Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 3635/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 AS 677/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 5. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die sofortige Bescheidung der mit seinem Überprüfungsantrags vom 17. Juli 2008 gestellten Anträge und die Aufhebung des Rücknahme- und Erstattungsbescheids vom 22. November 2006.
Der Beklagte gewährte dem Kläger zunächst ab dem 1. Januar 2005 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 22. November 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2008, nahm der Beklagte die Leistungs-Bewilligungen nach dem SGB II für den Zeitraum 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2006 zurück und forderte die Erstattung der für diesen Zeitraum zu Unrecht erhaltenen Leistungen in Höhe von insgesamt 15.418,90 EUR. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 13. Oktober 2008 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG, S 9 AS 3585/08).
Am 17. Juli 2008 stellte er verschiedene Anträge, denen die Beklagte einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X bzgl. des Rücknahme- und Erstattungsbescheids vom 22. November 2006 entnahm. Mit Schreiben vom 6. August 2008 teilte der Beklagte ihm mit, dass eine Überprüfung der genannten Entscheidung (erst) nach Beendigung der anhängigen Widerspruchs- und Klageverfahren erfolgen werde. Den hiergegen am 8. August 2008 eingelegten Widerspruch verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. September 2008 als unzulässig, weil es sich bei dem Schreiben vom 6. August 2008 nicht um einen mit Widerspruch anfechtbaren Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X handele.
Mit Bescheid vom 9. Oktober 2008 lehnte der Beklagte den am 17. Juli 2008 gestellten Antrag auf Überprüfung des Rücknahme- und Erstattungsbescheides vom 22. November 2006 gemäß § 44 SGB X ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. November 2008 unter Verweis auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 30. September 2008 als unbegründet zurück. Hiergegen erhob der Kläger am 20. November 2008 Klage (S 9 AS 4117/08).
Mit der am 16. Oktober 2008 im hier zugrunde liegenden Verfahren zum SG erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen die Mitteilung des Beklagten vom 6. August 2008 und den Widerspruchsbescheid vom 30. September 2008 gewendet.
Mit Gerichtsbescheid vom 5. Februar 2009 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG lägen vor. Die Klage sei unzulässig, weil sich ein Rechtsschutzbedürfnis für sie nicht feststellen lasse. Die Rechtmäßigkeit des den Kläger belastenden Rücknahme- und Erstattungsbescheides vom 22. November 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30. September 2008 in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht könne umfassend im Klageverfahren S 9 AS 3585/08 überprüft werden. Bzgl. dieser - durch zulässigen Widerspruch und zulässige Klage angefochtenen - Bescheide bedürfe es keiner (zusätzlichen) Überprüfung nach § 44 SGB X. Eines Überprüfungsantrags nach § 44 SGB X bedürfe es nur für den Fall, dass der belastende Verwaltungsakt bestandskräftig geworden sei; in diesem Falle ermögliche der Antrag nach § 44 SGB X eine Durchbrechung der Bindungswirkung (§ 77 SGG). Folgerichtig habe der Beklagte bereits mit dem Widerspruchsbescheid vom 17. November 2008 den Kläger darauf hingewiesen, dass eine Klageerhebung gegen diesen Widerspruchsbescheid im Hinblick auf den Streitgegenstand des Klageverfahrens S 9 AS 3585/08 nicht notwendig sei. Der Kläger könne einen weitergehenden Klageerfolg weder mit der dennoch erhobenen Klage vom 19. November 2008 (S 9 AS 4117/08) noch mit der vorliegend streitbefangenen, am 16. Oktober 2008 erhobenen Klage erreichen, was die Rechtmäßigkeit des Rücknahme- und Erstattungsbescheides vom 22. November 2006 anbelange. Es fehle daher insoweit von vornherein an einem Rechtsschutzbedürfnis sowohl für die Antragstellung selbst wie auch für die diesbezügliche Klage. Auch eine etwaige Umdeutung in eine Untätigkeits-Klage mache im Hinblick auf den dargelegten Sachverhalt und die bereits anhängige Klage S 9 AS 3585/08 keinen Sinn. Bei dieser Sachlage brauche auch nicht weiter darauf eingegangen zu werden, dass mit dem streitbefangenen Schreiben vom 6. August 2008 jedenfalls eine inhaltliche Entscheidung über den Überprüfungsantrag vom 17. Juli 2008 gemäß § 44 SGB X ersichtlich nicht getroffen worden sei.
