L 7 AS 181/09 NZB

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 AS 24/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 181/09 NZB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Ermittlung der Referenzmiete anhand des Durchschnittsmietpreises im Wohngeldbereich ist nicht zu beanstanden, wenn hiervon ein pauschaler Abschlag zur Korrektur vorgenommen wird im Hinblick auf die Feststellung des unteren Wohnsegments, da Wohngeld auch für Wohnungen des mittleren und gehobenen Standards gewährt werden. Ein pauschaler Abschlag in Höhe von 5 % der im Wohngeldbereich ermittelten Durchschnittsmiete ist im konkreten Fall angemessen und steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18. Februar 2009, Az.: S 1 AS 24/09, wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Bewilligung einer höheren Leistung für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum von 01.09.2008 bis 28.02.2009.

Die 1955 geborene Klägerin bezieht von der Beklagten seit August 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Derzeit bewohnt die Klägerin eine Wohnung mit einer Fläche von 43,42 m². Diese Wohnung erfüllte beim Einzug der Klägerin zum 01.07.2005 die Angemessenheitskriterien der Beklagten.

Nach einer zwischenzeitlich durchgeführten Gebäudesanierung, bei der eine verbesserte Wärmeisolierung sowie ein Außenbalkon angebracht wurden, erhöhte sich die Miete ab dem 01.12.2006. Die Miete lag ab diesem Zeitpunkt über den Angemessenheitsgrenzen der Beklagten. Für den streitigen Zeitraum beträgt die geschuldete Miete nach dem Mietvertrag 246,20 EUR monatlich. Zudem sind monatlich weitere 62,00 EUR für Betriebskostenvorauszahlungen sowie 52,00 EUR Abschlagszahlung an den Gaslieferanten zu entrichten. Die Heizung sowie die Warmwasserversorgung der Wohnung erfolgt über eine Gastherme.

Seit Mitte 2008 liegt die Angemessenheitsgrenze für das Gebiet der Beklagten bei
5,70 EUR/m² (Grundmiete sowie Betriebskosten ohne Heizung). Für einen Ein-Personen-Haushalt ergibt sich daher eine Angemessenheitsgrenze von 285,00 EUR monatlich.

Mit Bescheid vom 14.08.2008 bewilligte die Beklagte auf den Wiederbewilligungsantrag der Klägerin hin für den Zeitraum vom 01.09.2008 bis 28.02.2009 die Übernahme der Kosten der Unterkunft in Höhe von 285,00 EUR monatlich zuzüglich 45,78 EUR für Heizung (52,00 EUR abzüglich 6,22 EUR).

Den dagegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Bescheid vom 10.11.2008 zurück.

Mit Urteil vom 18.02.2009 wies das Sozialgericht Augsburg die dagegen erhobene Klage ab, wobei die Berufung nicht zugelassen wurde. Leistungen für Unterkunft und Heizung würden gem. § 22 Abs. 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen seien.

Die Angemessenheit der Wohnkosten sei in mehreren Schritten zu prüfen. Zunächst bedürfe es der Feststellung der m²-Zahl der betroffenen Wohnung. Hinsichtlich der m²-Zahl überschreite die Wohnung der Klägerin die nach der Bekanntmachung des Bayer. Staatsministeriums des Inneren vom 04.12.2007 (AllMBl. S. 760 ff. Ziff. 20) maßgebliche Angemessenheitsgrenze von 50 m² nicht.

