L 9 U 4495/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 6144/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 4495/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. August 2007 sowie der Bescheid der Beklagten vom 7. April 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2005 und der Bescheid vom 5. Februar 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. April 1999 abgeändert. Es wird festgestellt, dass ein Tinnitus rechts Folge des Arbeitsunfalls vom 31. März 1997 ist.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte mit den Bescheiden vom 5.2.1999 und 25.3.2003 zu Unrecht die Anerkennung von Unfallfolgen und die Gewährung von Verletztenrente abgelehnt hat.

Die 1952 geborene griechische Klägerin war seit Mai 1989 als Stationshilfe im Ch. Göppingen beschäftigt. Am 31.3.1997 schlug ihr ein 84-jähriger Psychiatrie-Patient ohne Vorwarnung mit einer Mineralwasserflasche ins Gesicht. Sie fiel durch eine Türöffnung auf einen Tisch bzw. auf den Boden und hatte sofort Nasenbluten und Schwindelgefühle. Sie wurde vom 31.3. bis 10.4.1997 in der unfallchirurgischen Klinik der Klinik am Eichert Göppingen stationär behandelt. Bei der Aufnahme berichtete die Klägerin über leichte Benommenheit und Übelkeit. Die dortigen Ärzte stellten bei der Klägerin eine Prellmarke über der linken Nasolabialfalte sowie eine kleine Schürfwunde am linken Nasenflügel fest. Ferner gab die Klägerin Schmerzen im Bereich des linken Oberkiefers sowie der Zähne an. Röntgenologisch wurden knöcherne Verletzungen des Gesichtsschädels sowie der Schädelkalotte ausgeschlossen; die Beweglichkeit im Kiefergelenk war frei. Während des stationären Aufenthalts klagte die Klägerin vermehrt über Schwindel und Übelkeit. Bei ihren ersten Versuchen, das Bett zu verlassen, musste sie öfters erbrechen. Außerdem berichtete sie über eine Hörminderung im rechten Ohr sowie ein auftretendes Ohrgeräusch rechts. Auf Grund einer Computertomografie (CT) konnte eine Felsenbeinfraktur ausgeschlossen werden; die neurologische Untersuchung ergab keine zerebralen Komplikationen (Bericht Dr. R. vom 8.4.1997). Die Klägerin wurde am 10.4.1997 in die ambulante HNO-ärztliche Weiterbehandlung entlassen. Es wurde Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 14.4.1997 angenommen; mit einer rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde nicht gerechnet (DA-Bericht vom 2.4. 1997 und Zwischenbericht vom 16.4.1997).

Der HNO-Arzt Dr. J. hatte am 9.4.1997 einen Hörsturz rechts mit einer mittel- bis hochgradigen Schwerhörigkeit und einem Tinnitus aurium rechts diagnostiziert. Am 11.4.1997 stellte sich die Klägerin wieder bei Dr. J. vor. Im Bericht vom 15.4.1997 führte er aus, bei der Klägerin bestehe ein Innenohrapoplex rechts, der aber nicht durch das Trauma direkt bedingt sei, sondern eher durch ein Psychotrauma und eine dadurch bedingte Durchblutungsstörung. Er habe eine Infusionstherapie begonnen, die die Klägerin aber nach der ersten Infusion wegen Unwohlseins abgebrochen habe. Sie wolle die Therapie durch ihre Hausärztin Dr. H. durchführen lassen, da dann auch der Weg nicht so weit sei.

Am 15.4.1997 stellte sich die Klägerin nochmals ambulant in der unfallchirurgischen Klinik am Eichert vor und klagte über Schwierigkeiten beim Hören, weswegen ihr eine Vorstellung beim HNO-Arzt empfohlen wurde.

Vom 16.4. bis 5.5.1997 wurde die Klägerin auf Veranlassung ihrer Hausärztin, der Internistin Dr. H., in der inneren Abteilung des Krankenhauses Plochingen stationär behandelt, wobei eine Infusionsbehandlung bei anhaltendem Schwindel und Hypakusis durchgeführt wurde. Eine Besserung der rechtsseitigen Hörminderung und der starken, hauptsächlich bewegungs- und lageabhängigen Schwindelbeschwerden trat jedoch nur sehr langsam ein. Ein deshalb veranlasstes HNO-ärztliches Konsil von Dr. S. vom 25.4.1997 ergab eine mittel- bis hochgradige Innenohrschwerhörigkeit rechts (Hörverlust rechts 75%), eine Normalhörigkeit links sowie einen Verdacht auf vestibulo-cochleäre Beteiligung, z. B. bei Felsenbeinfraktur. Die später (am 30.4.1997) erfolgte Vorstellung im Karl-Olga-Hospital zeigte im Audiogramm eine Besserung, nämlich eine geringgradige kombinierte Schwerhörigkeit rechts (Hörverlust rechts 25%). Während des stationären Aufenthalts wurde - wegen akut auftretender Zahnschmerzen - ein stark parodontose-befallener Backenzahn rechts (Zahn 27, gemeint wohl: Zahn 47) extrahiert. Im Entlassungsbericht wurden als Diagnosen genannt: Verdacht auf commotio labyrinthi und Ausschluss einer Felsenbeinfraktur.

Nach Entlassung aus dem Krankenhaus gab die Klägerin gegenüber Dr. H. Schwindel, Gleichgewichtsstörungen, Brechreiz, Hörstörungen und Ohrgeräusche an. Bei dem Neurologen und Psychiater Dr. P. klagte sie am 14.5.1997 über erhebliche Gangunsicherheit und Schwindel mit ungerichteter Fallneigung. Der HNO-Arzt Dr. S. berichtete der Hausärztin Dr. H. unter dem 16.5.1997, rechts verlaufe die pantonale Hörkurve zwischen 50 und 70 bB (Hörverlust rechts 55%), Tinnitus an der Hörschwelle rechts bei 8 kHz. Die Schwindelbeschwerden seien nicht otogen bedingt, beim Romberg-Test zeige sich eine Aggravation mit Kippneigung, eine weitere psychosomatische Betreuung sei erforderlich. Bei der erneuten Vorstellung bei Dr. P. gab die Klägerin am 11.6.1997 eine wesentliche Besserung und Schwindel nur unter Stressbelastung an. Dr. P. erhob einen unauffälligen neurologischen Befund und verordnete Vertigoheel. Ab 23.6.1997 nahm die Klägerin auf der Grundlage des Wiedereingliederungsplan von Dr. H. vom 20.6.1997 ihre Arbeit in vermindertem Umfang (3,5 Stunden) wieder auf. Am 15.7.1997 trat erneut ein anhaltender Drehschwindelanfall mit Brechreiz sowie ein dauerndes Ohrgeräusch auf, weswegen die Arbeitserprobung unterbrochen wurde. Dr. H. bescheinigte Arbeitsunfähigkeit bis zum 25.8.1997.

Im Gutachten für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 21.8.1997 stellte LMD Sch. die Diagnosen Schwindel nach commotio cerebri und Tinnitus rechts, und befürwortete weitere Arbeitsunfähigkeit bis zum 31.8.1997. Sollte die vorgesehene neurologische Untersuchung keinen gravierenden Befund ergeben, könne die Klägerin ihre bisherige Tätigkeit ab 1.9.1997 wieder vollschichtig verrichten.

Der Wiedereingliederungsplan vom 25.8.1997 von Dr. H., in welchem die Wiederaufnahme der Tätigkeit für 3,5 Stunden täglich vom 26.8. bis zum 28.9.1997 befürwortet wurde, wurde vom MDK am 28.8.1997 und am 4.9.1997 abgelehnt.

Nach Problemen mit dem Lohnbüro/Personalbüro des Arbeitgebers, der entsprechend den Angaben der AOK bzw. des Gutachtens des MDK auf einer Arbeitsaufnahme in Vollzeit ab 1.9.1997 bestand, wurde die Klägerin von Dr. H. zunächst für den 4. und 5.9. (psychischer Versagungszustand) und anschließend bis 28.9.1997 krank geschrieben, da sie die Klägerin nicht für fähig hielt, ganztägig zu arbeiten (Befundberichte von Dr. H. vom 27.10.1997 und Dr. P. vom 23.7.1997). Nach ihrem Jahresurlaub ab 29.9.1997 nahm die Klägerin am 18.11.1997 ihre Tätigkeit wieder auf.

Die Beklagte zog Unterlagen der AOK Göppingen (u. a. Befundbericht Dr. P. vom 20.10.1997: neurologisch und EEG ohne Befund, Diagnose rezidivierende Vertigo, reaktiv-depressives Syndrom; Arztbrief von Dr. S. vom 22.10.1997: Kernspintomographie des Schädels eingeleitet zum sicheren Ausschluss einer organischen Ursache. Der Schwindel und auch der unter Stress deutlich stärker empfundene Tinnitus sind psychogen bedingt. Der Patientin wurde geraten, einen anderen Arbeitsplatz zu wählen; Kurzbefund des Radiologen Dr. K. vom 30.10.1997, MRT Schädel mit regelrechtem cerebralem Befund) sowie des Versorgungsamts Stuttgart bei.