Gegen diese ihm am 10. Februar 2009 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 11. Februar 2009 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung hat er auf die Klagebegründung Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2009 hat der Kläger weiter vorgetragen und erklärt, dass zunächst vollumfänglich auf den Schriftsatz an den Beklagten vom 29. September 2009 (siehe Anlage) verwiesen werde, in dem die Begründung des Überprüfungsantrages gemäß § 44 SGB X und damit auch die Begründung der Berufung erweitert werde. Desweiteren werde die Begründung der Berufung dahingehend erweitert, dass der Beklagte bei der Berechnung seiner Bescheide für alle zurückliegenden Leistungszeiträume die Rundungsvorschrift des § 41 Abs. 2 SGB II nicht beachtet habe. Desweiteren werde die Begründung der Berufung dahingehend erweitert, dass erneut und bereits mehrfach darauf hingewiesen werde, dass sich der diesem Verfahren zugrundeliegende Überprüfungsantrag nicht nur auf den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 22. November 2006, sondern auf sämtliche (bestandskräftigen) Bescheide für alle zurückliegenden Leistungszeiträume beziehe. Dies gehe bereits aus dem Überprüfungsantrag vom 17. Juli 2008 und aus der Begründung des Widerspruchs vom 7. August 2008 explizit hervor. Die Erwiderungen des Beklagten würden daher durch Wiederholung nicht richtiger. Dessen Ausführungen zu § 31 SGB X gingen an der Sache auch völlig vorbei. Desweiteren werde hiermit förmlich gerügt, dass der Senat in seinem Beschluss über den PKH-Antrag vom 5. Oktober 2009 offenbar die rechtswidrige Praxis des Beklagten unterstütze, sich zu weigern, über einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X zeitnah zu entscheiden. Der Beklagte erkläre zudem in seinem Schreiben vom 6. August 2008, er könne "momentan nicht über die Überprüfungsanträge entscheiden, weil das Widerspruchsverfahren bis zur Entscheidung des anhängigen Klageverfahrens ruht". Diese Rechtsauffassung entbehre jeglicher Rechtsgrundlage und komme einer Rechtsverweigerung gleich, denn zu keinem Zeitpunkt sei das Ruhen des Verfahrens beantragt worden, sondern einseitig vom Beklagten deklariert worden, ohne dass hierfür auch nur im Entferntesten eine Rechtsgrundlage existiere. Selbstverständlich habe der Beklagte auch bereits mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2008 an das Sozialgericht Reutlingen im Verfahren S 9 AS 3635/08 mitgeteilt, dass er mit Bescheid vom 9. Oktober 2008 über den Überprüfungsantrag entschieden habe und einem Vergleich nicht zustimme. Selbst das Sozialgericht Reutlingen gehe von diesem Sachverhalt aus und habe mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2008 einen entsprechenden Vergleichsvorschlag unterbreitet. Wenn nun der Senat diese Tatsachen insgesamt bestreite, stelle sich die Frage, warum dies angesichts der zutage getretenen Inkompetenz der übrigen Verfahrensbeteiligten zu Lasten des Berufungsklägers gehen solle. Abschließend werde davon ausgegangen, dass es sich bei den angeblich "unzutreffenden Hinweisen" im Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 17. November 2008 um eine rechtswidrige Begründung handele und bereits aus diesem Grund der Berufung im beantragten Umfang stattzugeben sei.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid vom 5. Februar 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, sofort über die mit Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X vom 17. Juli 2008 gestellten Anträge zu entscheiden und ihren Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 22. November 2006 mit sofortiger Wirkung aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und den übrigen Inhalt der SG-Akten, der Berufsakten und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl keiner der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen war. Die Beteiligten waren ordnungsgemäß geladen und darauf hingewiesen worden, dass auch im Falle ihres Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann.
