Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 12 R 707/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 771/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis mit Beitragsentrichtung nicht fingiert werden.
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 18. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Streitig ist unter den Beteiligten eine höhere Altersrente des Klägers unter Anerkennung weiterer Versicherungszeiten bei einem dann späteren Rentenbeginn.
Mit Bescheid vom 14.01.2005 bewilligte die Beklagte dem 1944 geborenen Kläger auf seinen Antrag Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab 01.01.2005. Bei der Rentenberechnung kam es zu einem Abschlag von insgesamt 3,7191 Entgeltpunkten auf Grund von zwei in der Vergangenheit durchgeführten Versorgungsausgleichen (monatlicher Rentenzahlbetrag 674,59 Euro).
Der Kläger hatte zuvor am 16.09.2004 von der Beklagten eine Rentenauskunft erhalten, wonach sich ein Anspruch auf Altersrente in Höhe von 1.116,- Euro ergab. Der höhere Betrag beruhte auf der fehlerhaften Verschlüsselung des 1992 durchgeführten Versorgungsausgleichs aus der ersten Ehe des Klägers, wonach von seinem Versicherungskonto auf das Konto der früheren Ehefrau monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von 59,87, bezogen auf den 31.01.1991, umgerechnet 1,5128 Entgeltpunkte zu übertragen waren; infolge des Fehlers wurden anstelle eines entsprechenden "Malus" auf dem Konto des Klägers 21,0528 Entgeltpunkte gutgeschrieben. Auch frühere Rentenauskünfte hatten bereits denselben Verschlüsselungsfehler enthalten (vgl. Auskunft an das Amtsgericht B-Stadt vom 22.12.1999 und Auskunft an den Kläger vom 19.05.2000, Bl. 19, 37 der Beklagtenakten Teil I).
Der Kläger erhob gegen den Rentenbescheid vom 14.01.2005 Widerspruch wegen der Rentenhöhe. Er berief sich auf die Mitteilung der zu erwartenden Rentenhöhe von
1.116,- Euro in der Auskunft und Beratung vom 16.09.2004. Er sei in Rente gegangen, weil er auf die Richtigkeit der Beratung vertraut habe.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit, dass es bei der Übermittlung der Daten aus dem früheren Versorgungsausgleich durch die damals zuständige LVA Baden-Württemberg nach Wohnsitzwechsel des Klägers in ihren Bereich zu dem Übertragungsfehler gekommen sei. Sie wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.05.2005 zurück. Die Altersrente sei zutreffend berechnet worden. Aus der Rentenauskunft vom 16.09.2004 könne kein Recht auf eine unzutreffend berechnete höhere Rente hergeleitet werden. Rentenauskünfte dienten der Information und seien nicht rechtsverbindlich.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) begehrte der Kläger, so gestellt zu werden, als wenn er anlässlich der Beratung im September 2004 eine richtige Auskunft erhalten hätte. Er trug vor, er hätte dann andere Dispositionen getroffen und wegen der niedrigen Rentenhöhe auf einen Rentenantrag verzichtet; statt dessen hätte er die Möglichkeit einer ihm von seinem letzten Arbeitgeber angebotenen Vollzeitbeschäftigung als Busfahrer wahrgenommen und später Antrag auf Regelaltersrente gestellt.
Er legte die Erklärung seines letzten Arbeitgebers, bei dem er während seiner Arbeitslosigkeit als Busfahrer geringfügig beschäftigt gewesen war, über die Zusage einer Festanstellung vor.
Parallel dazu machte er Amtshaftungsansprüche wegen Falschberatung gegenüber der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg bzw. der Beklagten geltend.
Die Beklagte trug vor, der Kläger habe auch nach Erhalt des Bescheides vom 14.01.2005 genügend Zeit gehabt, seine Dispositionen zu ändern (Rücknahme des Antrags auf Altersrente vor Eintritt der Bestandskraft des Bescheides sowie Aufnahme einer Vollbeschäftigung oder weitere Meldung als arbeitssuchend bei der Agentur für Arbeit). Auch sei ihm aus seinen beiden Scheidungsurteilen bekannt gewesen, dass Rentenanwartschaften aus seinem Versicherungskonto auf seine beiden früheren Ehefrauen übertragen worden waren. Er habe damit gewusst, dass dies keine Erhöhung seiner Rentenanwartschaften zur Folge haben konnte.