Bei den Unterlagen des Versorgungsamts befinden sich Befundunterlagen, die zur Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft ab 21.3.1995 wegen Asthma bronchiale, degenerativen Wirbelsäulenveränderungen und Folgeerscheinungen, Bandscheibenschaden und rezidivierenden Kopfschmerzen geführt haben (u.a. Entlassungsbericht vom 4.9.1995 nach Heilverfahren in der Hochgebirgsklinik D. W., aus welchem die Klägerin arbeitsunfähig entlassen worden war wegen Progression des Atemwegsleidens und zusätzlicher psychischer Probleme bei fraglicher depressiver Verstimmtheit). Des weiteren liegt ein ärztlicher Befundschein von Dr. S. vom November 1997 vor, in welchem er berichtet, zuletzt sei am 22.10.1997 ein Tinnitus rechts bei 80 dB bei 8000 Hz angegeben worden. Die Diagnose laute, wie im April, inkompletter Innenohrausfall rechts bei rezidivierenden Schwindelbeschwerden und Verdacht auf psychogenen Schwindel. Die erhobenen Befunde korrelierten nicht mit dem klinischen Eindruck. Der Klägerin sei eine Abklärung im Olgahospital empfohlen worden. Dr. S. legte auch den Kurzbericht des Olgahospitals vor, wonach vom 2.12. bis 11.12.1997 eine Infusionstherapie über 10 Tage bei Hypakusis rechts und Tinnitus rechts durchgeführt worden sei, welche keine Besserung des Hörvermögens ergeben habe.

Dr. C., Oberarzt der Abteilung Unfallchirurgie am Karl-Olga-Krankenhaus, gab den Gutachtensauftrag an die Beklagte zurück und führte unter dem 13.7.1998 aus, auf chirurgischem Fachgebiet hätten lediglich Gesichtsschürfungen und Prellungen vorgelegen, sodass Dauerfolgen nicht entstanden seien. Er halte es für zweckmäßig, Gutachten auf HNO-ärztlichem und neurologischem Gebiet einzuholen.

Die Klägerin legte Kurzberichte und weitere Unterlagen des Olgahospitals über eine stationäre Behandlung vom 23.6. bis 2.7.1998 vor (Diagnose: akuter Hörsturz links, Tinnitus beidseits bei alter hochgradiger Hörminderung rechts, nach Behandlung subjektive Besserung des Hörvermögens, kein Tinnitus mehr) und bat darum, das Gutachten im Olgahospital zu erstatten (Schreiben vom 13.7.1998).

PD Dr. H., Ärztlicher Direktor der HNO-Klinik des Olgahospitals, gelangte in dem zusammen mit Dr. B. erstatteten Gutachten vom 31.8.1998 zum Ergebnis, bei der Klägerin bestehe nahezu eine Normalhörigkeit mit möglicherweise geringgradiger reiner Schallempfindungsschwerhörigkeit in den höheren Frequenzen rechts und ein altersentsprechend normales Hörvermögen links mit geringerem Hochtonausfall links. Die Hörprüfungsergebnisse stünden nicht im Einklang miteinander. Die Tonaudiogramme von 4/97 bis 8/98 zeigten erhebliche Differenzen des rechten Hörvermögens (zwischen 25% und 100% Hörverlust). Auf Grund des Sprachaudiogramms würde sich rechts ein Hörverlust von 80% und links von 0% ergeben. Aus der BERA und den übrigen überschwelligen Prüfungen lasse sich eine Hörschwelle rechts bei 15-30 dB und links bei 10-20 dB ableiten. Dies ergebe bei der Berechnung des prozentualen Hörverlusts nach der Drei-Frequenz-Tabelle (nach Roeser 1980) einen Hörverlust von 0% und eine MdE um 0 vH. Diese Ergebnisse legten den Verdacht der Aggravation nahe. Ob nach dem Unfall tatsächlich eine Hörminderung vorgelegen habe, könne nicht sicher beurteilt werden; zum Zeitpunkt der Untersuchung habe kein Hinweis auf einen relevanten Hörschaden bestanden. Eine Hörminderung könne auch durch eine psychische Stresssituation ausgelöst werden, wie dies bei einem Hörsturz der Klägerin im Juni 1998 am linken Ohr der Fall gewesen sei. Diese Hörminderung habe sich unter Therapie rasch gebessert. Der bei 8 kHz liegende Tinnitus könne bei vorliegender Aggravation nicht zur Berechnung der MdE mit herangezogen werden. Außerdem liege eine relevante subjektive Beeinträchtigung nicht vor. Ob die rezidivierend auftretenden Übelkeits- und Schwindelattacken in einem Kausalzusammenhang mit dem Unfall stünden, könne aus medizinischer Sicht nicht begründet werden.

Bei der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. D., Neurologe und Psychiater, gab die Klägerin am 27.10.1998 an, derzeit gehe es ihr gut. Bei starker Belastung träten Schwindelerscheinungen und Übelkeit auf. Nach ihrem dreiwöchigen Urlaub sei sie weitgehend beschwerdefrei. Wenn ihr schlecht und schwindlig sei, müsse sie einige Stunden schlafen, dann gehe es ihr besser. Immer wieder gehe das Gleichgewicht weg. Sie habe einen Ton im Kopf, als wenn ein Zug vorbeifahre. Tagsüber sei der Ton leiser, nachts lauter. Die Geräusche träten rechts als auch links auf. Im Gutachten vom 27.10.1998 verneinte Dr. D. Unfallfolgen auf neurologischem Gebiet und führte aus, bei Gesprächen über die Familie und die Kinder habe sich die Klägerin affektiv gut schwingungsfähig, ausgeglichen und ohne depressive Vitalsymptomatik gezeigt. Ansonsten habe die Klägerin vegetativ etwas irritiert und sehr auf den Unfall und seine möglichen Folgen fixiert gewirkt. Die geklagten Beschwerden ließen sich in keiner Weise mit dem Unfall, wobei es sich um eine Bagatellverletzung gehandelt habe, erklären oder in Zusammenhang bringen. Eine messbare MdE liege nicht vor.

Mit Bescheid vom 5.2.1999 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente ab, da die Erwerbsfähigkeit der Klägerin nicht über die 26. Woche nach dem Arbeitsunfall in rentenberechtigendem Grade gemindert sei. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit sei bis zum 14.4.1997 anzuerkennen. Nach den eingeholten Gutachten bestehe kein Zusammenhang zwischen den ab 15.4.1997 und auch jetzt noch geklagten Ohrgeräuschen sowie den Übelkeits- und Schwindelanfällen und dem Unfall vom 31.3.1997. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8.4.1999 zurück. Mit Schreiben vom 14.4.1999 rügte der Bevollmächtigte der Klägerin, dass der Widerspruchsbescheid nicht ihm, sondern der Klägerin selbst zugestellt worden war.

Am 20.5.1999 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart (S 6 U 2735/99), mit der sie die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 vH begehrte.

Das SG beauftragte Dr. F., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, mit der Erstattung eines Gutachtens. Der Sachverständige führte im Gutachten vom 17.3.2000 aus, eine commotio cerebri könne nicht ausgeschlossen werden, weswegen nicht von einer Bagatellverletzung ausgegangen werden dürfe. Andererseits seien auch nach stattgehabter Hirncommotio keine bleibenden, hirnorganisch begründbaren, über zwei Jahre hinausreichende Beschwerden zu erwarten. Bei der Klägerin sei schon vor dem Arbeitsunfall im Rahmen eines Heilverfahrens eine Depressivität aufgefallen. Auch bei der gutachterlichen Untersuchung sei die Klägerin vermehrt körperlich empfindlich und seelisch zu beeindrucken gewesen, mit hypochondrischen und histrionischen Zügen. In Zusammenschau mit der später dem Arbeitgeber gegenüber eingenommenen Vorwurfshaltung sei damit der Boden zu einer neurotischen Ausgestaltung im Sinne einer Somatisierungsstörung (ICD-10: F 45.0) bereitet. Ein z.T. migränoid eingeschätzter Kopfschmerz und eine Neigung zu Verstimmungs- und Erschöpfungszuständen hätten schon vor dem Unfall bestanden. Das Unfallereignis habe Beschwerden, die nach der 26. Woche nach dem Unfall noch bestanden hätten und z.T. auch im Zeitpunkt der Untersuchung noch bestünden in den Rang einer Somatisierungsstörung gehoben, d. h. diese hätten bezüglich Schwere, Ausmaß, Vielfalt und Dauer eine Abwandlung erfahren, die sich allein körperlich nicht erklären lasse. Eine Abgrenzung gegenüber unfallunabhängigen Gesundheitsstörungen sei nicht zu leisten, weil keine durch die Unfallfolgen bedingte MdE vorliege. Die Diagnose Somatisierungsstörung führe allein zu einer gewissen Überhöhung und Ausgestaltung vorhandener Beschwerden. Die unfallbedingte MdE hierfür liege ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit bzw. nach der 26. Woche nach dem Arbeitsunfall bei 10 vH.

