversorgung nicht der im laufenden Beschäftigungsverhältnis.
b. Die Beitragsansprüche der Krankenkasse sind auch nicht verwirkt.
Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist zwar als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch im öffentlichen Recht allgemein anerkannt (BVerfG, DÖV 1972, 312; BSGE 7, 199, 200; 34, 211; 35, 91, 94; 41, 275, 278). Danach stellt es eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn ein Recht in Widerspruch zu eigenem früheren Verhalten geltend gemacht wird, weil der Berechtigte während einer längeren Zeitspanne dem Verpflichteten gegenüber untätig gewesen ist und besondere Umstände hinzugetreten sind, aufgrund deren sein Verhalten als Verstoß gegen Treu und Glauben empfunden wird (BSGE 34, 211; 35, 91, 94).
Aus dem Zeitraum von zwei Jahren kann die Klägerin den Einwand der Verwirkung keinesfalls herleiten. Nach der Rechtsprechung des BSG wird regelmäßig eine Zeitspanne der Untätigkeit von vier Jahren als unterste Grenze angesehen, um Verwirkung annehmen zu können. Im Übrigen genügt für die Wirksamkeit des Verwirkungseinwandes die Berufung auf bloßen Zeitablauf nicht. Es müssen noch weitere Umstände hinzutreten, die nach den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen, und aufgrund derer der Schuldner vertrauen durfte, dass der andere sein Recht nicht mehr gegen ihn ausüben werde (BSGE 45, 38 m.w.N.).
Außer dem Zeitablauf sind hier jedoch keine Umstände ersichtlich, welche die Rückforderung als mit der Wahrung von Treu und Glauben nicht vereinbar erscheinen lassen. Allein aufgrund der Untätigkeit der Beklagten durfte die Klägerin nicht darauf vertrauen, sie werde nicht mehr in Anspruch genommen. Zwar mag im Einzelfall auch ein Unterlassen einen Vertrauensschutz begründen, dann jedoch nur unter der Voraussetzung, dass das Nichtstun des Gläubigers nach den Umständen als bewusst und planmäßig betrachtet werden muss (BSG a.a.O.) Solche Umstände sind weder von der Klägerseite dargetan noch anderweitig ersichtlich. Vielmehr liegen Umstände, aus denen die Klägerin hätte schließen können, die Beklagte wolle die Beiträge insgesamt weder durch Beitragsabzug noch in sonstiger Weise geltend machen, ebenfalls nicht vor. Auch aus der bloßen Untätigkeit der Krankenkasse konnte die Klägerin nicht folgern, diese wolle ihre Rechte aus den im Interesse der Solidargemeinschaft bestehenden gesetzlichen Beitragspflichten nicht mehr wahrnehmen.
c. Der Einbehalt von (laufenden oder rückständigen) Beiträgen setzt auch keinen Verwaltungsakt der Krankenkasse gegenüber dem Bezieher der Versorgungsleistung voraus.
Für diese Annahme der Klägerseite (ebenso wohl auch, allerdings ohne jegliche Begründung Landessozialgericht - LSG - Baden-Württemberg, Urteil vom 26. März 2004, Az.: L 4 KR 4285/02, veröffentlicht in Juris, unter Bezugnahme auf das dortige vorinstanzliche Urteil) finden sich im Gesetz keine Anhaltspunkte. Zwar hat nach § 202 Satz 4 SGB V (in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden, hier maßgeblichen Fassung - alte Fassung (aF) -) die Krankenkasse der Zahlstelle der Versorgungsbezüge und dem Bezieher von Versorgungsbezügen unverzüglich die Beitragspflicht des Versorgungsempfängers, deren Umfang und den Beitragssatz aus Versorgungsbezügen mitzuteilen. Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ("mitzuteilen") ergibt sich im Umkehrschluss, dass eine Pflicht der Krankenkasse, eine Regelung im Sinne eines Verwaltungsaktes (§ 31 SGB X) zu treffen, gerade nicht besteht. Im vorliegenden Fall kann jedoch offen bleiben, ob die Beigeladene durch ihre Schreiben bzw. Bescheide vom 11. Dezember 2003, 8. April 2004 und 14. April 2004 an die Klägerin bzw. die Beklagte - rechtzeitig - ihrer Mitteilungspflicht aus § 202 Satz 4 SGB V aF nachkam, denn weder Beitragspflicht noch Beitragshöhe sind zwischen den Beteiligten im Streit.
Der zur Untermauerung ihrer Rechtsauffassung gedachte Hinweis der Klägerseite auf die Entscheidung des BSG vom 22. Mai 1984, Az.: 12 RK 30/84 (BSGE 58, 150) geht fehl. In diesem Urteil entschied das BSG lediglich, dass die Klage eines Versicherten gegen seine Krankenkasse auf Feststellung niedrigerer als der von seinem Lohn einbehaltenen Beiträge unzulässig ist, solange der Versicherte kein diesbezügliches Verwaltungsverfahren angestrengt hat. Diese Entscheidung lässt keine Rückschlüsse auf das hiesige Verfahren zu, da sie sich sowohl hinsichtlich der Hauptbeteiligten (Krankenkasse als Beklagte) als auch bezüglich der Klageart vom Fall der Klägerin unterscheidet. Unabhängig hiervon - und dies gilt auch für den Einwand der Klägerin, nur im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens könne sie ihre Beitragspflicht überprüfen lassen - hat die Beigeladene mit ihrem von der Klägerin offensichtlich nicht angegriffenen Bescheid vom 14. April 2004 festgestellt, dass aus den Versorgungsbezügen Beiträge zur Krankenversicherung zu zahlen sind.
3. Die Höhe der Abzüge ist nicht zu beanstanden. Dass die Beitragspflicht im geltend gemachten Umfange besteht, hat die Klägerin nicht angegriffen. Insofern sind keine Einwände ersichtlich. Anstelle der von Klägerseite ins Feld geführten, jedoch nicht näher definierten und rechtlich unerheblichen "Armutsgrenze" ist wegen der Verweisung gem. § 256 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 255 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz SGB V nur § 51 Abs. 2 SGB I einschlägig. Nach dieser Vorschrift (in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung) kann die Aufrechnung von Beitragsforderungen bis zur Hälfte laufender Geldleistungen erfolgen, soweit der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig i.S.d. Vorschriften des Sozialhilferechts über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitssuchende wird. Die Klägerin hat keine einer Nachprüfung zugänglichen Tatsachen vorgetragen, die auf eine Hilfebedürftigkeit in diesem Sinne schließen ließen. Dies fällt umso mehr in Gewicht, als nach § 51 Abs. 2 SGB I in der seit dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung der Leistungsberechtigte die Hilfebedürftigkeit nachzuweisen hat. Im übrigen dürfte in Anbetracht des Umstands, dass nach den Feststellungen der Beigeladenen die Klägerin in der Zeit zwischen dem 1. Januar 1999 und dem 31. Dezember 2003 Einkünfte aus Rente und betrieblicher Altersversorgung bezog, die in der Summe die Beitragsbemessungsgrenze übersteigen, die Annahme von Sozialhilfebedürftigkeit fern liegen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
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