Die Anfrage des SG beim letzten Arbeitgeber des Klägers, ob auch im Januar 2005 noch die Möglichkeit einer Festanstellung des Klägers als Busfahrer bestanden habe, wurde verneint (Schreiben der Firma E. vom 02.06.2008).
Das SG wies die auf Neuberechnung der Altersrente unter Berücksichtigung eines späteren Rentenbeginns und weiterer Pflichtbeiträge auf Grund einer möglichen Tätigkeit bei der Fa. E. gerichtete Klage mit Urteil vom 18.06.2008 ab. Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch auf Neuberechnung der Rente nicht zu. Die fehlerhafte Auskunft der Beklagten könne nicht dazu führen, dass er eine höhere Rente beanspruchen könne als die ihm auf Grund der zurückgelegten Versicherungszeiten und des ordnungsgemäß berücksichtigten Versorgungsausgleichs zustehende Rente. Schon aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung folge, dass eine bloße Auskunft dem Versicherten keine Ansprüche vermittle, die ihm nach dem anzuwendenden Recht nicht zuständen (so Urteil des BGH vom 10.07.2003, Az. III ZR 155/02). Die begehrte Rentenberechnung sei darüber hinaus auch tatsächlich undurchführbar, da der fiktive Verlauf, den das Erwerbsleben des Klägers im Falle einer richtigen Rentenauskunft genommen hätte, weitgehend unbekannt sei. Auch wenn die Angaben des Klägers zu der von der Fa. E. angebotenen Vollzeitbeschäftigung als Busfahrer nicht unglaubhaft seien, ließen sie keine Aussagen über Einzelheiten des fiktiven weiteren Erwerbslebens zu, deren Kenntnis für die beantragte Neuberechnung aber unverzichtbar seien.
Mit der Berufung wendet sich der Kläger gegen dieses Urteil und verfolgt das Begehren auf Neuberechnung seiner Rente unter Berücksichtigung einer möglichen versicherungspflichtigen Tätigkeit bei der Fa. E. und eines späteren Eintritts in die Regelaltersrente mit der bisherigen Begründung weiter. Er teilt ergänzend mit, dass die Beklagte bzgl. des geltend gemachten Amtshaftungsanspruchs auf die Einrede der Verjährung zunächst befristet bis 31.12.2008 verzichtet habe.
Der Senat hat dem Kläger mit Schreiben vom 09.12.2008 Hinweise zur Rechtslage und zur Aussichtslosigkeit der auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gestützten Berufung gegeben. Er hat die Beteiligten zu der beabsichtigten Zurückweisung der Berufung durch Beschluss angehört. Der Kläger beharrte weiterhin auf seinem Berufungsbegehren.
Er beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 18.06.2008 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 14.01.20005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2005 zu verurteilen, die Rente unter Berücksichtigung einer möglichen Tätigkeit bei der Firma E. und des späteren Eintritts in die Regelaltersrente neu zu berechnen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der beigezogenen Beklagtenakte Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz
- SGG -) ist zulässig, sie erweist sich aber nicht als begründet.
Die Entscheidung darüber konnte gem. § 153 Abs.4 SGG durch Beschluss ergehen, da der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten wurden vorher gehört.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 14.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.05.2005, mit welchem dem Kläger ab 01.01.2005 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bewilligt wurde.
Die Rente wurde entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zutreffend berechnet. Einen Anspruch auf Neuberechnung der Altersrente unter Berücksichtigung einer möglichen weiteren versicherungspflichtigen Beschäftigung und eines späteren Rentenbeginns hat das Erstgericht zu Recht verneint. Für einen solchen Anspruch gibt es keine Rechtsgrundlage. Er kann insbesondere auch nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gestützt werden.
Das von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entwickelte Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs greift ein, wenn ein Leistungsträger durch Verletzung einer ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis obliegenden Haupt- oder Nebenpflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung, nachteilige Folgen für die Rechtsposition des Betroffenen herbeigeführt, d.h. ein Recht vereitelt hat, das ihm ohne die Pflichtverletzung zugestanden hätte. Die Pflichtverletzung muss wesentliche Bedingung für den eingetretenen sozialrechtlichen Nachteil sein. Der Betreffende kann dann so gestellt werden, als stehe ihm das beeinträchtigte Recht noch in vollem Umfang zu (Naturalrestitution). Das mit dem Herstellungsanspruch entsprechend begehrte Verwaltungshandeln muss rechtlich zulässig, d.h. in seiner wesentlichen Struktur im Gesetz vorgesehen sein (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteile vom 05.04.2000 - B 5 RJ 50/98 R und vom 17.08.2000
- B 13 RJ 87/98, vgl. auch Seewald in KassKomm, vor §§ 38 bis 47, Anm. 44).