Die Klägerin legte ein von HNO-Arzt Dr. Sch. in einem Rechtsstreit (S 7 SB 1630/99) gegen das Land Baden-Württemberg auf Erhöhung des Grades der Behinderung (GdB) erstattetes Gutachten vom 24.12.1999 vor, der bei der Klägerin eine mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit rechts (Hörverlust 65%), eine Normalhörigkeit links, Ohrgeräusche beidseits, rechts stärker als links, sowie eine Störung des Gleichgewichtsapparates rechts, die durch das Gehirn fast vollständig kompensiert sei, diagnostizierte. Er schätzte den GdB für die Hörstörung und die Gleichgewichtstörung auf jeweils 10 vH. Der GdB für die Ohrgeräusche betrage ebenfalls 10 vH, unter Mitberücksichtigung einer erheblichen psychischen Beeinträchtigung maximal 20 vH. Insgesamt schätzte er den Gesamt-GdB auf HNO-ärztlichem Gebiet auf 30 vH.

Das SG beauftragte PD Dr. G., Arzt für innere und psychotherapeutische Medizin sowie Chefarzt der Medizinisch-Psychosomatischen Klinik Roseneck, mit der Erstattung eines Gutachtens. Im Gutachten vom 30.11.2000 führte der Sachverständige aus, durch den Schlag mit der Mineralwasserflasche sei es zu einer kurzfristigen Vertäubung des rechten Ohres mit Entwicklung eines Tinnitus rechts gekommen. Daneben habe sich eine vermehrte Drehschwindel- und Fallneigung sowie Gangunsicherheit im Dunkeln mit Neigung zu Übelkeit bis Erbrechen entwickelt. Wie lange nach dem Unfallereignis eine Hörminderung bestanden habe, lasse sich nicht mehr bestimmen. Bezüglich der Hörminderung folge er dem aufgrund objektiver Messungen erzielten gutachterlichen Urteil von Dr. B ... Der Klägerin werde insoweit keine Simulation unterstellte, da bei den nicht seltenen sogenannten funktionellen Hörstörungen ein meist geringer Hörschaden im Sinne einer Konversion bis zur hochgradigen Schwerhörigkeit umgewertet werde.

Als Folge des Arbeitsunfalls liege bei der Klägerin ein Tinnitus rechts vor, der auf Grund dysfunktionaler Verarbeitung des Unfallgeschehens chronifiziert und dekompensiert sei. Der Anteil des Tinnitus, der auf den Unfall zurückzuführen sei, sei mit einer MdE um 10 vH einzuschätzen. Schon vor dem Unfall habe bei der Klägerin eine Neigung zu vielfältigen körperlichen Symptomen bestanden, die nicht oder nicht hinreichend durch objektive Befunde erklärbar gewesen seien. Durch die von der Klägerin als brutal erlebte Gewalttätigkeit und das Gefühl des Ausgeliefertseins sowie das Verhalten des Arbeitgebers nach dem Unfall sei es zu einer Traumatisierung der Klägerin gekommen, die auf dem Boden der sozialen Abhängigkeit (mit dem starken Bedürfnis, von den Patienten und dem Arbeitgeber Anerkennung und Wertschätzung zu erfahren) und der Neigung zur Ausgestaltung psychischer Konflikte in körperlichen Symptomen zur Entwicklung der Beschwerden im Sinne einer Depression bzw. einer Somatisierungsstörung geführt habe. Somit komme dem Unfall vom 31.3.1997 eine auslösende, aber keine verursachende Rolle zu. Durch den Unfall sei es zu einer Verschlimmerung der Somatisierungsstörung gekommen, wobei die schicksalhafte Bewältigung des Unfalls (Kränkung) und nicht der Unfall selbst ursächlich sei. Maßgeblich hierfür sei der unfallunabhängige Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstil der Klägerin. Der Anteil der Somatisierungsstörung, der auf den Unfall zurückzuführen sei, sei wissenschaftlich schwer zu qualifizieren; die MdE hierfür dürfte allenfalls 10 vH betragen. Eine unfallbedingte MdE von mindestens 20 vH werde nicht erreicht.

In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19.2.2001 führte Dr. F. unter Berücksichtigung des Gutachtens von Dr. G. aus, auf Grund der Ausführungen von Dr. G. habe er seine frühere Bewertung neu überdacht und komme zu einer MdE um 15 vH auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet und einer Gesamt-MdE um 20 vH. Die MdE um 15 vH auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet beziehe sich auch auf die geringgradige Innenohrschwerhörigkeit, die Dr. G. als unfallbedingt angesehen, wenn auch nicht bei der MdE-Bewertung aufgeführt habe, bei der er allein den Tinnitus berücksichtigt habe. Schwerer wiege indes die Somatisierungsstörung, deren wissenschaftliche Quantifizierung Dr. G., der kein Nervenarzt bzw. Psychiater sei, Schwierigkeiten bereitet habe. Aus den Unterlagen sei zu entnehmen, dass der Klägerin inzwischen gekündigt worden sei bzw. ein Kündigungsverfahren schwebe. Die stattgehabte Entwicklung lasse jedenfalls daran denken, dass Erleben und Persönlichkeit der Klägerin durch das Unfallereignis doch bleibend ausgelenkt worden seien, sodass dies durch die Diagnose Somatisierungsstörung nur unvollständig bezeichnet bzw. abgedeckt sein dürfte. Zur Somatisierungsstörung gehöre häufig auch eine lang dauernde Störung des sozialen, interpersonalen und familiären Verhaltens, was bei der Klägerin vermehrt zum Tragen gekommen sei. Schließlich sehe er einen gewissen Dauerzustand als gegeben.

Die Beklagte legte einen Zwischenbericht des Orthopäden Dr. von Sch. vom 19.3.2001 sowie beratungsärztliche Stellungnahmen des HNO-Arztes Dr. J. vom 21.3.2001, des Neurologen und Psychiaters Dr. F. vom 12.4.2001 sowie der HNO-Ärztin Dr. I. vom 18.6.2001 vor.

Dr. F. vertrat die Auffassung, es sei eindeutig dokumentiert, dass relevante Schäden, die neurologisch zu beurteilen wären, niemals vorgelegen hätten. Die Argumentation, dass seelische Störungen durch die Auseinandersetzung mit der Beklagten und dem Arbeitgeber verfestigt worden seien, sei kein Beweis für eine Unfallabhängigkeit. Auch der psychosomatische Gutachter sehe in dem Unfall lediglich den Auslöser und meine, dass sich die Somatisierungstendenz und die major depression durch die Kränkung und die Auseinandersetzung entwickelt hätten. Keiner der Gutachter könne schlüssig beweisen, dass der seelische Anteil der Unfallfolgen durch das Unfallereignis wesentlich verursacht worden sei oder dass eine Verschlimmerung vorbestehender Leiden durch das Unfallereignis, und nicht durch die späteren Ereignisse, hervorgerufen worden sei. Seines Erachtens liege eine folgenlos abgeheilte Gesichtsprellung mit fraglicher Gehirnerschütterung vor. Die Hörstörung und der Tinnitus müssten HNO-ärztlich beurteilt werden.

Dr. J. führte aus, eine vom Olgahospital angenommene Aggravation halte er für wenig wahrscheinlich. Seines Erachtens sei die mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit rechts verbunden mit dem Tinnitus aurium unfallbedingt. Die MdE für die Schwerhörigkeit sowie den Tinnitus betrage jeweils 10 vH. Die Schwindelbeschwerden bedingten maximal eine MdE um 10 vH, sodass sich insgesamt eine MdE um 20 vH ergebe.

Dr. I. gelangte in ihrer Stellungnahme zum Ergebnis, der Hörverlust des rechten Ohres sei auf Grund der Begutachtung im Olga-Hospital so gering, dass er auf 0% zu schätzen sei und keine MdE bedinge. Das Ohrgeräusch sehe Dr. G. als dekompensiert an und schätze es mit einer MdE um 10 vH ein. Sie selbst würde das Ohrgeräusch eben noch als kompensiert betrachten, da die Klägerin am 21.8.1997 einen leisen Pfeifton angegeben habe, der gelegentlich auch weg sei. Die MdE hierfür würde sie ebenfalls mit 10 vH bewerten. Den Schwindel würde sie als kreislaufbedingt ansehen; insgesamt seien die Schwindelbeschwerden weitgehend kompensiert und bedingten keine MdE. Auch wenn Ohrgeräusche in der Regel mit einer MdE um 10 vH bewertet würden, sei aus ihrer Sicht - wegen der erhöhten Beeinträchtigung infolge der psychischen Konstitution der Klägerin - eine höhere Bewertung gerechtfertigt. Allerdings sei die MdE noch auf unter 20 vH einzuschätzen, da keine erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen vorlägen.