Die konkrete Angemessenheitsgrenze sei in einem zweiten Schritt zu ermitteln, in dem man die angemessene Fläche mit dem Wohnungsstandard, der sich im m² ausdrücke, in Beziehung setze. Dem Hilfebedürftigen sei lediglich ein einfacher, im unteren Ausstattungssegment liegender Wohnungsstandard zuzuerkennen. Soweit kein Mietspiegel gem. §§ 558c ff. BGB vorliege, seien grundsicherungsrelevante Werte zu ermitteln. Dabei müsse die vom Grundsicherungsträger gewählte Datengrundlage lediglich auf einem schlüssigen Konzept beruhen, das eine hinreichende Gewähr dafür biete, die aktuellen Verhältnisse des maßgeblichen örtlichen Wohnungsmarkts wiederzugeben (BSG, Urteil vom 18.06.2008, B 14/7b AS 44/06 R). Für den Fall der Klägerin sei von einer nicht zu beanstandenden Berechnungsmethode bei einer Feststellung der Angemessenheitsgrenze aus den Wohngeldleistungen auszugehen. Die Ergebnisse seien von der Beklagten dargelegt worden, eine Korrektur des ermittelten Durchschnittsmietpreises im Wohngeldbereich durch den Abzug von 5 Prozent sei vor dem Hintergrund, dass Wohngeld auch für Wohnungen mittleren und gehobenen Standards bewilligt werde, zutreffend. Dieser Abzug sei ein tragfähiger Ansatz, da bei einem kleinen Leistungsträger zwangsläufig keine so umfangreiche Erhebungsbasis zu verlangen sein könne wie bei einem für eine Großstadt zuständigen Leistungsträger.

Die von der Klägerin gewünschte Gegenrechnung mit etwaigen Umzugskosten sei weder vom Gesetz vorgesehen noch praktisch umsetzbar. Dazu müssten hypothetische Annahmen für eine gegenzurechnende Leistungsdauer gemacht werden, die gar nicht möglich seien.

Im letzten Schritt sei nun noch zu ermitteln, ob es innerhalb des Angemessenheitsbereichs auch tatsächlich verfügbare Wohnungen mit den angesetzten Werten in nicht unbedeutender Anzahl gäbe. Dies sei insbesondere für den Bereich der ebenfalls zumutbaren Ein-Zimmer-Wohnungen im streitgegenständlichen Zeitraum der Fall.

Außerdem sei auch der Ansatz der Leistungen für Heizkosten zutreffend erfolgt, da die anfallenden tatsächlichen Kosten (Vorauszahlungspauschale) abzüglich des bei der Klägerin anfallenden und im Regelsatz bereits enthaltenen Anteils für Warmwasserzubereitung bewilligt worden seien.

Gegen die Nichtzulassung der Berufung hat die Klägerin am 17. März 2009 Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayer. Landessozialgericht erhoben.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 15. Mai 2009 Stellung genommen.

Die Berufung sei zulässig, da der Beschwerdewert von 750,00 EUR gem. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG erreicht sei.

Darüber hinaus habe die aufgeworfene Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung. Die Beklagte habe für die Ermittlung der Angemessenheitsgrenze nur einen Faktor herangezogen, nämlich Wohngeldleistungen und hinsichtlich der Betriebskosten die Werte der städtischen Liegenschaften. Diese Ermittlungsmethode biete keine hinreichende Gewähr dafür, die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietmarktes wiederzugeben. Die Datenbasis müsse auf mindestens 10% des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes beruhen. Die Faktoren, die das Produkt "Mietpreis" bestimmten (Standard, ggf. auch Jahr des ersten Bezuges bzw. der letzten Renovierung, Wohnungsgröße und Ausstattung), müssten in die Auswertung mit einfließen. Andernfalls sei das Datenmaterial nicht geeignet, als Maßstab für die Beurteilung der Angemessenheit im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II herangezogen zu werden. Nach den Feststellungen des Sozialgerichts könne nicht entschieden werden, ob die von der Beklagten herangezogene Datengrundlage die gesetzlichen Voraussetzungen erfülle. Es bedürfe daher einer gerichtlichen Überprüfung.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die gerichtlichen Akten erster und zweiter Instanz.

II.

Die von der Klägerin form- und fristgerecht erhobene Nichtzulassungsbeschwerde ist gem. § 145 SGG zulässig, sachlich jedoch unbegründet.

Nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Hier ist die Berufung jedoch wegen Unterschreitens der 750,00 EUR-Grenze zulassungsbedürftig; denn der Wert des Beschwerdegegenstandes in § 144 Abs. S.1 SGG ist der Rechtsmittelstreitwert, also der Wert dessen, was das Sozialgericht der Klägerin versagt hat und was diese mit ihren Berufungsanträgen weiter verfolgen würde. Mit der Klage begehrt die Klägerin die Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft in Höhe von 308,20 EUR. Da der Klägerin bereits 285,00 EUR bewilligt wurden, geht es nur um die Differenz zwischen den begehrten 308,20 EUR und den bereits bewilligten 285,00 EUR gehen, so dass sich für einen streitgegenständlichen Zeitraum von sechs Monaten ein Rechtsmittelstreitwert von 139,20 EUR ergibt. Auch ist die Berufung nicht nach § 144 Abs. 1 S.2 SGG zulässig, da ein Leistungszeitraum von nur sechs Monaten vorliegt.

Die Berufung ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 144 Abs. 2 SGG vorliegt.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne der Vorschrift hat eine Rechtssache dann, wenn eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von ihr aufgeworfen ist, wenn sie also bisher nicht geklärt ist und ihre Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Einheit des Rechts und dessen Weiterentwicklung zu gewährleisten.

Im vorliegenden Fall besteht für die Frage, ob die Ermittlung der Angemessenheit von Wohnraum im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II auch durch die Heranziehung von Daten aus dem Wohngeldbereich erfolgen kann, keine Klärungsbedürftigkeit mehr. Das BSG hat bereits entschieden, dass es zur Ermittlung der Angemessenheit im Sinne des § 22 Abs. 1 SGG keines qualifizierten Mietspiegels im Sinne des bürgerlichen Rechts bedarf, sondern dass dazu auch andere zur Verfügung stehende Erkenntnisquellen herangezogen werden dürfen (BSG, Urteil vom 18.06.2008, B 14/7b AS 44/06 R). In der Entscheidung führt das BSG aus: "Maßgebend ist vielmehr, dass die bei Wohngeldempfängern und bei Beziehern von Grundsicherungsleistungen in Betracht zu ziehenden Wohnungen in weiten Bereichen identisch sind. Soweit mithin in den Städten und Gemeinden Statistiken geführt werden, die Datensätze über durchschnittliche Mietpreise aus Wohngeldfällen enthalten oder überwiegend aus diesen bestehen, sind diese Daten durchaus geeignet, eine Grundlage zur Bestimmung des Begriffs der "Angemessenheit" zu bilden" (BSG, Urteil vom 18.06.2008, B 14/7b AS 44/06 R, Rz. 17 aE).

Die Beklagte hat genau dies im vorliegenden Fall getan, indem sie die Daten aus den Wohngeldfällen als Grundlage ihrer Berechnung heranzog und anhand des ermittelten Grundwertes weitere Vergleiche anstellte. Da aber das BSG bereits entschieden hat, dass dieses Vorgehen keinen Bedenken unterliegt, ist die Frage nicht mehr klärungsbedürftig.

Auch die Frage, in welchem Maße Heizkosten von den Trägern der Grundsicherung zu gewähren sind und wie dabei der Anteil für Warmwasserzubereitung aufgrund der Pauschalisierungswirkung des Regelsatzes gem. § 20 Abs. 1 SGB II in Ansatz zu bringen ist, ist vom Bundessozialgericht bereits geklärt (BSG, Urteil vom 27.02.2008, B 14/11b AS 15/07 R).

Es liegt auch kein Zulassungsgrund gem. § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG wegen Divergenz vor. Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18.02.2009, Az.: S 1 AS 24/09, weicht nicht von der genannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ab und setzt sich mit dieser Rechtsprechung auch inhaltlich zutreffend auseinander.

Ein Zulassungsgrund nach § 144 Abs. 2 Nr. 3SGG wegen eines Verfahrensmangels ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist im Ergebnis unbegründet und mit der Folge, dass die Entscheidung des Sozialgerichts Augsburg vom 18.02.2009, Az.: S 1 AS 24/09 gemäß § 145 Abs. 4 S. 4 SGG rechtskräftig wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und der Erwägung, dass die Klägerin blieb mit ihrer Beschwerde erfolglos.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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