Die Beklagte hat vorliegend unstreitig am 16.09.2004 (wie auch mehrfach zuvor ab 1999) eine falsche Rentenauskunft erteilt. Sie hat damit ihre Pflichten gegenüber dem Kläger verletzt, denn ihre Auskünfte müssen sachgerecht, vollständig und richtig sein. Der Empfänger darf sich grundsätzlich auf deren Richtigkeit verlassen und hat einen Anspruch,
in seinem Vertrauen hierauf geschützt zu werden (BSGE 44, 114, 121), notfalls amtshaftungsrechtlich, wenn keine öffentlich-rechtlichen (sozialrechtlichen) Ausgleichsansprüche zur Verfügung stehen (BSGE 49, 258,260; 50, 294,297; BGH, Urteil vom 10. Juli 2003
- III ZR 155/02).
Ob dem Kläger allerdings durch die falsche Auskunft auch ein rechtlicher Schaden entstanden ist, insofern, als er im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der Auskünfte einen Rentenantrag stellte, den er in Kenntnis der tatsächlichen niedrigen Rentenhöhe noch nicht gestellt hätte, und es daher nicht zum Erwerb weiterer Versicherungszeiten vor Beginn der Regelaltersrente kam, kann hier letztlich dahingestellt bleiben.
Ebenso kann dahinstehen, ob die Pflichtverletzung der Beklagten eine wesentliche Ursache für den vom Kläger behaupteten Schaden ist. Dagegen könnte sprechen, dass er seinen Altersrentenantrag im Rahmen der Rechtsbehelfsfrist noch wieder hätte zurücknehmen und dann weitere Versicherungszeiten, z.B. auch in Form von Zeiten der Arbeitslosigkeit bei gleichzeitiger geringfügiger Beschäftigung als Busfahrer wie zuvor im Jahr 2004, erwerben können.
Entscheidend für das Nichtvorliegen des Anspruchs ist, dass die Beklagte im vorliegenden Fall nicht im Wege der Naturalrestitution die behaupteten Folgen der Pflichtverletzung beseitigen und diejenigen Rechtsfolgen herbeiführen kann, die nach Auffassung des Klägers eingetreten wären, wenn sie zuletzt im September 2004 eine zutreffende Rentenauskunft erteilt hätte. Abgesehen davon, dass hier relevante Einzelheiten des dann nach dem Vorbringen des Klägers eingegangenen versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses mangels seiner tatsächlich erfolgten Durchführung nicht bestimmbar wären, kann die Beklagte nicht im Wege einer zulässigen Amtshandlung ein solches nie existent gewesenes Beschäftigungsverhältnis für den Versicherungsverlauf des Klägers fingieren. Wirksame anrechenbare Versicherungsbeiträge setzen eine tatsächliche Entrichtung auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses voraus und damit ein tatsächliches Verhalten der beteiligten Vertragspartner des Arbeitsverhältnisses. Dieses kann nicht durch eine (zulässige) Amtshandlung der Beklagten ersetzt werden. Die Fingierung von Versicherungsbeiträgen ist im Sozialrecht nicht möglich.
Eine Wiederherstellung des bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten bestehenden Zustandes mit den Mitteln des Sozialrechts könnte hier lediglich in der Rückabwicklung des Ende 2004 vom Kläger gestellten Rentenantrags liegen, der dann als nicht gestellt anzusehen wäre.
Da das Begehren des Klägers darüber hinaus geht (zusätzliche Konstruktion von fiktiven Versicherungszeiten) und die bloße Rückgängigmachung des Rentenantrags ohne Anerkennung weiterer Versicherungszeiten seinem Begehren nicht entspricht, kann die Berufung keinen Erfolg haben. Soweit der Kläger meint, ihm sei durch das Verhalten der Beklagten ein rentenrechtlicher Schaden entstanden, kann dieser nur im Wege des Amtshaftungsanspruches geltend gemacht werden.
Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) beruht auf der Erwägung, dass auch die Berufung erfolglos geblieben ist.