Vom 18.12.2001 bis 21.1.2002 wurde die Klägerin in der Medizinisch-Psychosomatischen Klinik Roseneck stationär behandelt. Die dortigen Ärzte stellten im Entlassungsbericht vom 28.1.2001 folgende Diagnosen: Somatisierungsstörung, dissoziative Störung (Konversionsstörung), anhaltende somatoforme Schmerzstörung, rezidivierende depressive Störung, mittelgradige Episode, chronischer komplexer Tinnitus.

In der mündlichen Verhandlung vom 13.3.2002 schlossen den Beteiligten einen Teilvergleich, in dem sie sich darin einig waren, dass die medizinischen Komplexe bezüglich der Fachgebiete Chirurgie/Orthopädie und Zahnheilkunde seitens der Beklagten geprüft und dann bescheidmäßig geregelt würden.

Mit Urteil vom 13.3.2002 verurteilte das SG die Beklagte, der Klägerin wegen des Unfalls vom 31.3.1997 eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 vH zu gewähren, wobei es sich auf die Beurteilung von PD Dr. G. und die abschließend von Dr. F. getroffene Gesamtbewertung stützte. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das ihr am 12.4.2002 zugestellte Urteil legte die Beklagte am 26.4.2002 Berufung ein. Zur Begründung trug sie vor, die Gutachten von Dr. F. und Dr. G. seien in ihren Aussagen widersprüchlich und deswegen nicht als Entscheidungsgrundlage verwertbar. Als Unfallfolgen lägen lediglich ein weitgehend kompensiertes Ohrgeräusch rechts sowie eine rechtsseitige geringe Hörminderung vor. Ein rechtlich wesentlicher Ursachenzusammenhang zwischen der Somatisierungsstörung und dem Ereignis vom 31.3.1997 bestehe nicht. Eine MdE in rentenberechtigendem Grade liege nicht vor.

Mit Bescheid vom 25.3.2003 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie könne ihr weiterhin keine Rente zahlen. Durch den Arbeitsunfall vom 31.3.1997 sei es zur Lockerung der Zähne 45 und 47 gekommen. Der Zahn 47 sei am 20.4.1997 entfernt und der gelockerte Zahn 45 mittels Schiene therapiert worden. Durch die prothetische Versorgung des Unterkiefers seien die Unfallfolgen behoben; eine rentenberechtigende MdE liege nicht vor. Die Wirbelsäulenbeschwerden seien auf degenerative Veränderungen zurückzuführen und stünden mit dem Arbeitsunfall in keinem Zusammenhang. Grundlage für die Entscheidung waren Auskünfte der Zahnärztin Dr. R. vom 17.8.2002 und des Orthopäden Dr. von Sch. vom 10.1.2003 sowie beratungsärztliche Stellungnahmen der Zahnärztin Dr. F. vom 16.9.2002 und des Chirurgen Dr. K. vom 13.2.2003.

Mit Urteil vom 8.5.2003 (L 7 U 1472/02) hob der 7. (nunmehr 6.) Senat des Landessozialgerichts das Urteil des SG vom 13.3.2002 auf und wies die Klage ab. Auch die Klage gegen den Bescheid vom 25.3.2003 wurde abgewiesen. Zur Begründung führte er aus, entgegen der Auffassung des SG sei die diagnostizierte Somatisierungsstörung der Klägerin nicht rechtlich wesentlich durch den Unfall verursacht oder verschlimmert worden. So hätten Dr. F. und PD Dr. G. übereinstimmend dargelegt, dass sich die Somatisierungsstörung auf der Grundlage einer unfallvorbestehenden Persönlichkeitsstruktur entwickelt habe. Der Senat lasse dahingestellt, ob eine Hörminderung überhaupt Unfallfolge sei. Unter Berücksichtigung der nervenärztlich diagnostizierten Somatisierungsstörung komme nach Auffassung des Senats die Hörminderung auch als Begleitsymptomatik der nicht unfallabhängigen Gesundheitsstörung in Betracht. Auch lasse der Senat dahinstehen, ob ein Tinnitus rechts tatsächlich vorliege und im wesentlichen Zusammenhang mit den Unfall stehe, weil sich dadurch keine MdE von wenigstens 10 vH ergebe. Eine relevante Beeinträchtigung durch den Tinnitus, etwa Einschlafstörungen, habe die Klägerin im Oktober 1998 nicht angegeben. Die Schwindel- und Gleichgewichtsstörungen - ebenso wie die Wirbelsäulenbeschwerden - seien nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Die unfallbedingte Schädigung der Zähne 45 und 47 führe zu keiner rentenberechtigenden MdE. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen. Die zum Bundessozialgericht (BSG) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde nahm die Klägerin wieder zurück.

Vom 19.8. bis 28.9.2004 befand sich die Klägerin zu einem weiteren Heilverfahren in der Klinik Roseneck. Nachdem die Klägerin von dort als arbeitsunfähig entlassen wurde, gewährte ihr der Rentenversicherungsträger mit Bescheid vom 29.10.2004 vom 1.9.2002 bis 31.8.2005 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Mit Schreiben vom 19.10. und 16.11.2004 begehrte die Klägerin unter Hinweis auf ihre Arbeitsunfähigkeit eine Neubescheidung und Neufestsetzung des Grades der Gesundheitsbeeinträchtigungen durch das Unfallereignis.

Mit Schreiben vom 21.11.2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sämtliche Diagnosen des vorläufigen Entlassungsberichts der Klinik Roseneck seien nicht unfallbedingt. Als Unfallfolgen seien eine Gehirnerschütterung, eine Gesichtsschädelprellung mit Schürfungen im Bereich der Nase und die Lockerung der Zähne 45 und 47 anerkannt. Die Gehirnerschütterung und die Schädelprellung seien zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsfähigkeit folgenlos ausgeheilt gewesen. Die Zahnschäden seien durch die prothetische Versorgung des Unterkiefers behoben worden. Eine Verschlimmerung der Unfallfolgen sei nicht anzunehmen, da die Arbeitsunfähigkeit und die derzeitigen Behandlungen auf unfallunabhängige Erkrankungen zurückzuführen seien.

Mit Schreiben vom 10.1.2005 vertrat die Klägerin die Ansicht, dass die Behandlung in der Klinik Roseneck wegen Unfallfolgen erforderlich gewesen sei und bat um Erlass eines rechtsmittelfähigen Bescheides.

Mit Bescheid vom 7.4.2005 lehnte die Beklagte die Überprüfung des Bescheides vom 25.3.2003 ab und führte aus, mit diesem Bescheid sei eine Lockerung der Zähne 45 und 47 anerkannt worden, welche durch prothetische Versorgung des Unterkiefers behoben worden sei. Das LSG sei im Urteil vom 8.5.2003 zum Ergebnis gelangt, dass der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden und die Somatisierungsstörung rechtlich nicht wesentlich durch den Unfall verursacht oder verschlimmert worden sei. Die im Bericht der Klinik Rosenberg aufgeführten Diagnosen seien nicht unfallbedingt. Eine Rücknahme des Verwaltungsaktes nach § 44 Sozialgesetzbuch (SGB) X komme nicht in Betracht, da Sozialleistungen nicht zu Unrecht versagt worden seien.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, die Somatisierungsstörung sei erst durch den Unfall entstanden und habe sich derart verschlimmert, dass sie zur Berentung geführt habe. Darüber hinaus habe das Unfallereignis zu Gleichgewichtstörungen und zum Tinnitus geführt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.9.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da sich aus dem Schreiben der Klägerin keine neuen Tatsachen ergäben, die zu einer Rücknahme der Verwaltungsakte vom 5.2.1999 und 25.3.2003 führen könnten. Dabei berief sich die Beklagte auf die Ausführungen im Urteil des LSG vom 8.5.2003.

Hiergegen erhob die Klägerin am 27.9.2005 Klage zum SG Stuttgart (S 1 U 6144/05) und begehrte die Gewährung einer Verletztenrente.