Die Berufung ist zulässig. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 5. Februar 2009 ist jedoch unbegründet, weil die Klage bereits unzulässig war.
Mit seiner Klage vom 16. Oktober 2008 begehrte der Kläger, die Beklagte zu verpflichten, sofort über den Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X vom 17. Juli 2008 zu entscheiden sowie die Beklagte zu verpflichten, ihren Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 22. November 2006 mit sofortiger Wirkung aufzuheben. Für das Begehren, die Beklagte zur Aufhebung eines belastetenden Bescheides im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens zu verpflichten, ist die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage die richtige Klageart. Diese setzt ein ordnungsgemäß durchgeführtes Vorverfahren voraus. Die Behörde muss einen Überprüfungsantrag zunächst abgelehnt haben. Bereits dies ist hier nicht der Fall. Das Schreiben vom 6. August 2008 war kein Ablehnungsbescheid. Dass die Behörde damit keine Entscheidung über den Antrag nach § 44 SGB X getroffen hat, ergibt sich eindeutig daraus, dass sie dem Kläger darin mitgeteilt hat, momentan könne nicht über seine Überprüfungsanträge entschieden werden. Die Beklagte hat den hiergegen eingelegten Widerspruch daher auch zu Recht mit Widerspruchsbescheid vom 30. September 2008 als unzulässig verworfen. Damit war die Klage mangels ordnungsgemäß durchgeführten Vorverfahrens ebenfalls unzulässig.
Ein entsprechendes Vorverfahren für das vorliegend geltend gemachte Begehren wurde erst mit Widerspruchsbescheid vom 17. November 2008 ordnungsgemäß abgeschlossen. Mit diesem Bescheid wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 9. Oktober 2008, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid auf den Überprüfungsantrag vom 17. Juli 2008 aufzuheben, als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen wurde am 20. November 2008 gesondert Klage erhoben. Der Bescheid vom 9. Oktober 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. November 2008, der entgegen des unzutreffenden Hinweises im Widerspruchsbescheid vom 17. November 2008 keinen vorangegangenen Bescheid ändert oder ersetzt, sondern erstmals über den Antrag nach § 44 SGB X entscheidet, ist auch nicht auf andere Weise - z.B. innerhalb der Rechtsmittelfrist im Wege der Klageerweiterung oder einer im Ermessen des Gerichts liegenden Verbindung der Verfahren - in das hier zugrunde liegende Klageverfahren einbezogen worden und konnte der Klage vom 16. Oktober 2008 dementsprechend nicht zur Zulässigkeit verhelfen. Vielmehr wird im Klageverfahren S 9 AS 4117/08 über das hier geltend gemachte Überprüfungsbegehren zu entscheiden sein.
Das Begehren im vorliegenden Klageverfahren kann auch, soweit die Verpflichtung der Beklagten zur Entscheidung über den Überprüfungsantrag erstrebt wird, nicht im Sinne einer Untätigkeitsklage als zulässig angesehen werden. Dies scheidet schon deshalb aus, weil der Beklagte, wie sich aus dem oben Dargelegten ergibt, mit Bescheid vom 9. Oktober 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. November 2008 über den Antrag vom 17. Juli 2008 entschieden hat, so dass sich jedenfalls ab diesem Zeitpunkt das Begehren einer Untätigkeitsklage erledigt hatte und diese damit ab diesem Zeitpunkt unzulässig war.
Soweit der Kläger geltend macht, dass mit Bescheid vom 9. Oktober 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. November 2008 seine Anträge vom 17. Juli 2008 nicht vollständig beschieden worden seien, weil er auch die Überprüfung bezüglich sämtlicher ergangener Bewilligungsbescheide beantragt habe, ist die Klage als allein in Betracht kommende Untätigkeitsklage auch insoweit unzulässig, weil es an der Klagebefugnis fehlt. Es ist kein Anspruch auf Überprüfung von Bescheiden mit dem Begehren ihrer Aufhebung oder Änderung denkbar, solange diese, wie vorliegend, wirksam aufgehoben sind. Weitere auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichtete Anträge lassen sich dem Schreiben vom 17. Juli 2008 nicht entnehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die sofortige Bescheidung der mit seinem Überprüfungsantrags vom 17. Juli 2008 gestellten Anträge und die Aufhebung des Rücknahme- und Erstattungsbescheids vom 22. November 2006.