Gründe für die Zulässigkeit der Revision gem. § 160 Abs.2 SGG sind nicht ersichtlich.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Streitig ist unter den Beteiligten eine höhere Altersrente des Klägers unter Anerkennung weiterer Versicherungszeiten bei einem dann späteren Rentenbeginn.
Mit Bescheid vom 14.01.2005 bewilligte die Beklagte dem 1944 geborenen Kläger auf seinen Antrag Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab 01.01.2005. Bei der Rentenberechnung kam es zu einem Abschlag von insgesamt 3,7191 Entgeltpunkten auf Grund von zwei in der Vergangenheit durchgeführten Versorgungsausgleichen (monatlicher Rentenzahlbetrag 674,59 Euro).
Der Kläger hatte zuvor am 16.09.2004 von der Beklagten eine Rentenauskunft erhalten, wonach sich ein Anspruch auf Altersrente in Höhe von 1.116,- Euro ergab. Der höhere Betrag beruhte auf der fehlerhaften Verschlüsselung des 1992 durchgeführten Versorgungsausgleichs aus der ersten Ehe des Klägers, wonach von seinem Versicherungskonto auf das Konto der früheren Ehefrau monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von 59,87, bezogen auf den 31.01.1991, umgerechnet 1,5128 Entgeltpunkte zu übertragen waren; infolge des Fehlers wurden anstelle eines entsprechenden "Malus" auf dem Konto des Klägers 21,0528 Entgeltpunkte gutgeschrieben. Auch frühere Rentenauskünfte hatten bereits denselben Verschlüsselungsfehler enthalten (vgl. Auskunft an das Amtsgericht B-Stadt vom 22.12.1999 und Auskunft an den Kläger vom 19.05.2000, Bl. 19, 37 der Beklagtenakten Teil I).
Der Kläger erhob gegen den Rentenbescheid vom 14.01.2005 Widerspruch wegen der Rentenhöhe. Er berief sich auf die Mitteilung der zu erwartenden Rentenhöhe von
1.116,- Euro in der Auskunft und Beratung vom 16.09.2004. Er sei in Rente gegangen, weil er auf die Richtigkeit der Beratung vertraut habe.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit, dass es bei der Übermittlung der Daten aus dem früheren Versorgungsausgleich durch die damals zuständige LVA Baden-Württemberg nach Wohnsitzwechsel des Klägers in ihren Bereich zu dem Übertragungsfehler gekommen sei. Sie wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.05.2005 zurück. Die Altersrente sei zutreffend berechnet worden. Aus der Rentenauskunft vom 16.09.2004 könne kein Recht auf eine unzutreffend berechnete höhere Rente hergeleitet werden. Rentenauskünfte dienten der Information und seien nicht rechtsverbindlich.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) begehrte der Kläger, so gestellt zu werden, als wenn er anlässlich der Beratung im September 2004 eine richtige Auskunft erhalten hätte. Er trug vor, er hätte dann andere Dispositionen getroffen und wegen der niedrigen Rentenhöhe auf einen Rentenantrag verzichtet; statt dessen hätte er die Möglichkeit einer ihm von seinem letzten Arbeitgeber angebotenen Vollzeitbeschäftigung als Busfahrer wahrgenommen und später Antrag auf Regelaltersrente gestellt.
Er legte die Erklärung seines letzten Arbeitgebers, bei dem er während seiner Arbeitslosigkeit als Busfahrer geringfügig beschäftigt gewesen war, über die Zusage einer Festanstellung vor.
Parallel dazu machte er Amtshaftungsansprüche wegen Falschberatung gegenüber der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg bzw. der Beklagten geltend.
Die Beklagte trug vor, der Kläger habe auch nach Erhalt des Bescheides vom 14.01.2005 genügend Zeit gehabt, seine Dispositionen zu ändern (Rücknahme des Antrags auf Altersrente vor Eintritt der Bestandskraft des Bescheides sowie Aufnahme einer Vollbeschäftigung oder weitere Meldung als arbeitssuchend bei der Agentur für Arbeit). Auch sei ihm aus seinen beiden Scheidungsurteilen bekannt gewesen, dass Rentenanwartschaften aus seinem Versicherungskonto auf seine beiden früheren Ehefrauen übertragen worden waren. Er habe damit gewusst, dass dies keine Erhöhung seiner Rentenanwartschaften zur Folge haben konnte.