Das SG hörte den Internisten Dr. B. schriftlich als sachverständigen Zeugen, der in der Auskunft vom 10.2.2006 über Behandlungen der Klägerin ab 30.9.2005 berichtete und Arztbriefe vorlegte.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte das SG Prof. Dr. F., Ärztlicher Direktor der Klinik Roseneck, mit der Begutachtung der Klägerin. In dem zusammen mit der Ärztin R. erstatteten Gutachten vom 23.10.2006 gelangte er zum Ergebnis, bei der Klägerin lägen eine rezidivierende depressive Störung, schwergradige Episode einer major depression, eine Somatisierungsstörung und ein chronisch dekompensierter Tinnitus rechts vor. Wie Prof. Dr. G. und Dr. I. sehe auch er die Innenohrschwerhörigkeit und den Tinnitus rechts als unfallbedingt an. Die Somatisierungsstörung sei keine unmittelbare, sondern eine mittelbare Unfallfolge. Der Unfall und seine unmittelbaren Folgen (Commotio cerebri und labyrinthi, Verdacht auf Innenohrapoplex etc.) sowie der folgende Arbeitsplatzkonflikt und die Kränkung hätten mittelbar zu einer somatoformen Störung sowie zu einer derzeit schweren major depression geführt. Der Anteil des Tinnitus, der auf den Unfall zurückzuführen sei, sei mit einer MdE um 10 vH zu bewerten. Die Somatisierungsstörung führe zu einer MdE um 15 vH, die schwergradige Episode einer rezidivierenden Störung im Rahmen einer major depression zu einer MdE um 20 vH. Die unfallbedingte Gesamt-MdE sei unter Berücksichtigung des Tinnitus und der aktuell beschriebenen Beschwerden (Somatisierungsstörung/Depression) im Verlauf mit insgesamt 15 vH zu bewerten.

Mit Gerichtsbescheid vom 9.8.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rücknahme der angefochtenen bestandskräftigen Bescheide im Wege des Zugunstenverfahrens, auf Feststellung weiterer Unfallfolgen sowie auf Gewährung einer Verletztenrente. Die Somatisierungsstörung wäre auch ohne das Unfallereignis eingetreten. Sie sei auf der Grundlage einer unfallvorbestehenden Persönlichkeitsstruktur als persönlichkeitsimmanent anzusehen. Das SG stütze sich dabei auf die Gutachten von Dr. F. und PD Dr. G. und schließe sich der Entscheidung des LSG an. Entgegen der Auffassung von Prof. Dr. F. sei das SG mit PD Dr. H. zum Ergebnis gelangt, dass unabhängig davon, ob eine Hörminderung überhaupt als Unfallfolge angesehen werden könne, hieraus keine messbare MdE herzuleiten sei. Auch könnten die beidseitigen Ohrgeräusche nicht als unfallbedingt angesehen werden. So habe die Klägerin bei der Untersuchung durch PD Dr. H. im Oktober 1998 keine relevante Beeinträchtigung durch den Tinnitus rechts angegeben. Darüber hinaus sei auch Prof. Dr. F. zu keiner rentenberechtigenden MdE gekommen. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen den am 16.8.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 13.9.2007 Berufung eingelegt und vorgetragen, sie sei der Ansicht, dass bei Erlass der Bescheide das Recht unrichtig angewandt bzw. von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Es sei für sie nicht nachvollziehbar, dass sich das SG über die Feststellungen im Gutachten von Prof. Dr. F. hinweggesetzt habe. Das gelte insbesondere hinsichtlich der vorliegenden Somatisierungsstörung als mittelbarer Unfallfolge. Unverständlich sei für sie, dass das LSG das Urteil des SG vom 13.3.2002 aufgehoben habe. Dies vor allem deshalb, weil das LSG darin die Beantwortung wesentlicher entscheidungserheblicher medizinischer Fragen, insbesondere im Hinblick auf den als Unfallfolgen geltend gemachten Tinnitus, offen gelassen habe.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. August 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. April 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2005 und den Bescheid vom 5. Februar 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. April 1999 sowie den Bescheid vom 25. März 2003 aufzuheben, eine Somatisierungsstörung, Gleichgewichtsstörungen und einen beidseitigen Tinnitus als Unfallfolgen anzuerkennen und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist auch teilweise begründet, da die Beklagte zu Unrecht die teilweise Rücknahme des Bescheides vom 5.2.1999 abgelehnt hat. Die Beklagte kann sich auf die Bindungswirkung des Bescheides vom 5.2.1999 insoweit nicht berufen, als sie - in der Begründung des Bescheides - zu Unrecht die Feststellung von Unfallfolgen abgelehnt hat, indem sie u.a. einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den geklagten Ohrgeräuschen und dem Unfall verneint hat. Hingegen sind die Bescheide vom 5.2.1999 und vom 25.3.2003 nicht zu beanstanden, soweit sie die Gewährung von Verletztenrente ablehnen, da durch die Unfallfolgen keine rentenberechtigende MdE erreicht wird.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Nach Abs. 2 ist im Übrigen ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen. Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes, unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSG, Urt. vom 5.9.2008 - B 2 U 24/05 R - SozR 4-0000 m. w. N.).

Im vorliegenden Verfahren ist unstreitig, dass die Klägerin am 31.3.1997 einen Arbeitsunfall erlitten hat. Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob eine Somatisierungsstörung, Gleichgewichtsstörungen sowie ein beidseitiger Tinnitus als Unfallfolgen anzuerkennen sind und der Klägerin eine Verletztenrente zusteht.

Voraussetzung für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls und ihrer Berücksichtigung bei der Bemessung der MdE ist u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis bzw. dem dadurch eingetretenen Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Gesundheitserstschaden und den fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (vgl. die zusammenfassende Darstellung der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung im Urteil des BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = BSGE 96, 196-209 und JURIS).

Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nach dem Urteil des BSG vom 9.5.2006 (aaO Rdnr. 15) nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn.

Im Urteil vom 9.5.2006 (aaO Rdnr. 21) hat das BSG keinen Zweifel daran gelassen, dass die Theorie der wesentlichen Bedingung auch uneingeschränkt auf die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Arbeitsunfällen und psychischen Störungen anzuwenden ist, die nach Arbeitsunfällen in vielfältiger Weise auftreten können. Die Feststellung der psychischen Störung sollte angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglichen Schulenstreiten aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen. Denn je genauer und klarer die beim Versicherten bestehenden Gesundheitsstörungen bestimmt sind, desto einfacher sind ihre Ursachen zu erkennen und zu beurteilen sowie letztlich die MdE zu bewerten (BSG aaO Rdnr. 22). Das BSG hat im Weiteren darauf hingewiesen, dass es wegen der Komplexität von psychischen Gesundheitsstörungen im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel des Inhalts gebe, dass bei fehlender Alternativursache (etwa wenn eine Vorerkrankung oder Schadensanlage nicht nachweisbar sind) die versicherte naturwissenschaftliche Ursache (also die Einwirkung durch den Arbeitsunfall, festgestellt auf der ersten Stufe der Ursächlichkeitsprüfung) damit auch automatisch zu einer wesentlichen Ursache (im Sinne der Ursächlichkeitsprüfung auf der zweiten Stufe) wird. Dies würde angesichts der Komplexität psychischer Vorgänge und des Zusammenwirkens gegebenenfalls lange Zeit zurückliegender Faktoren zu einer Umkehr der Beweislast führen, für die keine rechtliche Grundlage erkennbar sei (BSG aaO Rdnr. 39). Andererseits schließt aber eine "abnorme seelische Bereitschaft" die Annahme der psychischen Reaktion als Unfallfolge nicht aus. Wunschbedingte Vorstellungen sind aber als konkurrierende Ursachen zu würdigen und können der Bejahung eines wesentlichen Ursachenzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und der psychischen Reaktion entgegenstehen (BSG aaO Rdnrn 37, 38).

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall, der hier am 31.3.1997 eingetreten ist) über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Renten an Versicherte werden von dem Tag an gezahlt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII).

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.6.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Ausgehend von den vorstehend genannten Voraussetzungen hat die Klägerin Anspruch auf eine teilweise Rücknahme des Bescheides vom 5.2.1999 und auf Feststellung, dass der Tinnitus rechts Folge des Arbeitsunfalls vom 31.3.1997 ist. Weitere Unfallfolgen sind jedoch nicht festzustellen und auch ein Anspruch auf Verletztenrente besteht nicht, weil die Unfallfolgen keine rentenberechtigende MdE um 20 vH bedingen. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat auf Grund einer Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen und insbesondere auf Grund der Gutachten von Dr. F. vom 17.3.2000 nebst ergänzender Stellungnahme vom 19.2.2001, PD Dr. G. vom 30.11.2000 sowie Prof. Dr. F. vom 23.10.2006 und der beratungsärztlichen Stellungnahme Dr. I. vom 18.6.2001.

Zu dem Gesundheitszustand der Klägerin vor dem Arbeitsunfall vom 31.1.1997 stellt der Senat anhand der beigezogenen Unterlagen der AOK und des Versorgungsamts fest, dass Behandlungen und Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen Erbrechen und Kreislaufkollaps im Januar 1989 stattfanden, aber nicht in den Folgejahren bis zum Arbeitsunfall, und auch keine Behandlungen oder Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen Hörminderung oder Ohrgeräuschen. Die Behandlungen und auch häufigen Arbeitsunfähigkeitszeiten der Klägerin vom Januar 1989 bis zum Arbeitsunfall Ende März 1997 beruhten im Wesentlichen auf einem Asthma bronchiale mit häufig rezidivierenden Infekten. Daneben litt die Klägerin unter Wirbelsäulenbeschwerden, gastritischen Beschwerden, Migräne und einer Allergie. Im Entlassungsbericht über ein Heilverfahren der Klägerin in der Klinik für Rehabilitation Am Taunus Bad Soden vom 13.7.1992 werden als Hauptleiden ein allergisches Asthma bronchiale, als Nebenleiden eine Pollinosis und als sonstige Diagnosen ein Lendenwirbelsäulen-(LWS)-Syndrom bei Bandscheibenschäden L5/S 1 und rezidivierende Ischialgien genannt. Bei der Eigenanamnese nannte die Klägerin als Beschwerden auch Schwindel und Kopfschmerzen. Im Aufnahmebefund ist das Gehör als unauffällig (o. B.) und die Psyche als geordnet beschrieben. Bei der Abschlussuntersuchung gab die Klägerin - bis auf Schlafstörungen - Beschwerdefreiheit an. Anlässlich einer stationären Behandlung in der Klinik Schillerhöhe wegen eines exazerbierten Asthma bronchiale vom 6.4. bis 15.4. sowie 17.4. bis 27.4.1995 machte die Klägerin einen leicht depressiven Eindruck (Arztbrief von Prof. D. vom 23.5.1995). Im anschließenden Heilverfahren in der Hochgebirgsklinik D. W. vom 24.5. bis 28.6.1995 fiel ebenfalls eine zeitweise depressive Verstimmtheit der Klägerin mit deutlichen Stimmungsschwankungen auf, die zu einer Betreuung durch einen Psychologen führte. Von der Klägerin angegebene subjektive Verschlechterungen des Befindens waren bei Kontrollen der Lungenfunktion nicht objektivierbar. Eine niedrig dosierte antidepressive Therapie scheiterte daran, dass die Klägerin diese - auf Grund stark empfundener Müdigkeit - eigenmächtig absetzte. Die Klägerin wurde als arbeitsunfähig für ihre Tätigkeit als Stationshilfe entlassen. Eine Besserung der Erwerbsfähigkeit wurde nach weiterer fachärztlicher Behandlung sowohl des Atemwegsleidens als auch der psychischen Probleme erwartet. Aus diesen ärztlichen Unterlagen entnimmt der Senat, dass zwar keine gravierende Erkrankung auf psychiatrischem Gebiet vorlag, aber eine gewisse - Ende Juni 1995 auch behandlungsbedürftige - psychische Labilität, die sich in Schlafstörungen bzw. depressiven Verstimmungszuständen zeigte. Störungen auf HNO-ärztlichem Gebiet sind nicht dokumentiert.

Bei dem Arbeitsunfall vom 31.3.1997, bei dem ein Psychiatrie-Patient der Klägerin ohne Vorwarnung mit einer Mineralwasserflasche aus Glas ins Gesicht schlug und sie auf einen Tisch bzw. den Boden fiel, kam es äußerlich zu einer Prellmarke über der linken Nasolabialfalte sowie einer kleinen Schürfwunde am linken Nasenflügel. Bei ihrer Aufnahme im Krankenhaus am Unfalltag berichtete die Klägerin über leichte Benommenheit, Übelkeit, Schmerzen an der linken Wange bzw. im linken Oberkiefer sowie im Bereich der Zähne. Während ihres stationären Aufenthalts gab die Klägerin vermehrt Schwindel und Übelkeit an und bei ihren ersten Versuchen, das Bett zu verlassen, musste sie öfters erbrechen. Außerdem berichtete sie über eine Hörminderung im rechten Ohr sowie ein Ohrgeräusch rechts, wie der Senat auf Grund des DA-Berichts und des Zwischenbericht von Prof. Dr. U. bzw. Oberarzt Dr. W. vom 2.4. und 16.4.1997 und des Arztbriefes des HNO-Arztes Dr. J. vom 15.4.1997 feststellt.

Dass bei der Klägerin unmittelbar nach dem Unfallereignis ein Tinnitus rechts aufgetreten ist, unterliegt für den Senat keinem Zweifel. Hierfür sprechen die Angaben der Klägerin unmittelbar nach dem Unfall sowie ihre Äußerungen gegenüber ihrer behandelnden Hausärztin, der Internistin Dr. H., sowie gegenüber den HNO-Ärzten Dr. J. (Arztbrief vom 15.4.1997), Dr. S. (Berichte vom 25.4., 9.5., 16.5. und 22.10.1997), Dr. H. (Gutachten vom 31.8.1998), Dr. Sch. (Gutachten vom 24.12.1999) und den Neurologen und Psychiatern Dr. D. (Gutachten vom 27.10.1998) und Dr. F. (Gutachten vom 17.3.2000) sowie den Ärzten der Medizinisch-Psychosomatischen Klinik Roseneck (Gutachten vom 30.11.2000 und 23.10.2006) sowie die von den HNO-Ärzten Dr. S., Dr. H., Dr. Sch., Dr. J. und Dr. I. gestellte Diagnose eines Tinnitus rechts. Rechtlich wesentliche Ursache für die Hervorrufung des Tinnitus rechts ist nach Überzeugung des Senats der Arbeitsunfall der Klägerin vom 31.3.1997, wobei letztlich dahingestellt bleiben kann, ob der Tinnitus rechts unmittelbar durch die Gewalteinwirkung auf den Kopf der Klägerin durch den Schlag mit der Mineralwasserflasche und den nachfolgenden Sturz (so PD Dr. G. S. 66 des Gutachtens vom 30.11.2000) oder durch die damit verbundene Stresssituation und dadurch bedingte Durchblutungsstörung (so Dr. J. im Arztbrief vom 15.4.1997) verursacht worden ist. Andere Ursachen für die Hervorrufung des Tinnitus rechts - unmittelbar nach dem Unfall - sind für den Senat nicht ersichtlich und werden weder von der Beklagten noch den behandelnden und begutachtenden HNO-Ärzten genannt. Dem tritt im Ergebnis auch die Beklagte nicht entgegen, wenn sie im Berufungsschriftsatz vom 24.4.2002 im Verfahren L 7 U 1472/02 ausführt, als Unfallfolgen auf HNO-ärztlichem Gebiet lägen lediglich ein weitgehend kompensiertes Ohrgeräusch rechts sowie eine rechtsseitige geringe Hörminderung vor.

Hinsichtlich der Ausprägung und des Verlaufs des Tinnitus rechts stellt der Senat fest, dass die Klägerin am 21.8.1997 (während fortbestehender Arbeitsunfähigkeit) gegenüber LMD Sch. angab, am 3. Tag nach dem Unfall sei ein Pfeifton auf dem rechten Ohr aufgetreten. Es bestehe im Untersuchungszeitpunkt weiterhin ein leiser Pfeifton, gelegentlich sei er auch weg. Demgegenüber stellte der behandelnde HNO-Arzt Dr. S. am 22.10.1997 und am 19.11.1997 den Tinnitus rechts aufgrund der Angaben der Klägern bei 80 dB bei 8 kHz fest und teilte in einem in den Akten des Versorgungsamts enthaltenen Bericht an die Württembergische Versicherung mit, dass das Ohrgeräusch sehr quälend sei und die Klägerin manchmal verrückt mache. Eine von ihm empfohlene stationäre Infusionstherapie im Olgahospital vom 2. bis 11.12.1997 brachte keine Besserung des Hörvermögens. Der weitere stationäre Aufenthalt im Olgahospital vom 23.6. bis 2.7.1998 fand wegen eines akuten Hörsturzes links mit Tinnitus statt. Der Tinnitus rechts wurde bei Beginn der Behandlung am 23.6. bei 75 dB bei 3 kHz und am 24.7.1998 bei der Untersuchung durch Dr. H. bei 2 kHz bei 93 dB festgestellt. Dr. Sch. fand am 20.12.1999 den Tinnitus rechts wiederum bei einer Frequenz von 8 kHz und Dr. G. teilte mit, dass sich am 24.8.2000 der rechtsseitig nicht näher einzugrenzende hochfrequente Tinnitus mit etwa 90 dB HL Breitbandrauschen schwellennah habe verdecken lassen. Gegenüber der Begutachtung durch Dr. Sch. sei der Tinnitus jetzt um etwa 20 dB "lauter".

Hinsichtlich der Auswirkungen des rechtsseitigen Tinnitus ist anhand der ärztlichen Unterlagen festzustellen, dass er während der ab 15.7.1997 dauernden Arbeitsunfähigkeit besser wurde und am 21.8.1997 - wie bereits erwähnt - nur noch leise bzw. gar nicht vorhanden war. Ausweislich des Arztbriefes von Dr. S. vom 22.10.1997 wurde er - nach der konflikthaften Wiederaufnahme der Arbeit - unter Stress wieder deutlich stärker empfunden, weshalb Dr. S. der Klägerin schon zu diesem Zeitpunkt geraten hatte, einen anderen Arbeitsplatz zu wählen. Während die erste stationäre Behandlung im Olgahospital weitgehend erfolglos war, wurde durch die zweite stationäre Behandlung, die vorrangig wegen des im Juni 1998 aufgetretenen unfallunabhängigen Hörsturzes links vom 23.6. bis 2.7.1998 durchgeführt wurde, eine erneute Besserung erreicht. Bei den ambulanten Untersuchungen anlässlich der Begutachtung im Olgahospital am 31.7. und 19.8.1998 gab die Klägerin an, durch den mal stärkeren, mal schwächeren Pfeifton nicht am Einschlafen gehindert zu sein. Gegenüber Dr. D. gab sie am 27.10.1998 - nach ihrem Urlaub - keine wesentlichen Beschwerden mehr an.

Den Gutachten von Dr. F. und PD Dr. G. entnimmt der Senat, dass die Klägerin in Teilzeitarbeit bis zum 30.9.1998 und vom 1.10.1998 bis Ende Oktober 1999 vollzeitig an ihrem alten Arbeitsplatz tätig war und nach einer Zeit der Arbeitsunfähigkeit von Ende Oktober 1999 bis Dezember 1999 nach einer kurzen Wiedereingliederungsphase seit dem 1.1.2000 wieder vollschichtig arbeitete. Gegenüber Dr. F. gab die Klägerin 14.2.2000 Ein- und Durchschlafstörungen wegen des rechtsseitigen und linksseitigen Tinnitus an. Bei der Untersuchung am 24. 8.2000 durch PD Dr. G. stand im Vordergrund der Beschwerdeschilderung der Konflikt am Arbeitsplatz mit dem Gefühl der Überforderung durch Ausweitung der Tätigkeit auf mehrere Stationen und gleichzeitiger Degradierung durch Hinzunahme von Putzaufgaben und dem Gefühl, vom Arbeitgeber missachtet, gedemütigt und ausgenutzt zu werden. Den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen kann in diesem Zusammenhang entnommen werden, dass der Klägerin am 18.2.2000 (also 4 Tage nach der Untersuchung bei Dr. F., bei der er die Klägerin als eine seelisch weitgehend ausgeglichene hyperthyme Persönlichkeit beschrieb) bei einem Gespräch mit dem Arbeitgeber zusätzliche Arbeiten übertragen werden sollten, was die Klägerin durch Schreiben ihres Ehemannes vom 26.2.2000 ablehnte. Des weiteren hatte sich der Bevollmächtigte des Arbeitgebers im Juli 2000 an die Beklagte gewandt und angefragt, in welchem Unfang die Leistungsfähigkeit der Klägerin am Arbeitsplatz durch die Unfallfolgen eingeschränkt sei. Die Beklagte hatte hierauf unter dem 3.8.2000 erwidert, die Klägerin sei, bezogen auf die Unfallfolgen ab dem 15.4.1997 wieder voll einsetzbar, wie sich aus den Gutachten von Dr. B. (Dr. H.) und Dr. D. ergebe. Dem schlossen sich mehrere Klagen der Klägerin gegen ihren Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht - Kammern Aalen - an (vgl. Schreiben des Ehemanns der Klägerin vom 1.1.2001 an das Arbeitsgericht). Schließlich wurde das Arbeitsverhältnis durch Kündigung des Arbeitgebers zum März 2001 beendet, wie der Senat dem Entlassungsbericht der Klinik Roseneck vom 28.1.2002 entnimmt. Als Kündigungsgrund hatte der Arbeitgeber ausweislich des Schreibens des Landeswohlfahrtsverbandes Württemberg-Hohenzollern an PD Dr. G. vom 26.10.2000 geltend gemacht, die Klägerin weigere sich, ihr neu (zusätzlich) zugeteilte Aufgaben zu übernehmen, obwohl sie nach Auskunft der Beklagten voll einsetzbar sei. Gegenüber PD Dr. G. gab die Klägerin ebenfalls Ein- und Durchschlafstörungen an. Sie sei durch den Tinnitus emotional und kognitiv belastet und habe sich sozial zurückgezogen.

Während des Heilverfahrens in der Klinik Roseneck im Dezember 2001/Januar 2002 entsprachen die Angaben, die die Klägerin im Tinnitusfragebogen machte, einem schweren dekompensierten Tinnitus beidseits. Schließlich gab die Klägerin am 2.8.2006 gegenüber Prof. Dr. Fichtner an, der Tinnitus beidseits sei im Verlauf der Zeit lauter geworden Es höre sich an, als schlügen zwei Metallplatten gegeneinander. Links sei der Tinnitus aber lauter. Rechts trage sie zeitweise ein Hörgerät.

Aus diesem Ablauf ist abzuleiten, dass die Beklagte beim Erlass des Bescheides vom 5.2.1999 insoweit das Recht unrichtig angewendet hat, als sie einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Tinnitusleiden rechts und dem Unfallereignis verneint hat. Ein ursächlicher Zusammenhang des linksseitigen Ohrgeräuschs, das nach einem Hörsturz im Juni 1998 aufgetreten ist, mit dem Unfallereignis besteht nicht.

Bei der als Unfallfolge geltend gemachten Somatisierungsstörung sind nach ICD 10: F 45.0 charakteristisch multiple, wiederholt auftretende und häufig wechselnde körperliche Symptome, die wenigstens zwei Jahre bestehen. Die meisten Patienten haben eine lange und komplizierte Patienten-Karriere hinter sich, sowohl in der Primärversorgung als auch in spezialisierten medizinischen Einrichtungen, wo viele negative Untersuchungen und ergebnislose explorative Operationen durchgeführt sein können. Die Symptome können sich auf jeden Körperteil oder jedes System des Körpers beziehen. Der Verlauf der Störung ist chronisch und fluktuierend und häufig mit einer lang dauernden Störung des sozialen, interpersonalen und familiären Verhaltens verbunden.

Hierzu stellt der Senat auf der Grundlage des Gutachtens von Dr. F. fest, dass es sich bei der Klägerin um eine vermehrt körperlich empfindliche und seelisch zu beeindruckende, mit hypochondrischen und histrionischen Zügen ausgestattete Person handelt, die seit ihrer Kindheit unter einem Asthma leidet und die zuletzt vor dem Unfall nach einer Exazerbation des Asthma während der stationären Behandlung im Krankenhaus vom 6.4. bis 15.4. sowie 17.4. bis 27.4.1995 einen leicht depressiven Eindruck machte und im anschließenden Heilverfahren in der Hochgebirgsklinik D. W. vom 24.5. bis 28.6.1995 durch eine zeitweise depressive Verstimmtheit mit deutlichen Stimmungsschwankungen auffiel, die zu einer Betreuung durch einen Psychologen führte. Subjektive Verschlechterungen des Befindens waren durch Kontrollen der Lungenfunktionen nicht objektivierbar. Dr. I. hat darüber hinaus aus HNO-ärztlicher Sicht im Hinblick auf den weiteren Hörsturz im linken Ohr im Sommer 1998 eine Tendenz der Klägerin festgestellt, auf äußere Belastungen mit plötzlichen Hörverschlechterungen und Ohrgeräuschen zu reagieren und zu Recht festgestellt, das die Klägerin im Zeitpunkt des Unfalls mit diesen subjektiven Belastungen versichert war.

Zwar hat der Unfall zu keinen gravierenden organischen Schäden bei der Klägerin geführt; dennoch sieht der Senat - wie auch Dr. F. und Dr.G. - in dem Schlag mit der Glasflasche ins Gesicht und dem anschließenden Sturz keine Bagatellverletzung, wie sie Dr. D. annimmt, zumal dieser Angriff bei der Klägerin zu Schwindel, Erbrechen, einer - zumindest vorübergehenden - Hörminderung rechts und einem Tinnitus rechts geführt hat. Hinzukommt, dass ein Angriff auf die körperliche Integrität, zumal wenn er unvorbereitet geschieht, zu einer psychischen Irritation führen kann, auch wenn organische Ursachen für die von der Klägerin genannten Beschwerden, wie knöcherne Verletzungen des Gesichtsschädels, der Schädelkalotte, Felsenbeinfraktur, ausgeschlossen werden konnten.