Der Beklagte gewährte dem Kläger zunächst ab dem 1. Januar 2005 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 22. November 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2008, nahm der Beklagte die Leistungs-Bewilligungen nach dem SGB II für den Zeitraum 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2006 zurück und forderte die Erstattung der für diesen Zeitraum zu Unrecht erhaltenen Leistungen in Höhe von insgesamt 15.418,90 EUR. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 13. Oktober 2008 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG, S 9 AS 3585/08).
Am 17. Juli 2008 stellte er verschiedene Anträge, denen die Beklagte einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X bzgl. des Rücknahme- und Erstattungsbescheids vom 22. November 2006 entnahm. Mit Schreiben vom 6. August 2008 teilte der Beklagte ihm mit, dass eine Überprüfung der genannten Entscheidung (erst) nach Beendigung der anhängigen Widerspruchs- und Klageverfahren erfolgen werde. Den hiergegen am 8. August 2008 eingelegten Widerspruch verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. September 2008 als unzulässig, weil es sich bei dem Schreiben vom 6. August 2008 nicht um einen mit Widerspruch anfechtbaren Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X handele.
Mit Bescheid vom 9. Oktober 2008 lehnte der Beklagte den am 17. Juli 2008 gestellten Antrag auf Überprüfung des Rücknahme- und Erstattungsbescheides vom 22. November 2006 gemäß § 44 SGB X ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. November 2008 unter Verweis auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 30. September 2008 als unbegründet zurück. Hiergegen erhob der Kläger am 20. November 2008 Klage (S 9 AS 4117/08).
Mit der am 16. Oktober 2008 im hier zugrunde liegenden Verfahren zum SG erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen die Mitteilung des Beklagten vom 6. August 2008 und den Widerspruchsbescheid vom 30. September 2008 gewendet.
Mit Gerichtsbescheid vom 5. Februar 2009 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG lägen vor. Die Klage sei unzulässig, weil sich ein Rechtsschutzbedürfnis für sie nicht feststellen lasse. Die Rechtmäßigkeit des den Kläger belastenden Rücknahme- und Erstattungsbescheides vom 22. November 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30. September 2008 in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht könne umfassend im Klageverfahren S 9 AS 3585/08 überprüft werden. Bzgl. dieser - durch zulässigen Widerspruch und zulässige Klage angefochtenen - Bescheide bedürfe es keiner (zusätzlichen) Überprüfung nach § 44 SGB X. Eines Überprüfungsantrags nach § 44 SGB X bedürfe es nur für den Fall, dass der belastende Verwaltungsakt bestandskräftig geworden sei; in diesem Falle ermögliche der Antrag nach § 44 SGB X eine Durchbrechung der Bindungswirkung (§ 77 SGG). Folgerichtig habe der Beklagte bereits mit dem Widerspruchsbescheid vom 17. November 2008 den Kläger darauf hingewiesen, dass eine Klageerhebung gegen diesen Widerspruchsbescheid im Hinblick auf den Streitgegenstand des Klageverfahrens S 9 AS 3585/08 nicht notwendig sei. Der Kläger könne einen weitergehenden Klageerfolg weder mit der dennoch erhobenen Klage vom 19. November 2008 (S 9 AS 4117/08) noch mit der vorliegend streitbefangenen, am 16. Oktober 2008 erhobenen Klage erreichen, was die Rechtmäßigkeit des Rücknahme- und Erstattungsbescheides vom 22. November 2006 anbelange. Es fehle daher insoweit von vornherein an einem Rechtsschutzbedürfnis sowohl für die Antragstellung selbst wie auch für die diesbezügliche Klage. Auch eine etwaige Umdeutung in eine Untätigkeits-Klage mache im Hinblick auf den dargelegten Sachverhalt und die bereits anhängige Klage S 9 AS 3585/08 keinen Sinn. Bei dieser Sachlage brauche auch nicht weiter darauf eingegangen zu werden, dass mit dem streitbefangenen Schreiben vom 6. August 2008 jedenfalls eine inhaltliche Entscheidung über den Überprüfungsantrag vom 17. Juli 2008 gemäß § 44 SGB X ersichtlich nicht getroffen worden sei.