Die Anfrage des SG beim letzten Arbeitgeber des Klägers, ob auch im Januar 2005 noch die Möglichkeit einer Festanstellung des Klägers als Busfahrer bestanden habe, wurde verneint (Schreiben der Firma E. vom 02.06.2008).
Das SG wies die auf Neuberechnung der Altersrente unter Berücksichtigung eines späteren Rentenbeginns und weiterer Pflichtbeiträge auf Grund einer möglichen Tätigkeit bei der Fa. E. gerichtete Klage mit Urteil vom 18.06.2008 ab. Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch auf Neuberechnung der Rente nicht zu. Die fehlerhafte Auskunft der Beklagten könne nicht dazu führen, dass er eine höhere Rente beanspruchen könne als die ihm auf Grund der zurückgelegten Versicherungszeiten und des ordnungsgemäß berücksichtigten Versorgungsausgleichs zustehende Rente. Schon aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung folge, dass eine bloße Auskunft dem Versicherten keine Ansprüche vermittle, die ihm nach dem anzuwendenden Recht nicht zuständen (so Urteil des BGH vom 10.07.2003, Az. III ZR 155/02). Die begehrte Rentenberechnung sei darüber hinaus auch tatsächlich undurchführbar, da der fiktive Verlauf, den das Erwerbsleben des Klägers im Falle einer richtigen Rentenauskunft genommen hätte, weitgehend unbekannt sei. Auch wenn die Angaben des Klägers zu der von der Fa. E. angebotenen Vollzeitbeschäftigung als Busfahrer nicht unglaubhaft seien, ließen sie keine Aussagen über Einzelheiten des fiktiven weiteren Erwerbslebens zu, deren Kenntnis für die beantragte Neuberechnung aber unverzichtbar seien.
Mit der Berufung wendet sich der Kläger gegen dieses Urteil und verfolgt das Begehren auf Neuberechnung seiner Rente unter Berücksichtigung einer möglichen versicherungspflichtigen Tätigkeit bei der Fa. E. und eines späteren Eintritts in die Regelaltersrente mit der bisherigen Begründung weiter. Er teilt ergänzend mit, dass die Beklagte bzgl. des geltend gemachten Amtshaftungsanspruchs auf die Einrede der Verjährung zunächst befristet bis 31.12.2008 verzichtet habe.
Der Senat hat dem Kläger mit Schreiben vom 09.12.2008 Hinweise zur Rechtslage und zur Aussichtslosigkeit der auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gestützten Berufung gegeben. Er hat die Beteiligten zu der beabsichtigten Zurückweisung der Berufung durch Beschluss angehört. Der Kläger beharrte weiterhin auf seinem Berufungsbegehren.
Er beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 18.06.2008 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 14.01.20005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2005 zu verurteilen, die Rente unter Berücksichtigung einer möglichen Tätigkeit bei der Firma E. und des späteren Eintritts in die Regelaltersrente neu zu berechnen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der beigezogenen Beklagtenakte Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz
- SGG -) ist zulässig, sie erweist sich aber nicht als begründet.
Die Entscheidung darüber konnte gem. § 153 Abs.4 SGG durch Beschluss ergehen, da der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten wurden vorher gehört.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 14.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.05.2005, mit welchem dem Kläger ab 01.01.2005 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bewilligt wurde.
Die Rente wurde entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zutreffend berechnet. Einen Anspruch auf Neuberechnung der Altersrente unter Berücksichtigung einer möglichen weiteren versicherungspflichtigen Beschäftigung und eines späteren Rentenbeginns hat das Erstgericht zu Recht verneint. Für einen solchen Anspruch gibt es keine Rechtsgrundlage. Er kann insbesondere auch nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gestützt werden.
Das von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entwickelte Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs greift ein, wenn ein Leistungsträger durch Verletzung einer ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis obliegenden Haupt- oder Nebenpflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung, nachteilige Folgen für die Rechtsposition des Betroffenen herbeigeführt, d.h. ein Recht vereitelt hat, das ihm ohne die Pflichtverletzung zugestanden hätte. Die Pflichtverletzung muss wesentliche Bedingung für den eingetretenen sozialrechtlichen Nachteil sein. Der Betreffende kann dann so gestellt werden, als stehe ihm das beeinträchtigte Recht noch in vollem Umfang zu (Naturalrestitution). Das mit dem Herstellungsanspruch entsprechend begehrte Verwaltungshandeln muss rechtlich zulässig, d.h. in seiner wesentlichen Struktur im Gesetz vorgesehen sein (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteile vom 05.04.2000 - B 5 RJ 50/98 R und vom 17.08.2000
- B 13 RJ 87/98, vgl. auch Seewald in KassKomm, vor §§ 38 bis 47, Anm. 44).