Schließlich stellt der Senat fest, dass es nach dem Unfall bzw. in zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfall zu kränkenden Einwirkungen auf die Klägerin gekommen ist. So veranlasste der Arbeitgeber nach Angaben der Klägerin und den vorliegenden Unterlagen am Unfallort keine Hinzuziehung eines Arztes bzw. keinen Transport der Klägerin in die unfallchirurgische Klinik; die Behandlung der Klägerin wurde am 15.4.1997 von der unfallchirurgischen Klinik als beendet angesehen, obwohl die Klägerin noch unter Beschwerden litt; der Arbeitgeber verlangte von der Klägerin - auf Grund von Angaben des MDK und der AOK - ab 1.9.1997 eine vollschichtige Tätigkeit, obwohl die behandelnde Internistin Dr. H. der Klägerin eine solche noch nicht für zumutbar hielt und das MDK-Gutachten eine vollschichtige Tätigkeit von einem noch zu erhebenden neurologischen Befund abhängig machte, was zu Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber wegen der Einschätzung des Leistungsvermögens Anfang September 1997 führte. Danach sind keine Konflikte am Arbeitsplatz mehr aktenkundig bis zu dem - nach Wiederaufnahme der vollschichtigen Tätigkeit zum 1.1.2000 - am 18.2.2000 geführten Gespräch mit dem Arbeitgeber, wonach der Klägerin zusätzliche Arbeiten übertragen werden sollten, was nach Ablehnung durch die Klägerin zu arbeitsgerichtlichen Verfahren und der Kündigung der Klägerin auf Ende März 2001 führte.

Während Dr. F. im März 2000 daraus abgeleitet hat, es sei durch den Unfall und die nachfolgenden Kränkungen zu einer Überhöhung und Ausgestaltung zuvor bestehender Beschwerden wie Kopfschmerz und Verstimmungs- und Erschöpfungszuständen i.S. des Entstehens einer Somatisierungsstörung gekommen, wobei eine Abgrenzung zu unfallunabhängigen Gesundheitsstörungen mangels einer hierdurch bedingten MdE nicht zu leisten sei, gelangte er in der im Februar 2001 nach Aktenlage erstatteten weiteren gutachterlichen Stellungnahme zu Ergebnis, dass das Erleben und die Persönlichkeit der Klägerin durch das Unfallereignis und seine Folgen stärker ausgelenkt worden seien mit Beeinträchtigung des sozialen, interpersonalen und familiären Verhaltens, weswegen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet eine MdE um 15 vH anzunehmen sei.

Demgegenüber sieht Dr. G. in der schon vor dem Unfall bestehenden Neigung der Klägerin zu vielfältigen körperlichen Symptomen, die nicht hinreichend durch objektive Befunde erklärbar waren, eine im Zeitpunkt des Unfalls bereits bestehende Somatisierungsstörung, die in erster Linie auf einen unfallunabhängigen und damit persönlichkeitsbedingten Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstil zurückzuführen sei. Während er noch auf Seite 77 seines Gutachtens ausführt, es sei auch nicht durch das Unfallereignis selbst, sondern durch die schicksalshafte Bewältigung des Unfalls (Kränkung) zu einer Verschlimmerung der Somatisierungsstörung gekommen, weist er auf Seite 78 des Gutachtens dem Unfall, der aus psychologischer Sicht zu keiner "Bagatellverletzung" geführt habe, dann doch eine teilverursachende Rolle an der Entstehung der Somatisierungsstörung zu und bewertet den Anteil der Somatisierungsstörung, der auf den Unfall zurückzuführen sei, mit einer MdE von allenfalls 10 vH.

Schließlich sieht Prof. Dr. F. im Gutachten vom 23.10.2006 den Unfall nicht als unmittelbaren Verursacher der inzwischen vorliegenden somatoformen und depressiven Störung, meint aber, der Unfall, seine unmittelbaren Folgen sowie der Arbeitsplatzkonflikt und die Kränkung hätten mittelbar zu einer somatoformen Störung und der derzeit schweren Majoren Depression geführt.

Diese ärztlichen Äußerungen sind nicht geeignet, unter Berücksichtigung der dargestellten Grundsätze zur Kausalitätsbeurteilung insbesondere psychischer Unfallfolgen mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Somatisierungsstörung und dem Unfallereignis bzw. dem durch das Unfallereignis hervorgerufenen psychischen Irritation zu belegen. Dr. F. bleibt eine Erklärung dafür schuldig, weshalb die durch den Unfall hervorgerufene psychische Irritation - auch vor dem Hintergrund der psychischen Labilität der Klägerin - dazu geführt haben soll, dass die bei der Klägerin bereits vorhandenen Beschwerden in den Rang einer Somatisierungsstörung gehoben wurden. Er berücksichtigt insbesondere auch in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19.2.2001 eine weitere Entwicklung, die aber wesentlich durch die dargestellten arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen in den Jahren 2000/2001 geprägt wurde. Die Konflikte der Klägerin mit ihrem Arbeitgeber, auch wenn sie durch die Folgen des Arbeitsunfalls akzentuiert worden sein mögen, fallen in ihren gesundheitlichen Auswirkungen nicht in den Risikobereich der gesetzlichen Unfallversicherung. Auch Dr. G. und zuletzt Prof. Dr. F. können nicht überzeugend darlegen, ob bzw. in welchem Umfang die durch den Unfall hervorgerufene psychische Irritation der Klägerin wesentlich ursächlich für die nun bestehende Somatisierungsstörung ist. Unabhängig davon, dass Dr. G. in sich widersprüchlich und ohne nachvollziehbare Begründung zum einen lediglich eine Verschlimmerung der vorbestehenden Somatisierungsstörung und zum anderen eine teilursächliche Entstehung der Somatisierungsstörung durch das Unfallereignis annimmt, fehlt es an einer Auseinandersetzung mit den in der Zeit zwischen dem Unfall vom 31.3.1997 und dem Zeitpunkt der Begutachtung Ende 2000 aufgetretenen unfallunabhängigen belastenden Faktoren, wie sie bereits im Einzelnen dargelegt wurden. Auch Prof. Dr. F. nimmt im Jahre 2006 keine Abgrenzung und Gewichtung der einzelnen Faktoren auch im Zeitablauf vor und bezeichnet sie undifferenziert als mittelbare Ursachen der nun bestehenden psychischen Störungen einschließlich der jetzt bestehenden Majoren Depression.

Im Ergebnis kann daher eine Somatisierungsstörung nicht als Unfallfolge festgestellt werden.

Auch Gleichgewichtstörungen sind nicht als zusätzliche Unfallfolgen festzustellen, da organische Ursachen hierfür von den HNO-Ärzten Dr. J., Dr. S. und Dr. H. nicht festgestellt werden konnten. Soweit - abweichend hiervon - Dr. Sch. eine Störung des Gleichgewichtsapparats diagnostiziert hat, sah er diese durch das Gehirn als fast vollständig kompensiert an, sodass Gleichgewichts- bzw. Schwindelbeschwerden nicht als zusätzliche Unfallfolge festzustellen sind. Da die bei der Klägerin vorhandene Hörminderung rechts äußerst geringgradig ist und sich hieraus bei den objektiven Tests kein Hörverlust ergab, wie der Senat dem Gutachten von PD Dr. H. entnimmt, ist diese nicht als Unfallfolge zu berücksichtigen.

Für die Beurteilung der MdE maßgebend ist damit allein der Tinnitus rechts. Hinsichtlich der Bewertung des Tinnitus im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 5.2.1999 folgt der Senat den Ausführungen der Ärztin für HNO-Heilkunde und Arbeitsmedizin Dr. I. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 18.6.2001, wonach das Ohrgeräusch die Klägerin glaubhaft belästigte, es aber noch als kompensiert angesehen werden konnte, nachdem bei der Begutachtung im Olgahospital am 31.7. und 19.8.1998 die Klägerin angegeben hatte, durch den mal stärkeren, mal schwächeren Pfeifton nicht am Einschlafen gehindert zu sein und auch gegenüber Dr. D. am 27.10.1998 - nach ihrem Urlaub - keine wesentlichen Beschwerden mehr klagte. Sie hat diesen Zustand unter Berücksichtigung der Beeinträchtigung der Klägerin infolge ihrer Persönlichkeitsstruktur mit einer MdE von über 10 vH aber noch unter 20 vH bewertet. In der Bewertung des Tinnitus befindet sie sich auch in Übereinstimmung mit Dr. G ... Damit hat es die Beklagte im Ergebnis zu Recht abgelehnt, der Klägerin wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 31.3.1997 Verletztenrente zu gewähren.

Nach alledem waren der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die Bescheide der Beklagten abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 5.2.1999 teilweise zurückzunehmen und einen Tinnitus rechts als Unfallfolge festzustellen. Im übrigen war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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