Gegen diese ihm am 10. Februar 2009 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 11. Februar 2009 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung hat er auf die Klagebegründung Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2009 hat der Kläger weiter vorgetragen und erklärt, dass zunächst vollumfänglich auf den Schriftsatz an den Beklagten vom 29. September 2009 (siehe Anlage) verwiesen werde, in dem die Begründung des Überprüfungsantrages gemäß § 44 SGB X und damit auch die Begründung der Berufung erweitert werde. Desweiteren werde die Begründung der Berufung dahingehend erweitert, dass der Beklagte bei der Berechnung seiner Bescheide für alle zurückliegenden Leistungszeiträume die Rundungsvorschrift des § 41 Abs. 2 SGB II nicht beachtet habe. Desweiteren werde die Begründung der Berufung dahingehend erweitert, dass erneut und bereits mehrfach darauf hingewiesen werde, dass sich der diesem Verfahren zugrundeliegende Überprüfungsantrag nicht nur auf den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 22. November 2006, sondern auf sämtliche (bestandskräftigen) Bescheide für alle zurückliegenden Leistungszeiträume beziehe. Dies gehe bereits aus dem Überprüfungsantrag vom 17. Juli 2008 und aus der Begründung des Widerspruchs vom 7. August 2008 explizit hervor. Die Erwiderungen des Beklagten würden daher durch Wiederholung nicht richtiger. Dessen Ausführungen zu § 31 SGB X gingen an der Sache auch völlig vorbei. Desweiteren werde hiermit förmlich gerügt, dass der Senat in seinem Beschluss über den PKH-Antrag vom 5. Oktober 2009 offenbar die rechtswidrige Praxis des Beklagten unterstütze, sich zu weigern, über einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X zeitnah zu entscheiden. Der Beklagte erkläre zudem in seinem Schreiben vom 6. August 2008, er könne "momentan nicht über die Überprüfungsanträge entscheiden, weil das Widerspruchsverfahren bis zur Entscheidung des anhängigen Klageverfahrens ruht". Diese Rechtsauffassung entbehre jeglicher Rechtsgrundlage und komme einer Rechtsverweigerung gleich, denn zu keinem Zeitpunkt sei das Ruhen des Verfahrens beantragt worden, sondern einseitig vom Beklagten deklariert worden, ohne dass hierfür auch nur im Entferntesten eine Rechtsgrundlage existiere. Selbstverständlich habe der Beklagte auch bereits mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2008 an das Sozialgericht Reutlingen im Verfahren S 9 AS 3635/08 mitgeteilt, dass er mit Bescheid vom 9. Oktober 2008 über den Überprüfungsantrag entschieden habe und einem Vergleich nicht zustimme. Selbst das Sozialgericht Reutlingen gehe von diesem Sachverhalt aus und habe mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2008 einen entsprechenden Vergleichsvorschlag unterbreitet. Wenn nun der Senat diese Tatsachen insgesamt bestreite, stelle sich die Frage, warum dies angesichts der zutage getretenen Inkompetenz der übrigen Verfahrensbeteiligten zu Lasten des Berufungsklägers gehen solle. Abschließend werde davon ausgegangen, dass es sich bei den angeblich "unzutreffenden Hinweisen" im Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 17. November 2008 um eine rechtswidrige Begründung handele und bereits aus diesem Grund der Berufung im beantragten Umfang stattzugeben sei.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid vom 5. Februar 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, sofort über die mit Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X vom 17. Juli 2008 gestellten Anträge zu entscheiden und ihren Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 22. November 2006 mit sofortiger Wirkung aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und den übrigen Inhalt der SG-Akten, der Berufsakten und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl keiner der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen war. Die Beteiligten waren ordnungsgemäß geladen und darauf hingewiesen worden, dass auch im Falle ihres Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann.