Die Beklagte hat vorliegend unstreitig am 16.09.2004 (wie auch mehrfach zuvor ab 1999) eine falsche Rentenauskunft erteilt. Sie hat damit ihre Pflichten gegenüber dem Kläger verletzt, denn ihre Auskünfte müssen sachgerecht, vollständig und richtig sein. Der Empfänger darf sich grundsätzlich auf deren Richtigkeit verlassen und hat einen Anspruch,
in seinem Vertrauen hierauf geschützt zu werden (BSGE 44, 114, 121), notfalls amtshaftungsrechtlich, wenn keine öffentlich-rechtlichen (sozialrechtlichen) Ausgleichsansprüche zur Verfügung stehen (BSGE 49, 258,260; 50, 294,297; BGH, Urteil vom 10. Juli 2003
- III ZR 155/02).
Ob dem Kläger allerdings durch die falsche Auskunft auch ein rechtlicher Schaden entstanden ist, insofern, als er im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der Auskünfte einen Rentenantrag stellte, den er in Kenntnis der tatsächlichen niedrigen Rentenhöhe noch nicht gestellt hätte, und es daher nicht zum Erwerb weiterer Versicherungszeiten vor Beginn der Regelaltersrente kam, kann hier letztlich dahingestellt bleiben.
Ebenso kann dahinstehen, ob die Pflichtverletzung der Beklagten eine wesentliche Ursache für den vom Kläger behaupteten Schaden ist. Dagegen könnte sprechen, dass er seinen Altersrentenantrag im Rahmen der Rechtsbehelfsfrist noch wieder hätte zurücknehmen und dann weitere Versicherungszeiten, z.B. auch in Form von Zeiten der Arbeitslosigkeit bei gleichzeitiger geringfügiger Beschäftigung als Busfahrer wie zuvor im Jahr 2004, erwerben können.
Entscheidend für das Nichtvorliegen des Anspruchs ist, dass die Beklagte im vorliegenden Fall nicht im Wege der Naturalrestitution die behaupteten Folgen der Pflichtverletzung beseitigen und diejenigen Rechtsfolgen herbeiführen kann, die nach Auffassung des Klägers eingetreten wären, wenn sie zuletzt im September 2004 eine zutreffende Rentenauskunft erteilt hätte. Abgesehen davon, dass hier relevante Einzelheiten des dann nach dem Vorbringen des Klägers eingegangenen versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses mangels seiner tatsächlich erfolgten Durchführung nicht bestimmbar wären, kann die Beklagte nicht im Wege einer zulässigen Amtshandlung ein solches nie existent gewesenes Beschäftigungsverhältnis für den Versicherungsverlauf des Klägers fingieren. Wirksame anrechenbare Versicherungsbeiträge setzen eine tatsächliche Entrichtung auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses voraus und damit ein tatsächliches Verhalten der beteiligten Vertragspartner des Arbeitsverhältnisses. Dieses kann nicht durch eine (zulässige) Amtshandlung der Beklagten ersetzt werden. Die Fingierung von Versicherungsbeiträgen ist im Sozialrecht nicht möglich.
Eine Wiederherstellung des bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten bestehenden Zustandes mit den Mitteln des Sozialrechts könnte hier lediglich in der Rückabwicklung des Ende 2004 vom Kläger gestellten Rentenantrags liegen, der dann als nicht gestellt anzusehen wäre.
Da das Begehren des Klägers darüber hinaus geht (zusätzliche Konstruktion von fiktiven Versicherungszeiten) und die bloße Rückgängigmachung des Rentenantrags ohne Anerkennung weiterer Versicherungszeiten seinem Begehren nicht entspricht, kann die Berufung keinen Erfolg haben. Soweit der Kläger meint, ihm sei durch das Verhalten der Beklagten ein rentenrechtlicher Schaden entstanden, kann dieser nur im Wege des Amtshaftungsanspruches geltend gemacht werden.
Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) beruht auf der Erwägung, dass auch die Berufung erfolglos geblieben ist.
Gründe für die Zulässigkeit der Revision gem. § 160 Abs.2 SGG sind nicht ersichtlich.
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