Die Berufung ist zulässig. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 5. Februar 2009 ist jedoch unbegründet, weil die Klage bereits unzulässig war.
Mit seiner Klage vom 16. Oktober 2008 begehrte der Kläger, die Beklagte zu verpflichten, sofort über den Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X vom 17. Juli 2008 zu entscheiden sowie die Beklagte zu verpflichten, ihren Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 22. November 2006 mit sofortiger Wirkung aufzuheben. Für das Begehren, die Beklagte zur Aufhebung eines belastetenden Bescheides im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens zu verpflichten, ist die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage die richtige Klageart. Diese setzt ein ordnungsgemäß durchgeführtes Vorverfahren voraus. Die Behörde muss einen Überprüfungsantrag zunächst abgelehnt haben. Bereits dies ist hier nicht der Fall. Das Schreiben vom 6. August 2008 war kein Ablehnungsbescheid. Dass die Behörde damit keine Entscheidung über den Antrag nach § 44 SGB X getroffen hat, ergibt sich eindeutig daraus, dass sie dem Kläger darin mitgeteilt hat, momentan könne nicht über seine Überprüfungsanträge entschieden werden. Die Beklagte hat den hiergegen eingelegten Widerspruch daher auch zu Recht mit Widerspruchsbescheid vom 30. September 2008 als unzulässig verworfen. Damit war die Klage mangels ordnungsgemäß durchgeführten Vorverfahrens ebenfalls unzulässig.
Ein entsprechendes Vorverfahren für das vorliegend geltend gemachte Begehren wurde erst mit Widerspruchsbescheid vom 17. November 2008 ordnungsgemäß abgeschlossen. Mit diesem Bescheid wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 9. Oktober 2008, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid auf den Überprüfungsantrag vom 17. Juli 2008 aufzuheben, als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen wurde am 20. November 2008 gesondert Klage erhoben. Der Bescheid vom 9. Oktober 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. November 2008, der entgegen des unzutreffenden Hinweises im Widerspruchsbescheid vom 17. November 2008 keinen vorangegangenen Bescheid ändert oder ersetzt, sondern erstmals über den Antrag nach § 44 SGB X entscheidet, ist auch nicht auf andere Weise - z.B. innerhalb der Rechtsmittelfrist im Wege der Klageerweiterung oder einer im Ermessen des Gerichts liegenden Verbindung der Verfahren - in das hier zugrunde liegende Klageverfahren einbezogen worden und konnte der Klage vom 16. Oktober 2008 dementsprechend nicht zur Zulässigkeit verhelfen. Vielmehr wird im Klageverfahren S 9 AS 4117/08 über das hier geltend gemachte Überprüfungsbegehren zu entscheiden sein.
Das Begehren im vorliegenden Klageverfahren kann auch, soweit die Verpflichtung der Beklagten zur Entscheidung über den Überprüfungsantrag erstrebt wird, nicht im Sinne einer Untätigkeitsklage als zulässig angesehen werden. Dies scheidet schon deshalb aus, weil der Beklagte, wie sich aus dem oben Dargelegten ergibt, mit Bescheid vom 9. Oktober 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. November 2008 über den Antrag vom 17. Juli 2008 entschieden hat, so dass sich jedenfalls ab diesem Zeitpunkt das Begehren einer Untätigkeitsklage erledigt hatte und diese damit ab diesem Zeitpunkt unzulässig war.
Soweit der Kläger geltend macht, dass mit Bescheid vom 9. Oktober 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. November 2008 seine Anträge vom 17. Juli 2008 nicht vollständig beschieden worden seien, weil er auch die Überprüfung bezüglich sämtlicher ergangener Bewilligungsbescheide beantragt habe, ist die Klage als allein in Betracht kommende Untätigkeitsklage auch insoweit unzulässig, weil es an der Klagebefugnis fehlt. Es ist kein Anspruch auf Überprüfung von Bescheiden mit dem Begehren ihrer Aufhebung oder Änderung denkbar, solange diese, wie vorliegend, wirksam aufgehoben sind. Weitere auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichtete Anträge lassen sich dem Schreiben vom 17. Juli 2008 nicht entnehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved